"... weil Gott es so will"
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"... weil Gott es so will"

Frauen erzÀhlen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin

  1. 304 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfĂŒgbar
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"... weil Gott es so will"

Frauen erzÀhlen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Die Aussicht, dass ihre Stimmen im Zuge des Synodalen Weges endlich in der Kirche gehört werden, hat innerhalb kĂŒrzester Zeit zu dieser eindrucksvollen Sammlung authentischer Lebenszeugnisse gefĂŒhrte. 150 Frauen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum zeichnen in ihren persönlichen Berichten das erschĂŒtternde Bild einer ungeheuren Charismen-Verschwendung, die sich in der katholischen Kirche seit Jahrzehnten ereignet hat und immer weiter ereignet. Die hier geschilderten Berufungserfahrungen und der leidenschaftliche, geradezu verschwenderische "priesterliche" und diakonische Einsatz so vieler bekannter und unbekannter Frauen zeugen von großem Leidensdruck, aber auch von zunehmendem UnverstĂ€ndnis fĂŒr das geltende Kirchenrecht, das Frauen nach wie vor von allen WeiheĂ€mtern ausschließt. Die FĂŒlle der geschilderten Erfahrungen sind ein ernster, unĂŒberhörbarer, theologisch wie pastoral gut begrĂŒndeter Appell zu einem Neudenken von Kirche und einer Änderung des AmtsverstĂ€ndnisses. Nur so können Klerikalismus und Machtmissbrauch ĂŒberwunden und die authentische Berufung von Frauen endlich Anerkennung finden und fruchtbar werden.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783451831539

DIE LEBENS- UND BERUFUNGSZEUGNISSE DER FRAUEN

Von A–Z

1. „Es kam mir vor, als wĂŒrden meine Worte gestohlen“ Je Ă€lter ich werde, desto drĂ€ngender wird das Thema „Priesterin“ fĂŒr mich als geistliches Thema. Es lautet: Bist du deiner Berufung gefolgt oder warst du zu bequem, zu Ă€ngstlich, zu 
?
Es gibt bis in die Kindheit Erinnerungen, dass ich mich zur Priesterin berufen gefĂŒhlt habe. Mit meinem Bruder habe ich Messe gespielt; die Rollenverteilung war klar: Mein jĂŒngerer Bruder war Messdiener, ich Pastor. Als er nach der Erstkommunion Messdiener wurde, mir diese Aufgabe aber verwehrt wurde, habe ich wie die Witwe im Gleichnis mehrere Jahre gekĂ€mpft, bis wir MĂ€dchen den Dienst am Altar tun durften. Mit 13 war ich mir sicher, Theologie zu studieren. Als wir in der 10. Klasse auf der Klassenfahrt an einer UniversitĂ€t das Schild „Institut fĂŒr Theologie“ sahen, wĂ€re ich am liebsten sofort reingegangen, um das Studium zu beginnen. An meiner Liebe zu Theologie wesentlich beteiligt war ein Priester, der promovierter Kirchenhistoriker und Leiter des Lehrerseminars war. Als ich ihn in der Oberstufe mit der Frage nach dem Priestertum der Frau behelligte, meinte er: „In zwanzig Jahren spricht da niemand mehr drĂŒber.“ Wie falsch er mit diesem Urteil lag! Das Theologiestudium habe ich zunĂ€chst noch im Glauben, dass die VerhĂ€ltnisse sich Ă€ndern können, begonnen. Ich war Mitglied in einem Bewerberkreis. Bei den Veranstaltungen dort wurde von der Ausbildungsleitung immer wieder betont, dass die Pastoralreferent*innen keineswegs Ersatz fĂŒr fehlende Priester seien, weil wir eine ganz andere SpiritualitĂ€t hĂ€tten. Ich habe mich immer gefragt, wo genau der Unterschied ist. War er daran zu erkennen, dass ich freiwillig morgens vor der Vorlesung in den Gottesdienst ging, wĂ€hrend die Priesteramtskandidaten ĂŒber die verpflichtende Teilnahme an der Messe jammerten? War er daran zu erkennen, dass wir „Laien“ uns im Studium viel mehr engagierten und im Durchschnitt bessere Leistungen erbrachten als die MĂ€nner mit der anderen SpiritualitĂ€t? AllmĂ€hlich wuchs die Überzeugung, dass es sinnlos ist, darauf zu warten, dass Frauen zum Priestertum zugelassen werden, und ich habe die Berufung zum Priestertum ganz hinten/unten vergraben, versteckt, wie auch immer. Denn parallel kam das Leben mit Beziehung, Elternschaft, Nestbau ... All diese Aufgaben habe ich bewĂ€ltigt, die Frage danach, wie mein Geschlecht und meine Berufung sich zueinander verhalten, trat zwar in den Hintergrund, meldete sich aber auf ganz unterschiedliche Weise immer wieder.
