Ein Moment Menschlichkeit
eBook - ePub

Ein Moment Menschlichkeit

  1. 60 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Ein Moment Menschlichkeit

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Seit Monaten dreht sich alles um das Thema Flucht und Flüchtlinge, kaum ein Thema hat das politische Geschehen deutschland- und europaweit je so stark beeinflusst. Doch anstatt weltoffen die sich aus der Flüchtlingsthematik ergebenden Probleme gemeinsam anzugehen, schüren wir Angst vor dem Fremden, verschließen Grenzen, die sich erst vor wenigen Jahren geöffnet haben, kasernieren traumatisierte Menschen. Diesem kleinen Buch ist zu wünschen, dass es Augen und Ohren zu öffnen sucht bei Menschen, die ihre Augen und Ohren verschlossen haben...

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Ein Moment Menschlichkeit von Martina Meier im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Literature & Drama. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2020
ISBN
9783960741640
Auflage
1
Thema
Drama
*

Brennende Sehnsucht

Marie weinte vor Glück. Sie las die Zeilen wieder und immer wieder. Paul lebte und liebte sie noch!
Sie schnupperte an dem Briefpapier in der Hoffnung, dass der Geruch ihrer großen Liebe in den Blättern hängen geblieben war. Marie drückte den Brief an ihre Brust und wollte ihn nie mehr loslassen.
Sie erinnerte sich, wie Paul sie zum letzten Mal im Arm gehalten hatte, nur wenige Stunden bevor sie Köln für ungewisse Zeit verlassen musste.
Paul und Marie waren als Nachbarskinder in Köln-Sülz aufgewachsen. Vier Wochen vor Maries Flucht – sie waren beide 15 Jahre alt – hatten sie sich ihre Gefühle füreinander gestanden. Im dunklen Hinterhof küssten sie sich zum ersten Mal und schworen sich ewige Treue. Marie schwebte wie auf Wolken. Vergessen war der permanente Fliegeralarm, der ewige Hunger, die Armut. Der Zweite Weltkrieg tobte nun schon seit fünf Jahren. Köln hatte es besonders schlimm getroffen.
Emil, seine Frau Johanna und ihre vier Kinder Marie, Heinrich, Rosel und Gustel hatten seit Wochen nicht mehr durchgeschlafen.
„Alle raus hier!“ Es war kurz nach Mitternacht, als Emils Stimme durch das Kinderzimmer donnerte. Laut heulten die Sirenen und das Brummen der Bomber näherte sich. Die Kinder purzelten aus ihren Betten. Gustel, die erst sieben Jahre alt war, hatte die Augen noch fast geschlossen, als sie an Maries Hand die steile Treppe in den engen Luftschutzkeller hinabstieg, in dem bereits zahlreiche verängstigte Frauen und Kinder auf provisorischen Bänken und Stühlen hockten. Es war staubig und roch nach Lehm und fauler Erde.
Die Eltern hatten für Rosel und Gustel über eine riesige Kartoffelkiste Bretter und Decken gelegt, damit sie im Keller weiterschlafen konnten. Marie drückte sich fest an ihren Vater und kroch vor lauter Angst regelrecht in ihn hinein.
In einer Nacht mit besonders heftigem Bombenbeschuss weigerte sich Gustel, sich auf das Notbett zu legen. Bei jedem Einschlag vibrierte die Erde wie bei einem Erdbeben. Der Vater nahm sie auf den Schoß und legte seine großen Hände rechts und links auf ihre Ohren.
Ein paar Tage später riefen die Eltern Marie und ihren Bruder Heinrich zu sich.
„Euer Vater und ich haben beschlossen ...“ Die Mutter schluckte schwer und konnte nicht mehr weiterreden.
„... dass Johanna mit euch Kindern aus Köln wegmuss“, beendete Emil den Satz. „Hier ist es viel zu gefährlich geworden.“ Obwohl er stets der Fels in der Brandung war, hatte auch er jetzt Tränen in den Augen. „Ihr fahrt morgen nach Fritzlar zu Tante Lucie. Sie hat gerade geheiratet und überlässt euch ihre Wohnung. Dort ist es sicherer. Wir haben eine Möglichkeit gefunden, wie ihr aus Köln rauskommt.“
„Und was ist mit dir?“ Marie schaute ihren Vater ängstlich an.
„Ich muss hierbleiben. Die Regierung verlangt, dass ich als Bäcker weiterarbeite, damit der Hunger in Köln nicht noch größer wird. Ihr müsst eurer Mutter jetzt eine große Stütze sein.“
Marie blieb noch eine halbe Stunde, um sich von Paul zu verabschieden. Weinend lagen sie sich in den Armen. Aus zwei Kordeln hatten sie sich provisorische Ringe gebastelt.
