Tridentinische Messe: ein Streitfall
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Tridentinische Messe: ein Streitfall

Reaktionen auf das Motu proprio "Summorum Pontificum" Benedikts XVI.

  1. 144 Seiten
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Tridentinische Messe: ein Streitfall

Reaktionen auf das Motu proprio "Summorum Pontificum" Benedikts XVI.

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Über dieses Buch

Als Benedikt XVI. mit seinem Motu proprio Summorum Pontificum im Jahre 2007 die lateinische Messe nach Tridentinischem Ritus rehabilitierte, schlug das in der Öffentlichkeit hohe Wellen. Zusätzlich angefacht wurde die Debatte um vor- oder nachkonziliare Liturgie seit Januar 2009 durch den Streit um die Pius-Bruderschaft, zu deren Merkmalen die Pflege des alten römischen Ritus gehört. Dieses Buch dokumentiert den spannenden Schlagabtausch, den sich der Schriftsteller Martin Mosebach nur 72 Stunden nach Veröffentlichung des Motu proprio mit dem christlichen Philosophen Robert Spaemann, dem Kirchenhistoriker Arnold Angenendt und dem Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards über den neu entfachten Streitfall "Lateinische Messe" lieferte. Ein sehr persönlich geprägter "Ritenstreit", der interessante Schlaglichter setzt.

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Information

Motu proprio „Summorum Pontificum“

Dokumentation der Podiumsdiskussion über eine Intervention Benedikts XVI.

Arnold Angenendt, Albert Gerhards, Martin Mosebach, Robert Spaemann, Moderation Daniel Deckers (FAZ)
im Haus am Dom, 20. August 2007
DANIEL DECKERS: Meine sehr geehrten Damen und Herren, am 20. Dezember 1963 gab der Dämon eine metaphysische Pressekonferenz in Warschau. Es existiert ein Stenogramm dieser Pressekonferenz, aus der ich Ihnen gerne zitiere:
„Sie haben aufgehört, sagte der Dämon, an mich zu glauben, meine Herren, gewiss, ich weiß davon, ich weiß es, aber es lässt mich kalt. Ob Sie an mich glauben oder nicht, es bleibt einzig und allein Ihre Sache. Haben Sie mich verstanden, meine Herren? Es ist mir maßlos gleichgültig, so gleichgültig, wie nur irgendetwas. Und wenn es mich dennoch ab und zu interessiert, dann nur in der Form, in der sich der Geist des Forschers an einem Naturwunder entzündet. Ich sage ausdrücklich Geist, denn die Sache an sich ist, was meine Verrichtung mit Erfahrungen angeht, nirgendwo auch nur von der mindesten Bedeutung. Dass Sie meine Existenz leugnen, das tut meiner Eitelkeit keinen Abbruch, und zwar einfach deswegen, weil ich absolut nicht eitel bin. Weil ich nicht die Absicht habe, von Ihnen für besser gehalten zu werden, als ich bin, ja nicht einmal so, wie ich tatsächlich bin. Ich will ich selbst sein, weiter nichts. Ihr Unglaube berührt keinen einzigen meiner Wünsche. Sie sind alle erfüllt. Es kommt mir nicht auf die Anerkennung meiner Existenz an, für mich ist nur das eine wichtig, dass das Werk der Vernichtung nicht stockt. Zuweilen stimmen mich die Ursachen dieses Unglaubens nachdenklich. Nun ja, es ist ganz einfach, die Sache fesselt für einen kurzen Augenblick mein Interesse. Ich betrachte Ihren jämmerlichen Skeptizismus etwa auf die gleiche Art, wie Sie eine Spinne beobachten, die an der Wand entlangkriecht. Mich macht die Unbedenklichkeit stutzig, mit der Sie Ihren Glauben fahren lassen, und ich überlege mir, wie es kommt, dass immer und in jedem Fall ich das erste Opfer bin, sobald der Unglaube um sich zu greifen beginnt. „Opfer“, so etwas sagt man so leicht dahin. In Wahrheit bin ich weder ein Opfer noch trifft es zu, dass ich falle. O nein, ich falle gewiss nicht, und doch nimmt der Unglaube in mir seinen Anfang. Den Teufel wird man am leichtesten los, dann kommen die Engel, dann die Dreieinigkeit und schließlich Gott.“
Meine Damen und Herren, hätte ich in dieser metaphysischen Pressekonferenz gesessen, die der Dämon am 20. Dezember 1963 in Warschau abgehalten hat und von der uns der polnische Philosoph Kolakowski ein Stenogramm überliefert hat, ich hätte den Dämon gefragt, ob man nicht nur den Teufel losgeworden sei, die Engel und auch Gott, sondern am 20. Dezember 1963 hätte man auch nach der Liturgie fragen können, denn kurz zuvor ist die Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils im Vatikan verabschiedet worden.
