Das Rätsel Seele
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Das Rätsel Seele

Was sagt uns die Wissenschaft?

  1. 332 Seiten
  2. German
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Das Rätsel Seele

Was sagt uns die Wissenschaft?

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Über dieses Buch

Im Alltag ist uns die Einheit von Körperlichem und Seelischem selbstverständlich und das Wort "Seele" aus unserer Sprache nicht wegzudenken.Aber welche Realität verbirgt sich eigentlich hinter diesem schillernden Begriff? Ist die Seele mehr als das Gehirn? Wie sind dabei die Phänomene der Nahtoderfahrungen zu deuten? Ist der christliche Glaube an die Auferstehung der Toten vollkommen unvernünftig?Hans Gollers Buch bietet uns die erste umfassende Darstellung - von den Seelenvorstellungen der alten Völker über die Deutungen durch Philosophie und Theologie bis hin zu den Aussagen heutiger Psychologie und Hirnforschung.Eine spannende und erhellende Zeitreise durch ein noch immer unerschlossenes Gebiet!

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783766643193
III. Macht das Gehirn die Seele?
„Hab’ viele Leichen seziert, aber nie eine Seele gefunden –
Immer jedoch den Saum ihres Kleides berührt.“
(Gustav Sauser 1899–1968, Anatom und Histologe Innsbruck)
Ist die Seele etwas Eigenständiges, etwas vom Gehirn Unabhängiges? Bringt das Gehirn die Seele hervor? Verursacht das Gehirn unser Erleben, Verhalten und Handeln? Sind seelische Vorgänge letztlich nichts anderes als Gehirnprozesse? Kann die Seele neurowissenschaftlich erklärt werden oder umfasst der Begriff „Seele“ mehr als das, was Hirnforscher und Neurowissenschaftler empirisch untersuchen können?
Die Suche nach dem Sitz der Seele
Die Deutungen des Seelenbegriffs im Laufe der Geschichte sind vielfältig und komplex. Es fehlt zudem nicht an Bemühungen, nach dem Sitz der Seele im Körper zu suchen. Die Geschichte der Suche nach dem Ort der Seele ist zugleich die Geschichte vom Verschwinden der Seele in der neuzeitlichen Medizin (vgl. Steger & Brunner 2015). Bereits in der Antike gab es zwei gegensätzliche Auffassungen über den Sitz der Seele, die sich bis heute im allgemeinen Bewusstsein als Gegensatz von Kopf und Bauch, von Gehirn und Herz, erhalten haben. Die einen, die Cerebrozentristen, lokalisieren die Seele im Gehirn, die anderen, die Kardiozentristen, im Herzen.
Der antike Philosoph Platon verortete die Seele im Gehirn. Er betrachtete sie als ein komplexes Phänomen, das aus drei Teilen, einem vernünftigen, einem mutigen und einem begehrenden Seelenteil, besteht. Diese drei Seelenteile oder Seelenvermögen stehen miteinander in Konflikt. Jeder Seelenteil verfolgt seine eigenen Ziele und steht der Zielsetzung der anderen Seelenteile entgegen. Den vernünftigen Teil, die unsterbliche Vernunftseele, lokalisierte Platon im Gehirn und schrieb ihr eine führende und kontrollierende Funktion zu. Er wollte die Herrschaft der unsterblichen Vernunftseele über die beiden unteren sterblichen Seelenteile, in denen sich mächtige Leidenschaften regen, erklären. Einer dieser Seelenteile ist besser, der andere ist schlechter. Der bessere, der mutige und edle Teil, wohnt im Herzen, der schlechtere, triebhafte und begehrende Teil sitzt im Unterleib. Platon vergleicht die drei Seelenteile mit einem Pferdewagen. Lenkerin des Wagens ist die Vernunft. Sie muss die beiden Pferde, von denen das eine fügsam und das andere wild ist, leiten und bändigen. Nur die Vernunft