Liebesaffären zwischen Problem und Lösung
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Liebesaffären zwischen Problem und Lösung

Hypnosystemisches Arbeiten in schwierigen Kontexten

  1. 460 Seiten
  2. German
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Liebesaffären zwischen Problem und Lösung

Hypnosystemisches Arbeiten in schwierigen Kontexten

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Gunther Schmidt gilt als einer der maßgeblichen Pioniere für die Integration systemischer Modelle und ericksonscher Hypnosetherapie zu einem ganzheitlich-lösungsfokussierenden Konzept. Im Zentrum seines Beratungsansatzes stehen die Orientierung auf Kompetenzen, Ressourcen und Lösungen und die vielfältigen Anwendungsbereiche in Therapie und Beratung.In diesem ersten umfassenden Buch zur hypnosystemischen Therapie und Beratung lässt Gunther Schmidt den Leser an dieser erfolgreichen Vorgehensweise teilhaben und gibt zugleich viele Anregungen für die tägliche Praxis, u. a. in den Bereichen: Familien- und Paartherapie, Sucht- und Traumatherapie, stationär-klinische Psychosomatik, Psychosen, Depression, Team- und Organisationsentwicklung, Coaching, Supervision, u. a. m.

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Information

Jahr
2023
ISBN
9783849782856
Teil II: Therapeutische Anwendungsfelder

Systemische und hypnotherapeutische Konzepte für die Arbeit mit als psychotisch definierten Klienten

ERGEBNISSE DER FAMILIENTHERAPIEFORSCHUNG

Die Erforschung von Familiensystemen mit psychotischen Indexpatienten und -patientinnen (IP) war und ist ein zentraler Bereich der Familientherapie seit den 1950er-Jahren. Postuliert wird dabei von vielen Autoren und Autorinnen übereinstimmend, dass es in solchen Systemen typische, sich regelhaft wiederholende Interaktions- und Kommunikationsmuster gibt. Als besondere Charakteristika gelten:
1. Widersprüchliche Erwartungen, denen die IP ausgesetzt seien (z. B. durch die Eltern) und die zur Konfusion und schließlich zur Psychose führen könnten (Doublebind) (Bateson et al. 1956).
2. Unklare, verwirrende familiäre Kommunikation mit Leugnung von Konflikten (Pseudogegenseitigkeit) oder übertriebener und unechter Betonung von Konflikten (Pseudofeindseligkeit) (Wynne a. Singer 1965).
3. Unfähigkeit der Familien, einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus zu erhalten (Wynne u. Singer 1965), einhergehend mit psychosefördernder Verwirrung besonders beim IP.
4. Massive Verwischung innerfamiliärer und individueller Grenzen mit diffuser Kommunikation, bezeichnet als „kollektives kognitives Chaos“ und als „undifferenzierte Familien-Ich-Masse“ (Bowen 1978).
5. Der IP werde von seinen Eltern mystifiziert; diese beanspruchten z. B., besser als der IP zu wissen, was er wirklich fühle und denke (Laing a. Esterson 1964). Der IP unterliege einer starken Bindung auf der Ich-Ebene (Stierlin 1978).
Auch in den gegenwärtig sehr einflussreichen psychiatrischen Konzepten der so genannten psychoedukativen Ansätze und der „Expressed Emotions“ (Vaughn a. Leff 1976) werden familiäre Prozesse als Faktoren angesehen, die das psychotische Geschehen beeinflussen. Die Familienmitglieder, so die Aussage dieser Arbeiten, kommunizieren in so belastender, grenzüberschreitender und abwertender Weise miteinander, dass die IP dabei dekompensieren. Vom jeweiligen IP wird angenommen, dass er aufgrund seiner Disposition besonders vulnerabel ist und deshalb die massiven Konflikte seine Stressverarbeitungskapazität überschreiten und es zu seinem Zusammenbruch kommt (Zubin et al. 1977; Falloon et al. 1984).
Trotz vieler Unterschiede stimmen die genannten Familientherapiemodelle und die psychoedukativen Ansätze in dem wichtigen Grundverständnis überein, dass es sich bei den beschriebenen Prozessen um Pathologie und Defizit handelt. Von der früher vor allem im Individuum postulierten Störung wird nur übergegangen zum Postulat familiärer Störung und Unfähigkeit (bei den psychoedukativen Ansätzen wird dazu noch von der defizitären Disposition des IP ausgegangen).

