KRAFT VON INNEN
Beim Besuch Henry Fords in Dearborn, einem Stadtteil von Detroit, dem Sitz des River-Rouge-Werkes, in dem die Serienproduktion ihren Anfang nahm, gab Ralph Waldo Trine seiner Freude über die weite Verbreitung seines Hauptwerks In Harmonie mit dem Unendlichen Ausdruck.
TRINE: Vor vier Wochen lernte ich Douglas Fairbanks in Hollywood kennen, als dort eines meiner Bücher verfilmt wurde. Bei der Begrüßung fragte ich ihn, ob er mich kenne. »Und ob«, gab er zur Antwort, »sehen Sie hier Ihr Buch In Harmonie mit dem Unendlichen mit der eigenhändigen Widmung von Henry Ford, das dieser mir seinerzeit schenkte.«
FORD: Ich erinnere mich gut daran, dass ich Fairbanks das Buch schickte. 1914, als meine Mitarbeiter und ich hier an einigen schwierigen Problemen arbeiteten, haben Ihre Bücher mir sehr geholfen. Seitdem habe ich immer einen Vorrat davon in meinem Büro, um sie ausgewählten Mitarbeitern und Besuchern zu schenken, für die ich mir eine ähnlich gute Wirkung dieser Lektüre verspreche, wie ich sie an mir selbst erlebt habe.
TRINE: Es freut mich, das gerade von Ihnen zu hören, und es ermutigt mich zu einer Frage, die mit meinen Büchern in Zusammenhang steht: Die Welt kennt Sie als den Schöpfer eines grandiosen Werkes, eines der größten Unternehmen der Welt. Bei meinem Rundgang durch Ihre ausgedehnten Werkanlagen sah ich Abertausende ebenso emsig wie zielbewusst bei der Arbeit. Ich empfand es als bewundernswert, dass ein Mann wie Sie, der vor fünfundzwanzig Jahren sozusagen mit nichts anfing, ein solches Riesenwerk geschaffen hat. Die meisten würden es, vor eine solche Aufgabe gestellt, für menschenunmöglich erklären.
FORD: Nun, es stimmt ja auch nicht ganz, dass ich »mit nichts angefangen« habe. Schließlich fängt jeder Mensch mit all seinen Möglichkeiten an, und alle Erfolgswege der Welt stehen ihm jederzeit offen.
TRINE: So ist es in der Tat. Dabei erscheint der Umstand, dass Sie bei dem, was Sie mit Ihrem Werk für den Fortschritt der Menschheit geleistet haben, zugleich ein Millionenvermögen erwarben, den meisten wohl als das Augenscheinlichste und Bedeutsamste, während ich den durch das Schaffen ausgelösten Reichtum als selbstverständliche, aber unwesentliche Nebenerscheinung werte.
FORD: Genau das ist auch meine Meinung. Reichtum ist nichts als ein nützliches Handwerkszeug. Er ist gewissermaßen der Brennstoff, der den Ofen in Gang hält, oder der Treibriemen am Schwungrad – ein bloßes Mittel zum Zweck.
TRINE: Diese Übereinstimmung unserer Auffassungen lässt mich zu einer Frage kommen, zu der ich gern gerade Ihre Meinung kennen lernen möchte: In einem meiner Bücher sage ich, dass wir »in dem Augenblick, da wir voll und ganz erkennen, wer und was wir sind, damit beginnen, unsere eigene Welt aufzubauen, wie es der Schöpfer tat«. Für mich gehören Propheten und Dichter genau wie die Erfinder und auch die Pioniere des Fortschritts alle der gleichen Menschenklasse an: Sie sind Seher, Vorausblickende des Kommenden. Ihnen eignet eine visionäre Schau des im Werden Befindlichen, ihr geistiger Horizont hat eine beträchtliche Weitung erfahren und umgreift Möglichkeiten, für die dem Alltagsmenschen noch das Verständnis fehlt.
FORD: Das ist richtig gesehen.
TRINE: Und nun meinen viele, dass ihnen die Kraft dazu fehle. Hierüber würde ich gern Ihre Meinung hören: Gibt es, nach Ihrer eigenen Erfahrung, denn eine Kraft, die mächtiger ist als wir, eine Kraft, mit der wir in Kontakt kommen können? Halten Sie eine ständige Verbindung mit dieser übermenschlichen oder sagen wir göttlichen Kraft überhaupt für möglich? Haben Sie selbst bei Ihrem Wirken das Bewusstsein eines solchen Kontakts, oder bemühen Sie sich um eine solche Verbindung?