kann erkennen, überlegen, abwägen und vorausschauen. Der Körper ist der Seele untergeordnet. Platon bezeichnet ihn sogar als Gefängnis der Seele. Körper und Seele des Menschen sind nur während des Erdenlebens zusammengespannt. Im Tod löst sich die Seele vom Körper. Psyché (Seele) steht bei Platon für Leben, Körper (soma) für Tod. Soma nennt er den von der Seele verlassenen Körper, den Leichnam. Die Vernunftseele ist unsterblich. Sie muss bereits vor der Entstehung des Körpers im Reich der Ideen existiert haben. Platon zufolge wissen wir Menschen nämlich vieles, was wir nie gelernt haben, und wir setzen vieles voraus, von dem wir nie eine Erfahrung gemacht haben. Zum Beispiel müssen wir uns die Begriffe des Gleichen, des Schönen und des Gerechten durch etwas erworben haben, was uneingeschränkt gleich, uneingeschränkt schön und uneingeschränkt gerecht ist. In unserer Welt der Erfahrung sind nämlich zwei Dinge nie uneingeschränkt gleich, sondern in gewisser Weise immer auch ungleich; keine zwei Dinge sind nur schön und keine Handlung ist nur gerecht. Wir können uns dieses Wissen also nur durch die Schau des Gleichen, des Schönen und des Gerechten selbst erworben haben. Da es nicht aus der Erfahrung stammt, müssen wir es uns vor der Geburt durch die Schau der Ideen angeeignet haben. Für Platon sind die konkreten Dinge unserer Erfahrung nur Abbilder der Ideen, die letztlich viel realer sind als ihre Abbilder. Er spricht von der Verwandtschaft der Seele mit den Ideen. Die Seele strebt nach Erkenntnis, sie interessiert sich für das eigentlich Wirkliche, für den Bereich des Unsichtbaren. Der Körper hingegen ist auf die vergänglichen Dinge gerichtet. Es gibt eine Verwandtschaft zwischen dem Körper und der vergänglichen Welt einerseits und zwischen der Seele und der Ideenwelt andererseits. Sichtbares verändert sich ständig, Unsichtbares bleibt unverändert.
Der antike Philosoph Aristoteles lokalisierte die Seele, im Gegensatz zu Platon, im Herzen. Er betrachtete die Seele als Teil der Natur des Lebewesens, als Form des Organismus. Die Seele formt die Materie zu einem lebendigen menschlichen Leib, belebt und beseelt ihn. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war das Staunen darüber, dass es in der Welt des Materiellen überhaupt Lebendiges gibt. Ein Körper wird erst durch die Seele zu einem lebendigen Leib. Mit dem Ausdruck „Seele“ bezeichnete Aristoteles vor allem den Grund für das Lebendigsein. Leben ist das, was das Beseelte vom Unbeseelten unterscheidet. Beseelt sind Pflanzen, Tiere und Menschen. Lebendige Körper unterscheiden sich von unbelebten Objekten durch Ernährung, Wachstum, Fortpflanzung, Altern und Zerfall.
Aristoteles unterscheidet in seiner Schrift De anima drei Seelenvermögen: das vegetative, das sensitive und das rationale. Das vegetative Vermögen, das Ernährungsvermögen, ist für die grundlegenden Lebensvollzüge zuständig; das sensitive Vermögen für die sinnliche Wahrnehmung und die spontane Ortsbewegung; und das rationale Vermögen für Verstand und Vernunft. Dem Begriff nach lassen sich zwar verschiedene Seelenvermögen unterscheiden, aber die menschliche Seele ist eine Einheit. Die unteren Seelenvermögen sind in den höheren verwirklicht. Wir Menschen haben das vegetative Leben der Ernährung und des Wachstums mit den Pflanzen und Tieren gemeinsam, das sinnliche Leben der Wahrnehmung und des Begehrens mit den Tieren, doch das Leben gemäß der Vernunft ist nur uns eigen (vgl. Aristoteles, De anima).