Evangelische Pastorinnen lösten nie etwas aus, solange sie Talar und BĂ€ffchen trugen. Aber als ich eines Tages einer lutherischen Pfarrerin im Messgewand gegenĂŒberstand, traf mich wie ein Blitz die Erkenntnis: So könnte es sein. Oft wurde ich gefragt, warum ich als Frau katholische Theologin bin. Evangelische Kolleg*innen boten mir mehr als einmal an: „Komm doch zu uns.“ Die Schwester einer Freundin, ebenfalls aus streng katholischem Elternhaus, konvertierte und ist seit 20 Jahren glĂŒcklich evangelische Pfarrerin. Es geht hier nicht darum, die Frage PriesterverstĂ€ndnis in den Kirchen der Reformation zu reflektieren. Es geht mir darum zu sehen, dass sie Menschen Heil zuspricht, wie es in der katholischen Kirche den Priestern vorbehalten ist. FĂŒr mich war die Konversion nie ernsthaft eine Frage. Die Mutter bleibt immer die Mutter, selbst wenn sie eine schlechte Mutter ist/war.
Immer wieder gibt es Situationen, in denen das Thema sich wieder meldet: Ich arbeite in der theologischen Erwachsenenbildung. Kurse schließe ich oft mit einer Wortgottesfeier ab. Wir hören das Wort der Schrift, wir teilen Brot und Wein, wir singen und beten gemeinsam. Nur eines tun wir nicht: die Worte, mit denen Jesus die Gemeinschaft derer, die ihm folgten, beauftragte, sich an ihn zu erinnern, sprechen. Die fehlen wie eine tiefe, schmerzhafte Wunde. Die Reaktion auf meine Weise, diese Feiern zu gestalten, ist oft so, dass die Teilnehmenden mir sagen, wie gut sie sich vorstellen können, wie es wĂ€re, wenn es katholische Priesterinnen gĂ€be. Gibt es aber nicht. Noch nicht? – Ich bin Autorin in einer Predigtreihe. Eines Sonntags saß ich in der Bank und hörte ĂŒberrascht eine Predigt, die ich gut kannte. Es kam mir vor, als wĂŒrden meine Worte gestohlen. Nicht weil eine andere Person meine Predigt hielt – das ist meine Aufgabe –, sondern weil ich diese Predigt nicht halten dĂŒrfte. Bei einer Gelegenheit legte ein Priester ausgerechnet bei Mk 5,21–43 als Tageslesung meiner Gemeinde nicht das Evangelium aus, sondern ließ sich breit ĂŒber seine Berufung aus und darĂŒber, dass so etwas fĂŒr Frauen völlig undenkbar ist. Spannend war zu sehen, dass im Anschluss nicht nur Frauen, alte und junge, sondern auch MĂ€nner entsetzt waren. Die Überlegung, wie dieser Sicht entgegengetreten werden muss, löste bei mir die Frage aus, ob ich bereit bin, mich zu meiner Berufung zu bekennen und so auch meine berufliche Position zu riskieren. Diese Gewissensfrage verstummt nicht mehr.
Andererseits frage ich mich angesichts der aktuellen Situation auch, ob ich in einer so kyriarchal strukturierten Gemeinschaft ĂŒberhaupt ein Amt ĂŒbernehmen will. Wir mĂŒssten unbedingt die Themen Amt und Priestertum völlig neu und zeitgemĂ€ĂŸ buchstabieren.
Manchmal denke ich, es gibt die Stimme der göttlichen Geistkraft in mir und es gibt eine satanische Stimme. Letztere sagt: Lass das, hat ja doch keinen Zweck, verlorene Energie ... Erstere sagt mir: Du kommst Deiner Berufung nicht nach! Schon lĂ€nger habe ich ehrliche Gewissensbisse, dass ich mich nicht kĂ€mpferisch in die erste Reihe gestellt habe, sondern immer vorsichtig diplomatische Wege gesucht habe. Über Jahrzehnte wurden Argumente gesammelt und vorgebracht, aber das wichtigste Argument nennen wir viel zu selten:
Es geht um Berufung. Wer kann dem Heiligen Geist vorschreiben, dass er nur die HĂ€lfte der Menschheit zu dieser Aufgabe berufen darf?
