Pop-Tragödien
eBook - ePub

Pop-Tragödien

Die spektakulärsten Fälle von den Beach Boys bis Nirvana

  1. 190 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Pop-Tragödien

Die spektakulärsten Fälle von den Beach Boys bis Nirvana

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Die Pop-Geschichte ist voll von Pop-Tragödien. Von Künstlern, deren Leben zwischen musikalischen Höhenflügen und persönlichen Katastrophen hin und her schwankte. Von Musikern, die an ihrem Erfolg, ihren Ängsten, ihren Drogen scheiterten.Ingeborg Schober erzählt mit viel Insiderwissen die zehn spektakulärsten Fälle von den Beach Boys bis Nirvana. Der "Gott der 80er Jahre", Falco, kommt dabei ebenso vor wie der in Vergessenheit geratene Begründer der elektronischen Musik Leon Theremin. Der anarchistische Punk Sid Vicious von der Sex Pistols steht gleichberechtigt neben der "singenden Nonne" Soeur Sourire; die legendäre Sängerin von Velvet Undergound Nico wird ebenso porträtiert wie die Nicht-Sänger Milli Vanilli.Die zehn packenden Stories zeigen die dunkle Seite der Glitzerwelt.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Pop-Tragödien von Ingeborg Schober im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Media & Performing Arts & Music. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Verlag
Fuego
Jahr
2013
ISBN
9783862870875
Beach Boys
Bad Vibrations?
Dennis Wilson: *1944 - †1983
Carl Wilson: *1946 - †1998
Brian Wilson: *1942
Die Beach Boys verkörperten mit ihrer Surf-Musik in den frühen 1960er Jahren das kalifornische Lebensgefühl aus Sonne, Strand und Meer, sportiver Jugendlichkeit, knackigen Blondinen, fröhlichen Strandparties und den Geschwindigkeitsrausch auf den Wellen und in hochfrisierten Autos. Schöpfer dieses amerikanischen Mythos war Brian Wilson, ein von tiefsten Zweifeln gequältes Musikgenie, von vielen als Mozart der Popmusik, Orson Welles des Rocks und George Gershwin seiner Generation verehrt. Und - als Überlebender seines Wahnsinns, den er in den Siebziger und Achtziger Jahren mit langwierigen Therapien zu überwinden versuchte, nachdem sein Talent und die eigene Familie ihn fast ruiniert hatten.
Die Geschichte der Beach Boys steht exemplarisch für viele Eltern, die mit falschem Ehrgeiz und großer Geldgier ihre Kinder zu Show-Marionetten degradieren und solange unmündig, unreif und realitätsfremd halten, bis sie sich - oft schon psychisch gestört - selbst zerstören. Die prominentesten Opfer sind wohl Michael Jackson und Janet Jackson, die wie ihre Brüder und Schwestern in der ehemaligen Teenie-Soul-Band Jackson Five Karriere machten. Brian Wilson überstand zwar den »kalifornischen Albtraum« - so der Titel seiner Autobiografie -, aber die seelischen, menschlichen und finanziellen Verluste waren enorm. Millionen von Dollars rannen für Familienmitglieder, Drogen, Therapeuten und Gerichtsprozesse durch seine Finger. Er hat seine beiden Brüder verloren, fast alle Rechte an seinen eigenen Songs, sogar den Anspruch auf den Namen der Band, die er reich und berühmt machte und die zum Synonym einer heilen Welt wurde.
Und genau diese heile Welt gaukelten schon seine Eltern den Nachbarn in Hawthorne, einem Vorort von Los Angeles, vor. Denn hinter der Fassade des biederen Einfamilienhauses sah es gar nicht nach einer Bilderbuchfamilie aus. Die Eltern waren beide 20 Jahre alt, als sie 1938 heirateten. Vater Murry, ein typischer Selfmade-Mann, hatte sich vom Fabrikarbeiter zum Inhaber einer eigenen, kleinen technischen Fabrik hochgearbeitet. Insgeheim aber war er ein gescheiterter, frustrierter Songschreiber und Musiker, der seine drei Söhne mit aller Gewalt ins Showgeschäft bugsierte. Schon der Großvater war ein notorischer, brutaler Trunkenbold und Sadist gewesen. Mutter Audree hingegen war wohl behütet aufgewachsen, eine gute Pianistin. Murry hatte sich das Klavierspiel selber beigebracht und die beiden verband nur die gemeinsame Liebe zur Musik.