Ich stelle Ihnen Professor Arnold Angenendt vor, geboren 1934 in Goch, Priesterweihe just in jenem Jahr, 1963, in dem die Liturgiekonstitution verabschiedet wurde und der Dämon seine Pressekonferenz gab, Liturgiewissenschaftler, Kirchenhistoriker an den Universitäten Bochum und Münster, zahlreiche Gastprofessuren, erster Geistlicher, der vor der russischen Akademie der Wissenschaften sprach, Veröffentlichungen über Religiosität im Mittelalter, Toleranz und Gewalt.
Professor Angenendt, Sie haben vor Kurzem in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen Aufsatz veröffentlicht mit der sinnigen Überschrift: „Wie im Anfang, so in Ewigkeit“.
Die Liturgiekonstitution, die in dem Jahr verabschiedet wurde, in der Sie zum Priester geweiht wurden, erklärte als Ziel: „Das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen. Die dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen.“
Und was haben wir bis zum Jahr 2007 erlebt? Eine bessere Anpassung? Eine neue Reform? Oder eine Rolle rückwärts in der Kirchengeschichte?
ARNOLD ANGENENDT: Ich habe hier das Buch von Martin Mosebach, „Die Häresie der Formlosigkeit“. Ich habe es für diesen Abend neu durchgelesen und habe mir auch einige Seiten daraus kopiert.
Herr Mosebach, zuallererst: Was da an grundlegendem Liturgieverständnis zum Vorschein kommt, das akzeptiere ich voll und ganz. Aber das ist noch viel zu wenig. Ich bewundere das. Ich bewundere, wie Sie als Nichttheologe und als jemand, der nicht selber Liturgie zelebriert, so ein Buch haben schreiben können. Wie Sie Liturgie verstehen als heilige Ortlosigkeit, wie Sie das Besondere der liturgischen Sprache erfassen, auch der Gesten, was Sie über Ästhetik sagen, das findet meine volle Zustimmung.
Ich nehme jetzt einige Anregungen aus Ihrem Buch auf und erläutere daran, wie es mir vor und nach dem Konzil ergangen ist. Ich wurde, wie erwähnt, 1963 zum Priester geweiht. Ich habe jahrelang die tridentinische Messe in einer Pfarrei gefeiert, wo fünfeinhalbtausend Menschen sonntags zur Kirche kamen. Jede zweite Woche morgens um sechs im Krankenhaus hatte ich als jüngster Kaplan die Messe zu zelebrieren, an Tagen mit Hochzeiten und Beerdigungen eine zweite oder dritte. Ich denke, ich weiß, wovon ich spreche.
Herr Mosebach, lassen Sie mich Ihnen offen bekennen, dass ich nach der Form der heiligen Messe, wie Sie sie als Kind in den fünfziger Jahren in Frankfurt am Main erlebt haben und die Sie, nach Ihrer Aussage, nicht berührt hat, kein Heimweh habe. Danach hatte man als Student Josef Andreas Jungmann gelesen: „Eine genetische Erklärung der Messe“. Da leuchtete ein: Das ist die große Offenbarung! Das ist die Rückkehr zur einfachen, durchschaubaren und zur frommen Form! So habe ich die Liturgiereform erlebt.
Ich zitiere weiter einen Satz aus Ihrem Buch: „Liturgie ist wirksames und wirkendes Bild.“ Wenn ich einen Satz gleichsam als Überschrift über die ganze Diskussion auswählen sollte, dann wäre es dieser. Dann ist mir ganz egal, ob es sich um eine tridentinische oder reformierte Liturgie handelt.