FORD: Ich kann diese sehr konkreten Fragen bejahen. Diese unsichtbare Kraft ist so existent wie alles, was wir um uns herum sehen. Sie ist Kern und treibende Energie alles Bestehenden. Was wir als Geist und Materie unterscheiden, ist – energetisch gesehen – eine Einheit, bildet gewissermaßen das lebendige All in seiner Ganzheit. Darum spreche ich auch nicht gern von »geistig« und »stofflich«, als wären das zwei getrennte oder entgegengesetzte Dinge. Sie sind als Träger und Äußerung der gleichen Kraft eins.
TRINE: Und wie kommen Sie mit dieser Kraft in Kontakt?
FORD: Um mit ihr in Fühlung zu kommen, muss man zuerst mit sich selbst ins Reine kommen, sich auf sich selbst besinnen und sich über den Sinn seines Daseins klar werden – nämlich das zu tun, wozu man sich befähigt fühlt und womit man möglichst vielen Menschen den größtmöglichen Nutzen bringt. Dieses rechte Denken, die rechte Einstellung zum Leben, ist der Schlüssel zur Kraft.
TRINE: Darf ich das als Antwort auf meine Frage nehmen?
FORD: Es ist erst der Anfang. Jeder Mensch erscheint uns als eine Welt für sich – und ist doch zugleich ein Teil des Ganzen, eine lebendige Zelle im All-Organismus, aus dem er dauernd unsichtbare Lebenskräfte, geistige Energien zu sich heranzieht, die seinen Körper aufbauen und sich bei allem, was er tut, mitwirkend manifestieren. Bei allem, was er denkt und anstrebt, wirken diese feinen Lebensenergien helfend und gestaltend mit.
TRINE: Und diese Hilfe …
FORD: … wird jedem um so spürbarer zuteil, je bewusster er im Leben das Rechte, das Gute anstrebt und tut. Und wie diese geistige Energie ihm helfend zuströmt, so strahlt sie auch mit jedem Gedanken von ihm aus – als Bote, der für ihn das sucht und ihm bringt, was er braucht.
TRINE: Sie berühren damit eine wesentliche Tatsache, die ich in meinen Lebensbüchern immer wieder betone: Die Richtung der Gedanken, die wir hegen, ist entscheidend für die Art der Wirkung und der Erfolge, die wir erzielen.
FORD: Durchaus. Von der Beschaffenheit, das heißt der positiven oder negativen Ladung unserer Gedanken hängt es ab, welche Wandlungen die so aktivierte geistige Energie bewirkt. So gesehen ist diese Kraft uns nicht fern und unzugänglich; sie ist vielmehr in jedem Umfang in uns – als innere Kraft. Wird das begriffen, setzt augenblicklich ein schöpferischer Aufbauprozess ein. Man spürt dann, wie die innere Kraft mit den Gedanken hinausströmt, Botschaften und Tat-Impulse vermittelt und den Aufbau dessen, woran man arbeitet und was man bejaht, fördert.
TRINE: Dann wäre das zweite Wichtige die Sorge für klare, konzentrierte positive Gedanken.
FORD: Ja. Sobald man etwas im Geist klar und deutlich vor sich sieht, beginnt es sich bereits zu gestalten. Die dadurch angeregten geistigen Energien wirken dann als Helferkräfte bei der Formgebung und Verwirklichung des innerlich Bejahten. Sich ein Ideal bilden und es greifbar – gleichsam als geistige Matrize – vor sich sehen ist praktisch wesenseins mit dem, was wir Glauben nennen. Sie kennen ja das Wort: »Der Glaube ist Kern und Wesen der unsichtbaren Dinge.«
TRINE: Natürlich. Ich schrieb es nieder als Ausdruck meiner innersten Überzeugung.
FORD: Die meisten Menschen müssen noch lernen, wie wesentlich der Glaube für die Sichtbarmachung des Unsichtbaren ist. Ich selbst sehe, wie gesagt, Sichtbares und Unsichtbares, »Geist« und »Materie«, als eins an. Ich werte den Menschen als Zellenstaat, in dem die innere Kraft nach den Weisungen des zentralen Selbst, der Seele des Ganzen, arbeitet. Man könnte das Selbst mit der Bienenkönigin vergleichen, die den ganzen Bienenstaat in Ordnung hält.
TRINE: Ein guter Vergleich, der bestätigt, was ich vorhin von den »Sehern« sagte, die über eine umfassendere und feinere Wahrnehmung verfügen, über einen höheren Bewusstheitsgrad und damit über ein Vermögen der Voraussicht des Kommenden, das bei den meisten noch nicht entfaltet ist.
FORD: Es ist eine Frucht der Erfahrung. Was manche für eine besondere Gabe oder für ein einmaliges Talent halten, ist meiner Oberzeugung nach das Ergebnis langer, in vielen Leben erworbener Erfahrung. Ich muss dazu anfügen, dass ich glaube...