Von der „Familienpathologie“ zur ressourcenorientierten systemischen Therapie und Hypnotherapie

Die jeweiligen Erklärungskonzepte implizieren auch mit ihnen konsistente Behandlungsstrategien. In der Tradition der Familientherapie war es entsprechend ein wichtiges Ziel, die familiären „Störungen“, die „Familienpathologie“, aufzuarbeiten und „gesündere“ Strukturen anzuregen. Im psychoedukativen Ansatz wird angestrebt: Überwachung regelmäßiger Medikation des IP, bevorzugt wenig Kontakt des IP zu Familienmitgliedern, die zum Stress beitragen; dazu viele Hilfen, damit der IP soziale Kompetenzen durch Üben erwerben kann, und Anleitungen, um bessere Problemlösungsstrategien und stressfreieres Kommunizieren zu erlernen (Falloon et al. 1984).
Pathologieorientierte Konzepte bergen eine Reihe von Nachteilen, die wiederum unerwünschte Konsequenzen nach sich ziehen (siehe dazu den letzten Abschnitt des Kapitels über Sucht„-Krankheit“).
Wir haben bisher noch in keinem einzigen Fall unserer klinischen Arbeit erlebt, dass tatsächlich die Lösungsressourcen bei den Beteiligten gefehlt hätten, auch wenn sie sich zunächst sehr geschädigt und unfähig gezeigt hatten. Will man diese Ressourcen aber wahrnehmbar für sich und andere machen, ist dafür erforderlich, dass Therapeuten spezifisch nach ihnen fragen und auch prüfen, in welcher Weise die so genannten Defizite wieder als Kompetenz verstanden werden können.