Brian wurde 1942 geboren, sein Bruder Dennis 1944 und Carl 1946. Brian meinte später: »Mein Vater hätte nie Kinder haben dürfen, er war aggressiv, unberechenbar und explosiv wie eine Tellermine.« Er misshandelte seine Söhne körperlich und seelisch und jeder der drei reagierte auf die Demütigungen auf seine Weise. Dennis wurde aufsässig, renitent, reizte seinen Vater bis aufs Blut und flüchtete, wann immer er konnte, aus dem Haus. Carl versteckte sich unter dem Bett, stopfte sich mit Essen voll und wurde so fett, dass ihn alle nur noch »Porgy«, das Schweinchen, nannten (Mutter Audree drückte »Liebe« durch Essen aus und mästete ihre Kinder). Brians Schutzschild war seine Musikalität - und sie wurde später zu seinem Verhängnis. Er liebte die Platten, die seine Großmutter abspielte, vor allem Gershwins »Rhapsody In Blue«, klimperte auf seiner Spielzeugukulele und brachte sich selbst das Klavier und Akkordeon bei. Wenn seine Eltern abends vierhändig auf dem Klavier die sentimentalen Kompositionen von Vater Murry spielten, die im krassen Gegensatz zu seinen Tobsuchtsanfällen standen, sang Brian voller Begeisterung mit. »Das Klavierspielen und Singen gaben mir Ruhe und Sicherheit und retteten mir buchstäblich das Leben.«
Er besaß das absolute Gehör, obwohl er auf einem Ohr taub war, vermutlich aufgrund der grausamen Schläge seines Vaters. »Einmal warf er mich als Kind sogar auf den Bürgersteig vor unserem Haus.« Er band Brian an einen Baum und schlug ihn mit Holzlatten. Einmal befahl er Brian, in der Küche vor seiner Mutter auf eine Zeitung zu scheißen, die am Boden lag, und seine Exkremente wegzuräumen. Ein andermal sprang der Vater splitternackt auf den Küchentisch und schrie: »Ich bin der König dieser Familie!«
Obwohl sich Dennis und Carl nicht für Musik interessierten, zwang der Vater sie, auch ihren Teil zur Hausmusik beizutragen und schleppte allerlei Instrumente an. Er träumte davon, einen großen Hit zu schaffen und Unmengen Geld zu scheffeln. 1952 nahmen The Bachelors, eine mäßig bekannte Gesangstruppe, Murrys Titel »Two Step Side Step« ohne Erfolg auf. Als er im Radio lief, musste sich die ganze Familie im Wohnzimmer versammeln und dem heulenden Vater gratulieren. Für Brian wurden die Platten der Gesangsgruppe The Four Freshmen zur Offenbarung, die auch seinem Vater gefielen. Mit der Familie und Freunden übte er wie besessen deren Harmoniegesang ein, der später die Beach-Boys-Songs prägte, und kämpfte um die Liebe seines Vaters, der jedoch nie ein Wort der Anerkennung fand.
Mit 16 Jahren hatte sich Brian zu einem gut aussehenden, sportlichen, durchtrainierten jungen Mann entwickelt, der mit seiner Größe von 1,90 Metern und 84 Kilo zum Star der Baseball- und Footballmannschaft der Highschool wurde. Der Vater beschimpfte ihn weiterhin als Versager und Brians Unsicherheit wuchs. Er hing zwar mit den Sportskanonen in der Schule herum, fühlte sich aber mehr zur Theatergruppe hingezogen, kompensierte seine Schüchternheit mit albernen Streichen und machte den Clown. Vor dem Wechsel ins College erzählte er dem Berufsberater, er würde gern Psychiater werden, denn »Menschen verwirren mich. Ich würde sie gerne besser verstehen.« Carl spielte inzwischen Gitarre und entdeckte Musiker, die mehr Sex und Biss hatten. Gemeinsam nahmen sie mit einem Tonband Songs auf, die Brian unermüdlich komponierte. Dennis hatte angefangen, Schlagzeug zu spielen. Als dann der überaus selbstbewusste Cousin Mike Love und der Highschool-Freund Al Jardine, der in einer Folkband sang und Gitarre spielte, zu ihnen stießen, gründeten sie die Band The Pendletones. Sie setzten auf den ausgefeilten Harmoniegesang und Dennis, der einzige Surfer der Gruppe, schlug Brian vor, darüber ein Lied zu schreiben. 1961 erschien - bereits unter dem neuen Namen Beach Boys - »Surfin'« als Debütsingle und wurde zum regionalen Hit.
