Das Wagnis, ein Einzelner zu sein
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Das Wagnis, ein Einzelner zu sein

Glauben und Denken Sören Kierkegaards am Beispiel seiner Reden

  1. 246 Seiten
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Das Wagnis, ein Einzelner zu sein

Glauben und Denken Sören Kierkegaards am Beispiel seiner Reden

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Über dieses Buch

Sören Kierkegaard, der am 5. Mai 2013 seinen 200. Geburtstag hatte, wurde vor allem bekannt durch Schriften wie 'Entweder-Oder', 'Der Begriff Angst' oder 'Die Krankheit zum Tode'. Weniger Bekanntheit erlangten seine 94 erbaulichen (oder: religiösen) Reden, die Kierkegaard als sein eigentliches Vermächtnis ansah. Michael Heymel und Christian Möller interpretieren exemplarische Texte dieser erbaulichen Reden und befragen sie auf ihre Aktualität hin. 'Das Wagnis, ein Einzelner zu sein' eignet sich so auch als Einführung in Glauben und Denken Sören Kierkegaards.Der erste Teil des Buches stellt sein Leben und sein Werk vor, der zweite präsentiert zehn ausgewählte erbauliche Reden und legt sie für die Gegenwart aus. Im dritten Teil wird versucht, Kierkegaards Leben in der Spannung von Freude und Schwermut, Himmel und Hölle zu verstehen, und gezeigt, wie er Türen zu neuen Welten öffnet. So kann man Kierkegaard als religiösen Schriftsteller kennenlernen.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783290177300
|45|