Es war nun fast ein Jahr her, dass die vier Geschwister zusammengekauert auf der Ladefläche des Lastwagens, der durch die zerstörte Stadt in Richtung Beuel rumpelte, saßen, auf dem Beifahrersitz ihre Mutter, die wie ein Schiff hin- und herschaukelte. Überall aufgerissene Straßen, riesige Bombenkrater, brennende Häuser, Trümmerhaufen und auf den Bürgersteigen Tausende apathisch dreinschauende Menschen mit ihrem letzten Hab und Gut.
Auch die Zugfahrt von Beuel nach Kassel und weiter nach Fritzlar in einem alten Waggon, in dem sie wie Vieh gemeinsam mit anderen Familien eingepfercht saßen, nahm kein Ende.
In Fritzlar schien die Zeit weit vor dem Krieg stehen geblieben zu sein. „Eine Stadt wie aus dem Bilderbuch“, dachte Marie. Die Fachwerkhäuser mit den spitzen roten Dächern, der hübsche Brunnen auf dem Marktplatz, das Kopfsteinpflaster, die kleinen Kaufmannsläden und der imposante Dom, der dem in Köln jedoch nicht das Wasser reichen konnte.
Rosel und Gustel lebten sich schnell ein. Sie gingen zur Schule. Heinrich half Tante Lucie und ihrem Vater bei der schweren Arbeit auf dem Bauernhof. Er liebte die Natur, die Tiere, die frische Luft, auch wenn er abends total verschwitzt und müde nach Hause kam.
Nur Marie langweilte sich und hatte viel Zeit an ihre ferne Liebe zu denken. Die Idylle Fritzlars ging ihr schon bald auf die Nerven. Es war wirklich ein großer Unterschied, in einer Stadt wie Köln oder auf dem Lande zu leben.
Seit Wochen hatte sie keine Nachricht mehr von Paul erhalten und war sich nicht sicher, ob er überhaupt noch lebte.
Doch jetzt hielt sie seinen Brief in den Händen und ihr fiel ein tonnenschwerer Stein vom Herzen. Vergessen waren die schrecklichen Erlebnisse in Köln, die Strapazen der Reise und sogar Fritzlar erstrahlte plötzlich im Glanze der Mittagssonne.
Paul, Paul, Paul. Am liebsten hätte sie seinen Namen in großen Lettern an die Wand geschrieben. Ihr Entschluss stand fest. Sie wollte ihn so schnell wie möglich wiedersehen.
Rosel sprang aufgebracht aus ihrem Bett. „Marie, wo willst du hin?“
Marie schlich gerade auf Zehenspitzen in Richtung Tür. Sie hatte ihr Köfferchen in der Hand. „Ich muss nach Köln, Paul sehen. Außerdem will ich zu Papa.“ Sie schaute ihrer Schwester nicht ins Gesicht.
„Meinst du, er fehlt uns nicht? Fast jede Nacht träume ich von ihm. Ich habe immer Angst, dass ich mir irgendwann nicht mehr vorstellen kann, wie er aussieht.“ Rosels Augen wurden feucht.
„Genau deshalb gehe ich jetzt!“
„Sei doch nicht dumm, wie willst du überhaupt nach Köln kommen?“
„Ich nehme ein Fahrrad. Ich habe alles genau geplant.“
„Jetzt spinn doch nicht! Das überlebst du keine zwei Tage und das Fahrrad schon gar nicht.“ Rosel schlang die Arme um ihre Schwester.
In dem Moment ging die Tür auf. „Was ist hier los?“, wollte ihre Mutter wissen.
Rosel schwieg. Marie schwieg. Dann sah Johanna den Koffer. Marie brach in Tränen aus.
„Hab noch ein bisschen Geduld. Ich habe erfahren, dass der Krieg nicht mehr lange dauern kann.“ Die Mutter wirkte zuversichtlich. „Ich weiß, dass es nicht leicht ist. Auch ich vermisse euren Vater so sehr und wäre gerne wieder in Köln. Aber eins verspreche ich euch, sobald der Krieg vorbei ist, fahren wir alle nach Hause.“
Einige Tage später hörte Marie in der Ferne Geschützdonner. Sie hatte plötzlich wieder große Angst. Was, wenn Fritzlar jetzt auch bombardiert werden würde wie Köln?
Es klingelte. Der alte Nachbar stand vor der Tür. „Kommt schnell, wir müssen in den Keller. Die Soldaten stehen schon am anderen Ederufer.“
Marie zitterte am ganzen Körper und klammerte sich an Johannas Schürze. Vergessen war der B...

Inhaltsverzeichnis

  1. Impressum:
  2. Inhalt
  3. Ein wenig mehr als nur ein ... Vorwort
  4. In der Fremde
  5. Flucht aus Niemandsland
  6. Brennende Sehnsucht
  7. Geflohen
  8. Die Heimat ist die Heimat
  9. Heimatlosigkeit
  10. Erhoffte Rückkehr
  11. Der böse Traum
  12. Ein Moment Menschlichkeit
  13. Die fremde Königin
  14. Krisen kriegen
  15. Heimat war es ihnen
  16. Vor der Zeit so oft geflohen
  17. Wir suchten den Horizont
  18. Einsam und verlassen
  19. Ein Tag Vergangenheit
  20. Nachwort