Phantastica
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Die betäubenden und erregenden Genussmittel. Für Ärzte und Nichtärzte

  1. 284 Seiten
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Die betäubenden und erregenden Genussmittel. Für Ärzte und Nichtärzte

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Über dieses Buch

Die "Phantastica", ein enzyklopädistisches Werk der Drogenkunde, veröffentlichte der Chemiker Louis Lewin im Jahre 1924. Sie ist das Ergebnis einer langjährigen Faszination ihres Autors gegenüber den Drogen, "die den seelisch Gepeinigten lastfrei, den Schmerzdurchwühlten oder den dem Tode Geweihten hoffnungerfüllt [machen], dem durch Arbeit Geschwächten […] neue Leistungsimpulse [geben] […] und dem nach der Arbeit weltscheu und stumpf Gewordenen eine Stunde innerlichen Behagens und Zufriedenseins [verschaffen]. In dieser Drogenenzyklopädie stellte Lewin erstmals Wirkung und Nebenwirkung verschiedener bewusstseinsverändernder Stoffe dar und zeichnete zudem die Geschichte des Drogenkonsums sowohl im eigenen Kulturkreis als auch in fremden Kulturen nach. In der Lewinschen Neuschöpfung des Begriffs "Phantastica" benannte der Forscher fünf Gruppen von Genussmitteln, die er anhand ihres Wirkungsverlaufs von einander trennte. Zu unterscheiden waren für Lewin "Erregungs-", "Sinnestäuschungs-", "Berauschungs-", "Schlaf-" und "Seelenberuhigungs- mittel". Mit einem wortreichen und gewaltigen Sprachduktus berichtete Lewin von Vorkommen und Wirkungen der "phantastischen Stoffe", die teilweise - wie im Falle des Kaffees - nützliche Reaktionen, teilweise jedoch auch - wie am Beispiel des Kokains - verheerenden Folgen haben können. Lewin verklärt den Drogenkonsum damit in seiner Enzyklopädie nicht, sondern stellt auch die häufig beängstigenden Bilder der Abhängigkeit dar und lässt so seine dringliche Warnung vor dem Gebrauch bestimmter Stoffe verlauten.Der Sprachstil des Chemikers gepaart mit den oft amüsanten Anekdoten zur Kulturgeschichte des Drogenkonsums erheben die "Phantastica" zu einem Werk, das einen wissenschaftlichen Anspruch mit Leselust und Spannung vereint. Die Modernität und Fortschrittlichkeit Lewins in seiner "Phantastica" ist noch heute, fast ein Jahrhundert nach ihrem Erscheinen, von bestechender Aktualität."100% - vollständig, kommentiert, relevant" + Einleitung zum historischen Kontext.

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Excitantia. Erregungsmittel.

[301]

Das Wesen der Erregungsmittel.