Teil B

1 Der Streit des Gebets (1844)

A »Der rechte Beter streitet im Gebet und siegt – dadurch, daß Gott siegt«62

Mein Leser, hast Du nie mit einem Menschen gesprochen, der an Weisheit weit überlegen Dir doch wohlwollend war, ja mehr oder doch besser (und also mehr) um dein Wohl bekümmerter als du selber; hast du das nicht, nun so bedenke wohl, was dir oder mir begegnen könnte, wie ich es nun darstellen will.
[Streit mit einem Weisen – ein Gleichnis]
Sieh, am Anfang waren wir ganz uneinig; was der Weise sagte, kam mir wie eine sonderbare Rede vor; doch hatte ich das Vertrauen zu ihm, daß er seine Überlegenheit nicht missbrauchen würde, sondern sich überzeugen lasse und selbst mir zur Beseitigung des Missverständnisses behilflich wäre. So sprachen wir da miteinander und wechselten manches Wort im Streit der Rede. Der Weise muß die Übersicht vermutlich sich bewahrt haben, denn er blieb ruhig, während ich, ohne recht zu merken, wie und ohne mich darüber zu schämen, dabei fast heftig wurde, weil es mir so wichtig war, daß der Weise meine Ansicht teilen sollte, daß ich sie ohne die Einigkeit mit ihm nicht hätte festhalten dürfen – wohl aber ihn angreifen, um ihn zur Einigkeit zu bewegen. Und musste mich dies nicht auch heftig machen, denn das war ja ein Selbstwiderspruch, auf tückische Art durch meine Tüchtigkeit (als sei ich der Stärkere) den Weisen für meine Meinung gewinnen zu wollen, und dann erst recht wieder von der Richtigkeit der Meinung überzeugt zu sein im Vertrauen darauf, daß es die Meinung des Weisen sei, da er ja der Stärkere war; denn dies Vertrauen hatte ich doch beständig zu ihm, und die Einigkeit mit ihm war für mich das Entscheidende. Endlich, nachdem ich lange gleichsam unstet im Gespräch geschwankt, und öfter versucht und gelitten hatte, stand plötzlich so deutlich vor mir, was ich sagen wollte, daß ich in aller Kürze und im Besitz einer unerklärlichen Stärke meine Meinung kundtat, sicher darin, daß ich ihn überzeugen müsse. Und sieh, der Weise gab mir |46| recht und gab mir seine Zustimmung. Aber da er doch wohlwollend gegen mich war, und glaubte, ich könne die Erklärung ertragen, da drohte er mit dem Finger und sagte: was du nun meinst, ist ja gerade das, was ich zu Anfang sagte, da du mich nicht verstehen konntest und wolltest. Wohl erwachte nun die Beschämung in meiner Seele, so daß ich mich über mein früheres Benehmen schämte, aber sie raubte mir doch nicht den Freimut, mich über die verstandene Wahrheit zu freuen, wenn ich auch weit entfernt war, den Weisen überwunden zu haben, da ich nur selbst durch den Streit überzeugt und gestärkt worden war. Wie erstaunlich! Aber es war doch ein Glück, daß ich nicht einen anderen Weg einschlug, nicht hitzig wurde, den Streit nicht abbrach, nicht den Weisen beschimpfte, als sei er mein Feind, weil er mir nicht nachgeben wollte, in hohen Tönen über seine Eigenliebe schrie, weil er mir nicht recht geben, sondern dagegen mich besser lieben wollte, als ich selbst verstand. Und die Beschämung befreite mich davon, was ich vielleicht sonst getan, wenn ich den Streit abgebrochen und später selbst das Wahre eingesehen hätte, daß ich weiter den Weisen als meinen Feind betrachtete, ungeachtet dessen, was er gerade gesagt hatte; daß ich sogar ihn hätte kränken wollen durch den trotzigen Hinweis, ich hätte die Wahrheit ohne ihn verstanden, und ihm zum Trotze, obgleich er mir grade helfen wollte, durch mich selbst das Wahre zu sehen, und obwohl er als einziger mich daran hätte hindern können, indem er Ja sagte und dadurch von meinen Kränkungen sich freigekauft und meine Dankbarkeit sich erkauft hätte.
So mit dem Streitenden, wenn er nicht die Innerlichkeit aufgibt, welche die Bedingung dafür ist, daß man wirklich sagen könne, er streite im Gebet. Sage nicht, mein Leser, das sei eine fromme Einbildung, berufe dich nicht auf die Erfahrung, es gehe so im Leben nicht zu; denn das ist ja gleichgültig, wenn es doch so zugehen kann, und du nötigst mich nur, dir recht zu geben, zu sagen, es gehe im Leben wohl anders zu, weil es nämlich so zugeht, daß die Menschen lau und kalt und gleichgültig werden, so daß sie weder das erste noch das letzte spüren, und vergessen, so daß sie nicht mehr daran denken, wie es am Anfang war, wenn sie an den Schluß gekommen sind, und tückisch und launisch und frech sind, so daß sie Gott anklagen, daß er ihnen nicht helfe, und Gott trotzen, daß sie sich selber helfen könnten, wobei das erste eine ewige Lüge ist und das letzte, wenn überhaupt, Wahrheit darin stecken soll, der Mensch allein von Gott gelernt haben kann.
[Sich innerlich in Gott hineinarbeiten]
