Musste Jesus für uns sterben?
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Musste Jesus für uns sterben?

Deutungen des Todes Jesu

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Musste Jesus für uns sterben?

Deutungen des Todes Jesu

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Über dieses Buch

Der Gedanke, dass Jesus 'für uns' gestorben ist, ja, dass er für unser Heil sogar sterben 'musste', hat in unserer pluralistischen und säkularen Welt seine einstige Plausibilität verloren. Es steht uns jedoch jederzeit ein geradliniger Weg offen, der zur Klarheit darüber führt, wovon in den Symbolen von und um Jesu Tod die Rede ist: Es ist der Weg zu den Quellen. Dazu lädt der vorliegende Text ein, nicht nur verunsicherte Christen, sondern alle, die den Gehalt eines der zentralen christlichen Symbole ohne Vorurteile verstehen möchten. Helmut Fischer, erfahrener Lehrer und Kommunikator, wendet sich mit seinem knappen, theologisch fundierten und gut verständlichen Text an Pfarrer/innen, Religionslehrer/innen, Gruppenleiter/innen, die gut aufbereitetes Material suchen, Arbeits- und Gesprächskreise, die eine gemeinsame Informationsbasis brauchen, aber auch an Schüler/innen in oberen Klassen, die sich auf eine zuverlässige Übersicht stützen wollen.

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Information

Jahr
2008
ISBN
9783290176822

|27| Wie wird Jesu Tod von Ostern her gedeutet?

Prinzipien der Deutung

Fakten bedürfen der Deutung

Fakten sind Fakten. Sie haben, für sich genommen, noch keinen Sinn. Sinn gewinnen sie dadurch, dass sich Menschen zu ihnen in ein Verhältnis setzen, sie ihrem Weltverstehen und ihrer Lebenssituation zuordnen, ihnen also einen Sinn geben. Jede Deutung kommt von einem bestimmten Verstehenshintergrund her. Dieser Verstehenshintergrund geht damit (unbewusst) in die Deutung ein, ja, er verschmilzt mit ihr zu einer Einheit.

Der religiöse und kulturelle Hintergrund deutet mit

Die Tatsache, dass der religiöse und kulturelle Hintergrund mitdeuten, ist dem Deutenden meist nicht bewusst. Es muss aber dem sehr bewusst sein, der sich später mit dieser Deutung auseinandersetzt. Nur so ist sicherzustellen, dass nicht der eingeflossene Deutungshintergrund für den Inhalt genommen wird.

Deutung bedarf der angemessenen Sprache

Jede Deutung von Tatbeständen muss sich in einer dem Gegenstand angemessenen Sprache vollziehen. Für die Deutung und Analyse eines Verkehrsunfalls taugt z. B. die Sprache der Poesie wenig. Hier wird man nur mittels der Sprache der physikalischen Naturgesetzmäßigkeiten zu einer plausiblen Deutung kommen. Bei der Deutung eines |28| menschlichen Verhaltens wieder wird uns die exakte Sprache der Physik und der Mathematik wenig helfen. Hier wird uns die Sprache der Psychologie, die Psycho-Logik, weiterbringen.

Die Sprache der Religion

Bei religiösen Phänomenen werden wir mit allen Sprachen scheitern, die ihren »Gegenstand« auf diese oder jene Weise nur innerweltlich »verrechnen«. Sofern es Religion mit dem Göttlichen, also mit dem Nichtweltlichen, zu tun hat, kann sie sich nur in einer Sprache artikulieren, die sich weltlicher Elemente bedient. Sie darf aber das, wovon gesprochen wird, nicht zum weltlichen Gegenstand machen, sondern muss es in seiner nichtweltlichen Andersartigkeit respektieren. Dies leistet das Symbol. Deshalb ist die Sprache des Symbols die der Religion angemessene Sprache. Das Symbol redet in gegenständlichen Bildern von nichtgegenständlichen Realitäten.
Eine für alle alten Religionen charakteristische symbolische Redeweise ist der Mythos. Auch die meisten Deutungen des Todes Jesu sind in mythischen Denkformen verfasst. Mythen sind Erzählungen, in denen von numinosen Gestalten jenseits unserer realen Welt die Rede ist, denen aber höchste Bedeutung für unser Leben zugesprochen wird. Mythen artikulieren eine Dimension unseres Lebens und Weltverstehens, die an den Fakten nicht ablesbar ist. Mythen bringen zum Ausdruck, was in einer religiös-kulturellen Gemeinschaft unbefragt und unwidersprochen gilt.
Ein wesentliches Element mythischen Denkens ist die Analogie, eine besondere Art der Übertragung. Dabei wird ein allgemein bekanntes Muster auf etwas Unbekanntes |29| übertragen. Das Unbekannte wird damit in den Horizont unseres Verstehens hereingeholt und interpretiert, bleibt aber als nichtgegenständlich erkennbar. Zwischen den als analog erkannten Größen wird eine in der Tiefe bestehende Identität vorausgesetzt (z. B.: Jeder Mensch ist Adam. Daher wiederholt sich in jedem Menschen die Schuld Adams). Die mythische Welt stellt sich als eine Welt widerstreitender Mächte dar, die vielfach personifiziert werden (Satan, Dämonen). Als Leser dieser Texte werden wir darauf zu achten haben, dass wir diese Symbole nicht vergegenständlichen, sondern uns ihres hinweisenden Charakters bewusst bleiben.