Beten, das ist es, worauf es ankommt! Ich habe einen Spiritual gehabt, der sagte: „Bei der Messe wird gebetet! Und wenn der Kirchturm umfällt!“ Die Rubriken sehen das anders, sie wollen gültigen Vollzug. Wenn ich als Priester, ob in Latein oder Deutsch, zelebriere, dann bete ich „Allmächtiger Gott! Gütiger Vater!“, und dabei denke ich an die ganze großartige Explikation, die Joseph Ratzinger dazu in seiner Einführung in das Christentum gibt. Ich bete! Ich sage keinen Text auf, ich achte nicht darauf, ob das Mikrofon zu laut ist oder zu leise, ich bete!
Sie, Herr Mosebach, beklagen die Rücksichtslosigkeit, mit der man das einst hoch Verehrte, das nun nicht mehr verehrt werden soll, profaniert, ausrangiert, abschafft, wegwirft. Ich habe später bei Priesterkursen angefangen zu fragen: „Was ist eigentlich alles wieder zurückgekehrt, was im ersten Anlauf der Liturgiereform als Kitsch herausgeschmissen worden war? Dann fingen die Teilnehmer an zu erzählen: „Ja, die Heiligenfiguren, die haben wir beim Bauern wiedergeholt. Der hatte die in Sicherheit gebracht.“ Das geschah überall.
Die sechziger Jahre waren durch eine vibrierende Stimmung gekennzeichnet. Johannes XXIII. öffnete die Fenster, Kennedy hielt seine visionären Reden: überall Aufbruch, endlich auch in der Kirche. Aber da hat man nicht nur das Fenster geöffnet, sondern da ist oft viel zu viel geschehen. In meinem Zugabteil fand ich vorhin eine Zeitung, die hab ich mir mitgenommen, und hier lese ich: „Siebenhundert Kirchen in den Niederlanden inzwischen verkauft!“ Große Stadtkirchen werden für irgendwelche Fêten umgebaut und zurechtgemacht. In Bayern hat man eine Kirche zur „Kulturkirche“ umgewidmet und jetzt fordert man sie zurück, weil dort Nackttänze stattgefunden haben. Das war dann doch zu verletzend! Hier zum Schluss in diesem Artikel heißt es: „Inzwischen regt sich Protest wegen einer solchen Art, mit Kirchen umzugehen.“ Als in Münster das Klarissenkloster beseitigt wurde, kam es zum Aufstand im Stadtviertel. Plötzlich hieß es: „Das können wir doch nicht verschwinden lassen, das Kloster!“ Was geschieht in der ehemaligen DDR? Siebzehn Prozent bezeichnen sich als Kirchenzugehörige. Aber die Kirche im Dorf? Für sie setzt man sich ein.
Ihr Ausdruck, Herr Mosebach, „Heilige Ortlosigkeit“, das ist wirklich christlich. Zwei oder drei versammeln sich; wo aber sie das tun, das ist ganz gleich. „Heilige Ortlosigkeit“ – dem kann ich zustimmen. Und trotzdem: Es ist zutiefst unvernünftig, seinen Seelenfrieden für den Kampf um die Liturgie aufs Spiel zu setzen.
Die Zusammensetzung unserer Gesprächsrunde heute Abend habe ich mir natürlich angeguckt. Die Veranstalter haben sich wohl gedacht: Wir laden zwei Konservative ein und zwei, die vielleicht dagegen sind, damit es knallt und funkt. Ich jedenfalls knalle nicht und funke nicht! Ich habe mir immer vorgenommen: Ich mache keinen Streit wegen Liturgie. Auch heute Abend nicht.
Es gibt viele, die möglicherweise besorgt fragen werden, ob ich glaube, dass man die neue Liturgie Papst Pauls VI. wirklich würdig und ehrfürchtig vollziehen könne. Selbstverständlich ist das möglich! Das bekräftige ich. Ich habe die alte Liturgie gefeiert und feiere nun die neue. Ich bin Professor, ich lebe in einer Pfarrei, dort habe ich morgens oft die Messe mit den alten Frauen, eine halbe Stunde und niemals kürzer. Ich mache Pausen, ich halte zum Gebet an und ich bete selbst. Nach meiner Erfahrung hilft mir hier die neue Liturgie. Mit ihr bete ich anders und intensiver.