Wer aber die Innerlichkeit nicht aufgibt, durch seinen Streit sich nicht aus dem Gottesverhältnis hinausstreitet, sondern sich in Gott hineinarbeitet, dem geht es so, wie es erklärt wurde, indem die Gottinnigkeit des Gebetes zu einer Hauptsache wird und nicht ein Mittel zur Erreichung einer Absicht. Oder sollte es so wesentlich zum Gebet gehören, daß man um etwas betet, so daß das Gebet desto innerlicher wird, je mehr man zu erbitten habe, oder doch je weitschweifender man in Worten sei; sollte der |47| nicht ein Beter, ja, der rechte Beter sein, der sagte: Herr, mein Gott, ich habe eigentlich gar nichts dich zu bitten; würdest du auch die Erfüllung aller Wünsche mir geloben, ich könnte doch eigentlich gar keinen anführen, nur daß ich bei dir bleiben darf, so nahe wie es in dieser Zeit der Trennung möglich ist, in der du lebst und ich, und ganz bei dir in alle Ewigkeit? Und so weit der Beter seinen Blick zum Himmel wendet, sollte der dann der Beter sein, oder der rechte Beter, dessen unruhige Augen beständig Trost für die einzelne Sorge, einige Erfüllung für den einzelnen Wunsch holten; und nicht eher der, dessen ruhige Augen nur Gott suchten? Dazu muß es auch kommen, wenn die Innerlichkeit nicht aufgegeben, sondern unverändert bewahrt und als ein heiliges Feuer im Menschen bewacht wird; denn der Wunsch, die irdische Begierde, der weltliche Kummer ist das Zeitliche, stirbt gewöhnlich vor dem Menschen, auch wenn er das Ewige nicht ergreift, wie sollte er da das Ewige aushalten können! Da verliert der Wunsch mehr und mehr an Glut, zuletzt ist seine Zeit vorbei, da stirbt der Wurm der Begierde nach und nach, und die Begierde stirbt aus, da schlummert die Wachheit des Kummers nach und nach ein, um nie wieder zu erwachen, aber die Zeit der Innerlichkeit ist nie vorbei.
Wer hat nun gesiegt? Das hat Gott, dem der Beter durch seine Gebete die Erfüllung nicht abnötigen konnte. Aber der Beter hat ja auch gesiegt. Oder heißt das siegen, daß man recht bekommt, wenn man unrecht hat, daß man die Erfüllung eines irdischen Wunsches erhält als sei dies das höchste, einen Beweis dafür, daß man zu Gott gebetet und recht gebetet habe, einen Beweis dafür, daß Gott Liebe war, und der Betende im Einverständnis mit ihm, daß der Beter vielmehr für sein ganzes Leben dem zu Dank verpflichtet war, den er durch sein Gebet und durch seinen Dank selber zu einem Abgott machte.
[Wer wurde durch das Gebet verändert: Gott, der Beter oder beide?]
Welches ist nun der Sieg, worin unterscheidet sich der Zustand der Sieger von dem der Streiter? Wurde Gott verändert? Eine bejahende Antwort scheint eine schwierige Rede, und doch ist es so, er wurde verändert; denn nun hat sich gerade gezeigt, daß Gott unveränderlich ist. Doch ist jene Unveränderlichkeit nicht jene eisige Gleichgültigkeit, jene tödliche Erhabenheit, jene zweideutige Ferne, die der verhärtete Verstand anpries, nein, im Gegenteil, diese Unveränderlichkeit ist innerlich und warm und überall anwesend, ist eine Unveränderlichkeit in der Sorge um einen Menschen, und gerade darum lässt sie sich durch den Schrei des Beters nicht verändern, als sei nun alles vorbei, durch seine Feigheit, wenn er es unbequem findet, sich selbst helfen zu können, durch seine falsche Zerknirschung, die ihm doch bald leidtut, wenn die augenblickliche Angst vor der Gefahr vorüber ist.
Wurde der Beter verändert? Ja, das ist nicht schwer einzusehen; denn er ist der rechte Beter geworden, und der rechte Beter siegt immer, da dies ein und dasselbe ist. Auf unvollkommene Weise war er schon davon überzeugt, denn während er genug |48| Innerlichkeit hatte, um zu beten, war er zugleich überzeugt, daß der Wunsch erfüllt würde, wenn er recht bäte; recht bäte im Verhältnis zum Wunsche, so verstand er es. Nun ist er verändert, aber es ist noch wahr, ja, nun ist es wahr geworden, daß wenn er richtig betet, er dann siegt. Und schon zu Beginn war ihm, daß er bat, zum Gewinn, wie unvollkommen sein Gebet auch war; es half ihm nämlich, seine Seele auf einen Wunsch hin zu sammeln. Leider wünscht ein Mensch im allgemeinen zu viele Dinge, lässt die Seele in jedem Windzug flattern. Aber der, der betet, weiß doch Unterschiede zu machen; er gibt nach und nach auf, was nach seinem irdischen Begriff das unbedeutendere ist, da er damit nicht recht zu Gott kommen darf; und da er nicht wagt, Gottes Güte zu verspielen, indem er immer um dies und jenes bettelt, sondern dagegen dem Begehren ob seines einzigen Wunsches desto mehr Nachdruckt verleiht. Da sammelt er seine Seele Gott gegenüber auf einen Punkt seines Wunsches, und schon darin liegt für ihn eine Veredlung, die Vorbereitung zur Aufgabe aller Dinge, denn allein der kann alles aufgeben, der nur einen einzigen Wunsch hatte. So ist er vorbereitet, im Streit mit Gott gestärkt zu werden und zu siegen, denn der rechte Beter streitet im Gebet und siegt dadurch, daß Gott siegt.63