Das vegetative und das sensitive Seelenvermögen lokalisierte Aristoteles im Herzen. Er hielt das Herz für den Ort der Lebenswärme und des Wahrnehmens. Diese beiden Seelenvermögen machen das „Sosein“ des Organismus aus. Für sich allein können sie nicht existieren und gehen deshalb gemeinsam mit dem Organismus zugrunde. Durch ihr Sterben machen sie den lebendigen Organismus zu einem toten Körper. „Der Tod ist der Tod der Seele und nicht zu allererst der Tod des Leibes.“ (Oeser 2002, 29) Die höchste Form der Seele, die tätige Vernunft (intellectus agens), benötigt zur Ausübung ihrer Tätigkeiten keine organische Grundlage. Aristoteles wies der denkenden Geistseele daher auch keinen bestimmten Ort im Körper, weder im Kopf noch im Herzen, zu. Die Geistseele kann ohne den Körper weiterexistieren, sie ist vom Körper abtrennbar, unsterblich und ewig. Damit meint Aristoteles jedoch nicht die individuelle Unsterblichkeit des Menschen, sondern die Unsterblichkeit der allgemeinen oder göttlichen Vernunft, an welcher die menschliche Geistseele, beispielsweise im Erkenntnisvollzug, teilhat.
Weite Teile der aristotelischen Schriften sind rein biologisch ausgerichtet. Dass ein Organismus eine Seele hat, heißt demnach, dass er fähig ist, gewisse Lebensfunktionen auszuüben wie Essen, Trinken, Wahrnehmen, Fühlen und im Falle des Menschen auch Denken. Mit „Seele“ erklärt Aristoteles zunächst bestimmte Arten der Bewegung, welche die physikalische Bewegungslehre nur unzureichend erklären kann. Bewegungen lebloser Objekte werden durch äußere Ursachen erklärt. Bewegungen von Lebewesen lassen sich auf diese Weise nicht erklären. Lebewesen bewegen sich, ohne durch äußere Ursachen bewegt zu werden. Sie müssen die Ursache ihrer Bewegung in sich tragen. Seele ist das Sich-selbst-Bewegende, der Ursprung der Körperbewegungen. Die Seele leitet die Bewegungen des Körpers und richtet sie auf ein Ziel aus. „Die Seele als interne Ursache der Bewegung von Lebewesen kann nicht eine bloß theoretische Entität sein; ihr muss ebenso etwas in der Wirklichkeit entsprechen wie den externen Ursachen der Bewegung nicht-lebendiger Dinge.“ (Quitterer 2010 b, 277)
Mit dem Begriff „Seele“ erklärt Aristoteles das Lebendig-Sein, alle biologischen Vorgänge und Prozesse sowie sämtliche körperlichen und geistigen Aktivitäten des Lebewesens. Mit dem Leben taucht auch die Welt des Bewusstseins auf.
Aristoteles betrachtet den Menschen, im Gegensatz zu Platon, als Einheit, als eine einheitliche Substanz, die aus Körper und Seele besteht. Körper und Seele stehen zueinander wie Stoff und Form. Der Körper ist der Seele weder untergeordnet noch dient er ihr als Gefängnis wie bei Platon. Körper und Seele sind vielmehr gleichberechtigt, sie sind wie die zwei Seiten einer Münze. Die Unterscheidung von Seele und Körper ist nur begrifflich-sprachlich. Ein bestimmter Typ von Seele kann nur in einem bestimmten Typ von Körper sein, weil die Seele das „Sosein“ des Körpers ist. Die Seele eines Menschen kann nur im Körper eines Menschen sein, jedoch nicht im Körper einer Eiche oder eines Wolfes (vgl. Haeffner 2015, 560).
Die Art, wie Aristoteles die biologische Grundlage des Lebens, Erlebens und Bewusstseins beschrieb, entspricht im Großen und Ganzen der modernen Hirnforschung. Die Seele definierte und beschrieb er anhand der Funktionen, mithilfe derer beseelte Wesen etwas tun. Als Subjekt des Handelns betrachtete er immer das gesamte Lebewesen. Nicht die Seele des Menschen handelt, sondern der Mensch als ganzer. Sich bewegen, sich freuen, denken und planen, ein Tuch weben oder ein Haus bauen, das alles leistet nicht die Seele des Menschen, sondern der Mensch durch die Seele. Obwohl Aristoteles eine kardiozentrische These vertrat und dem Gehirn alle empfindenden und kognitiven Funktionen absprach, kann seine Seelenlehre als wichtiger Beitrag zur Geschichte der Hirnforschung angesehen werden. Seine differenzierte Sicht der Seele, ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten, konnte zur „Grundlage sowohl des naturwissenschaftlichen anatomisch-physiologischen als auch spekulativ-philosophischen Weges menschlicher Selbsterkenntnis bis weit in die Neuzeit werden“ (Oeser 2002, 28).