Ziemlich scharf getrennt von allen bisher abgehandelten Stoffen ist die Grenze derjenigen auf der Welt gebrauchten Mittel, denen die Eigenschaft zukommt, auf das Großhirn, speziell die Großhirnrinde einen Reiz auszuüben, der, selbst wenn er über eine gewisse hochgelegene Reizschwelle ansteigt, im Wesentlichen nur Reizfolgen, meist insensibel, bewirkt, ohne schwerere Ermüdungs- bzw. Ausschaltungssymptome von Gehirnfunktionen danach folgen zu lassen. Es werden dadurch, erkennbar, die psychischen Funktionen länger auf dem ursprünglichen Niveau erhalten, trotz der natürlichen Ermüdungsimpulse, die sich nach einer gewissen Arbeitsdauer einstellen. Die sensitive Tätigkeit des Großhirns führt nach dem Gebrauche mancher dieser Stoffe auch zu lebhafterer Perzeption von Gefühlseindrücken und der Wille findet, selbst für Bewegungsleistungen, einen Zwangsgehorsam seitens des Zentralnervensystems, der, ungleich anderen nicht so gearteten Stoffen, subjektiv als Zwang nicht empfunden wird. Keinerlei Einbuße an Bewusstsein und freiester Entfaltung körperlicher oder geistiger Arbeitsfähigkeit, wofern nur – was ja selbstverständlich ist – nicht Mengen von solchen Stoffen akut verbraucht werden, die jeder Vernunft widerstreiten und dann als Träger hoher Energie Funktionen des Gehirns und von diesem abhängige anderweitige im Sinne einer krankhaften Erregungsunordnung schädigen.
Fast alle in diese Reihe gehörigen Stoffe dehnen ihre Reizwirkungen auch auf die Herzarbeit aus, so dass sie in [302] der Heilkunde zugleich wesentliche Hilfsmittel für ein Höhertreiben geminderter Leistung dieses Organs darstellen.
Der Gebrauch mancher von ihnen ist bei zivilisierten und unzivilisierten Menschen zur Lebensgewohnheit geworden. Von Pol zu Pol sind sie ihnen ergeben ohne Unterschied der Religion und des Standes. Allein ein Produkt wie der Tabak hat in der für das Weltgeschehen so kurzen Spanne einiger Jahrhunderte, von dem Augenblick an, wo sein Gebrauch bei den Entdeckern des amerikanischen Kontinents Verwunderung erregte, sich die gesamte Welt unterjocht.
Die von solchen Erregungsmitteln verbrauchten stofflichen Mengen sind bei weitem höher als die Summe aller anderen Genussmittel. Sie bedeuten heute für die wirtschaftliche Ökonomie der Welt viel. Sie sind aus dem Rahmen einer kleinen Besonderheit herausgetreten und zu der Bedeutung von Stoffen angewachsen, die jetzt für Hunderte von Millionen Menschen fast zu einem Erfordernis, wenn nicht gar zu einer Notwendigkeit ihres Lebens geworden sind. Sie schließen den großen Kreis der auf das Gehirn wirkenden Genussmittel und stellen, vielleicht noch mehr als andere Stoffe, Aufgaben für die wissenschaftliche Erforschung des Mechanismus ihrer Wirkung auf das Gehirnleben, ihrer Angriffspunkte im Gehirn und der Gründe, warum sie – obschon sie Gehirnreizstoffe wie die anderen darstellen – doch so große Verschiedenheiten gegenüber anderen besitzen. Der Gehirnphysiologie und der Psychologie bieten sie Probleme dar, für deren Lösung bisher kaum noch der erste Schritt getan worden ist. Ihre Wirkungen als Lebensäußerungen sehen Wir – nach dem Wie? fragen wir vergebens.
[303]

Der Kampfer.