B Interpretation

Pseudonyme Schriften und Erbauliche Reden von 1844

Der hier dokumentierte Text zum Streit des Beters mit Gott ist ein Ausschnitt aus einer der vier erbaulichen Reden Kierkegaards64, die am 31.8.1844 im Kopenhagener Buchhandel erschienen. Die vierte Rede, die in der deutschen Übersetzung 25 Seiten umfasst, trägt den Titel »Der rechte Beter streitet im Gebet und siegt – damit, daß Gott siegt«.
In diesen vier Reden übt Kierkegaard mit seinem Leser die Destruktion des menschlichen Eigensinns ein. Er nennt diese Destruktion »die Vernichtigung des Menschen« und fügt hinzu: das sei »das Höchste, was ein Mensch zu fassen vermag«.65 In der ersten und zweiten Rede wird in der Auslegung von 2 Kor 12 gezeigt, wie des Apostels Wunschdenken zerstört wird, damit die Gnade in der Schwachheit allein regiere. In der dritten Rede wird der Feigheit eine Absage erteilt, die sich mit allzu menschlicher Rücksicht nicht zu dem Guten bekennt, das um Gottes willen an der Zeit ist. In der vierten Rede wird das Gebet thematisiert, das sich auf einen Streit mit Gott einlässt und zu einem Sieg des Beters führt, indem Gott über den Menschen siegt.
|49| Emanuel Hirsch macht in seiner Einleitung66 zu den vier erbaulichen Reden von 1844 darauf aufmerksam, dass insbesondere die Rede vom Pfahl im Fleisch und die über das Gebet fast wie »Aufzeichnungen aus einem geheimen Tagebuch gelesen werden« dürfen. Hier wie überhaupt in den erbaulichen Reden von 1843–45 trete Kierkegaard dem Leser nicht wie in den pseudonymen Schriften von 1844, in den »Philosophische Brocken« und dem »Begriff Angst« als der »Verhüllte und Unkenntliche« entgegen. Vielmehr lasse er den Leser »an den Meditationen und Selbstgesprächen vor Gott« teilnehmen, in denen er sich selbst zu persönlicher ethischer und religiöser Klarheit durchringe. Die Erlebnisse und Einsichten, die in »Der Begriff Angst« zergliedert und von Vigilius Haufniensis, dem »Wächter Kopenhagens«, fast spielerisch entfaltet seien, würden in den Erbaulichen Reden von 1844 »in das Ganze einer ethisch und religiös tiefen Menschlichkeit eingeordnet«. Deshalb können auch »Der Begriff Angst« und die »Vier erbaulichen Reden von 1844« wie pseudonyme »Protreptik« (Vorbereitung) und religiöse Entfaltung gelesen werden. Die Angst, die »kraft des Glaubens«67 erlösen kann, kommt in den vier erbaulichen Reden mit ihrer wahrhaft erlösenden Kraft zur Entfaltung.