Den Vertrag hatte Vater Murry eingefädelt, der ab da zum despotischen Manager wurde und seine Söhne unerbittlich auf Erfolg und Leistung trimmte. Fortan betrachtete er die Beach Boys als ein Familienunternehmen und wollte Geld und Ruhm mit niemandem teilen. Er verschaffte den Beach Boys einen Vertrag mit der großen Plattenfirma Capitol Records, und weil die Jungs noch nicht volljährig waren, galt überall nur seine Unterschrift. Auf seinen Namen wurde auch der Musikverlag Sea Of Tunes gegründet, womit der Vater automatisch an den Einnahmen aller Kompositionen beteiligt war, was später zu großen Rechtsstreitigkeiten führte.
Anfangs war Brian Alleinbesitzer des Verlags und der Copyrights seiner Songs, doch nach den ersten Hits beanspruchte Murry den gesamten Verlag und die Copyrights. Brian einigte sich schließlich auf einer Fünfzig-Prozent-Basis. Doch je mehr Geld reinkam, umso mehr forderte der Vater. »Für meinen Vater war Geld die schönste Form der Bestätigung, aber ich wollte nur berühmt und als großer Songwriter anerkannt werden.« Streit gab es von Anfang an, da Murry sich in alle Belange einmischte, auch die künstlerischen, der Band seine eigenen Kompositionen aufdrängte und als Produzent fungieren wollte. Für ihn waren und blieben die Beach Boys das Vehikel seiner eigenen, gescheiterten Musikerkarriere,
Folglich gab es auch kein Lob, als sie 1962 mit Brians Lied »Surfin' Safari« bereits die Top 20 eroberten. Als Brian anfing, mit seinem Freund Gary Usher Lieder zu komponieren, wurde dieser ebenso rigoros vertrieben wie spätere Kreativpartner, die nicht aus der Familie Wilson stammten. Auf den Tourneen führte er Vater Wilson sich wie ein Sklaventreiber auf, immer darauf bedacht, das Saubermann-Image der Jungs zu bewahren. Ausgerechnet Brian, der sich im Gegensatz zu den anderen, die sich nach Lust und Laune austobten, nur der Musik widmete und einen Hitsong nach dem anderen schrieb, bekam seine unerbittliche Härte zu spüren. Er schlug ihn vor den Auftritten zusammen und stand während der Konzerte lauthals meckernd neben ihm. Wie wenig Murry seinen begabten Sohn respektierte, zeigte seine Entscheidung, als den Beach Boys mit »Surfin' U.S.A.« 1963 zum ersten Mal ein Top-Ten-Hit gelang. Er basierte auf der Melodie von Chuck Berrys »Sweet Little Sixteen«, und als dieser zu Recht an den Tantiemen beteiligt werden wollte, verschenkte Murry auch gleich noch die Textrechte von Brian an ihn, was dieser erst 25 Jahre später erfuhr.
1964 wurde zum Schicksalsjahr für den einundzwanzigjährigen Brian Wilson, das eine jahrzehntelange, menschliche Tragödie der Selbstzerstörung einleitete. Er heiratete die fünfzehnjährige Marilyn Rovell, obwohl er eigentlich in deren Schwester Diane verliebt war. Aber Marilyn war die mütterliche, fürsorgliche Frau, die dem unselbstständigen und unsicheren Brian ein stabiles Zuhause fernab seines Vaters versprach. Sie integrierte sich jedoch sehr schnell in den Wilson-Clan, der in Brian nur das Huhn sah, das goldene Eier legte und allen Wohlstand und Ansehen garantierte. Sie sorgte dafür, dass er »funktionierte«, und übersah seine kindischen, zunehmend neurotischen und exzentrischen Verhaltensweisen, die alle in der Familie nur mit dem lapidaren Satz kommentierten: »Brian ist mal wieder Brian.« Viel einschneidender waren die künstlerischen Bedrohungen, die er empfand. Der Surf-Sound langweilte ihn und er entwickelte eine fast krankhafte Verehrung für das junge Produzentenwunder Phil Spector (selbst eine Pop-Tragödie und eine mehr als schwierige Persönlichkeit). Dieser war für seinen Perfektionswahn im Studio berühmt und kreierte den so genannten »Wall Of Sound«. Mit unzähligen Studiomusikern und Sängern produzierte er aufwendige, überspannte Teenager-Sinfonien, für die er austauschbare Sänger und Sängerinnen einsetzte - heute würde man auch gecastete Superstars sagen. Brian faszinierte diese Arbeitsweise und er beschloss, auf diese Weise für die Beach Boys neue Songs vorzuproduzieren, auf denen sie nur noch ihren Harmoniegesang einsetzen mussten. Zudem bedrohte die auch in Amerika um sich greifende Beatlesmania die Vorrangstellung der Beach Boys, die soeben ihren ersten Nummer-Eins-Hit mit »I Get Around« hatten und im selben Jahr noch mit »Help Me Rhonda!«, »Barbara Ann« und zwei Alben in den Charts standen.
