Die Kreativität des Christentums
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Die Kreativität des Christentums

Von der Wahrnehmung zur Gestaltung der Welt

  1. 180 Seiten
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Die Kreativität des Christentums

Von der Wahrnehmung zur Gestaltung der Welt

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Über dieses Buch

"Kreativität des Christentums" bezeichnet die innovative Kraft der christlichen Religion, sowohl die eigene Erscheinungsform als auch die soziokulturelle Umwelt umzubilden. Dies gelingt durch eine ästhetische wie ethische Transzendierung der Gegenwart, in welcher Wahrnehmung und Gestaltung der Welt so miteinander verbunden werden, dass sich daraus ein produktiver Weltbezug entwickelt.

In den klassischen Studien zur Kulturbedeutung des Christentums von Ernst Troeltsch findet eine solchen Theorie der Kreativität des Christentums ihren Ausgangs- und Bezugspunkt.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783110733082

Kreativität des Christentums – Kontingenz der Geschichte

Was katholische Theologie von Troeltschs ‚Wesensschrift‘ lernen kann
Magnus Lerch
Troeltschs Schrift „Was heißt ‚Wesen des Christentums‘?“1 thematisiert die Identitätskonflikte, die sich aus der Kreativität des Christentums ergeben. Denn diese Kreativität begründet ja – wie im Tagungsflyer formuliert – die „Umbildung“ nicht nur der „soziokulturellen Welt“, sondern auch der „eigenen Erscheinungsform“ des Christentums. Es hat schon zu Troeltschs Zeiten Tradition, diese „Umbildung“ in der Differenz von ‚Wesen‘ und ‚Erscheinung‘ des Christentums zu verorten.2 Aber das Spezifikum von Troeltschs Ansatz besteht darin, dass er nicht nur den Pol ‚Erscheinung‘ historisiert, sondern auch das ‚Wesen‘. Der Ausdruck ‚Wesen des Christentums‘ wird zu einem historischen Konstruktionsbegriff.3 Dadurch wird ‚Umbildung‘ des Christentums als unabschließbarer Prozess beschreibbar, so aber auch in seiner prinzipiellen Konfliktivität einsichtig. Dieser Sachverhalt findet seinen Ausdruck in Troeltschs berühmter Formulierung, der zufolge jede Wesensbestimmung zugleich „Wesensgestaltung“ ist, eine ebenso konstruktive wie fragile Synthese von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.4 Entsprechend schillert auch die Gesamtanlage der Wesensschrift. Sie stellt sich als Analyse sowohl der Funktionen der Wesensbestimmung als auch ihrer Probleme dar. Auf diesem Weg aber stößt Troeltsch in bis dahin wohl unübertroffener Klarheit zu der Einsicht vor, dass die Momente geschichtlicher Diskontinuität und Kontingenz in einer historistischen Wesensbestimmung nicht nur nicht übersprungen werden können, sondern es auch nicht dürfen. Denn sie stellen die geschichtliche Möglichkeitsbedingung der Kreativität des Christentums dar. Das bedeutet nicht, dass Troeltsch den Aufweis geschichtlicher Kontinuität des Christentums – und damit die Wesensfrage als solche – hinter sich lässt. Ziel ist aber die Bestimmung einer Kontinuität, die „nirgends einfach zutage liegt“; einer gebrochenen Kontinuität also, die Troeltsch als „Kontinuum“ bezeichnet.5
Die katholische Theologie hat das Problem- und Reflexionsniveau, das Troeltschs historistische Denkform bietet, lange Zeit nicht aufgenommen. Diesem Reflexionsniveau heute zu entsprechen, gehört m. E. – um einen Ausdruck von Friedrich Wilhelm Graf etwas gegen den Strich zu bürsten – zu einer „nachholende[n] Selbstmodernisierung des Katholizismus“6. Daher soll zuvor auf die spezifische Rezeptionssituation in der katholischen Theologie eingegangen werden, bevor dann konstruktive Anknüpfungspunkte bei Troeltsch selbst benannt werden, die das Verhältnis von Kreativität und Kontingenz des Christentums betreffen.