Als die Äbtissin, die heilige Hildegardis, vom Ruprechtsberg bei Bingen, im zwölften Jahrhundert den Kampfer erwähnte oder als Petrus Magrus um das Jahr 1000 in seinem „Ricettario“ seiner auf Grund eigener Beobachtungen gedachte, war er in Ostasien schon seit dem sechsten Jahrhundert als Arzneistoff nicht nur seiner Herkunft, sondern auch seiner arzneilichen Bedeutung nach gut gekannt. Dass man ihn in den genannten Zeiten oder später auch als Genussmittel gebraucht habe, ist nicht bekanntgeworden. Selbst die Tatsache, dass er wegen seiner überaus großen Kostbarkeit als Völkertribut an Fürsten und von diesen an ihresgleichen gesandt wurde – wie er zwischen 1342 und 1352 von dem chinesischen Kaiser zusammen mit Baumwolle und Edelsteinen dem Papst Benedict XII. verehrt wurde – spricht nicht dafür.
In unserer Zeit begann, wenn auch in sehr beschränktem Umfange, wahrscheinlich weil das Ergebnis von Selbstversuchen, die früher wiederholt mit kleinen und größeren Mengen von Kampfer angestellt worden sind, hier und da bekanntgeworden ist oder weil vielleicht auch der präservative Gebrauch, der in Cholerazeiten oder in Südamerika gegen Fieber davon gemacht wurde, unvergessen geblieben ist, die Verwendung als Genussmittel.
Tatsächlich begegnet man seit etwa zwei Jahrzehnten in den oberen Kreisen der englischen Gesellschaft Kampferessern und Kampferesserinnen, die das Mittel in Milch, Alkohol, in Pillen usw. nehmen. Das gleiche findet man in [304] den Vereinigten Staaten und in der Slowakei. Frauen behaupten, dadurch einen frischen Teint zu bekommen. Der wahre Beweggrund scheint aber zu sein, einen gewissen Erregungs- bzw. Rauschzustand dadurch zu erlangen, der freilich, wie mir scheint, eine besondere Disposition hierfür erfordert.
Nach Einnehmen von etwa 1,2 g können sich einstellen: angenehm empfundene Hautwärme und eine allgemeine Nervenerregung, Bewegungsdrang, Kribbeln in der Haut und eine eigentümliche, rauschähnliche, ekstatische, geistige Aufregung. „Klar und deutlich lag einem solchen Selbstversucher seine Bestimmung mit Tendenzen der schönsten Art“ vor. Dieser Zustand hielt anderthalb Stunden an. Nach Einnehmen von 2,4 g stellte sich Bewegungsdrang ein. Alle Bewegungen waren erleichtert. Im Gehen hoben sich die Schenkel über die Maßen. Geistige Arbeit war unmöglich. Ein Gedankensturm stellte sich ein, eine Vorstellung folgte wild der anderen, schnell, ohne dass eine verharrte. Das Bewusstsein der Persönlichkeit ging verloren. Nach dem bewerkstelligten Erbrechen kehrte das Bewusstsein wieder, obschon das Zerstreutsein, die Vergesslichkeit und die Gedankenflucht noch anhielten. Die Zeit erschien dem Erwachten sehr lang und voller Ereignisse, deren ihm keines erinnerlich war. Nach drei Stunden konnte er sich zur vollen Besinnung zusammenraffen, doch war die Unordnung im Gehirn noch so stark vorhanden, dass nach einer weiteren Stunde sich wieder Bewusstlosigkeit und konvulsivische Bewegungen für eine halbe Stunde einstellten und dann erst allmählich Klarheit und Muskelruhe.
Verlust des Orientierungsvermögens und kurzdauernde Gedächtnislücken folgen den meist sich einstellenden Reizfolgen im Magen und den Krämpfen. Die verlorengegangene Erinnerung kehrt schließlich zurück, aber auch – wie dies ein Selbstversucher ausdrückte – auf eine so seltsame Art, dass „alle vergessen gewesenen Geschäfte, Verrichtungen und [305] Dinge ihm so vorkamen, als wäre er nie zuvor damit bekannt gewesen und als er schon jeden von seiner Familie wiedererkannte, waren ihm alle Gegenstände in seinem Zimmer so fremd und neu, als hätte er sie erst jetzt bekommen“.
Krampfzustände von epileptischem Charakter kommen bei Kampferessern in der Slowakei, wie es scheint, so häufig vor, dass man die regionär dort auftretenden Fälle auf den Kampfer zurückgeführt hat. Damit ordnet sich dieser in die Reihe jener ätherischen Öle ein, die eine stark erregende Wirkung auch auf das Zentralnervensystem – freilieh mit einer Besonderheit, die sich auf die zeitlichen Störungen der intellektuellen Fähigkeiten beziehen – ausüben. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass in der Gesamtwirkung sich auch eine irgendwie geartete Empfindung von Euphorie findet.
[306]

Das Betelkauen.