Die Situation des psychotisch reagierenden IP

Oft siedeln sich die späteren IP schon früh in ihrem Beziehungssystem in einer Position zwischen verschiedenen Parteien an, die sich in gravierenden Pattsituationen befinden.
Um der Qual des Patts zu entgehen, wird der spätere IP einbezogen, bezieht sich aber auch selbst aktiv als Dreieckspartner in dieses Patt ein (Triangulation); häufig wirkt er als Koalitionspartner (manchmal verdeckt) einer Seite. Manchmal wird er dafür unterschwellig oder offen privilegiert von den Koalitionspartnern; er soll zum positiven Gegenbeispiel der abgelehnten Seite werden, mit der Implikation, diese dabei abzuwerten. Nicht selten gibt es auch die Konstellation, dass sich der IP aufgerufen fühlt, als Ausgleicher, „Retter“ beider Konfliktparteien zwischen diesen zu vermitteln, quasi in eine „Großelternfunktion“ zu gehen.
Dann aber erfüllt der IP nicht die Parteinahmeerwartungen (auch hierzu dienliche Erfolgserwartungen) der koalierten Partei, sondern er erleidet eher „Misserfolge“. Diese „Misserfolge“ erweisen sich oft aber schon als verzweifelte Lösungsversuche, da der IP sich verdeckt doch loyal der offiziell abgelehnten Partei (z. B. einem Elternteil) gegenüber fühlt und verhindern will, dass durch seinen eigenen Erfolg dieser abgewertet würde. Die bisherige Koalitionspartei ist durch die „Misserfolge“ so enttäuscht, dass sie sich emotional vom IP abwendet.
Die pseudoprivilegierte Beziehung zur bisherigen Koalitionspartei des IP verliert nun ihre Basis. Der IP fühlt sich betrogen; wenn Geschwister da sind, bekommt er oft auch noch Revanchereaktionen zu spüren, da diese sich früher zurückgesetzt fühlten und auf ihn neidisch waren (wichtige Anregungen zu dieser Beschreibung sind bei Selvini Palazzoli 1992 zu finden).
Wollte der IP beiden Seiten gleichermaßen gerecht werden, zeigen sich nun beide Seiten ihm gegenüber sehr enttäuscht, da er nicht einseitig zu ihnen steht.
Oft spitzt sich die Krise für die IP zu, wenn sie sich aufgrund ihres Alters und ihrer beruflichen Entwicklung vor die Aufgabe gestellt sehen, sich abzulösen.
Die IP erleben diese Situation als Dilemma. Weil sie sich betrogen und missachtet fühlen, empfinden sie oft archaische Wut auf die Eltern. Verbissen versuchen sie dann (manchmal bis zur Selbst- oder Fremdzerstörung), die Anerkennung zu erkämpfen, die ihnen ihrer Meinung nach vonseiten der Eltern zusteht. Dabei versuchen sie aber, die Anerkennung dadurch zu bekommen, dass sie die Eltern dazu nötigen wollen einzugestehen, was sie alles falsch gemacht haben.
Dies bringt wieder die Eltern in Dilemmata. Würden sie den IP Anerkennung auf diese Weise geben (eine andere Art würden die IP aber meist nicht anerkennen), so würden sie sich als schlechte, schuldige Eltern definieren. Das, so signalisieren sie deutlich, könnten sie nicht ertragen. Dies wieder macht den IP starke Schuldgefühle. So pendeln die IP zwischen Wut und Kampf einerseits und Schuldgefühlen andererseits, zwischen Impulsen, das Beziehungsfeld zu verlassen, und dem inneren Druck, unbedingt bleiben zu müssen. Ihr Bleiben erscheint ihnen nötig einerseits für die anderen, von denen sie denken, die bräuchten sie doch unbedingt, aber andererseits auch deshalb, weil sie das Weggehen als vernichtende Niederlage erleben würden, so als würden sie dann auf die ihnen zustehende Anerkennung etc. verzichten und sich ihre eigene Wertlosigkeit dadurch beweisen. Oft schwanken sie zwischen Grandiosität („Ohne mich geht gar nichts“) und dem Gefühl völliger Wertlosigkeit, selbst meist noch ganz abhängig von den Beziehungspartnern. In quälenden inneren Suchprozessen entwickeln sie immer mehr Konfusion, quasi eine „Konfusionstrance“, die ihre Aufmerksamkeit verstärkt weg von der „Konsensusrealität“ hin in ihre innere Fantasiewelt lenkt.

