ANPASSUNGSFÄHIGKEIT (ADAPTABILITY)
Alles unterliegt dem kontinuierlichen Wandel. Dieser Veränderungen gilt es sich rechtzeitig bewusst zu werden und sie für sich zu nutzen.
WER NOCH IN ZUKUNFT als Unternehmen erfolgreich Geld verdienen möchte, muss sich spätestens ab heute an die neuen Gegebenheiten des digitalen Wandels anpassen. Denn es ändern sich nicht nur die grundlegenden Möglichkeiten, wie, wo und wann ein Unternehmen seine Leistungen erbringt und vermarktet, sondern auch die Spielregeln der Wettbewerbsfähigkeit dank moderner Geschäfts- und Führungsmodelle.
Den alten Spruch von Charles Darwin kennen wir aus der Schule, nach dem nicht der Stärkste und nicht der Intelligenteste den Wandel seiner Zeit überlebt, sondern derjenige, der sich am besten an Veränderungen anpasst. Und genau hierum geht es bei dem ersten der neun Prinzipien der modernen Führung der Digital Leader. »Stillstand ist Rückschritt« oder »Wer nicht lernt, bleibt stehen« – aus solchen Aphorismen spricht die Erkenntnis, dass man für das Neue offen sein muss.
Diese Offenheit darf sich nicht auf Worte beschränken, sondern muss sich vor allem in Taten zeigen. Und genau dies fällt vielen Menschen und ihren Organisationen (wie Unternehmen oder Vereinen) oft schwer. Lieber bleiben wir Menschen in alten Denkmustern, in alten Paradigmen und die Firmen in alten Geschäftsmodellen.
Schon seit Längerem wirken im Rahmen der digitalen Transformation neun zentrale und konkrete wirtschaftliche Megatrends mit gravierenden Folgen für die heutigen Unternehmenskonzepte:
die globale Vernetzung und Transparenz aller Marktteilnehmer (Netzwerkökonomie) die fortschreitende Automatisierung von Routinetätigkeiten dank Entwicklungssprüngen in den Bereichen Industrie 4.0, Robotics und künstliche Intelligenz (Automatisierung) die Bedeutung neuer Dienstleistungen (Serviceökonomie) die maximale Verwertung von Daten (Datenökonomie) das Aufkommen neuer Intermediäre (Plattformökonomie) der Austausch bisheriger Leistungsangebote durch mehr oder weniger bahnbrechende Substitutionen (Disruptionen) die Überwindung bisheriger Branchengrenzen (Crossing Borders) der Effekt der dezentralen Produktion (do it yourself) die Bedeutung von Start-ups (Start-up-Ökonomie) Diese neun wirtschaftlichen Megatrends entsprechen der Grundidee aller »Megatrends«: als langfristige Entwicklungen, die bestimmte gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Bereiche nachhaltig prägen. Der Begriff der »Megatrends« geht auf den Zukunftsforscher John Naisbitt zurück, der schon 1982 die Differenzierung zwischen kurzfristigen Produkt-, Mode- und Konsumtrends einerseits und den hier zu diskutierenden Megatrends andererseits formulierte.
Zwei zentrale Unterschiede ergeben sich zwischen kurzzeitigen Trends und dem Bereich der Megatrends: der Einfluss auf alle Bereiche unseres Lebens und der zeitliche Horizont. So treten Megatrends nicht nur in einem Lebens- oder Industriebereich auf. Sie beeinflussen grundsätzlich alle Bereiche unseres wirtschaftlichen, politischen, ökologischen, sozialen sowie privaten Lebens. Ihre Kräfte verändern ganze Gesellschaften und Wertesysteme. Oft sind die Megatrends untereinander nicht scharf abgrenzbar, sondern vermischen sich untereinander.
Netzwerkökonomie | Automatisierung | Serviceökonomie |
Datenökonomie | Plattformökonomie | Disruption |
Crossing Borders | Do it yourself | Start-up-Ökonomie |
Abbildung 2: Wirtschaftliche Megatrends
Trendanalyse mittels Scanning, Naming und Monitoring
In drei Schritten lassen sich Trends grundsätzlich analysieren: durch Scanning, Naming und Monitoring. Der erste Schritt zur Anpassungsfähigkeit liegt im Beobachten und Erkennen einzelner Trends (sog. Scanning). Hierfür reicht oft ein Blick in unsere Medien (wie Print, TV oder soziale Medien) als dem Spiegel unserer Kultur. Wer aufmerksam die Medien studiert oder auch an Hotspots des Wandels (wie Konferenzen, Forschungseinrichtungen, Internetforen, Partys oder Startups) präsent ist, der sieht schnell, welche Entwicklungen sich auftun. Eine gute Übung zur eigenen Annäherung an einen Trend ist es, diesem einen an das eigene berufliche Umfeld angepassten Namen (sog. Naming) zu geben. So kann der gesellschaftliche Megatrend »Individualisierung« für ein Industrieunternehmen den Subtrend »Losgröße 1« oder für einen Dienstleister Bereitstellung »on Demand« bedeuten. Der dritte Schritt zur Annäherung an einen Trend beinhaltet die Trendkonkretisierung inklusive der Definition von Frühwarnindikatoren, mit deren Hilfe die weitere Entwicklung des Trends beobachtet und eine zukünftige Marktrelevanz eingeschätzt werden kann (sog. Monitoring).