Der Streit des Beters mit Gott

Die vierte Rede, die dem Streit des Gebetes gewidmet ist, beginnt mit einer ausführlichen Einleitung, in der auf die Dialektik eingestimmt wird, dass es einen Streit gibt, bei dem man durch Verlieren gewinnen kann. Von einem biblischen Text ist explizit keine Rede. Die innere Beziehung auf Jesu Wort aus Mk 8,35ff. kommt in den Blick: »Wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinet- und des Evangeliums willen, der wird’s erhalten«. Wie geht diese Dialektik von Verlieren und Erhalten im Streit des Gebetes vor sich? Beten heißt für Kierkegaard allem voran: Sich-ergeben, und nicht jemanden angreifen oder sich selbst verteidigen, um sich zu erhalten! Wer sich betend hingebe, der streite nicht; gebe er sich aber nicht hin, so bete er auch nicht. Ein Gebet, das keine Ergebung sei, die in dem inwendigen Menschen geschieht, kommt für Kierkegaard als Gebet gar nicht in Betracht. So ein Gebet komme auch bei Gott gar nicht an, so wenig wie ein Brief ankomme, der falsch adressiert sei. Wie soll es dann aber möglich sein, dass ein Gebet zur Waffe wider Gott werden kann?

|50| Kindliches und erwachsenes Beten

Kierkegaard setzt bei dem Beten eines Kindes ein. Das Kind gerate in keinen Streit mit Gott: Es bitte Gott um das Gute, danke Gott für das Gute, das nach der Vorstellung des Kindes gut sei. Bekommt es zu Weihnachten das ersehnte Spielzeug, so dankt es Gott. Das Traurige, Unangenehme werde aber vom Kind nicht auf Gott zurückgeführt, sondern anders erklärt, zumeist mit der Vorstellung von bösen Menschen. Stirbt dem Kind der Vater, so hat es eigentlich keine Vorstellung davon, was der Tod sein mag. Man sagt dem Kind, dass der Vater bei Gott im Himmel sei, und schon ist das Kind wieder mit Gott zufrieden. Den Tod aber mit all seinen Schwierigkeiten überspringe das Kind. Es werde ihm schwerlich einfallen, den Tod Gott zuzuschreiben.
Auf die Mutter des Kindes aber kommen Schwierigkeiten im Gebet zu, wenn sie den Tod ihres Mannes mit Gott zusammenzudenken versuche und sich dabei nicht mit den Erklärungen begnüge, die sie ihrem Kind gegeben hat. Das wäre in Kierkegaards Augen kindisch, wenn ein Erwachsener der Schwierigkeit auswiche, den Tod, das Böse und das Widrige mit Gott zusammenzubringen, auf den doch zuletzt alles zurückgeführt werden müsse. Irgendwann müsse ein Gebet erwachsen werden. Die reife, erwachsene Innerlichkeit des Gebetes bestehe darin, alles mit Gott zusammenzubringen, alles auf Gott zurückzuführen, den Tod ebenso wie das Leben, das Böse ebenso wie das Gute. Das sei in widerwärtigen Fällen zuweilen sehr schwer, wie das Beispiel des Hiob zeigt. Das Gebet wird dann zu einem Streit mit Gott nach der Art, wie Jakob am Jabbok gekämpft hat: »Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn« (Gen 32). Das zeichne ein erwachsenes Gebet aus, dass es mit Gott ringt, kämpft und streitet, um ihn für das menschliche Anliegen zu gewinnen und von Gott recht zu bekommen. Wie soll aber so ein Streit aussehen? Wie kann ein Mensch in diesem Streit siegen, indem Gott über ihn siegt, und er, der Mensch, unterliegt und eben dadurch der rec...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelei
  2. Inhalt
  3. Vorwort
  4. Teil A
  5. Teil B
  6. Teil C
  7. Fußnoten
  8. Seitenverzeichnis