Brothers in Crime
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Brothers in Crime

Die Menschen im Zeitalter ihrer Überflüssigkeit

  1. 220 Seiten
  2. German
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Brothers in Crime

Die Menschen im Zeitalter ihrer Überflüssigkeit

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Über dieses Buch

Ausgehend von Horkheimer, demzufolge die gesellschaftliche Herrschaft "aus ihrem eigenen ökonomischen Prinzip heraus in die Gangsterherrschaft" übergeht, beschreibt Pohrt die allgemeine Entwicklungstendenz. "Wer an der Spitze steht, steht auch mit einem Beim im Knast." Heute oft mit beiden. Top-Manager wie Uli Hoeneß und Thomas Middelhoff, deren Gesetzesverstöße öffentlich verharmlost werden, sind nur zwei aktuelle Beispiele. Jugendbanden und Russen-Mafia vervollständigen das Bild, und es vergeht kein Tag, an dem die organisierten Verbrecher nicht vor dem organisierten Verbrechen warnen. Statt noch einmal über die hinlänglich bekannten Machenschaften der herrschenden Klassen sich zu verbreiten, unternimmt Pohrt den Versuch, die Bedingungen zu bestimmen, unter denen sich auflöst, was Gesellschaft war, und an deren Stelle ein System von Cliquen und Banden tritt.

