1.1 Im Regelfall werden Verluste verrechnet
Verluste entstehen immer dann, wenn die Betriebsausgaben höher als die entsprechenden Betriebseinnahmen sind. Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung werden sie in der Regel von Ihrem Finanzamt anerkannt und somit mit den Gewinnen oder Überschüssen aus anderen Einkünften verrechnet. Das bedeutet, dass Sie für dieses Jahr weniger Einkommensteuer zahlen müssen. Sofern Sie im Jahr der Verlustentstehung keine anderen Einkünfte haben, geht Ihnen dieser Steuervorteil nicht verloren. Denn Sie können die negativen Einkünfte entweder in das Vorjahr zurück- oder für die Folgejahre vortragen lassen und dort mit positiven Einkünften verrechnen.
Die Ursachen für die Verluste können vielfältig sein. Sie sollten die Ursachen jedoch kennen, denn das Finanzamt wird Ihre Gewinnermittlung bei einem Verlust kritisch beäugen. Verluste aus einer betrieblichen Tätigkeit werden nämlich ausnahmsweise vom Finanzamt nicht anerkannt, wenn die Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird.
Fehlt die Gewinnerzielungsabsicht, spricht man von einer einkommensteuerlich unbeachtlichen Liebhaberei.
Die Gründe für einen Verlust können vorübergehend gesunkene Einnahmen oder gestiegene Ausgaben sein. In diesem Fall wird das Finanzamt ihn normalerweise ohne Weiteres anerkennen. Gleiches gilt, wenn Sie mit Ihrem Betrieb von den Einschränkungen, die sich aufgrund der Corona-Pandemie ergaben, betroffen waren. Verluste, die aufgrund der behördlich verfügten, vorübergehenden oder teilweisen Schließung Ihres Betriebs entstehen, werden uneingeschränkt verrechnet.
Gelegentlich entstehen Verluste auch am Ende einer lange Jahre mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Tätigkeit, weil altersbedingt weniger Aufträge angenommen werden, die Betriebsausgaben aber unvermindert anfallen.
Viel häufiger kommt es jedoch vor, dass Freiberuflern oder Gewerbetreibenden am Anfang einer betrieblichen Tätigkeit sogenannte Anlaufverluste entstehen. Diese haben ihre Gründe häufig in hohen Anfangsinvestitionen (z.B. neuer Lieferwagen oder teure EDV-Anlage), die zu hohen Abschreibungsbeträgen führen. Diesen stehen aber meist nur geringe Erträge gegenüber. Denn das neu gegründete Unternehmen muss zunächst einen Kundenstamm aufbauen, und das kann mehrere Jahre beanspruchen.
1.2 Was Sie bei Anfangsverlusten beachten müssen
Anlauf- bzw. Anfangsverluste sind völlig normal. Ist Ihr Geschäftskonzept von Anfang an gewinnversprechend, ist Ihnen nach der BFH-Rechtsprechung grundsätzlich eine Anlaufphase von fünf Jahren zuzubilligen (H 15.3 Anlaufverluste EStH 2020; BFH-Urteil vom 23.5.2007, X R 33/04, BStBl. 2007 II S. 874). Während dieser Zeit wird das Finanzamt daher die Verluste im Normalfall auch problemlos berücksichtigen. Steuerlich ist das eine feine Sache, denn oft bekommen Sie dadurch eine hohe Steuererstattung. Bei einer selbstständig ausgeübten Nebentätigkeit wird der Verlust mit den positiven Einkünften aus der Haupttätigkeit verrechnet (z.B. Pension oder Arbeitslohn). So sinkt Ihr zu versteuerndes Einkommen und damit auch Ihre Steuerbelastung – es gibt also oft viel Geld zurück. Genauso angenehm ist es, wenn bei Zusammenveranlagung die Verluste aus der selbstständigen Tätigkeit des Ehemanns mit den positiven Einkünften der Ehefrau saldiert werden. Aber Vorsicht: Das Finanzamt erkennt die Verluste in der Regel nur vorläufig an. Der Steuerbescheid ist dadurch später ohne Weiteres änderbar. Dann droht Ihnen unter Umständen Jahre später eine Steuernachzahlung.
Im Einkommensteuergesetz werden Sie den Begriff der Liebhaberei vergeblich suchen. Dort ist lediglich geregelt, dass eine betriebliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden muss. Der Begriff der Liebhaberei wurde erst im Laufe der Jahre von der Rechtsprechung in einer Fülle von Urteilen definiert und immer näher präzisiert.
Es hilft also nichts: Als Selbstständiger sollten Sie bereits im Voraus wissen, worum es geht. Denn ein Blick auf die Urteile zur Liebhaberei zeigt, dass es sich finanziell oft lohnt, über den steuerrechtlichen Hintergrund Bescheid zu wissen.
1.3 Wenn die Verluste von Dauer sind
Verluste sollten weder nach der Anlaufphase einer neuen Tätigkeit noch im Laufe einer Tätigkeit zum Dauerzustand werden. Bewegen Sie sich über Jahre in der Verlustzone, wird das Finanzamt möglicherweise misstrauisch und spricht von »Liebhaberei«.
Wann liegt eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vor?
