1.1 Erste Tätigkeitsstätte fern der Hauptwohnung
»Mobil sein« heißt die Devise bei der Wahl des Arbeitsortes: Und so haben viele Angestellte und Beamte ihren Arbeitsplatz nicht in der Nähe des heimischen Schornsteins, sondern weiter entfernt. Zu weit, um täglich nach Hause zu fahren. Da benötigt man am auswärtigen Arbeitsort eine Zweitwohnung – und schon liegt eine doppelte Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG vor.
Eine doppelte Haushaltsführung setzt voraus, dass Sie
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außerhalb des Ortes Ihrer ersten Tätigkeitsstätte
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einen eigenen Hausstand unterhalten (Hauptwohnung) und auch
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am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnen (Zweitwohnung).
Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der Sie dauerhaft zugeordnet sind (§ 9 Abs. 4 EStG).
Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte erfolgt vorrangig anhand der arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen durch den Arbeitgeber. Nur wenn diese fehlen oder nicht eindeutig sind, entscheidet der Umfang der an der Tätigkeitsstätte zu leistenden Arbeitszeit (quantitative Zuordnungskriterien). Sie können je Arbeitsverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte, ggf. aber auch keine erste, sondern nur auswärtige Tätigkeitsstätten haben.
Sind Sie nur vorübergehend, zum Beispiel bei befristeter Abordnung, an einer anderen betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers tätig, wird diese dadurch nicht zur ersten Tätigkeitsstätte.
Der »doppelte Haushalt« wird am Ort der ersten Tätigkeitsstätte oder in dessen Nähe geführt. Das ist der Beschäftigungsort. Typische Fälle: Wegen Versetzung oder Arbeitgeberwechsel liegt Ihre erste Tätigkeitsstätte zu weit entfernt, um täglich nach Hause zu fahren.
Eine doppelte Haushaltsführung kann zum Beispiel in folgenden Fällen vorliegen:
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Sie werden unbefristet versetzt oder wechseln die Firma und wohnen unter der Woche am neuen Arbeitsort. Die Familie bleibt am bisherigen Wohnort.
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Sie sind Zeitsoldat und bleiben die Woche über in der Kaserne, der Sie dauerhaft zugeordnet sind. Am Wochenende fahren Sie zu Ihrer Familie.
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Sie sind es leid, täglich die sehr weite Strecke zu Ihrer Arbeit zu fahren, und nehmen sich deshalb am Beschäftigungsort ein Zimmer.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn der auswärtige Arbeitsort keine erste Tätigkeitsstätte ist. Dann handelt es sich steuerlich um eine Auswärtstätigkeit mit Übernachtung. Konsequenz: Sie können Reisekosten geltend machen. Das ist meist steuerlich günstiger. So können Sie bei einer Auswärtstätigkeit die Fahrten nach Hause mit dem eigenen Pkw mit der höheren Reisekostenpauschale statt der Entfernungspauschale geltend machen.
Prüfen Sie also bitte immer zuerst, ob Sie am auswärtigen Tätigkeitsort eine erste Tätigkeitsstätte haben.
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Beispiel: Herr Fink hat seinen Wohnsitz und seine erste Tätigkeitsstätte in Köln. Ab 1.7.2021 wird er für zwei Jahre nach München an eine andere Niederlassung seines Arbeitgebers abgeordnet. Er mietet sich dort eine Zweitwohnung an. Da die Abordnung zeitlich befristet ist, hat Herr Fink in München keine erste Tätigkeitsstätte. Konsequenz: Es liegt steuerlich keine doppelte Haushaltsführung, sondern eine Auswärtstätigkeit vor. Er kann hierfür Reisekosten geltend machen.
Herr König hat seinen Wohnsitz und seine erste Tätigkeitsstätte in Köln. Ab 1.7.2021 wird er zeitlich unbefristet nach München an eine andere Niederlassung versetzt, wo er ausschließlich beruflich tätig ist. Er mietet sich dort eine Zweitwohnung an. Herr König hat ab 1.7.2021 in München seine erste Tätigkeitsstätte und somit liegt eine doppelte Haushaltsführung vor.
Haben sie am Ort der ersten Tätigkeitsstätte (= Beschäftigungsort) eine Zweitwohnung, können verheiratete wie auch ledige Arbeitnehmer eine doppelte Haushaltsführung steuerlich geltend machen, wenn sie hierfür die Voraussetzungen erfüllen (BFH-Urteil vom 21.4.2010, VI R 26/09, BStBl. 2012 II S. 618):
Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung
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Am Wohnort haben Sie Ihre Hauptwohnung mit eigenem Hausstand.
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Am Beschäftigungsort haben Sie eine Zweitwohnung.
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Die Zweitwohnung ist beruflich veranlasst.
1.2 Hauptwohnung am Wohnort
1.2.1 Steuerliche Anforderungen an eine Hauptwohnung
Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung ist, dass Sie neben der Zweitwohnung am Beschäftigungort einen eigenen Hausstand an Ihrem Lebensmittelpunkt (Wohnort) unterhalten – die Hauptwohnung.
Die Merkmale der Hauptwohnung sind, dass Sie dort
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einen eigenen Hausstand unterhalten und
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Ihren Lebensmittelpunkt haben.
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Zudem darf die Hauptwohnung nicht am Beschäftigungsort sein.
Eine doppelte Haushaltsführung wird nur dann steuerlich anerkannt, wenn sich die Hauptwohnung außerhalb des Ortes Ihrer ersten Tätigkeitsstätte (Beschäftigungsort) und dessen Einzugsgebiet befindet. Davon geht das Finanzamt vereinfachend aus, wenn die Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte mehr als 50 km beträgt (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl. 2020 I S. 1228 Rz. 102).
Ist die Entfernung geringer, wird dies entsprechend der hierzu ergangenen BFH-Rechtsprechung geprüf...