1 Historismus als unerledigtes Problem der katholischen Theologie

Eine historistische Wesensbestimmung des Christentums nach Troeltschs Art ist dem Katholizismus lange Zeit fremd geblieben. Ihm fällt bis heute die Anerkennung diskontinuierlicher Geschichtsverläufe und der Kontingenz von Traditionsbildungsprozessen schwer.7 ‚Diskontinuität‘ ist hier formal und nicht inhaltlich-wertend gemeint: als Akzentuierung der Radikalität des geschichtlichen Wandels überhaupt, wie sie in den westlichen Industriegesellschaften seit dem 19. Jahrhundert zunehmend ins Bewusstsein rückte und durch den Historismus, d. h. durch eine Denkform orientiert werden sollte, die Wahrheit und Geschichte vermittelt.8 Dieser beschleunigte Wandel und das ihm zugeordnete methodische Instrumentarium, der Historismus und seine Problemgeschichte, konnten in der katholischen Theologie nicht auf dem Reflexionsniveau Troeltschs durchgearbeitet werden. Das hat vielfältige Gründe, die hier nur stichwortartig umrissen und an theologiehistorischen Stationen identifiziert werden sollen.
Die katholische Theologie hat, erstens, vor und nach dem II. Vatikanum häufig Geschichtstheorien rezipiert, die der Katholischen Tübinger Schule des 19. Jahrhunderts entsprachen. Ungeachtet derer Verdienste kommt es mir jetzt nur auf den Punkt an, dass die Tübinger Schule insgesamt – wenn auch im Einzelnen in höchst verwickelter Weise – einem systematischen Hintergrund verpflichtet ist, von dem sich Troeltsch um die Jahrhundertwende gerade löst9, nämlich der idealistischen Geschichtsphilosophie. Mit ihr stimmt die Tübinger Schule überein zwar nicht im Versuch einer hegelianischen Aufhebung von Offenbarungs- in Vernunftwahrheit, von religiöser Vorstellung in philosophischen Begriff; wohl aber in der Art und Weise, wie geschichtlicher Wandel nur verstanden werden kann: als kontinuierlicher Fortschritt, organisches Wachstum, sukzessive ‚Ent-Wicklung‘, aber gerade nicht: als kontingente Transformation.10 Um einen zeitlichen Sprung zu machen: Genau auf dieser Linie thematisiert das II. Vatikanische Konzil in der Offenbarungskonstitution Dei Verbum zwar eine geschichtliche Entwicklung, aber vor allem unter positivem Vorzeichen.11 Im diesbezüglichen Kommentar hat Joseph Ratzinger 1967 noch kritisiert, was er bereits ein Jahr zuvor gegen die unter der „Fortschrittsidee“ stehende, typisch katholische Konzeption der Dogmengeschichte eingewandt hat: Sofern sie als „reine Aufstiegsgeschichte“ begriffen wird, ist sie nicht nur dem Phänomen historischen Wandels unangemessen, sondern übergeht auch das Moment der Traditionskritik.12 Diese Perspektive ist später, in den Debatten um Kontinuität und Diskontinuität des Konzils selbst und der inhaltlichen Aufladung des jeweiligen Pols mit unterschiedlichen kirchenpolitischen Optionen, auffallend zurückgetreten.13
Allerdings brechen auch die Tübinger Schultraditionen, die im Unterschied zur Neuscholastik immerhin an einer entwicklungsgeschichtlichen Betrachtung interessiert waren, schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in dem Maße ab, wie, zweitens, die Modernismuskrise um sich greift. Der Anti-Modernismus richtet sich keineswegs nur – vielleicht noch nicht einmal primär – gegen die Aussöhnung von Katholizismus und Moderne in einem allgemeinen Sinn. Ein solcher ‚weiter‘ Modernismusbegriff14 droht das eigentliche Sachproblem zu übersehen, um das es damals ging. Die ursprüngliche Stoßrichtung des Anti-Modernismus besteht in seinem