Anon.
2. „Ich bin Priesterin, die der Kirche dient und freudig das Reich Gottes verkĂŒndet“ Ich bin 79 Jahre alt, Kolumbianerin, und wurde von einer rebellischen Mutter, einer ehemaligen Ordensfrau und Missionsschwester aus dem Karmeliterorden, nach den Prinzipien und christlichen Werten des Glaubens erzogen. In meiner Kindheit habe ich mit meinen BrĂŒdern Prozessionen abgehalten und „Messen“ gelesen. Die Mutter machte uns den Altar und die Ornamente aus Zeitungspapier; sie hat uns nie gelehrt, dass Frauen Randfiguren in der Kirche sind. In meiner Jugend und in meinem ganzen Leben habe ich mich im Dienst des Evangeliums engagiert. Von klein auf war ich Laienmissionarin unter Afros und Indianern in der von Bischof Gerardo Valencia Cano gegrĂŒndeten UFEMI (UniĂłn Seglar de Misioneras), dem ich einen Teil meiner Ausbildung verdanke, die ich in Höherer Katechese am Lateinamerikanischen Katechetischen Institut absolviert habe. Als SekretĂ€rin des Bischofs war ich eine der drei LaiensekretĂ€rinnen der 2. Lateinamerikanischen Bischofskonferenz in MedellĂ­n (1968).
Ich fĂŒhlte den Ruf erst, als ich in der Gemeinschaft die Notwendigkeit spĂŒrte und erlebte. Die Mutter einer Freundin lag im Sterben, und sie bat mich, ihr bei der Suche nach einem Priester fĂŒr die Krankensalbung zu helfen. Ich fragte sie, ob sie in die Pfarrei gegangen sei, und sie sagte ja, aber dass der Priester gerade dabei war, an der UniversitĂ€t zu unterrichten. Und in der anderen Pfarrei? Sie antwortete: Der Priester sagte, es sei nicht seine Aufgabe, in diese Pfarrei zu gehen. An diesem Punkt begann ich stark zu spĂŒren, dass die VerkĂŒndigung des Evangeliums nicht zwischen Grenzen oder Mauern gefangen sein kann. Von dem Moment an, bis heute, haben mich die Sorge und der Ruf nicht mehr verlassen.
Mit der UnterstĂŒtzung meiner Schwester und Freundin Elfriede Harth, einer Deutschkolumbianerin, nahm ich Kontakt mit der Vereinigung römisch-katholischer Priesterinnen (Association of Roman Catholic Women Priests) auf. Es schien mir unmöglich. Könnte es eine andere Kirche, eine andere Sekte sein? Sie erklĂ€ren mir, dass sie zur Kirche gehören, dass sie eine internationale Bewegung sind, und sie fragen mich, ob ich akzeptieren wĂŒrde, exkommuniziert zu werden. Bis heute fĂŒhle ich mich nicht exkommuniziert. Vor kurzem ging ich in mein Dorf, um meine Taufurkunde zu holen, und ich gestehe, dass mir mein Herz aus meiner Brust springen wollte, wĂ€hrend der SekretĂ€r meinen Antrag vorbereitete. Es gab keine Randbemerkung, die auf eine Neuheit hindeutete. Ich bin nicht aus der Kirche ausgetreten, ich habe nicht auf meine Taufe verzichtet. Ich bin keine Unbekannte vor dem Episkopat und dem Klerus. Weder ich noch sonst eine der Priesterinnen, mit denen wir innerhalb der Kirche mit Mut und Diskretion zusammenarbeiten, wurde bislang belĂ€stigt.
Am 11. Dezember 2010 wurde ich zur Priesterin geweiht, und am 24. September 2015 wurde ich zur Bischöfin ernannt. Ich baue auf die UnterstĂŒtzung der Laien, die sich zunehmend bewusst werden, dass sie diejenigen sind, die uns unterstĂŒtzen und uns bitten, ihnen zu dienen. Ich fĂŒhle, dass ich dazu geweiht wurde, die Laien zu befĂ€higen, durch die VerkĂŒndigung des Evangeliums der Kirche zu dienen und sie wiederaufzubauen. Ich fĂŒhle mich nicht dazu geweiht, mit dem mĂ€nnlichen Klerus in Konkurrenz zu treten. Ich bin eine Priesterin, die der Kirche dient, freudig das Reich Gottes verkĂŒndet, Sexismus, Marginalisierung und Ungleichheit ausmerzen will, die gegenwĂ€rtige SĂŒnde, die der Kirche schadet.