Und was die Sprache betrifft, da mache ich auch meine Erfahrung. Ein Naturwissenschaftler klagte neulich, dass er auch auf deutschen Universitäten in Englisch publizieren müsse. Er stellt fest: In der Muttersprache bin ich besser und genauer.
Ich habe ein Jahr in Kanada doziert, da war mir klar, du wirst es nie schaffen, dich in Englisch so flexibel auszudrücken, wie du das in deiner Muttersprache kannst. Diese Erfahrung gilt erst recht für das Beten. In der Muttersprache betet man wirklich auch anders. Das behaupte ich, das ist meine Erfahrung.
Es scheint, als lebten in der Kirche inzwischen zwei verschiedene Menschentypen, die sich nicht mehr miteinander verständigen können, selbst wenn beide guten Willens wären. Aber bevor es zur Aufspaltung kommt, verweise ich auf das Neue Testament. Ich stelle einfach zusammen: Sie kamen zusammen zum Gottesdienst. Vorher hatte es zuweilen Streit gegeben. Da war die Liturgie die Gelegenheit, um sich wieder die Hand zu geben. Sollen wir hier eine Auseinandersetzung führen um etwas, das dazu da ist, uns zusammenzuführen? Das wäre ein Widerspruch in sich. „Auseinandersetzung“, das ist ein schreckliches Wort. Da sitzen wir also beieinander und sollen beschließen. Und da setzen wir uns lieber auseinander? Ich nicht. Wir bleiben beieinander!
Klaus Schreiner, Historiker in Bielefeld, kein Theologe, hat einen großartigen Artikel über frühchristliche Toleranz geschrieben, in einer nüchternen Tonart. Er sagt: Das Christentum ist anfangs von der Idee der Gemeinde getragen gewesen. Da gibt es Differenzen, da gibt es Spannungen und da gab es Streit zwischen Petrus und Paulus. Das war auszuhalten: nicht auseinanderzulaufen, sondern zusammenzubleiben, sich die Hand zu geben – das ist Toleranz. Und Liturgie ist der Kitt dafür, Liturgie ist Schaffung der Einheit, immer neu. Daher ist es für mich absurd, Liturgie benutzen zu wollen, um zu spalten.
Wenn der Angenendt in den letzten zwanzig Jahren über irgendwas geredet hat, dann ist es die Thysia logike. Herr Spaemann, ich hab Sie ja auch studiert. Die Thysía logiké, „das geistige Opfer“, wie Joseph Ratzinger es im „Geist der Liturgie“ seitenlang herausgestellt hat, sie ist mein Credo für die Eucharistie. Nun kann man gleichzeitig auch Einwendungen machen: Wo kommt dieses geistige Opfer in einem Hochgebet ausdrücklich vor? Wo kommt Römer 12,1 vor, die Stelle, die Ratzinger so groß herausstreicht, wo die Gemeinde sich selbst als das „lebendige und heilige Opfer“ konzipiert? Eigentlich nirgends. Ich wende mich gegen René Girard und seine Vorstellung vom Opfer, wie sie gerade in Deutschland rezipiert worden ist. Für ihn ist Opfer etwas Schreckliches, nämlich Gewalt. Walter Burkert sagt dagegen: „Opfer ist Leben um Leben.“ Wo Leben gezeugt werden muss, muss ich Leben einsetzen. Und das ist Eucharistie. Und das ist Thysía logiké. Dem würde ich sehr zustimmen. Das ist tiefer Ernst, und das hat nichts zu tun mit Ringelreihen um den Altar. Im Opfer geschieht etwas ganz Erschreckendes und doch zugleich Wesentliches: Wenn man lebt, dann lebt man vom Leben anderer. Und wir leben vom Leben des Gottes. Insofern gehöre ich zu denen, die den Opfergedanken ganz intensiv verteidigen. Bedenken habe ich allerdings, dass man sagt: „Der Priester bringt das Opfer dar für die Gemeinde.“ Das ist seit der Enzyklika „Mediator Dei“ von 1947 unmöglich.