Das Verlangen, Betel zu kauen,113 steht an Stärke kaum einem anderen Nervenmittel nach, ja übertrifft an täglicher Häufigkeit und an Ausdauer, die das Individuum hierbei zeigt, vielleicht jeden anderen derartigen im Gebrauch befindlichen Stoff. Kein Nahrungsmittel wird in Ostasien so gern genommen und so erstrebt wie Betel. Der Siamese oder der Manilese würden eher dem Reis, der Stütze ihres Lebens, als dem Betelkauen entsagen. Dieses hat weit mehr Gewalt über diese Menschen als das Tabakrauchen über daran Gewöhnte. Mit Kauen aufhören, hieße für einen Betelkauer sterben. Die größten Entbehrungen und Härten des menschlichen Lebens, unzureichende und schlechte Nahrung, schwere Arbeit, Unbilden der Witterung oder Krankheit verlieren ihr Unangenehmes gegenüber der Labung des Betelkauens. Aber nicht nur hinsichtlich der Dringlichkeit des Verlangens danach und der Häufigkeit des Genusses, sondern in noch höherem Grade in Bezug auf die räumliche Ausdehnung, die das Betelkauen auf der bewohnten Welt besitzt und auf die Massigkeit des Verbrauches sowie die Allgemeinheit des Gebrauches erscheint es fast allen anderen Genussmitteln überlegen. Es erstreckt sich über 100 Längen- und etwa 20 Breitengrade. Man findet es fast auf dem ganzen Festlande zwischen dem 68. und 178. Grad östl. L. und zwischen dem 12. Grad südl. Br. und [307] 30. Grad nördl. Br., auf einer Ländermasse von über mehr als acht Millionen Quadratkilometer, zwischen denen die ungeheuren Flächen des austral-asiatischen Mittelmeers, des Indischen und Stillen Ozeans ausgebreitet sind. Von dem Königin-Charlotte-Archipel rückt der Gebrauch nach Westen und Nordwesten vor, über einen großen Teil der Inselgruppen des Stillen Ozeans, Niederländisch -Indien, geht von den Philippinen bis zu den Ufern des Jang-tse- kiang und von der Ostküste Hinterindiens, alle Inseln und Inselgruppen des Indischen Ozeans einschließend, bis zum Indus. Der Indus bildet heute die Grenze nach Westen, während früher zweifellos auch über diesen hinaus, vielleicht sogar bis zum Euphrat und in einem Teile von Arabien, dem Betelgenusse gehuldigt wurde. Im Südosten scheint die Arafurasee und die Torresstraße eine starre Scheidelinie nach Süden hin zu bilden.
Im Einzelnen würden die folgenden Länder und Inseln in den Bereich dieses Gebrauchs fallen: Am südlichsten findet man ihn wohl auf der Insel Réunion als eine allgemein verbreitete Sitte, vereinzelt auch auf Madagaskar. Auf Sansibar wird Betel in allen Ständen, auch von Frauen, gekaut. Auch an dem gegenüberliegenden ostafrikanischen Küstengebiet, z. B. an der Tangaküste, lieben die Suaheli und Araber den Betelbissen mehr noch als Tabak, ebenso die Bewohner der Insel Mafia, der südlichsten der Eilande des Sansibar-Archipels und die Leute von Hadramaut. Persien und Beludschistan lassen eine umfangreiche Verwendung vermissen. Jenseits des Indus beginnt der Massenverbrauch. Betelkaugebiete sind: die Konkanküste, ganz Kanara, der Malabarbezirk bis zum Kap Comorin, Travancur, die Laccadiven und Malediven, Ceylon, die Koromandelküste, Assam, Bengalen, Hindustan, Pandschab, Himalayastaaten, die Andamanen und