Olga Lucía Álvarez Benjumea
3. „Zu groß war der Schmerz ĂŒber die UnerfĂŒllbarkeit der Berufung“ Ich bin mit 25 Jahren in ein Kloster eingetreten. Schon einige Zeit zuvor spĂŒrte ich die Berufung zu einem ehelosen Leben. In den ersten Jahren war ich natĂŒrlich mit dem Kennenlernen und Hineinwachsen in die Gemeinschaft und in diese Berufung beschĂ€ftigt. Das fordert den ganzen Menschen. Nie wĂ€re ich auf die Idee gekommen, in diesem Leben auch noch eine andere Berufung zur spĂŒren. Vor allem nicht eine Berufung, die es – nach dem offiziellen Recht und der Lehre der Kirche – nicht geben kann. Ich bekam sehr bald den Dienst der Sakristanin. So war ich Mesnerin und ein bisschen auch Messdienerin in einem. In vielen Messen brachte ich das Brot zur Gabenbereitung nach vorne und ĂŒbergab es dem Priester. Ich liebte den Dienst in der Sakristei – ganz besonders aber den Dienst wĂ€hrend der Messe. Stellvertretend fĂŒr alle brachte ich das Brot. Irgendwann – ich war etwa zwei Jahre im Kloster – spĂŒrte ich etwas, wusste aber nicht, was ich spĂŒre. Ich spĂŒrte etwas, das ich gar nicht spĂŒren „konnte“, das nicht sein konnte. Deshalb verstand ich auch nicht, was ich spĂŒrte.
Wir machten mit dem Kloster nicht lange danach einen mehrtĂ€gigen Pilgerweg zu Fuß, an dem auch GĂ€ste teilnahmen. Eine langjĂ€hrige Bekannte des Klosters und Theologin war dabei. Wir kamen auf dem Weg in ein persönliches GesprĂ€ch. Ich war erstaunt ĂŒber ihr Vertrauen zu mir. Sie erzĂ€hlte mir, dass sie schon seit LĂ€ngerem die Berufung zur Priesterin in sich spĂŒrte. Das war das erste Mal, dass ich so etwas hörte. Dass ich hörte, dass eine Frau sich dazu berufen fĂŒhlt. Es platzte bald aus mir heraus: Ich fĂŒhle mich auch dazu berufen! Wir sprachen darĂŒber, sie bestĂ€rkte mich. Ich war ganz ĂŒberwĂ€ltigt. Was fĂŒr eine Begegnung. FĂŒr mich war es auch eine FĂŒgung, eine BestĂ€tigung dessen, was ich gar nicht hĂ€tte denken, geschweige denn aussprechen können. Ich spĂŒrte eine große Dankbarkeit Gott gegenĂŒber – und gleichzeitig einen starken Schmerz und große Fragen. Was bedeutet diese Berufung, Gott? Was soll ich tun?
In dem Kloster waren Leitung und geistliche Begleitung leider nicht klar getrennt, so dass die Oberin fĂŒr mich auch eine sehr persönliche Ansprechpartnerin war. Sie hatte eine hohe AutoritĂ€t. Sie muss zu dieser Zeit irgendwo unterwegs gewesen sein – jedenfalls schrieb ich ihr von meiner Berufung. Sehr aufgeregt und gespannt, was sie sagen wĂŒrde. Ich mochte sie gern und schĂ€tzte sie sehr hoch. Es kamen nur zwei Zeilen – ich weiß gar nicht mehr was. Es war unklar, unverstĂ€ndlich. Als sie wieder im Haus war, wartete ich immer, dass sie etwas dazu sagte. Aber es kam nie etwas. Und ich traute mich nicht, sie nochmal darauf anzusprechen! Ich versuchte, ihrem Schweigen irgendeinen Sinn zu geben, aber so recht gelang das nicht. Meine Novizenmeisterin reagierte offen. Das tat mir gut. In mehreren GesprĂ€chen war die Berufung Thema. Aber sie wusste nicht, was sie damit machen sollte. Die fehlende Reaktion der Oberin blockierte mich zunehmend. Ich sprach bald nicht mehr ĂŒber das Thema und wurde nicht mehr darauf angesprochen – auch nicht von der Novizenmeisterin, die meine offizielle geistliche Begleiterin war. Jahrelang sprach ich nicht darĂŒber, und verdrĂ€ngte es auch ein bisschen. Auch mit einer neuen Begleiterin – wieder einer Mitschwester – sprach ich die Berufung nicht an. Zu groß waren einerseits der Schmerz ĂŒber die UnerfĂŒllbarkeit der Berufung und andererseits die Verwirrung, dass die so geschĂ€tzte – und wahrscheinlich ĂŒberschĂ€tzte – Oberin mich damit ignoriert hatte. – Eine geistliche Begleitung außerhalb der Gemeinschaft wĂ€re fĂŒr mich sehr wichtig gewesen!