Die Kontroverse zwischen denen, die das Herz, und denen, die das Gehirn als Sitz der Seele betrachteten, fand durch den griechischen Arzt und Anatom Claudius Galenus (um 129 – 215 n. Chr.) ein Ende. Galenus lehnte die Ansicht von Aristoteles, das Gehirn übe lediglich eine Kühlfunktion für das Herz aus, als völlig absurd ab. Wäre dies der Fall, so argumentierte er, dann hätte die Natur das Gehirn nicht so weit vom Herzen entfernt lokalisiert, sondern um das Herz herum gelagert. Galen bekannte sich ausdrücklich zur These, dass der Sitz der Seele das Gehirn ist (vgl. Oeser 2002, 37–38). Spätestens seit dem antiken Arzt Hippokrates (ca. 460 – 370 v. Chr.), dem Begründer der wissenschaftlichen Medizin, waren die meisten Naturforscher der Meinung, das Gehirn sei der Sitz zumindest der Vernunftseele, der Intelligenz und der kognitiven Fähigkeiten. Hippokrates hatte sich zum Beispiel entschieden gegen die Ansicht gewandt, Epilepsie sei eine heilige Krankheit und werde von Göttern oder Dämonen verursacht. Er hielt Epilepsie für nicht heiliger oder göttlicher als andere Krankheiten. Wie alle Krankheiten habe auch die Epilepsie eine ganz natürliche Ursache. Ausgangspunkt dieses Leidens sei das Gehirn.
Als Sitz der Vernunftseele galt fortan das Gehirn, wobei man ihren konkreten Ort in den Gehirnventrikeln, in den mit Flüssigkeit gefüllten Hohlräumen des Gehirns, vermutete. „Man konnte sich nicht vorstellen, dass die schlüpfrige Gehirnmasse etwas mit der Vernunftseele zu tun habe.“ (Roth & Strüber 2015, 28) Galen entwickelte die aristotelische Vorstellung von den drei Seelenvermögen weiter. Er unterschied eine Triebseele, eine Empfindungsseele und eine Denkseele. Die Triebseele (lat. spiritus naturalis) mit ihren vegetativen und ernährenden Funktionen lokalisiert er in der Leber, die Empfindungsseele (lat. spiritus vitalis), welche die unwillkürlichen Bewegungen und Emotionen steuert, im Herzen, und die Denkseele (lat. spiritus rationalis), welche die geistigen Vermögen der Einbildungskraft, der Vernunft und des Gedächtnisses umfasst, im Gehirn. Um seine Seelendreiteilung anatomisch zu untermauern, betonte er: Sitz der Denkseele ist das Gehirn, weil dort die Nerven entspringen; Sitz der Empfindungsseele das Herz, weil dort die Arterien entspringen; und Sitz der Triebseele die Leber, weil dort die Venen ihren Ursprung haben. „Die Seele befähige den Körper erst, sich selbst zu bewegen, wahrzunehmen und zu denken.“ (Steger & Brunner 2015, 16)
Im Mittelalter bestimmte die Ventrikellehre die Vorstellungen von der Natur und dem Ort der Seele. Die Gehirnventrikel stellte man sich als drei im Kopf hintereinander liegende Zellen vor. Die erste Zelle war der Ort des Gemeinsinnes, der nach Aristoteles alle Informationen aus den Sinnesorganen zu einer einheitlichen Wahrnehmung verbindet, sowie der Ort der Fantasie und Einbildungskraft. In der zweiten Zelle wohnte der Verstand und in der dritten Zelle das Gedächtnis (vgl. Oeser 2002, 39–40; Steger & Brunner 2015, 16). „Allgemein ging man davon aus, dass die Nerven, von den Sinnesorganen kommend, in den Ventrikeln enden und dort den Seelenstoff oder die unterschiedlichen Seelenstoffe abgeben.“ (Roth & Strüber 2015, 32)
In der Neuzeit beginnt die Debatte um den Ort der Seele mit dem französischen Philosophen René Descartes (1596–1650). Descartes beeinflusste und beeinflusst immer noch die Diskussionen über das Verhältnis von Leib und Seele, von Gehirn und Geist. Descartes traf eine scharfe Unterscheidung zwischen der Innenwelt des Geistes und der Außenwelt der materiellen Körper. Als Innenwelt bezeichnete er die Welt des nicht ausgedehnten immateriellen Bewusstseins, als Außenwelt die Welt der ausgedehnten materiellen Körper. Das Bewusstsein ist uns unmittelbar von innen gegeben, die materiellen Körper können wir nur von außen erkennen. Innenwelt und Außenwelt betrachtete Descartes als zwei verschiedene Substanzen und Wirklichkeiten. Substanz definierte er als etwas, was zu seiner Existenz keines anderen Dinges bedarf. Er räumte allerdings ein, dass eigentlich nur Gott es verdiene, als Substanz in diesem Sinne bezeichnet zu werden (vgl. Descartes 1992, Meditatio III).