Reine Mode-, Konsum- und Produkttrends (etwa in Form einer IT-Lösung) haben eine zeitliche Halbwertzeit von vielleicht nur fünf Jahren. Megatrends haben hingegen Konstanz. Ihre Lebensdauer umfasst mindestens 25 bis 30 Jahre, in welchen sie sich in ihrer Kernaussage nicht gravierend ändern, wohl hingegen in ihrer Intensität und Bedeutung für ihre Umwelt. Nicht alle Megatrends haben dabei immer direkt (aber oft indirekt!) mit der Digitalisierung zu tun, wie beispielsweise die Globalisierung, die Urbanisierung, die Gender-Diskussion, Gesundheitsbewusstsein, Klimaschutz, die Mobilität, New Work und die Individualisierung.
Transparent, überregional und direkt verbunden (Netzwerkökonomie)
Starten wir mit dem ersten wirtschaftlichen digitalen Megatrend, der Netzwerkökonomie. Schon immer sind Unternehmen in Netzwerke eingebettet. Sie sind verbunden mit einer Vielzahl von Lieferanten, Kunden, Banken, Steuerberatern, Behörden, Verbänden, Gewerkschaften, Investoren und Gesellschaftern.
Der digitale Wandel verändert nun die Dimension unserer Netzwerke: Wir befinden uns nicht mehr nur in einem lokalen, engen Netzwerk mit unseren direkten Bekannten und Kontakten. Vielmehr kommen wir alle immer mehr in ein überregionales, ja sogar globales und zudem digital transparentes Netzwerk mit neuen Kontakten zu Anbietern, Nachfragern, Wettbewerbern und Geschäftspartnern, aber auch mit direktem digitalen Zugang zu Maschinen, Datenbanken und Prozessen.
Die Globalisierung erfährt eine neue Dimension. Mit dem Internet leben wir in einem globalen Dorf, in dem uns Nachrichten innerhalb von Sekunden erreichen, Konsumententrends aus Asien nach Europa schwappen und wir unser Wissen global teilen. Weltweit ist jeder Facebook-Nutzer mit weiteren 2,7 Mrd. Personen verbunden, WeChat hat über 1 Mrd. Nutzer pro Tag, LinkedIn über 625 Mio. Nutzer in der ganzen Welt und Alibaba über 552 Mio. weltweite Geschäftskunden. All dies sind potenzielle Kontakte für private oder geschäftliche Ambitionen.
Abbildung 3: Netzwerkökonomie
Aber Achtung: Die digitale Globalisierung ist nicht einseitig; zwei Effekte sind hierbei kritisch zu betrachten. Erstens existiert ein Nebeneinander zwischen der globalen Vernetzung mit unserem lokalen Leben und Wurzeln. Der sog. Glocal-Effekt (auch unter dem Namen »Glokalisierung« bekannt) bezeichnet dieses Nebeneinander bzw. die Interdependenzen der Globalisierung und ihrer lokalen Auswirkungen – hier zeigt sich der Wunsch nach lokaler Verbundenheit in einer global vernetzten Welt.
Zweitens führt die globale Vernetzung nur dann zu einem größeren Absatz- und Beschaffungsmarkt, wenn man sich klar von seinem Wettbewerb differenzieren kann. Oder noch härter formuliert: Man ist nur so lange für sein Netzwerk interessant, wie man einen klaren Vorteil bietet. Dem Effekt des immer weiter zunehmenden Wettbewerbs kann man nur mittels zweier Wettbewerbsvorteile gegenübertreten, die auf den schon 1980 von dem damaligen Harvard-Professor Michael Porter entwickelten klassischen Wettbewerbsstrategien basieren: Entweder ist die eigene Kostenstruktur so effizient, dass man auch bei niedrigen Preisen noch einen guten Gewinn erwirtschaftet. Dies nennt man die Strategie des Kostenführers, der seinem Netzwerk über einen langen Zeitraum (für ihn aber rentable) niedrige Preise und Schnäppchen offeriert. Oder man bietet seinen Kunden einen einmaligen Kundennutzen, den diese auch mit einem höheren Preis honorieren. Diese Strategie entspricht der Positionierung eines Nutzenführers.
Abbildung 4: Kosten- bzw. Nutzenführer-Strategie
Unternehmen, die weder Kosten- noch Nutzenführer sind, laufen Gefahr, sich im Sumpf der Vergleich- und Austauschbarkeit wiederzufinden. Sie repräsentieren den Durchschnitt, haben eine niedrige oder sogar negative Rentabilität und können sich nur noch durch preisaggressive Verkaufsstrategien vermarkten. Langfristig gefährden die unzureichenden Renditen die finanzielle Sicherheit eines Unternehmens. Dies kann zu einer Überschuldung des Unternehmens, zur Insolvenz und zum Verlust von Arbeitsplätzen führen.
Sumpf der Vergleichbarkeit
Firmen werden dank öffentlichen Bewertungen sowie Vergleichsportalen in ihrer Leistungsfähigkeit (Spezifikationen, Qualität, Preise und Zuverlässigkeit) transparent und vergleichbar. Überall werden Unternehmen heute bewertet: Endkunden geben Bewertungen und Empfehlungen über die Online-S...