Außenbeziehungen und Erinnerung
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Außenbeziehungen und Erinnerung

Funktionen, Dynamiken, Reflexionen

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Außenbeziehungen und Erinnerung

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Das Erinnern außenpolitischer Ereignisse ist auch für eine breitere Öffentlichkeit relevant. Doch wie und wann nehmen wir Bezug auf vergangene Außenpolitik? Und welchen Einfluss haben Erinnerungen wiederum auf Außenbeziehungen? Um diese Fragen zu beantworten, untersuchen Autorinnen und Autoren aus der Geschichtswissenschaft, der Geschichtsdidaktik und der Politikwissenschaft Fallbeispiele aus verschiedenen Epochen sowie Weltregionen und greifen dazu auf Konzepte der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung zurück.

Mit Beiträgen von Yvonne Blomann, Charlotte Bühl-Gramer, Michael Epkenhans, Dominik Geppert, Tobias Hirschmüller, Kristiane Janeke, Christoph Kampmann, Friedrich Kießling, Jonas Klein, Till Knobloch, Sönke Kunkel, Jörn Leonhard, Andreas N. Ludwig, Caroline Rothauge, Karsten Ruppert, Eric Sangar, Anuschka Tischer, Christian Wenzel

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Information

Teil II: Epochenkonstruktionen in Außenbeziehungen

Die politische Wirkungsmacht von Geschichtsbildern und kulturellen Prägungen: der Philhellenismus in Europa

Karsten Ruppert
Zu dem Thema „Außenbeziehungen und Erinnerung“ kann eine Studie über den europäischen Philhellenismus der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts mehrere spezifische Einsichten vermitteln: Das Wissen um die Vergangenheit wird zu einem bewahrenswerten Gut, wenn mit ihm Werte verbunden werden, die auch die Gegenwart hochschätzt. Die Vergangenheit wird dann nicht nur gekannt, sondern auch vergegenwärtigt als Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses. Es war die Erinnerung an die griechische Antike als Höhepunkt künstlerischen und geistigen Schaffens und eines Menschenideals, die das europäische Bildungsbürgertum antrieb, den Aufstand der Griechen gegen ihre osmanischen Besatzer zu ihrer Sache zu machen. Die durch ein solches Geschichtsbild gegebenen Grenzen für eine politische Bewegung wurden in der Praxis durch die Emotionalisierung der aktuellen Ereignisse überwunden, zum einen durch die Betonung des religiösen Gegensatzes zwischen christlichem Abendland und islamischer Tyrannei, zum anderen durch die unausgewogene Berichterstattung über Gräueltaten und zu Herzen gehende Schicksale. Die Struktur des damaligen Pressewesens und die Möglichkeiten der Nachrichtenbeschaffung spielten den Philhellenen dabei in die Hände.
Mit den Philhellenen hat eine gesellschaftliche Bewegung nicht nur ihre außenpolitischen Forderungen artikuliert, sondern selbst aktiv in einen internationalen Konflikt eingegriffen. Das dürfte erst- und einmalig in der modernen Staatengeschichte sein. Aufgrund der Aktivitäten und Propaganda der Philhellenen mussten darüber hinaus immer mehr Regierungen, die weder deren Geschichtsbild noch deren Einschätzung der aktuellen Situation teilten, ihre Bewertung des griechischen Aufstands als einer Rebellion gegen die rechtmäßige Herrschaft zugunsten eines berechtigten Freiheitskampfes korrigieren. Wenn dieser Wandel auch nicht allein dadurch herbeigeführt wurde, so konnten die Philhellenen es sich doch auch als ihr Verdienst anrechnen, dass sich drei Großmächte zur ausschlaggebenden Intervention entschlossen. Die Epoche des Philhellenismus war also eine Scharnierstelle in der europäischen Geschichte von der Außenpolitik der Staaten hin zu den Außenbeziehungen, die von gesellschaftlichen Kräften mitgestaltet werden.

1 Der Ausbruch des Aufstands

Im März 1821 drang ein kleines Heer von Griechen aus der Diaspora in die halbautonomen Fürstentümer Moldau und Walachei des Osmanischen Reiches mit der völlig überzogenen Absicht ein, die Wiedererrichtung des Byzantinischen Reiches in Angriff zu nehmen.1 Die einheimische Bevölkerung erhob sich aber nicht wie erhofft und auch die erwartete Unterstützung der Großmächte blieb aus. Denn diese schätzten die osmanische Herrschaft im Osten des Mittelmeeres als einen Faktor der Stabilität.
Wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage löste der Einfall aber sporadische Aufstände auf der Peloponnes aus. Diese gingen in einen Kampf gegen die bald 400-jährige osmanische Besatzung über, da die Kriege gegen Russland und die Kämpfe gegen unbotmäßige Statthalter im Innern das Reich geschwächt hatten. Für den gesamten Verlauf des Aufstands wurde entscheidend, dass die Kämpfenden regional verwurzelt blieben und ihre politischen und sozialen Vorstellungen weit auseinanderklafften. Dennoch wurden mehrere Anläufe zur Nationalstaatsbildung unternommen, die an den Rivalitäten zwischen den Regionen und den Machtkämpfen zwischen den Clans immer wieder scheiterten. Zeitweise gingen Befreiungskrieg und Bürgerkrieg ununterscheidbar ineinander über. Nach ersten griechischen Erfolgen auf der Peloponnes 1821 verhärteten sich die Fronten bis 1825. Die osmanischen Truppen mussten sich jedes Jahr von der umkämpften Halbinsel auf ihre Basis in Mittelgriechenland zurückziehen. Auf der anderen Seite waren die dortigen aufständischen Guerillaeinheiten zu schwach für eine Offensive nach Norden.