Vielfalt der Symbole – Vielfalt der Deutungen

Die sich nach Ostern sammelnden Gruppen und Gemeinden begannen von ihrer Gewissheit her, dass Jesus bei ihnen war und sich als lebendig erwies, Jesu Tod neu zu verstehen. Sie taten das mit dem Symbolmaterial der ihnen vertrauten jüdischen Religion und innerhalb der gewohnten Denkformen und Sprachmuster. Da der Symbolfundus der jüdischen Religion sehr vielfältig ist, bildeten sich entsprechend unterschiedliche Traditionsstränge. Das heißt, wir werden in den neutestamentlichen Texten, die Jesu Sterben in der Symbolsprache des Alten Testaments deuten, weder eine einheitliche Begrifflichkeit noch einheitliche Deutungen erwarten dürfen, sondern auf eine Vielzahl unterschiedlicher Interpretationen stoßen. Diese Deutungen schließen einander nicht aus; sie lassen sich aber ebenso wenig zu einer einzigen, in sich schlüssigen Deutung zusammenführen.

|30| Das alttestamentliche Welt- und Menschenverständnis als Deutungshintergrund

Alte Texte sind uns deshalb so schwer zugänglich, weil sie in einen Deutungshintergrund eingebunden sind, den wir nicht kennen. Deshalb sei hier das Welt- und Menschenverständnis des Alten Testaments, das die unausgesprochene Grundlage für die meisten Interpretationen des Todes Jesu bildet, vorab in wenigen Strichen skizziert. Nach dem Alten Testament befindet sich der Mensch aktuell in einem gestörten Verhältnis zu Gott. Er lebt im Widerspruch zu dem, was er nach dem Willen seines Schöpfers sein sollte. Er ist nämlich nicht vom Geist Gottes geleitet, sondern folgt wie unter einem Zwang seiner Selbstsucht und seiner Lebensgier, die er auf Kosten der anderen durchzusetzen sucht und die dabei das eigene Leben und das Leben der Gemeinschaft vergiftet und beschädigt. Mit dieser Entfremdung von Gott entfremdet sich der Mensch auch sich selbst. Diese aktuelle Grundverfassung, in der sich der Mensch immer schon vorfindet, nennt die Bibel »Sünde«. Aus ihr gehen die Handlungen hervor, die wir als Tat-Sünden wahrnehmen. Der innere Zwang, der zu widergöttlichem Handeln antreibt, wurde in der Antike so erlebt, als stünde der Mensch unter der Herrschaft widergöttlicher, dämonischer Mächte. Aus eigener Kraft ist kein Mensch in der Lage, sich aus dem Machtbereich der Sünde zu befreien. Er muss daraus befreit werden. Das ist der Verstehenshintergrund, der allen Deutungen des Todes Jesu zugrunde liegt. Unser eigenes Weltverständnis muss beim nachvollziehenden Verstehen zunächst außen vor bleiben.

|31| Die alttestamentlichen Schriften als Deutungshilfe

In der Geschichte von den Emmaus-Jüngern sagt der unerkannt mitwandernde Jesus mit dem Blick auf Karfreitag zu den resignierten Männern: »Wie unverständig seid ihr doch und trägen Herzens! Dass ihr nicht glaubt nach allem, was die Propheten gesagt haben! Musste der Gesalbte nicht solches erleiden und so in seine Herrlichkeit eingehen? Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in allen Schriften über ihn steht.« (Lk 24,25–27) Hier schlägt sich die Überzeugung nieder, dass sich Jesus selbst in der Tradition jener Verheißungen sieht, die sich in ihm erfüllen sollten. So lag es nahe, dass die nachösterliche Jüngerschaft auch Jesu Tod im Verstehenshorizont der alttestamentlichen Verheißungen zu lesen und zu erfassen suchte.

