Liturgie und Poesie
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Liturgie und Poesie

Zur Sprache des Gottesdienstes

  1. 237 Seiten
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Liturgie und Poesie

Zur Sprache des Gottesdienstes

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Während das neue "Gotteslob" und das neue Messbuch langsam Gestalt annehmen, stellt Alex Stock hier aus aktuellem Anlass die Gestaltung der Liturgie nach der Reform durch das Zweite Vatikanische Konzil einmal grundsätzlich auf den Prüfstand. Bei allem Gewinn der Sprachreform, so seine Feststellung, wurde im Eifer der Neugestaltung die theologische Poesie der Lieder und Gebete nicht selten übersehen oder sogar übergangen. Doch kritische Aufmerksamkeit für die Sprache heißt auch, den Reichtum der Überlieferung für die Zukunft zu bewahren. Wahrheit und Schönheit, Begriff und Bild, Intellekt und Emotion - sie gilt es im christlichen Gottesdienst schöpferisch zusammenzuhalten. Eine nuancierte Analyse mit Relevanz für die weitergehende Reform der liturgischen Bücher, aber auch ein Plädoyer dafür, einen lebendigen Sinn für die Sprache des Gottesdienstes zu entwickeln.

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Information

B. Römische Tradition

I. Rechte Attacke
Mosebach anhören?

Er schreibt preiswürdige Romane und Essays in so unterschiedlichen Blättern wie „Kursbuch“ und „Una Voce Korrespondenz“, „Sinn und Form“ und FAZ. Einer der intellektuell auf der Höhe ist und gut schreiben kann, das ist schon etwas im deutschen Katholizismus der Gegenwart. Und damit kommt man dann auch aufs Podium einer Katholischen Akademie, z. B. in München, wo er am 4. Juni 2003 zum Streitgespräch mit dem liturgiewissenschaftlichen Altmeister Philippe Harnoncourt aus Graz geladen war. „Erlahmt die geistliche Kraft der Liturgie?“, lautete das Thema. Der Frage lag Mosebachs These zugrunde: Ja, wenn sie in dieser Form, sprich: Formlosigkeit, weiter zelebriert wird, wie das hierzulande nachkonziliar üblich ist.
Martin Mosebach führt eine scharfe Klinge, ein Advokat im Geiste des bissigen Tertullian, der den kirchlichen Liturgiebetrieb sarkastisch vorzuführen vermag. Auf dem sonoren Grund von Harnoncourts altösterreichisch-katholischer Gelassenheit, die vieles kennt und lässt, hob sich in München ein geradezu protestantisch-katholisches Eiferprofil ab, wie es sich nicht selten bei Konvertiten findet. Weil die Vermutung offenbar naheliegt, wird sie gleich im ersten Satz von „Häresie der Formlosigkeit“ ausdrücklich dementiert: „Ich bin kein Konvertit“103. Aber so etwas wie ein „Erweckter“ ist er doch von „Kreisen der Tradition“104, die die Liturgiereform als „Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte“ (Mt 24,15) beklagen.