Historisch füge ich noch ein Bedenken an: Das erste Hochgebet ist umformuliert worden. Da heißt es seit dem Frühmittelalter: „Der Priester opfert für die Gemeinde.“ Das ist mit der Theologie des II. Vaticanums nicht vereinbar – ja, und deswegen muss man ein liturgiehistorisches Seminar mitmachen, um den ersten Kanon, das erste römische Hochgebet zu verstehen. Und da denke ich, da betet man mit dem zweiten Hochgebet, das aus dem dritten Jahrhundert stammt, intensiver und unbehinderter. Mir scheint das so.
Nachtrag: Die Liturgiereform ist vom II. Vatikanischen Konzil nahezu einhellig angenommen und päpstlich bestätigt worden. Sie beiseiteschieben zu wollen, rührt an die Autorität der Kirche. Die Forderung, die Eucharistie nach vorkonziliarer Weise zu feiern, ist kein Problem. Aber diese vorkonziliare Liturgie zurückgewinnen zu wollen als Regelform, geht gegen einen gesamtkirchlichen Beschluss. Wenn Sie, Herr Mosebach, diese Rückgewinnung zum Ziel erklären, stimme ich nicht zu.
DANIEL DECKERS: Meine Damen und Herren, wer noch nicht wusste, was eine Ouvertüre ist, der hat jetzt ein lebendiges Beispiel bekommen.
Robert Spaemann, 1927 in Berlin geboren, der Vater Kunsthistoriker, Atheist, wird in den 30er-Jahren katholisch, studiert nach dem Tod seiner Frau Theologie in Münster und wird Priester. Robert Spaemann, 1962 in Münster in den Fächern Philosophie und Pädagogik habilitiert, wird Philosophieprofessor in Stuttgart, Heidelberg und München. Es gibt viele Veröffentlichungen, besonders über die Ideengeschichte der Neuzeit, Naturphilosophie, politische Philosophie und Ethik, zuletzt: „Das unsterbliche Gerücht“ und „Der letzte Gottesbeweis“. In Münster gehörte er zum Collegium Philosophicum bei Joachim Ritter, zu dem später auch ein Theologieprofessor namens Joseph Ratzinger gestoßen ist ...
Glaube und Vernunft, Herr Spaemann, ist das zentrale Thema, das Sie beschäftigt. Was ist die Ratio des Motu proprio? Die Rehabilitierung der tridentinischen Messe erfolgt mit der Begründung, dass auch in der neuen Messordnung Pauls VI. jene Sakralität erscheinen möge, die viele Menschen zum alten Usus hinzieht. Zieht auch Sie die Sakralität zum alten Usus hin? Konnte man sie dort wirklich antreffen? Oder war nicht auch an ihm vieles profan und banal? Wird nicht eine vielschichtige Wirklichkeit von heute an einem zur Ikone stilisierten Ideal gemessen?
ROBERT SPAEMANN: Herr Angenendt sprach davon, dass die Messe ein Gebet ist. Meiner Meinung nach ist ihm ganz zuzustimmen. Herr Angenendt sagt, er kann besser mit den neuen Texten in seiner Muttersprache beten. Ich denke aber, es gibt einen Unterschied zwischen dem privaten Gebet, da bete ich natürlich auch auf Deutsch, auch manchmal Lateinisch. In der Tat, wenn’s ans Eingemachte geht, dann fällt man in seine Muttersprache, wie auch Erasmus, der große Humanist und Lateiner, auf dem Sterbebett.