Das psychotische Erleben als Induktion einer Problemtrance

Aus hypnotherapeutischer Sicht können psychische und psychosomatische Symptome als Ausdruck einer selbst induzierten Quasi-trance angesehen werden. Dies gilt gerade auch für das Symptom psychotischen Erlebens. Als Tranceprozesse werden übereinstimmend solche Erlebnisweisen angesehen, bei denen das Unwillkürliche im Erleben vorherrscht. Wenn jemand seine Hand willkürlich hebt, gilt dies vielleicht als Gymnastik, aber nicht als Trancephänomen. Erlebt er aber ein unwillkürliches Höhergehen seiner Hand und seines Arms, so, als ob nicht er selbst, sondern „es“ sich wie von alleine hebt, wird dies üblicherweise als Trancephänomen definiert, zumal dann, wenn jemand direkt oder indirekt dazu passende Suggestionen angeboten hat.
Symptomprozesse werden von ihren „Trägern“ so gut wie immer auch als nicht selbst gesteuert, sondern als Erleben der Qualität „Es passiert“ (womöglich wie von alleine) wahrgenommen. Was dabei an aktiven Prozessen selbst mit dazu beigetragen wurde, um dieses Ergebnis zu erhalten, wird nicht bewusst registriert, sondern dissoziiert. So fühlen die IP sich eher als Opfer einer anderen gestalterischen Kraft (z. B. des herzlosen Partners, der Krankheit etc.). Die Symptome können also als äquivalent zum Ergebnis einer inneren Selbstinduktion verstanden werde, in der die IP sich selbst über ihre Fantasiebilder, inneren Kommentare etc. in den Symptomzustand hineinsuggerieren, allerdings meist vorbewusst, auf der Ebene ihrer unwillkürlichen Selbstregulation. (Zum Konzept, Symptome als Trancephänomene zu behandeln, siehe Schmidt 1987b, 1989b; Gilligan 1991.) Als besonders problemstabilisierend wirken dabei die unwillkürlichen, quasiautomatisierten Beiträge (Assoziationsmuster, innere Schlussfolgerungen, ideomotorische Verhaltensbeiträge etc.). Die Impulse, welche für die offiziell geltenden Wertesysteme nicht akzeptabel sind, werden ins Unwillkürliche dissoziiert. Von dort steuern diese Regungen aber das Verhalten; genau das wird aber schließlich als Krankheit oder Unfähigkeit definiert. So wird der Blick immer mehr verstellt für Erfahrungen, die Lösungspotenziale enthalten.
Gerade bei psychotischen Episoden erleben die IP oft stark den Aspekt des Ich-Fremden, Fremdgemachten etc. Die Dissoziation, die auch bei so genannten neurotischen Symptomen auftritt, dort aber noch relativ tragfähige Wahrnehmungsbrücken zur so genannten Konsensusrealität lässt, ist beim psychotischen Prozess viel stärker, bis hin (im Extremfall) zu einer fast völligen Abkoppelung von der Konsensusrealität.
Für die Therapie ist es wichtig, sowohl die Resultate (die Trancephänomene) in ihren Auswirkungen zu beleuchten, als auch die Selbstsuggestionen deutlich zu machen, die dissoziiert unterschwellig zu diesen Phänomenen führen.
Typische innere Selbstsuggestionen bei ihren Psychoseinduktionen, die die IP berichten, sind zum Beispiel:
„Ich muss allem völlig gerecht werden, sonst passiert Schlimmes, aber ich muss mich endlich eindeutig für und gegen was entscheiden (z. B. für Ablösung, Beruf, Erwartungen eines Elternteils). Tue ich das aber, passiert eine Katastrophe. Von mir hängt alles ab, ich darf deshalb nichts falsch machen, sonst bin ich schuldig. Aber eigentlich zähle ich nichts, bin wertlos.“
Mit den Interaktionspartnern kommt es bei diesen Dilemmata oft zu gefährlichen Eskalationen. Auch sie kommunizieren verwirrend, was den IP veranlasst, sie zur Klarheit zwingen zu wollen.
Diese Dynamik kann zu völliger innerer Konfusion führen (nicht nur bei den IP, sondern bei allen Beteiligten) gerade dadurch, dass versucht wird, eine Lösung zu finden, die allen Widersprüchlichkeiten gleichzeitig gerecht wird (was möglich ist). Der dabei produzierte, immer schneller werdende Gedankenkreisel bewirkt, dass die Aufmerksamkeit der IP immer mehr nach innen gerichtet wird. Dies geht mit immer intensiverer Dissoziation von außen (von der „Konsensusrealität“) einher.
Die „Konfusionstrance“ resultiert aber nicht daraus, dass die IP etwa ungenügende kognitive Kompetenzen hätten, mit denen sie die Flut widersprüchlicher Informationen ordnen könnte. Im Gegenteil sehen wir jeweils, dass gerade die IP Interaktionszusammenhänge sehr gut erfassen und Unstimmigkeiten klar und kritisch beurteilen können. Dies bestätigen oft auch die anderen Systemmitglieder (z. B. in Familiengesprächen). Die IP sind auch oft diejenigen im System, die, wenn sie wollen, am klarsten kommunizieren können. Zur Konfusion kommt es nur deshalb, weil die IP im Prozess der Eskalation immer mehr dazu übergehen, ihre eigene klare Wahrnehmung abzuwerten und ihr zu misstrauen. Dies wieder tun sie, weil sie unterschwellig befürchten, sie würden es eventuell zum Beziehungsabbruch kommen lassen (den sie sich aber strikt verbieten), wenn sie ihrer Wahrnehmung weiter vertrauen würden.
(In der Therapie wird es deshalb zu einem zentralen Metaziel, die IP zu ermutigen, ihrer Wahrnehmung wieder mehr zu vertrauen, dabei aber differenziertere Schlussfolgerungen – das heißt dritte Wege zwischen Unterwerfung und Beziehungsabbruch – zu suchen.)
Schließlich finden die IP doch noch eine Lösung, die alle Widersprüche auflöst; sie finden sie in ihrem Wahnsystem. Dort mag die Welt manchmal sehr bedrohlich erscheinen (z. B. in einer massiven Paranoiaentwicklung). Aber: So schrecklich und belastend ein solches Erleben für die IP auch sein kann, sie haben wieder ein zumindest ihnen Sinn ergebendes Erklärungssystem. Dabei ernennen sie sich indirekt auch wieder zu der Autorität, welche die gültige Realität definiert. Hierbei lässt sich jemand, der gerade psychotisch reagiert, auch durch noch so stichhaltig geführte „vernünftige“ Argumentationen nicht von seiner „verrückten“ Realitätssicht abbringen. Denn für ihn würde das erst einmal die Aufgabe seiner Autonomie bedeuten.