Der Abfall begann, dieser etwas apokalyptisch eingefärbten Sicht zufolge, noch nicht mit dem Zweiten Vaticanum selbst, sondern erst mit der von Paul VI. verfügten Ruinierung der alten, lateinischen Liturgie und dem, was daraus dann pastoralliturgisch wurde. Symptome des Verfalls sind die volkssprachliche Verlotterung und pädagogische Desakralisierung der Messe, der Verlust der Form in der dilettantischen Bastelei der Liturgiegestalter, die Verflüchtigung des Heiligen in den Anbiederungen religiöser Konsumarrangements. Was M. Mosebach als Ideal vorschwebt ist, wenn ich recht sehe, die Hl. Messe lateinisch-tridentinisch-gregorianisch, ohne Kirchenlieder, ohne Predigt, die reine Objektivität des Anderen, nicht von Menschenhand gemacht, „Ikone der Inkarnation“, ein Ritus, der die Gläubigen vor der Heiligkeit Gottes in die Knie zwingt.
Mosebach begnügt sich nicht mit der theologisch-ästhetischen Diagnose, er argumentiert auch historisch, findet, dass die Liturgiereform nicht nur die tridentinische Messe, sondern ein seit Gregor d. Gr. über eineinhalb Jahrtausende intaktes liturgisches Kontinuum mutwillig abgebrochen habe, dass Kirchenlieder und Predigt protestantisch-subjektive Rupturen des katholischen opus operatum seien usw. Wer sich liturgisch ein paar Jahre länger als der 1951 geborene M. Mosebach zurückerinnern kann und sich in der Liturgiegeschichte etwas auskennt, findet da manches arg vereinfacht, überschätzt oder übertrieben. Und man muss schon, wenn die Historie als Argument im Prozess gebraucht wird, auch die Fakten diskutieren.
Aber vielleicht missversteht man Martin Mosebach, wenn man ihn fachtheologisch zu schulmeistern beginnt. „Ich bin kein Theologe und kein Kanonist“, sagt er von sich; „ich muss als Schriftsteller die Welt aus einem anderen Winkel betrachten.“105. Man muss ihn also, auch wo er sich argumentativ ins kirchliche Geschehen einmischt, als Literaten nehmen. Im Nachwort seines Romans „Das Bett“ schreibt er zum Verfahren: „Verfälschen, um der Wahrheit von etwas näher zu kommen, das sich der einfachen Mitteilung entzieht, ist vielleicht ein Wesenszug der Literatur.“106 Wenn wir auf solchem Wege rhetorischer Verschärfung der Wahrheit der katholischen Liturgie näherkämen, wäre M. Mosebach, auch wenn man ihm in sein liturgisches Qumran nicht folgen mag, doch anzuhören.
Ich greife ein paar Sätze seines Buches „Häresie der Formlosigkeit“ heraus und hänge einige Gedanken daran, als Anfang, nicht als Abschluss eines denkbaren Gesprächs, das in der gegenwärtigen Lage des deutschen Katholizismus vielleicht nicht ausgeschlagen werden sollte:
1. „Auf den katholischen Ritus aufmerksam machte mich zuerst die alte katholische Musik, der gregorianische Choral.