Nicobaren, Malakka, Birma, Shanstaaten, Siam, Kambodja, Cochinchina, Anam, [308] Tonkin, der Süden und der südöstliche Küstenstrich von China, zumal Jün-nan, Kuang-si, Kuang-Tung und Tsche-Kiang, auch Hainan, die Sandainseln, z. B. Timor, Celebes, Borneo, Java, Sumatra, Nias, Banka, Billiton, die Molukken: Bandainseln, Amboina, Buru, Ceram, Ternate usw., die Philippinen mit Ausnahme der Westküste von Palawan, Formosa, die Karolineninseln mit Ausnahme von Ponape, Marianeninseln, Neuguinea und der Louisiadenarchipel, die Hermiten- und Admiralitätsinseln, der Bismarckarchipel, Neu-Irland (Neu-Mecklenburg), Neu-Britannien (Neu-Pommern), Heathinsel, die Salomoninseln, Bongainville u.a. Die Duke-of-York-Insel (Neu-Lauenburg), die Shortlands- und Santa-Cruz-Inseln, die Insel Tukopia, die Fidschi-Inseln. Frei scheinen die Neuen Hebriden und Neu-Kaledonien zu sein. Nur auf den Banksinseln wird Betel gekaut, vereinzelt wohl auch auf den Marquesasinseln.
Ich schätze die Zahl der in den vorgenannten Gebieten Betel kauenden Menschen auf 200 Millionen. Nicht überall ist der Gebrauch ein gleich ausgedehnter. So ist er z. B. an den Küstenstrichen Ostindiens intensiver als in den Binnenländern. In den Zentraldistrikten von Sumatra findet man ihn weniger häufig, z. T. wegen Mangel an Kalk. Im Norden Chinas gilt das Betelkauen für einen großen Luxus, weil der Betelpfeffer hier nicht mehr frei wächst.
Männer und Weiber, alle Altersklassen, alle Stände: Fürsten, Priester, Arbeiter und Sklaven, alle Religionsrichtungen: Christen, besonders dunkle Missionslehrer, Mohammedaner, Buddhisten, Brahmadiener, Fetischanbeter und andere nicht definierbare, alle Rassen: Kaukasier, Mongolen, Malaien, Papuas, Alfurus, einigen sich in diesem Genussmittel. Manche dieser Stämme sind unmäßiger in dem Gebrauche als andere. So sollen Malaien und Burmesen demselben leidenschaftlicher huldigen als z. B. die Ben[309]galesen. Bei den Doresen sind es meistens nur Häuptlinge, die Betel kauen. Angeblich haben sie diese Gewohnheit von den Tidoresen angenommen. Überall beginnt der Gebrauch fast mit dem ersten Kindesalter und hört erst mit dem Tode auf. In Burmah gibt es ein altes Wort, das den frühzeitigen Gebrauch illustriert, dass nämlich keiner ordentlich burmesisch sprechen kann, bevor er Betel kauen gelernt hat. Täglich und stündlich, während der Arbeit und der Ruhe im Gehen oder Sitzen, im eigenen und fremden Hause wird das Kauen ausgeübt. Wie leidenschaftlich diesem Genusse gefrönt wird, mag aus der Angabe ersehen werden, dass nur die Liebe denselben für kurze Zeit aufhören machen kann. Tagalische Mädchen sehen es als einen Beweis der Aufrichtigkeit der Gesinnung und der Heftigkeit der Leidenschaft ihrer Gehebten an, wenn diese den Betelbissen aus dem Munde nehmen. Ja sogar während des Schlafes sollen manche Indier den Betelbissen im Munde behalten. Das erste, wonach der erwachende Neu-Britannier greift, ist Arekanuss und Betelpfeffer und bis in die Nacht hinein setzt er diesen Genuss fort. Der Wilde vom südöstlichen Neuguinea setzt diesen Genuss dem Tanz und Schlaf gleich. Auch viele Europäer haben sich dieses Genussmittel angewöhnt.