Jesu Tod – der Tod des Gottesknechts

Nun drängte es sich geradezu auf, Jesus mit dem geheimnisvollen Knecht Gottes zu identifizieren, von dem im Jesajabuch so viel die Rede ist. Erinnerte nicht schon Jes 53 an die letzte Wegstrecke von Jesu Passion: »Er hatte keine Gestalt und keine Pracht, dass wir ihn angesehen hätten … Verachtet wurde er und von Menschen verlassen, ein Mann der Schmerzen … Er wurde bedrängt, und er ist gedemütigt worden, seinen Mund aber hat er nicht aufgetan wie ein Lamm, das zur Schlachtung gebracht wird.« (Jes 53,2.3.7)? War nicht sogar schon darauf hingewiesen worden, dass Jesus den schändlichen Tod eines Verbrechers sterben würde, wenn es in Jes 53,12 heißt: »... dafür, dass ... er sich den Übeltätern zurechnen liess.«? Konnte |32| man nicht schon im Gottesknecht den Hinweis auf den guten Hirten Jesus sehen, der den Verirrten nachgeht, der die Herde beisammenhält und der sogar bereit ist, sein Leben für seine Schafe hinzugeben? Traf nicht Jes 53,6 die Situation, in die Jesus kam, sehr genau, wenn gesagt wird: »Wie Schafe irren wir alle umher, ein jeder von uns wandte sich seinem eigenen Weg zu.«?
Besonders im Lukasevangelium wird vielfach darauf hingewiesen, dass der Knecht Gottes in Jesus gekommen ist und all das eingelöst hat, was dort von diesem Knecht gesagt wurde: »Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt … Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, ... treu trägt er das Recht hinaus.« (Jes 42,1.3 vgl. Lk 12,20) »In Gerechtigkeit habe ich, der HERR, dich gerufen, und ich ergreife deine Hand, und ich behüte dich und mache dich zum Zeichen des Bundes mit dem Volk, zum Licht der Nationen, um blinde Augen zu öffnen, um Gefangene hinauszuführen aus dem Gefängnis und aus dem Kerker, die in der Finsternis sitzen … Noch ehe es sprosst, lasse ich es euch hören.« (Jes 42,6.7.9 vgl. Lk 2,32 und 4,18)
Wir wissen nicht, wer mit diesem Knecht Gottes gemeint war. Aber die junge Gemeinde sah in Jesus den hier angekündigten Erlöser gekommen. Im Erlösungswerk des Gottesknechts konnte man auch Jesu Tod als ein Heilsgeschehen erfassen, das er für uns vollbracht hat. War doch vom Gottesknecht gesagt: »Doch unsere Krankheiten, er hat sie getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich genommen. Wir aber hielten ihn für einen Gezeichneten, für einen von Gott Geschlagenen und Gedemütigten. … auf ihm lag die Strafe, die unserem Frieden diente, und durch seine Wunden haben wir Heilung erfahren.« (Jes 53,4f) Jesu Tod stellte sich im Lichte dieses Texts nicht mehr als |33| sein und seiner Jünger Scheitern dar, sondern als Höhepunkt, als Abschluss und als Vollendung von Jesu irdischem Heilswerk. Das klingt schon in der Bemerkung der Emmaus-Geschichte an: »Musste der Gesalbte nicht solches erleiden ...?« (Lk 24,26)
Der Gedanke, dass Jesus für uns gestorben ist, war für die jüdisch geprägten Jesusnachfolger erhellend, plausibel und ein Grund zur Dankbarkeit. Für den westlichen Menschen hingegen ist seit der Aufklärung dieser Gedanke zunehmend fremd, ja anstößig geworden. Kritiker des Christentums pflegen sich in immer neuen Wellen über einen hilflosen Gott zu entrüsten, der zur Errettung der Menschen selbst ein Menschenopfer braucht. Diese Kritiker darf man freilich daran erinnern, dass sich jedem, der in geschichtsvergessender Weise sein eigenes Denken zur unbestreitbaren Norm für Sinn und Unsinn erhebt, die gesamte Geschichte der Menschheit als ein Museum der Absurditäten darstellen muss. Verstehen heißt demgegenüber in erster Linie, eine menschliche Äußerung aus der Sicht und innerhalb der Denkformen derer zu verstehen, die uns etwas mitteilen. Dass uns viele der alten Denkmuster heute nur schwer zugänglich sind, bleibt unbestritten. Aber das gilt grundsätzlich für alle Äußerungen, die außerhalb dessen liegen, was wir selbst zu denken gewohnt sind. Ohne die Bereitschaft, den anderen im Zusammenhang seines Denkens zu verstehen, können wir uns nicht einmal über die Probleme des Alltags verständigen.

|34| Jesus...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelei
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Hinführung
  4. Was wissen wir historisch über den Tod Jesu?
  5. Wie erging es den Jüngern nach Jesu Tod?
  6. Wie wird Jesu Tod von Ostern her gedeutet?
  7. Welche Deutung soll gelten?
  8. Weitere Veröffentlichungen von Helmut Fischer