2 Das Ideenkonstrukt des Philhellenismus und seine Verbreitung

Die Werke der europäischen Klassik waren für die Rezeption des griechischen Befreiungskampfes nicht mehr von großer Bedeutung. Eine der wenigen Ausnahmen war Friedrich Hölderlins „Hyperion“. Der Held dieses Briefromans nahm in exemplarischer Form das Schicksal eines Philhellenen vorweg, kämpfte er doch im Aufstand von 1770 für die Befreiung seiner Heimat von der osmanischen Tyrannei als Voraussetzung für die Wiederbelebung des antiken Geists. Daher drängten Griechenfreunde den Verleger Johann Friedrich Cotta dazu, das inzwischen längst vergriffene Werk 1822 in zweiter Auflage herauszubringen.2
Obwohl die Schöpfungen der Klassik nachrangig waren, so war doch deren ästhetisch-humanistisches Bild des antiken Griechenlands fundamental für den Philhellenismus. Es wurde das entscheidende Motiv für den Einsatz des Bürgertums. Am Anfang stand der Archäologe und Antiquar Johann Joachim Winckelmann,3 der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit seinen Schriften Künstlern und Dichtern die griechische Antike als die Heimat von Freiheit und Schönheit nahegebracht hatte.4 Da sie noch wenig von der Zeit der „Alten“ wussten, konnte diese umso mehr zu einer Projektionsfläche ihrer Ideale werden.5
Noch wirkmächtiger war das Bemühen akademischer Altertumswissenschaftler, ihrer Gegenwart den Wert der klassischen Antike zu vermitteln. Sie prägten in Europa die Generation der Philhellenen und stießen zugleich eine Reform der höheren Schulbildung an. Diese beruhte auf der Überzeugung, dass die lebendige Auseinandersetzung mit der Antike sowohl Wissenschaft und Kunst eines Volkes fördern als auch dessen Jugend moralisch und ästhetisch erheben könne.6 Dabei wurde auch gerne auf die Ähnlichkeit des Kosmos der antiken Stadtstaaten mit der Vielzahl der Staaten des Deutschen Bundes verwiesen; wie jene, so würden auch diese ihr Selbstverständnis aus ihrem Dichten und Denken ziehen.7
Dieses neuhumanistische Ideal des antiken Griechenlands und die gleichzeitige kritische Sicht auf Islam und Osmanisches Reich waren Grundlagen des Philhellenismus. Für seine politische Stärke und Wirkungskraft wurde aber nicht zuletzt die Aufmerksamkeit entscheidend, die er und der griechische Freiheitskampf in den meinungsbildenden Zeitungen fanden. Bis zum Frühjahr 1821 wurde über die türkische Besatzung Griechenlands in den Blättern Deutschlands und Europas kaum berichtet. Auch von den ersten Unruhen war wenig Notiz genommen worden. Erst als Sultan Mahmud II. als Reaktion darauf und zur Abschreckung befahl, den Patriarchen von Konstantinopel zusammen mit anderen orthodoxen Würdenträgern, die zur Feier des Osterfestes 1821 in Istanbul versammelt waren, zu lynchen,8 änderte sich dies rasch und nachhaltig.
Die sich daraufhin organisierenden Philhellenen fanden in Deutschland ihren stärksten Rückhalt im Umfeld der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Wenn das Blatt mit unter 4.000 Exemplaren auch keine Massenauflage hatte, so prägte es doch die politischen Anschauungen der Eliten und besonders des Bildungsbürgertums wie kein anderes.9 Diese Stellung konnte der progriechische Verleger Johann Friedrich Cotta in den nächsten Jahren durch die Berichte über den Aufstand mithilfe eines Wiener Korrespondenten ausbauen. Er war in der dortigen ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Einleitung
  5. Teil I: Außenpolitische Ereignisse in Erinnerungsprozessen
  6. Teil II: Epochenkonstruktionen in Außenbeziehungen
  7. Teil III: Erinnerung als außenpolitisches Argument und Legitimationsressource
  8. Teil IV: Außenbeziehungen und Erinnerung im bi- und transnationalen Kontext
  9. Teil V: Podiumsdiskussion
  10. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren sowie der Diskutantinnen und Diskutanten