Brian hatte inzwischen 45 Pfund zugelegt und lebte praktisch nur noch von Zucker und Koffein. Er wurde von irrationalen Ängsten gequält, zog sich nach einem ersten Nervenzusammenbruch Ende
1965 von der Bühne zurück und verkroch sich ins Studio. Er konnte das Gekreische der Teenies in den Konzerten und die langen Abwesenheiten von Zuhause einfach nicht mehr ertragen. Doch seine erste Therapie brach er schon nach wenigen Tagen ab, weil er für das neunte Album der Beach Boys wieder ins Studio musste. Inzwischen konsumierte er bereits jede Menge Drogen und war beim LSD gelandet. Brians Angst zu versagen führte zur Weltflucht ins Bett: »Nachdem ich die Augen aufgeschlagen hatte, verbrachte ich die ersten Stunden oft in Angst. Ich erwachte immer mit dem Gefühl, dass mir etwas Scheußliches zustoßen könnte, und sträubte mich gegen die Notwendigkeit, mein Bett zu verlassen ... Während der nächsten Jahre steigerte sich die Angst, mit der ich aufwachte, so sehr, dass sie mich den ganzen Tag über nie ganz verließ.«
Seine Antwort auf das Beatles-Album »Rubber Soul« sollte eine Suite über erwachsene Themen mit langsameren Songs werden. Die gesamte Wilson-Familie boykottierte das Unternehmen aus Angst, den Teenagermarkt und damit viel Geld zu verlieren. Aber auch, weil ein »Fremder«, nämlich der Songwriter Tony Asher, mit Brian arbeitete, über den sie keine Kontrolle hatten. Selbst als dabei der LP-Klassiker »Pet Sounds« entstand und der wegweisende und international größte Singlehit der Band, »Good Vibrations«, blieben Familie und Band weiterhin feindlich gesinnt und bezeichneten Brians Arbeit als »Avantgarde-Schrott«. Dabei war den Beach Boys mit diesem Album auch der Durchbruch in Europa gelungen ...
In dieser Zeit eskalierten die Probleme mit dem Vater, der eigenmächtig Aufnahmezeiten im Studio absagte oder dort wilde Keilereien anstiftete. Schließlich war es allen zu viel: ausnahmsweise waren sich die Beach Boys einig, als sie Murry feuerten. Anfangs ignorierte er diese Entscheidung und erklärte allen, Brian sei eine völlige Niete. Dann legte er sich einen Monat lang ins Bett. Mutter Audree verließ ihren Mann, als sie erfuhr, dass er sie betrogen hatte. Die Band selbst feierte auf der anschließenden Europatournee wahre Orgien mit Nutten im Rotlichtmilieu und Fressgelagen und Brian verfiel auch noch dem Alkohol. »Für die Jungs war das Bandleben eine einzige Party, ein Traumjob mit guter Bezahlung und noch besseren Sozialleistungen. Sie erwarteten von mir, dass ich wie ein Automat immer neue Hits ausspuckte ...« Die britische Presse bezeichnete Brian als Genie, doch »wie sich herausstellte, war ich dieser Rolle nicht gewachsen«.
Der Vater versuchte, sich den Musikverlag endgültig als Alleineigentümer unter den Nagel zu reißen. Er erpresste Brian, indem er seine Tantiemengelder von fast 300.000 Dollar zurückhielt und ihn nächtelang am Telefon terrorisierte. Nach monatelangem Psychoterror hatte er Brian schließlich weich gekocht, und resigniert überließ er seinem Vater den Musikverlag. Murry produzierte daraufhin die Pseudo-Beach-Boys-Band Sun Rays, naive Teenies, für die er die Songs mitkomponierte. Als sie einen kleinen Hit landeten, erklärt er Brian: »Wir wissen doch beide, dass ich der Songschreiber in der Familie bin. Das echte Talent. Du bleibst immer nur der Zweitbeste.«
Brian entwickelte paranoide Verhaltensweisen, wollte nur noch in der Sauna oder am Swimmingpool Gespräche mit der Band führen, aus Angst, abgehört zu werden. »Damals balancierte ich ständig auf dem schmalen Grad zwischen Spaß und Schrecken, zwischen Normalität und Irrsinn.« Er ließ sich ins Wohnzimmer Tonnen von Sand karren, stellte darin sein Klavier auf und errichtete ein Zelt, in das alle kriechen mussten, er animierte seine Gäste beim Abendessen mit dem Geschirr Musik zu machen, wollte gar, dass sie in einer Bar eine Schlägerei anzettelten, damit er die Originalgeräusche für eine Platte aufnehmen konnte.