Psychotisches Verhalten als beziehungsgestaltende Intervention und als Lösungsversuch

In seinem verwirrenden Beziehungsverhalten vermeidet der IP klare Beziehungsdefinitionen. Er versucht so, den als gefährlich eingeschätzten Entscheidungssituationen zu entgehen. Schon Haley (1963) wies darauf hin, dass jemand, der psychotisch kommuniziert, das, was er inhaltlich vermittelt, auf der Beziehungsebene wieder disqualifiziert.
Trotz ihres Leidaspekts wirkt diese Konfusion auch als Entlastungsversuch in Krisen. Denn wo niemand eindeutig erkennen kann, wer man ist, wo man steht etc., da kann man auch nicht verantwortlich gemacht werden oder ein bedrohtes Gleichgewicht zerstören oder durch eindeutige Positionen jemanden verletzen. Psychotisches Verhalten kann also als Lösungsversuch verstanden werden (im Sinne eines Sowohl-als-auch).
Auch die Phänomene, die in der Psychopathologie zum Beispiel als „Denkstörungen“ beschrieben werden, können aus dieser Perspektive als aktive Leistung eines IP verstanden werden.
Diese Aussage bedeutet nicht, dass der IP sein psychotisches Erleben strategisch willkürlich einsetzen würde. Die Psychose ist mehr Ausdruck einer intuitiven, unwillkürlich-unbewussten Regulation.
Dass ihm dabei sein Erleben sogar als von außen gemacht erscheinen kann, hat auch zwei Seiten: Einerseits wirkt dies oft ängstigend auf den IP, andererseits definiert es die Verantwortung für sein Erleben auch nach draußen. Er kann aber damit nur noch wahrnehmen, welche Ergebnisse in...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Widmung
  3. Titel
  4. Impressum
  5. Inhalt
  6. Geleitwort
  7. Vorwort
  8. Einführung
  9. Teil I: Grundsätzliche Aspekte
  10. Teil II: Therapeutische Anwendungsfelder
  11. Teil III: Nutzungsmöglichkeiten im Bereich Team- und Organisationsentwicklung
  12. Literatur
  13. Veröffentlichungshinweise
  14. Über den Autor