Mittlerweile lebe ich nicht mehr im Kloster – und zwar nicht, weil ich die Berufung dazu nicht mehr gespĂŒrt hĂ€tte. Die GrĂŒnde waren ernsthaft, sollen aber hier nicht dargelegt werden. Ich habe einen geistlichen Begleiter gefunden, einen Jesuiten, der meine Priesterberufung ernst nimmt und mich darin bestĂ€rkt. Weiterhin lebe ich ehelos.
Eine Zeit lang – noch in den ersten Klosterjahren – war ich in der Ausbildung fĂŒr Pastoralreferent*innen angemeldet, meldete mich aber bald davon ab. Einerseits wurde mir vom Kloster dazu geraten – der Beruf sei kaum mit dem Klosterleben vereinbar. Andererseits konnte ich mir damals zunĂ€chst schwer vorstellen, in jeder Messe nur neben dem Priester zu stehen oder in der Bank zu sitzen. Ich dachte, das wĂŒrde ich schwer ertragen, weil die Sehnsucht so groß war. Vor allem die Sehnsucht, Eucharistie zu feiern. Brot und Wein darzubringen, die Einsetzungsworte zu sprechen. Das gebrochene Brot zu teilen. Jesu Gegenwart zu feiern.
Jahre spĂ€ter, nach meiner Promotion in Theologie, habe ich mich doch bewusst fĂŒr die Gemeindeseelsorge entschieden – als Pastoralreferentin. Ich fĂŒhle mich in dem Beruf sehr wohl und „in meinem Element“. Schwer zu ertragen war es allerdings, zu Beginn des Berufslebens zur Priesterweihe meiner mĂ€nnlichen Kollegen eingeladen zu sein, mit denen ich viel Zeit verbracht hatte. Ich wollte hingehen und ging auch hin – aber es war sehr schmerzhaft. Auch dann, als der Erzbischof in seiner Predigt betonte, wie sehr es beim Priestersein um Berufung geht und dass Gott diese MĂ€nner ausgewĂ€hlt hat. Das ist ja richtig, dachte ich. Ich konnte mich fĂŒr meine Kollegen auch wirklich mitfreuen. Aber gibt es nicht auch andere, die Gott beruft? Nach dem Gottesdienst sprach mich ein bekannter stĂ€ndiger Diakon – der aber nichts von meinem Wunsch wusste – an und sagte: „Willst nicht auch du sagen: ,Hier bin ich!‘?“ (wie es die werdenden Priester vor der Weihe tun). DarĂŒber war ich sehr erstaunt, aber auch tief berĂŒhrt.
Ich erfahre in meinem Beruf viel Freude. Aber dann kommt immer wieder auch der Schmerz, dass ich meine Berufung nicht voll leben kann. Ich kann nicht Eucharistie mit den Menschen feiern. Nicht die anderen Sakramente spenden. Die Sehnsucht danach ist nach wie vor da.
Dr. Monika Amlinger
4. „Du bist Priesterin des Höchsten Gottes“ Meine erste Gotteserfahrung – oder eben Nicht-Erfahrung – datiert in das Jahr 1964. Ich war gut zwei Jahre alt und sollte bei der Fronleichnamsprozession Blumen streuen: „Der liebe Gott kommt in einem kleinen goldenen Haus.“ Die dummen Erwachsenen machten dann dauernd in meinem Körbchen herum, als wenn ich nicht verstanden hĂ€tte, was streuen bedeutet. Aber ich habe nicht gesehen und also nicht gestreut. Fronleichnam ist fĂŒr mich bis heute mein Lieblingsfest, weil Gott kommt.