Authentische Geräusche waren inzwischen eine Obsession von Brian. Er wollte endlich ein Soloalbum produzieren, ohne die Beach Boys, ohne Einmischung von außen, und engagierte als Texter dafür den Exzentriker Van Dyke Parks. Das legendäre, oftmals zitierte und nie veröffentlichte Album »Smile«, das später in völlig verstümmelter Form als »Smiley Smile« erschien, wurde zu seinem persönlichen Waterloo. Bei den über 38 Studioterminen mit unzähligen Musikern drehte Brian nach und nach völlig durch. Er ließ die Musiker mit Feuerwehrhelmen antreten und verbannte das Stück »Fire« in den Tresor, als in der Nähe des Studios eine Reihe von Feuern ausbrachen. »Anstatt eine beglückende, spirituelle Musik zu komponieren, hatte ich dunkle Mächte heraufbeschworen und eine extrem unheilvolle Feuermusik geschaffen, die schlechte Vibes ausstrahlte.«
Noch deutlicher veranschaulicht eine andere Episode seinen Realitätsverlust. Als er sich den Film »Der Mann, der zweimal lebte« mit Rock Hudson ansah, glaubte er, Phil Spector hätte ihm sein Leben geklaut und verfilmt, weil der Kinostreifen mit den Worten »Hallo, Mr. Wilson« beginnt.
1967 veröffentlichte Capitol tatsächlich ein Album von Murry Wilson mit dem passenden Titel »The Many Moods Of Murry Wilson«. In bösartigen Interviews wetterte Vater Wilson, die Beach Boys seien »ohnehin nur ein Monster«, das er erschaffen habe, nette Jungs, denen der Erfolg zu Kopf gestiegen sei. »Das wahre Talent in der Familie war immer ich.«
Dass Band und Plattenfirma »Smile« ablehnten und ihm den Verlust seiner Urteilsfähigkeit vorwarfen, war eine Kränkung, über die Brian nie hinwegkam. Er warf ihnen vor, den Psychedelic Sound zu verschlafen, was sich bestätigte, als die Beatles 1967 das Album »Sgt. Pepper Lonely Hearts Club Band« veröffentlichten und die Beach Boys auf dem Monterey Pop Festival durch Abwesenheit glänzten. Jimi Hendrix erklärte auf dem Festival abfällig: »Surfmusik habt ihr zum letzten Mal gehört.« Bei den Hippies waren die Beach Boys als altmodische Popmusiker mit komischen Klamotten abgemeldet. Der Niedergang ging Hand in Hand mit Brians Persönlichkeitsverlust und religiösen Wahnvorstellungen. In der Band entbrannte ein Machtkampf um die Vorrangstellung. Mike und Dennis verfielen dem Maharishi Mahesh Yogi und der Transzendentalen Meditation und setzten bei einer gemeinsamen Tournee mit dem Guru eine halbe Million Dollar in den Sand.
Im April 1969 wurde Brians erste Tochter Carnie geboren und er kam mit der Vaterrolle noch weniger zurecht als seinerzeit sein eigener Vater. Er wurde maßlos eifersüchtig, weil er zu Hause nur noch die zweite Geige spielte. Auf einer Party wollte er sich aus dem Fenster stürzen. Danny Hutton, Sänger der Hardrockband Three Dog Night, gab ihm zur Beruhigung Kokain. Ab da frönte Brian einer weiteren, sehr kostspieligen Sucht.
Dennis, der Sonnyboy, Partylöwe und Frauenheld der Band, der auf blutjunge Mädchen stand, spielte ein ganz anderes, gefährliches Spiel, als er sich der »Family« des psychopathischen Gurus Charles Manson anschloss und stark unter seinen Einfluss geriet. Dennis hatte gerade die Scheidung von seiner Frau Carol hinter sich und vermisste seinen Sohn Scotty. Manson, selbst ein frustrierter Songwriter, nistete sich mit seiner Kommune in Dennis' großem Haus ein und führte ihm auf Sexorgien junge Mädchen zu. Die Aussicht auf schnellen Sex lockte auch Mike an, aber Gruppensex war nicht sein Ding. Manson brachte über 100.000 Dol...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Leon Theremin
  3. Soeur Sourire
  4. Beach Boys
  5. Nico
  6. Badfinger
  7. Sid Vicious
  8. Falco
  9. Nirvana
  10. Bob Geldof
  11. Milli Vanilli
  12. Danksagung
  13. Quellenhinweise
  14. Über die Autorin
  15. Über Fuego
  16. Impressum