“107 – Vielleicht war der lateinische Kirchengesang für das normalkatholische Leben vor der konziliären Reform nicht ganz so bedeutsam, wie M. Mosebach unterstellt, aber immerhin gab es das lateinische Hochamt am Sonntag, das lateinische Requiem mit seinen bewegenden Gesängen, Tantum ergo und Dominus vobiscum, lateinische Hymnen und Responsionen, die jedermann ungeachtet seines Bildungsstandes mitsingen konnte. Dass davon dreißig Jahre später vielerorts rein garnichts geblieben ist, ist schwer zu verstehen. Ist es nicht doch Zeichen einer gewissen Provinzialität des geschichtlichen Bewusstseins, wenn man diese diachrone Multikulturalität, die die letzte Dorfgemeinde mit der Weltkirche der Jahrhunderte verband, restlos aufgegeben hat? Ist es für Wiederbelebungen, partielle natürlich, zu spät? Könnte ein „Ave verum“ nach der Wandlung das Kirchenvolk vielleicht mehr zur Sache bewegen als das theologisch gewiss korrekte, aber emotional etwas trockene „ Deinen Tod, o Herr, verkünden wir …“?
2. „Nach der Liturgiereform hat sich der Priester umgedreht, sieht die Gemeinde an, während er vorgibt, mit Gott zu reden. Das Modell der neuen Liturgie ist der Vorstandstisch bei einer Partei- oder Vereinsversammlung mit Mikrophon und Papieren, links steht eine Ikebana-Schale mit alter Wurzel und bizarrer orangefarbener exotischer Pflanze, rechts befinden sich zwei Fernsehkerzen in handgetöpfertem Leuchter.“108 – Das eine ist dieser Spott über das kleinbürgerliche Kunstgewerbe, gravierender aber ist jenes „vorgibt“, weil es im Zentrum des Gottesdienstes Lüge unterstellt. Das versus populum ist längst zum Schibboleth geworden, an dem sich konservativ und progressiv aufs probateste scheiden lassen. Aber ist das „zum Volke hin“ wirklich für immer und überall die beste Richtung, wenn man sich nicht (wie in Lesung und Predigt) ans Volk, sondern mit ihm zu Gott wenden möchte? Ist das vektorielle Durcheinander übermöblierter Chorräume schon der liturgischen Weisheit letzter Schluss? Wäre vielleicht jenseits ideologischer Verkrampfungen das topologische Empfinden des sakralen Raumes noch einmal und vor Ort genau zu überlegen und in eine weniger starre Begehung der Liturgie zu übertragen?
3. „Die Aussichten für ein liturgisches Christentum sind schlecht. Das Zukunftsmodell der christlichen Religion scheint, von heute aus betrachtet, die nordamerikanische Sekte zu sein, das schrecklichste Gesicht, das die Religion auf der Welt angenommen hat.“109 – Ob dies das schrecklichste Gesicht ist, weiß ich nicht, aber das pastorale Ideal der Gemeindekirche mit hoher interner Kommunikationsdichte tendiert wohl zu der angedeuteten Sozialform. Ein einzelner Mensch, der aus der Wüste der säkularen Zivilisation das Angesicht Gottes sucht und dabei auf die Liturgie als heilige Stätte hofft, wirkt da in der Tat etwas deplaziert. Wohin soll der homo religiosus gehen, wenn er nicht die Gemeinschaft fröhlicher Gotteskinder sucht, sondern den Ernst des Mysteriums?
„Es scheint so“, schreibt M. Mosebach einmal, „als lebten in der Kirche zwei verschiedene Menschentypen, die sich nicht mehr miteinander verständigen können, auch wenn beide guten Willens wären.“110 Wenn das so ist, muss man vorsichtig anfangen.