Descartes zufolge ist der Körper teilbar, der Geist hingegen nicht. Der ganze Geist ist mit dem ganzen Körper verbunden. Schnitte man Teile des Köpers ab, würde der Geist dadurch nicht kleiner. Die Seele, die Welt der Gedanken, Wahrnehmungen, Emotionen und Willensakte, ist mit allen Teilen des Körpers verbunden. Von Natur aus hat die Seele weder eine Beziehung zur Ausdehnung noch zu räumlichen Dimensionen oder anderen Eigenschaften, wie der Körper sie besitzt. Für Descartes ist Seele Geistseele. Die Seele dient ihm, im Gegensatz zu Aristoteles, deshalb auch nicht dazu, biologische Vorgänge und Funktionen zu erklären. Nach Descartes lassen sich sämtliche Funktionsweisen des Körpers rein mechanisch erklären. Trotzdem steht die Seele mit allen Körperorganen in Verbindung (vgl. Descartes 1996, 51). Wie ist das möglich? Wie wirken Seele und Körper aufeinander ein? Descartes war davon überzeugt, dass die Seele ihren Einfluss auf den Körper über die Zirbeldrüse (Epiphyse) im Zwischenhirn ausübt. Durch diese Drüse wirkt sie mithilfe der sogenannten Lebensgeister über Nerven und Blut auf den gesamten Körper ein. Warum bestimmte Descartes ausgerechnet die Zirbeldrüse zum Ort der Wechselwirkung von Seele und Körper?
„Der Grund, der mich überzeugt, dass die Seele keine andere Stelle im ganzen Körper haben kann als diese Drüse, wo sie unmittelbar ihre Funktion ausüben kann, liegt darin, dass alle anderen Teile unseres Gehirns doppelt vorhanden sind, so wie wir auch zwei Augen, zwei Hände, zwei Ohren haben, und überhaupt alle unsere äußeren Sinnesorgane doppelt vorhanden sind. Damit wir also nur einen einzigen und einfachen Gedanken von der gleichen Sache und zur gleichen Zeit haben, ist es notwendig, dass es eine Stelle gibt, wo die zwei Bilder, die von den beiden Augen kommen, oder zwei andere Eindrücke, die von einem einzigen Gegenstand durch die doppelten Organe der anderen Sinne kommen, sich zu einem verbinden können, bevor sie zur Seele gelangen, damit sie dieser nicht zwei anstatt einem Bild darbieten.“ (Descartes, 1996, 53 f.)
In der Zirbeldrüse, in der Mitte des Gehirns, vereinen sich Descartes zufolge die verschiedenen Eindrücke, die aus den paarigen Sinnesorganen kommen, zu einem ganzheitlichen Bild. Die Seele beeinflusst über diese Drüse die Bewegungsrichtungen der Lebensgeister und verändert dadurch die Bewegungen anderer Körperteile. Rätselhaft bleibt, wie die Seele die Zirbeldrüse so beeinflusst, dass ihre Handlungsabsichten in Körperbewegungen umgesetzt werden können. Descartes verabschiedete...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. I. Die Seele in unserer Alltagssprache
  3. II. „Seelenkunde“? Die Seele in der Psychologie
  4. III. Macht das Gehirn die Seele?
  5. IV. Ist der Geist die Seele?
  6. V. Überlebt nur die Seele unseren Tod?
  7. Nachwort
  8. Literatur
  9. Verzeichnis der Abbildungen