Auch an die Liturgiereform – da war ich im Vorschulalter – kann ich mich gut erinnern: Auf einmal drehte der Priester sich um. Dann stand plötzlich ein Tisch vor dem Hochaltar. Wochen spĂ€ter kam er noch nĂ€her: In der Vierung wurde eine Altarinsel gebaut. Mein Gott kommt auf mich zu.
Mit sieben habe ich mit Gott gestritten: „Völlig unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig, Dir jetzt zu versprechen, aus Buße ins Kloster zu gehen. Hallo, ich bin erst sieben.“ Woher ich den Begriff Buße kannte? Keine Ahnung. Verlangt hat er es schließlich doch.
Ein wichtiges Datum war meine Erstkommunion. NeunjĂ€hrig. Die Vorbereitung, klassenweise, durch den Pastor. An vieles Kostbare erinnere ich mich. Tabernakel habe ich mit ck geschrieben, dafĂŒr schĂ€me ich mich heute noch. Einen Priester sollten wir malen mit grĂŒnem Messgewand. Ich greife zum grĂŒnen Filzstift und beginne mit dem Gabelkreuz. GrĂŒn auf GrĂŒn – Pech. So hat die Kasel nur einen roten Stab. Daneben Jungs als Messdiener. NatĂŒrlich.
1975, schon dreizehn, durfte ich endlich Messdienerin werden. In diesem Jahr hatten wir Abendmesse und Maiandacht mit sakramentalem Segen kombiniert, also mit Weihrauch, Segensvelum und allem Drum und Dran. Der KĂŒster musste auf die Orgel. „Traust Du Dich?“ „Ja.“ Es war der 21. Mai. Fest des heiligen Hermann-Josef. Das ist der, der den Apfel zurĂŒckgebracht hat. Der Weg ist seitdem offen, zurĂŒck ins Paradies.
Meine Berufung ist Priesterin. Schon damals war klar: Von den drei Aspekten ist fĂŒr mich der wichtigste die Liturgin. Andere pastorale Berufe schieden damit aus, der Eintritt bei den Benediktinerinnen folgerichtig. Bei der Einkleidung – ich wollte eigentlich gerne meinen Taufnamen Anna behalten – bekam ich den Namen Klara, der Frau, die die Eucharistie trĂ€gt (auch wenn ich weiß, dass zu ihren Lebzeiten die Monstranz noch gar nicht erfunden war). Das Namensgeheimnis durften wir selbst benennen: vom Heiligen Kreuz. Denn in der Liturgie der Priesterweihe heißt es: „Bedenke, was du tust, ahme nach, was du vollziehst, und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.“ Ich ĂŒbe es.
Bei meiner Ewigen Profess, der Consecratio, war mir wichtig, dass ein Bischof, und nicht ein Abt, der Feier vorstand. Der Bischof, der auch die Priester weiht. Das Begleitwort ganz am Ende des Ritus, beim Aufsetzen der corona, des Kranzes, entspricht ĂŒbrigens dem der Übergabe der Mitra an einen neuen Bischof. Die Überreichung des Stundenbuches ist ein Rest der Liturgie der Diakoninnenweihe und der mit der Aufnahme in den Klerikerstand verbundenen Brevierpflicht. (Es gibt MĂ€nner, die der Consecratio und ebenso der Äbtissinnenweihe ihre jahrhundertealte Begrifflichkeit absprechen und sie zu reinen Segensfeiern deklassieren.)
1992 habe ich bei einem mir bis heute unvergesslichen Wochenendkurs, der in die Tiefe fĂŒhrte, in meinem Herzen den sicheren Zuspruch erhalten: „Du bist...

Inhaltsverzeichnis

  1. COVER
  2. TITELSEITE
  3. IMPRESSUM
  4. INHALT
  5. ANSTATT EINES VORWORTS: Texte heiliger Frauen
  6. PROLOG: Die ursprĂŒngliche Bitte um persönliche Lebens- und Berufungszeugnisse
  7. EINFÜHRUNG DER HERAUSGEBERIN: Welch eine Verschwendung von Charismen und Begabungen
  8. DIE LEBENS- UND BERUFUNGSZEUGNISSE DER FRAUEN: Von A–Z
  9. EPILOG: Drei exemplarische Stimmen von MĂ€nnern
  10. REGISTER DER TEXTE
  11. DIE HERAUSGEBERIN