Etwas anderes ist aber das gemeinsame Gebet, das uns mit der ganzen Kirche verbindet. Hier gibt es eine große Tradition, einen Strom des Gebetes und eine Kultsprache. Auch Jesus betete die Psalmen nicht in seiner aramäischen Muttersprache, sondern auf Hebräisch. Aber auch das ist persönliches Gebet. Und es ist nun einmal so, dass es schwerer fällt zu beten, wenn der Priester die ganze Messe über mit dem Gesicht zum Volk steht, statt gemeinsam mit uns auf das Kreuz oder nach Osten zu blicken. Ich sehe nicht gerne dem Priester die ganze Messe durch ins Gesicht und ich habe bei vielen Priestern auch den Eindruck, dass sie eigentlich nicht beten, sondern dass sie ihren Leuten etwas vorbeten. Aber vorbeten nicht im Sinne dessen, der die Gebete aller vor den Vater bringt, sondern in dem Sinne, wie der Lehrer mit kleinen Kindern in der Schule. Unser Lehrer in der Volksschule machte das Kreuzzeichen immer falsch herum, damit wir es richtig rum machten. Das heißt, er betete uns was vor, er betete nicht selbst. Ich glaube, es ist von der allergrößten Wichtigkeit, dass wir wirklich alle beten, und dass vor allem der Priester selbst betet. Es gibt Priester, die können das, aber es ist schwer. Mir sagte mal Kardinal Kasper, als er noch Bischof von Rottenburg war: „Es ist eine Überforderung des Priesters, immer die Leute anzuschauen, wenn er die Messe liest.“
Nun habe ich ein Beispiel erwähnt, das sich gar nicht unmittelbar auf den Gegensatz von alter und neuer Messe bezieht, denn die neue Messe kann man natürlich auch in der anderen Richtung zelebrieren. Aber hier sind wir an einem ganz wichtigen Punkt, denn die Kluft, die sich gebildet hat, zwischen den Anhängern der alten Liturgie und der neuen, hängt vor allem damit zusammen, dass die neue Liturgie Räume öffnet, Freiräume, die auf vollkommen dogmatische und fanatische Weise ausgefüllt wurden. Da ist diese gewaltsame Umdrehung des Altars noch im letzten Dorf ein gutes Beispiel. Diese Neuerung wurde einfach mit Brachialgewalt durchgesetzt. Die Begründung war: Es soll Gemeinschaft gefeiert werden, als wenn es besonders gemeinschaftlich wäre, wenn alle Leute hintereinander stehen, wie das gar nicht anders geht in einem großen Raum, und ihnen gegenüber steht einer, der ihnen etwas vorspricht. Gemeinschaft drückt sich auf sehr vielfältige Weise aus, aber so eigentlich am wenigsten.
Bevor wir auf die einzelnen Punkte kommen, weswegen Menschen am alten römischen Messritus festhalten, möchte ich ein paar allgemeine Bemerkungen machen, so zum Beispiel über das Problem der Begründungspflicht.
Dahin geht ja auch Ihre Frage, Herr Deckers. „Wer muss begründen?“ Eine Regel, die in der Juristerei eine besondere Rolle spielt, ist die richtige Verteilung der Beweislast und Begründungspflicht. Und da ist es grundsätzlich so, dass derjenige, der von einem langen Usus abweichen will, dafür die Begründungspflicht trägt, und nicht derjenige, der einfach bei dem bleibt, was ihm überkommen ist. Das heißt nicht, dass dieses Bleiben beim Überkommenen immer und in jeder Hinsicht das Richtige ist, und dass es nicht auch Verbesserungen gäbe. Das II. Vatikanische Konzil hat für Änderungen, nicht nur pauschal für die ganze Liturgie, sondern für jede einzelne, ein Kriterium genannt. Das II. Vatikanische Konzil hat erklärt: Keine Neuerung sei erlaubt, mit der nicht mit Sicherheit ein spiritueller Nutzen verbunden sei. Diesen spirituellen Nutzen habe ich bei einigen wenigen Punkten vielleicht erahnen können, aber im Großen und Ganzen habe ich ihn nicht bemerkt.
Ich will die Leerung der Kirchen nicht kausal der neuen Liturgie in die...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhalt
  2. Einleitung: How to do things without words. Das Missverständnis der Formlosigkeit
  3. Motu proprio „Summorum Pontificum“
  4. Brief des Heiligen Vaters an die Bischöfe anlässlich der Publikation des Motu proprio „Summorum Pont
  5. Benedictus PP. XVI: Litterae Apostolicae Motu proprio datae „Summorum Pontificum“
  6. Papst Benedikt XVI.: Apostolisches Schreiben Motu proprio „Summorum Pontificum“
  7. Glossar zum Motu proprio „Summorum Pontificum“ vom 7. Juli 2007 und zum Begleitbrief von Papst Bened
  8. Angaben zu den genannten Päpsten
  9. Autorenverzeichnis