1. Die Geschichte und die Art des Betelkauens.

Ein so ausgedehnter Gebrauch eines Genussmittels muss als Bedingung eine lange Vergangenheit haben. Nur so ist die jetzige Verbreitung über die genannten großen Weltgebiete und ihr Eindringen in die verschiedenartigsten Volksschichten erklärlich. Dies ist in der Tat der Fall. Dieses Genussmittel wird erweislich seit mehr als 2000 Jahren benutzt. Denn nicht nur beschrieb Theophrastus um 340 vor unserer Zeitrechung die Arekapalme, deren Nüsse einen Bestandteil des Betelbissens ausmachen, sie wird auch im [310] Sanskrit als Guváka und in chinesischen Schriften um 150 als Pinlang, dem malaiischen Namen, den sie auch heute noch trägt, erwähnt. Ja, das Betelblatt, das zweite wesentliche Ingrediens für das Betelkauen, wird bereits in der ältesten einheimischen geschichtlichen Urkunde Ceylons, nämlich in dem in der Pálisprache verfassten Maháwanso, um das Jahr 504 v. Chr., als ein Geschenk einer Prinzessin an ihren Geliebten erwähnt. In dem Kampf des Duthagámini mit den Malabaren,161 v. Chr., sahen die Feinde an seinen Lippen jene eigentümliche blutrote, durch das Betelkauen bedingte Farbe und verbreiteten das Gerücht, er sei verwundet worden.
Auch aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung finden sich Berichte vor, die schon auf einen sehr verbreiteten Gebrauch dieses Mittels in Indien schließen lassen. Die im achten und neunten Jahrhundert nach Hindostan gelangten Araber und Perser lernten diese Gewohnheit als eine eingewurzelte kennen und brachten sie in ihr eigenes Land. Indessen ist der Gebrauch in Persien ein viel älterer. Der persische Geschichtschreiber Ferishta schreibt, dass in der Hauptstadt Kanyakubja zur Zeit des Königs Khosru Parviz (d. i. Chosroës II., 600 n. Chr.) zum Verkaufe des Betelblattes allein 30.000 Kramläden vorhanden gewesen wären. Masûdi, der im Jahre 916 Indien durchwanderte, beschreibt das Betelkauen als eine nationale Gewohnheit, die selbst der freiwillig zum Scheiterhaufen Schreitende als letztes Labsal noch übt und deren Unterlassen eine gesellschaftliche Isolierung des betreffenden Individuums zur Folge hat. Die Areka bezeichnet er als eine von den Einwohnern von Mekka, Jemen und Hedjah sehr geschätzte Droge, die sie damals dem Mastix substituiert hätten. Die berühmten Reisenden des Mittelalters, ein Marco Polo, der Zentralasien, China, Indien, Persien im dreizehnten Jahrhundert durchwanderte, ein Ibn Batuta, der im vierzehnten Jahrhundert die ganze mohammedanische Welt [311] bereiste, beschreibt das Wachstum des Betelpfeffers, der sich, Weittreben gleich, an Spalieren oder Palmen emporranke, die Art, wie Betel mit Arekanuss und Kalk genossen wird und welche Wirkungen danach erfolgen. Erweiterungen dieser Kenntnis schufen die späteren Jahrhunderte in reicher Fülle bis in unsere Tage hinein.
Die typische Zusammensetzung des Betelbiseens besteht in einem Stück der Arekanuss, der Frucht der Palme Areca Catechu in irgendeinem Zustande ihrer Reife, einem Betelblatt, dem Blatte von Piper (Chavica) Betle und einer Menge von gebranntem Kalk. In manchen Gebieten wird noch Tabak oder Gambir bzw. Katechu – die letzteren beiden stark gerbsäurehaltige Stoffe – hinzugefügt. In der Art, wie diese Bestandteile in den Mund gebracht werden, in ihrer Reihenfolge, Beschaffenheit usw. bestehen in den einzelnen Verwendungsgebieten Verschiedenheiten. Ist der Bissen im Munde, so beginnt sein fleißiges Schieben zur anderen Mundseite, das Kauen und das Herandrücken desselben an oder das Einschieben zwischen die Zähne, um den Saft auszupressen, so dass er bisweilen noch zwischen den Lippen hervorsieht.
Der erste bemerkbare Einfluss dieses Kauens ist das Entstehen eines mächtigen Speichelflusses. Der zuerst abgesonderte Speichel wird von manchen ausgespien, von anderen gleich den folgenden übermäßig gelieferten Speichelportionen nebst dem Betelsaft verschluckt. Und so kaut man und kaut wieder, wenn die Nuss hart ist, auch mit ziemlichem Kraftaufwand, verschluckt die rotgefärbten Saftmassen, bis nur wenige holzige, wergartige Fasern übrigbleiben, die ausgespien werden. Reste der Nuss sieht man trotzdem oft in allen Zwischenräumen der Zähne haften.
Nicht immer wird der Betelbissen ex tempore bereitet. Auf dem indischen Festlande und den indischen Inseln sind im Hause oder in dem Betelbeutel die schon fertig zubereiteten Bissen vorhanden und werden auch in kleinen Läden [312] verkauft. In Manila machen diese mundrechte Zurichtung des Betels (Buyo) die weiblichen Glieder des Hauses. In jedem Wohnzimmer findet sich ein Kästchen, das die für diese Herstellung notwendigen Bestandteile und Instrumente enthält. An einem derartigen Buyo wird wohl eine halbe Stunde gekaut. In Siam beschäftigen sich Frauen und Kinder mit dem Abpräparieren der dünnen Schale der frischen Arekanuss. Frauen machen dies für ihre Männer, Schwestern für Brüder, Geliebte für ihre Liebhaber. Ist die Nuss sehr trocken ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhalt
  2. Einleitung.
  3. Die Betäubungsmittel.
  4. Euphorica. Seelenberuhigungsmittel.
  5. Phantastica. Sinnestäuschungsmittel
  6. Inebriantia. Berauschungsmittel.
  7. Hypnotica. Schlafmittel.
  8. Excitantia. Erregungsmittel.
  9. Anmerkungen und Kommentare