II. Wunde Punkte

INTROITUS. Zu dir, o Gott, erheben wir die Seele mit Vertrauen. Ein bekanntes Eingangslied beginnt so111 und fasst, wie ich denke, das Besondere der damit einsetzenden Versammlung aufs einfachste zusammen – die Erhebung der Seele aus den Niederungen der irdischen Geschäfte, dem Tal der Tränen möglicherweise, des Todesschattens vielleicht sogar. Schon der Raum sollte solche Erhebung der Seele gewähren, aber im gemeinsamen Gesang verbinden sich die so unterschiedlichen Menschen zu einem Blick und Atem. Dein Volk erfreuet sich in dir. In gemeinsamer Herzenserhebung freut sich das Volk, das sich andernorts und zu anderer Zeit natürlich auch an anderen Dingen freuen kann, an Gott oder in Gott. „Die Freude“ sagt Simone Weil, „ist das Gefühl der Wirklichkeit“.112
Als Heinrich Bone das kleine Lied für den katholischen Gottesdienstgebrauch dichtete (1851), hatte Karl Marx solcherart religiöse Volksfreude gerade als Rauschgift deklariert (1843/44) – das „Gemüt einer herzlosen Welt“ wohl, aber leider der falsche und darum kritisch aufzulösende „Heiligenschein“ des „irdischen Jammertales“113, aus dem man sich auf andere Weise zu erheben hatte als mit der Seele zu Gott. Die Gläubigen hat das, so es ihnen überhaupt zu Ohren kam, vom „Zu-dir,-o-Gott“-Singen nicht abgehalten. Und nachdem die Grenzen der damals anstelle des religiösen Opiats propagierten realen Erhebung sich abgezeichnet haben, steht es immer noch in ihrem Gesangbuch.
Aber wenn man durch die Zeiten hin, in der Verbundenheit der Generationen, dasselbe singt, singt man es doch nicht auf dieselbe Weise. Wer sich – so üblich wie zu Heinrich Bones Zeiten ist es ja nicht mehr – heute zum Singen eines solchen Liedes einfindet, muss einen größeren Realitätssprung gewärtigen von der Welt, in der wir uns betätigen, zum Angesicht, das wir suchen. Die Entfernung, aus der wir rufen „Lass leuchten, Herr, dein Angesicht“, scheint größer geworden zu sein. Umso mehr bedarf es der Beflügelung durch das Eingangslied und alles, was darauf folgt.
OREMUS. Sonntagmorgen in einer der hochberühmten romanischen Kirchen von Köln, die Messe beginnt, der Zelebrant rezitiert den Eröffnungsvers, der an diesem zweiten Fastensonntag lautet: „Mein Herz denkt an dein Wort: Sucht mein Angesicht! Dein Angesicht will ich suchen. Verbirg nicht dein Gesicht vor mir.“ Und dann fährt er fort, fährt einfach fort: „Das wird das Thema des heutigen Gottesdienstes sein. Bevor wir das Wort Gottes hören und so weiter und so weiter und so weiter.“ – Hatte er nicht gerade gesagt: „Mein Herz denkt …“? Was mochte sein Herz gedacht haben, als er sagte „mein, ich, mir“? Oder wollte er das, was er da sagte, selbst jetzt eigentlich gar nicht sagen, sondern nur als mögliche Aussage hinstellen, etwas, worüber man sprechen würde. Wie war es denkbar, herzdenkbar, dass dieser bewegende Anfang, in dem eine einzelne Stimme, sich erinnernd, vor dem verborgenen Gott mit dem Gottesdienst beginnt, so mir nichts, dir nichts auf thematische Distanz gebracht werden konnte? So etwas begegnet einem nicht selten, wenn auch nicht immer so hart, wie einmal in der Kirche eines Schweizer Urlaubsorts, als der Zelebrant die Karfreitagsliturgie mit dem Satz begann: „Liebe Brüder und Schwestern, auch Schweigen kann Gebet sein. Deshalb beginnen wir diesen Gottesdienst in tiefstem Schweigen.“
In seiner Vorlesung „How to do things with words“ hat der englische Sprachphilosoph John L. Austin die einfache Unterscheidung zwischen „konstativen“ und „performativen“ Sätzen eingeführt, Äußerungen, mit denen wir etwas feststellen, beschreiben, berichten und Ausführungen, mit denen wir eine Handlung vollziehen (to perform). „Wenn ich vor dem Standesbeamten oder am Altar sage ,ja‘, dann berichte ich nicht, dass ich die Ehe schließe; ich schließe sie.“114 Als einen performativen Satz dieser Art konnte man den Eingangsvers jener Messe verstehen, ihr Zelebrant tat das aber offenbar nicht. Er konstatierte, dass dies der Eingangsvers des betreffenden Sonntags sei, setzte ihn als Zitat in Anführungsstriche, präsentierte ihn so als Thema der Messe. Der Vollzug des Satzes wurde hinausgeschoben. Der Gottesdienst begann nicht damit, dass einer zu beten anfing, sondern mit der Angabe eines Mottos.