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Information

Verlag
Fuego
Jahr
2015
ISBN
9783862871520

Schluss

Am Valentinstag im Februar 1929 zog Capones Truppe mit ihren Maschinenpistolen los, sechs Mitglieder einer rivalisierenden Gang blieben auf der Strecke. Die Hinrichtungsaktion wirbelte weit mehr Staub auf als ähnliche früher, weil sie Schwäche verriet. Denn wenn ein etablierter Bandenboss soviel Feuerkraft aufbieten muss, um seinen Willen durchzusetzen, heißt dies, dass er keinen Respekt mehr genießt.
Vier Jahre später, also 1933, trat das Bundesprohibitionsgesetz außer Kraft. Die heroische Zeit des Bandenwesens war damit vorbei, man brauchte kein Held mehr sein, um Gangster zu werden. Denn alles war Bande, und das Ensemble, das die Banden bildeten, nennt sich heute zum Beispiel Pluralismus. Der Ausdruck bedeutet, dass die Gesellschaft sich aufteilt in Gruppen, deren Bildung keiner Logik gehorcht. Logik heißt, dass das Ganze sich in bestimmte Elemente gliedern muss, um als Ganzes bestehen zu können. Proletarier und Kapitalisten hatten einander bedingt, denn die einen sind nicht ohne die anderen zu haben.
Transportarbeitergewerkschaft und Filmvorführer- Lobby, BDA und BDI, Schwarze und Weiße, Protestanten und Katholiken, CDU und SPD, Flamen und Wallonen verhalten sich dagegen wie »Hutsi und Tutsi« (Gremliza). Die können gut aufeinander verzichten, sie bedingen einander nicht. Solche Gruppen sind im Hinblick auf das Ganze zufällig und überflüssig, sie entstehen und zerfallen. Ihr einziger Daseinsgrund ist der Wille der koalierenden Einzelnen, beim Verteilen der Beute nicht zu kurz zu kommen. Immer geht es um Posten, Pfründen, Macht.
Die Formel vom großen Kuchen, den es zu verteilen gelte, drückt das veränderte Bewusstsein aus. Selbst zu dem, was sie selber produzieren, verhalten die Menschen sich wie zu geraubtem Gut. Weil sie die Welt als Beute betrachten, organisieren sie sich in Banden. Und weil das alle tun, verschwimmen die Grenzen zwischen Einflussnahme, Nötigung und offener Gewalt. Enge Beziehungen zwischen Geschäft, Politik und Unterwelt sind dann normal und logisch, während die Unterscheidung dieser Bereiche viel Aufwand an Scharfsinn und Haarspalterei verlangt.
Das ist das Zwischenergebnis einer Entwicklung, deren Anfänge bis ins vorige Jahrhundert zurückreichen. Die erste Stufe behandeln in diesem Bericht die Kapitel über Bel Ami und über Aie Fledermaus. Eine Schwächung der Subjekte ist zu verzeichnen, sie ängstigen sich vor der Einsamkeit, ihr Leben ist bestimmt durch die Flucht vor einem Grauen. Aber der Drang, die Spaltprodukte in der Bande wiederzuvereinigen, dominiert noch nicht.
Für die nachfolgende zweite Stufe steht das jugendbewegte, todessehnsüchtige Vorkriegsdeutschland. Man möchte Banden bilden, aber es misslingt. Bandenbildung bleibt meist die unerfüllte Sehnsucht intellektueller Schwarmgeister. Was unter Bandenbildung wirklich läuft, ist Zelten mit Lagerfeuer und Geländespiel als Zeitvertreib von ungeliebten Kindern, retardierten Twens und pädophilen Männern.
Auf dieser zweiten Stufe blieb in Deutschland die Entwicklung stehen, Gangsterbanden wie in den USA bildeten sich nicht. Die »Ringvereine« (bedeutet nicht Kartell, sondern kommt von Ringsport) im Berlin der Zwanziger Jahre hießen bezeichnenderweise Immertreu, Glaube & Liebe & Hoffnung, Fidele Brüder, Concordia, Hand in Hand, Herzblatt, Vergissmeinnicht, Unter uns (Freiberg/Thamm 1992:76). So könnten auch Bestattungsinstitute heißen. Wie Fritz Langs Film »M«, wie Döblins Roman »Berlin, Alexanderplatz« oder, schlimmer noch, der Film zum Buch mit Heinrich George verbreiten diese Banden nur Resignation und Trübsinn. 1933 werden sie von der Gestapo kassiert, viele der Mitglieder verschwinden im KZ.35
Die dritte Stufe dieses Schemas, also gelungene Bandenbildung, setzt Fähigkeiten voraus, die weder Cooley noch ein Bürger im Sinne Lukács' besessen hatte. Generell schwach entwickelt waren solche Fähigkeiten außerdem in Deutschland. Gut entwickelt, so die Faustregel, sind sie immer dort, wo die Beziehungen zwischen den Menschen einem Deutschen lebendig und eng erscheinen. Eng und lebendig dürften sie unvermeidlicherweise während der Zwanziger Jahre in den übervölkerten Slums der amerikanischen Großstädte gewesen sein, besonders unter Einwanderern italienischer, irischer, polnischer, jüdischer, chinesischer Herkunft.
Bandenbildung war dort ein Massenphänomen geworden. Sie geschah, anders als früher, nicht mehr vorwiegend nur an Orten, die der normale Mensch allenfalls vom Hörensagen kennt. Sie fand statt, wo die Leute wohnten, und mitten unter ihnen. Auch vertrug sie sich gut mit der modernen Massendemokratie. Korrupte Politiker und bestechliche Polizisten waren keine Autokraten, sie errichteten keine von der Bevölkerung abgelehnten Gewaltregimes. Die Unterwelt hatte Thompson im Wahlkampf unterstützen können, gewinnen musste er ihn selbst. Versuche, den politischen Gegner im Wahlkampf mit Prügel und Attentaten einzuschüchtern, unternahm die Chicagoer Unterwelt eben nur, weil sie weder die Stimmenauszählung noch die öffentliche Meinung kontrollierte.
Alle Unterstützung durch die Unterwelt hätte Thompson mehr geschadet als genützt, wenn er nicht schon der Liebling der Massen gewesen wäre. Gefragt, warum seine Beamten gegen offen arbeitende Glücksspiel-Racketeers nicht einschritten, gab der stellvertretende Chicagoer Polizeipräsident mit vollem Recht zu bedenken: »Bürgermeister Thompson ist gewählt worden, weil er sich für die Freizügigkeit einsetzen will. Ich nehme an, dass die Leute, die für ihn stimmten, wussten, was sie wollten« (Köhler 1981:185).
Und genau dies bekamen sie dann auch: Ein ebenso umfassendes wie flexibles System von Abhängigkeiten, das selbst den Ärmsten Vorteile versprach. Unter Bandenverhältnissen ist sogar das Lumpenproletariat ein umworbener Machtfaktor, weil Geschäftswelt und konkurrierende Parteiapparate aus dieser Gruppe ihre Schlägertrupps und Claqeure rekrutieren, wie dies bei Dashiell Hammett und W.R. Burnett nachgelesen werden kann oder auch bei Landesco und Thrasher. Auch für die jugendlichen Nichtsnutze und Herumtreiber in den Elendsvierteln fielen ein paar Brocken ab. Die Gangs dort bekamen Athletic Clubs spendiert, und die Anführer durften, wenn sie erwischt wurden, Protektion erwarten. Über eine Reihe von Mittelsmännern besaß noch der letzte Halsabschneider zu den ersten Kreisen Kontakt.36 Für den Gemüsehändler an der Ecke hieß dies, dass er umfassendes Wissen über die lokalen Machtzusammenhänge und deren politische Hintergründe brauchte.
Er musste so schlau sein, wie es in früheren Zeiten nur von Industriebaronen oder Diplomaten verlangt worden war, wenn er überleben wollte.
Solchermaßen geschulte Leute sind nötig, wenn der Monopolkapitalismus funktionieren soll. Noch heute zehren die amerikanischen Weltkonzerne davon, dass die Bevölkerung während der Prohibitionszeit ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Coverbild
  2. Über dieses Buch
  3. Maschinenpistolen
  4. Guérilleros
  5. Aufsteiger
  6. Reviere
  7. Freunde
  8. Mutationen
  9. Reformländer
  10. Pioniere
  11. Veteranen
  12. Einzelgänger
  13. Nestflüchter
  14. Rumtreiber
  15. Eckensteher
  16. »Leben ist Sterben«
  17. Selbstmörder
  18. Hinterbliebene
  19. Vordenker I: Simmel
  20. Vordenker II: Cooley
  21. Neuanfänge
  22. Schluss
  23. Nachwort für die 2. Auflage
  24. Literaturverzeichnis
  25. Über den Autor
  26. Über Fuego
  27. Impressum
  28. Fußnoten