Nach der Rechtsprechung liegt bei dauernden Verlusten Liebhaberei dann vor, wenn die Gewinnerzielungsabsicht fehlt! Von einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht ist auszugehen, wenn
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Verluste dürfen nämlich steuerlich nur dann berücksichtigt werden, wenn Sie mit Ihrer Tätigkeit auf Dauer gesehen (d.h. von der Gründung des Betriebs bis zur Aufgabe) Gewinn erzielen wollen. Die Absicht zur Erzielung von Einnahmen reicht dazu nicht aus.
Achtung: Es reicht für Liebhaberei aus, wenn es Indizien dafür gibt, dass Sie Ihrer verlustbringenden Tätigkeit nur aus persönlichen Gründen und Motiven nachgehen. An die Feststellung sind keine hohen Anforderungen zu stellen, die Gründe müssen lediglich möglich sein (BFH-Beschluss vom 27.5.2008, VIII B 123/07).
Folgen der Einstufung als Liebhaberei
Wird Ihre Tätigkeit als Liebhaberei eingestuft, was auch rückwirkend möglich ist, hat das schwerwiegende steuerliche Folgen: Ab sofort werden die Verluste in Ihrem Einkommensteuerbescheid nicht mehr berücksichtigt. Es gibt also keinen Verlustausgleich, keinen Verlustrücktrag und keinen Verlustvortrag, somit auch keine Steuererstattungen. Sofern die Bescheide der Vorjahre noch änderbar sind, drohen Ihnen Nachzahlungen für mehrere Jahre.
Kleines Trostpflaster: Auch gelegentliche positive Ergebnisse werden dann nicht mehr versteuert. Wird eine unternehmerische Tätigkeit von Anfang an als Liebhaberei eingestuft, so handelt es sich bei den dafür eingesetzten Wirtschaftsgütern (z.B. Pkw oder Computer) von Anfang an um Privatvermögen. Folglich müssen Sie auch keine Entnahmen, wie beispielsweise die private Pkw-Nutzung, versteuern.
1.4 Das spricht für eine Liebhaberei
Die Gewinnerzielungsabsicht und die persönlichen Neigungen eines Unternehmers sind natürlich rein subjektive Kriterien. Deshalb muss jeder Einzelfall für sich beurteilt werden (BFH-Beschluss vom 27.5.2008, VIII B 123/07). Die Rechtsprechung hat inzwischen einen ganzen Katalog von Indizien entwickelt, die auf Liebhaberei bzw. fehlende Gewinnerzielungsabsicht hinweisen. Je mehr dieser Indizien vorliegen, umso schwerer wird es, das Finanzamt oder Finanzgericht von der tatsächlich vorhandenen Gewinnerzielungsabsicht zu überzeugen:
Die selbstständige Tätigkeit wird nebenberuflich ausgeführt
Bei einem anspruchsvollen Hauptberuf wird schnell ein geringer persönlicher Einsatz für die selbstständige Nebentätigkeit unterstellt. Vor allem dann, wenn diese Tätigkeit dauerhaft Verluste verursacht.
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Beispiel: Ein Vollzeitangestellter eröffnete nebenberuflich eine Handelsvertretung für den Bereich Wellness, Haushalt und Bekleidung. Es handelte sich um ein sog. Networking-Marketing-Geschäft. Die Verluste wurden zunächst für zwei Jahre vorläufig anerkannt. Als aber auch im dritten Jahr ein Verlust eintrat, verbunden mit von Jahr zu Jahr sinkenden Betriebseinnahmen von 1.514,– € im ersten Jahr auf nur noch 391,– € im dritten Jahr, war Schluss. Das Finanzamt strich rückwirkend die Verluste, weil keine signifikante Steigerung der Einnahmen zu erwarten war. Vielmehr erfolgte der Verkauf vor allem an Bekannte, sodass von vornherein nur ein begrenzter Kreis an potenziellen Kunden zur Verfügung stand. Da der Vertreter wegen seines Hauptberufs nur zwei Stunden pro Werktag für die Vertretung aufwenden konnte, war auch dem Finanzgericht nicht ersichtlich, wie eine erfolgreiche Vertriebsstruktur hätte aufgebaut werden können (Niedersächsisches FG vom 3.11.2011, 11 K 361/10, EFG 2012 S. 837).
Ein anspruchsvoller Hauptberuf schließt aber natürlich nicht von vornherein aus, dass Sie sich im Laufe der Jahre parallel zu Ihrer Haupttätigkeit systematisch einen tragfähigen Betrieb aufbauen.
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Beispiel: Ein hauptberuflich angestellter Dachdecker führte an den Wochenenden und im Urlaub Dachdeckerarbeiten für oft weit entfernt wohnende Freunde und Verwandte im Rahmen einer selbstständigen gewerblichen Nebentätigkeit aus. Daraus ergaben sich von 2005 bis 2013 durchgehend Verluste. Im Gegensatz zum Finanzamt erkannte das Finanzgericht diese Verluste an (FG Berlin-Brandenburg vom 19.12.2016, 9 K 9193/15).
Die Richter kreideten ihm nicht an, dass er keine nach außen gerichteten Werbemaßnahmen unternommen hatte. Denn immerhin habe er sich an eine – wenn auch begrenzte – Allgemeinheit gewandt. Positive Einkünfte würden sich hier mangels der Möglichkeit, größere Aufträge zu erledigen, erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen lassen. Das beste Argument für die Gewinnerzielungsabsicht des Handwerkers war jedoch die Tatsache, dass die Nebentätigkeit in den Jahren 2014 und 2015 erstmals einen Gewinn abgeworfen hatte. Dies ...