Beten ist eine performative Äußerung. Wenn ich einen Psalmvers, eine Oration als Gebet spreche, vollziehe ich, was ich sage. „Mein Herz denkt an dein Wort …“ Aber was ist, wenn ich dies nicht im stillen Kämmerlein, ganz für mich sage, vollziehe, sondern öffentlich, vor anderen? Was ist Vor-beten? Ist es das Vorlesen, Vortragen des im Messbuch vorgesehenen, vorgeschriebenen Gebetstextes, damit ihn jeder der Anwesenden zur Kenntnis bekommt und, so er will, betend nachvollziehen kann? Oder betet hier einer vor den anderen, die ihm zuhören und, wenn sie zustimmen können, nachher ihr Amen sagen? Oder betet hier einer, aber von vornherein so, dass er in der Art, wie er dies tut, den anderen vorangeht, sie mitnimmt, mitzieht in den von ihm ausgeführten Vollzug? Muss ein Vorbeter selber beten, betend Gott vor Augen haben, wenn es die anderen tun können sollen? Muss er es etwa besonders intensiv?
Die Intonation gibt nicht ohne weiteres immer zu erkennen, was sich da vollzieht, und auch nicht die Richtung, in der gesprochen wird. Die Egalisierung aller liturgischen Sprachhandlungen versus populum, ob vom Ambo, Sedile oder Altar aus, hat die Sache nicht vereinfacht. Die räumliche Orientierung des Gebets (versus Deum) unterscheidet sich nicht – wie einst, als sich dazu alle nach Osten wandten – von der der Lesung und Predigt (versus populum). Vektoriell liegt es nahe, das Vorbeten als Vorlesen eines Gebetstextes zu verstehen.
VERBUM DEI. Wort des lebendigen Gottes. Das ist der vorgeschriebene Zuruf des Lektors am Schluss der Lesung, und alle sollen antworten: Dank sei Gott. Zweierlei wird da bedankt, das Wort als Wort und dieses als das Gottes. Das ist viel. Das Problem beginnt, wenn man dem Altmeister der konziliaren Liturgiereform, Johannes Wagner, glauben darf, bereits bei der Akustik: „Es ist der gottesdienstliche Skandal der Gegenwart schlechthin, dass nach Jahrzehnten angestrebter und erreichter Liturgiereform vielfach von Zelebranten, Priestern und Diakonen, Lektoren, Ordensschwestern nicht ausgenommen, trotz der überall zur Verfügung stehenden elektronischen Mittel die liturgischen Texte so leise, so undeutlich und hineilend dahingesagt werden, dass ihr Inhalt unmöglich von den anderen Teilnehmern des Gottesdienstes erfasst werden kann und diese nicht einmal im wörtlichen Sinn ,Hörer des Wortes‘ sind, die doch keine ,stummen Zuhörer‘ (Pius X.) bleiben, sondern sinnvoll auf das, was verkündet wird, antworten sollen. Müssen nicht alle, die es angeht, Mühe anwenden, um den Skandal zu beenden?“115
Die Diagnose dessen, der an vorderster Front ausgezogen war, Liturgiereform im Sinne des Verständlichmachens ins Werk zu setzen, ist ungewöhnlich scharf. Sie besagt im Kern, dass die an sich gute neue Liturgie vielerorts das angemessene Personal einfach nicht gefunden hat und daran zu scheitern droht. Obwohl das Angebot reichhaltiger ist als je, alles in der Sprache des Landes, und obwohl die liturgischen Rollen sich, wie geplant, ausdifferenziert haben, mangelt es, nach J. Wagner, an dem einen: an der Präsentation der Texte, die das Ohr der Teilnehmer erreicht. Es ist kein Problem der elektronischen Anlagen, sondern der Stimme, die sich des Textes annimmt. Ob Priester oder Laien, Männer oder Frauen, Amt und Stellung helfen hier nichts, kompetente Lektoren sind gefragt. Ohne Ausbildung und praktische Übung wird es die kaum geben. Und die Arbeit am richtigen Vorlesen impliziert Kleinarbeit am Sinn. Das ist die erste, harte Konsequenz einer auf das Prinzip der Verständlichkeit gesetzten Liturgiereform....

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhalt
  2. Vorwort
  3. A. Dichten und Denken
  4. B. Römische Tradition
  5. Nachwort
  6. Anmerkungen
  7. Nachweise