Anti-Historismus15 und der Frontstellung gegen die Anerkennung der Kontingenz von Traditionsbildungsprozessen, namentlich bei dem französischen Exegeten Alfred Loisy, dessen auf Harnack kritisch replizierende, aber ebenfalls historistische Wesensbestimmung des Christentums zum Auslöser der Krise wird.16 Die bei Loisy in der Tat problematische Verhältnisbestimmung von Geschichte und Normativität, die nicht durchgängig, aber oft den Eindruck erweckt, dass die faktische historische Entwicklung des Christentums auch schon dessen normative Legitimität als Überlebensnotwendigkeit der Religion verbürgt17, ist im damaligen Katholizismus nicht eingeordnet worden in die Krise des Historismus. Rein sachlich gesehen hätte Troeltsch hier ein wichtiger Gesprächspartner sein können, weil er das Normativitätsproblem bei Loisy ebenfalls identifiziert hat.18 Aber die Modernismusenzyklika Pascendi dominici gregis von 1907 hat die Geltendmachung von geschichtlicher Kontingenz eo ipso als Relativismus verstanden, diesen Relativismus auf die gesamte klassische Moderne im Ausgang von Kant bezogen und erneut auf die Neuscholastik verpflichtet. In der weiteren Folge hat dies den Ausstieg der katholischen Theologie aus dem Diskurs der Moderne überhaupt mitbedingt.19
Dadurch stehen, drittens, gerade auch die Reformtheologien der Weimarer Zeit, die als Vorläufer des II. Vatikanums gelten, in einer doppelten Fremde zum Historismus: zum einen aufgrund des eigenen, anti-modernistischen Erbes; zum anderen aufgrund des „Antihistorismus“20, den Troeltsch Anfang der 1920er Jahre als flächendeckendes Phänomen der durch den Ersten Weltkrieg bedingten Zäsur beschreibt und den Friedrich Wilhelm Graf als Grundstruktur der dialektischen Theologie und ihres radikalen Neuaufbruchs freigelegt hat.21 Wird diese These innerhalb der protestantischen Theologie kontrovers diskutiert22, so ist bezüglich des Katholizismus bis heute die theologiehistorische Landkarte völlig blank, was die Frage angeht, wohin die Historismusproblematik wandert.23 Auf den ersten Blick fällt jedenfalls auf: Katholische Monographien über ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Die Kreativität des Christentums Zur Einleitung
  5. „Siehe, Neues ist geworden“ Schöpferische Gestaltung im Christentum
  6. Von der religiösen zur rechtlichen Gestaltung der Welt Das spannungsvolle Verhältnis des Christentums zur Rechtsordnung – mit einem Ausblick auf das heutige Problem „konfessioneller Religionsunterricht versus Ethikunterricht“
  7. Christentum und moralischer Universalismus Überlegungen zu ihrer Genealogie im Anschluss an Ernst Troeltsch
  8. Bruch und Wandel Säkularisierung als Realisation (am Beispiel zeitgenössischer Lyrik)
  9. Religion als Ambivalenzmanagement Überlegungen (auch zu Ernst Troeltsch) im Horizont aktueller Diskurse
  10. Kirchengeschichte und Historische Theologie Versuch einer enzyklopädischen Verhältnisbestimmung
  11. Religionstheorie und Religionsproduktivität Am Beispiel der Reformpädagogen Hermann Lietz und Gustav Wyneken
  12. Kreativität des Christentums – Kontingenz der Geschichte Was katholische Theologie von Troeltschs ‚Wesensschrift‘ lernen kann
  13. „Die Tage des reinen Kirchentypus in unserer Kultur sind gezählt“ Praktisch-theologische Überlegungen zur (möglichen) Zukunft des Protestantismus im Anschluss an Ernst Troeltsch
  14. „Den Lebensstrom zu dämmen und zu gestalten“ Protestantische Zukunftsethik im Rückgriff auf Ernst Troeltsch
  15. Personenregister