Geistbestimmtes Leben
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Geistbestimmtes Leben

Spiritualität

  1. 262 Seiten
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Geistbestimmtes Leben

Spiritualität

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Dieser Band lässt sich ein auf die Quellen und Grundgestalten christlicher Spiritualität. Im Zentrum steht dabei die Erfahrung, dass sich Gottes Geist auf überraschende Weise vergegenwärtigt und menschliches Leben heilsam bestimmt.An exemplarischen Lebensbildern von der Bibel bis in die heutige Zeit erkundet das Buch auf anschauliche Weise im ersten Teil die verschiedenen Dimensionen dieser Erfahrung. Der zweite Teil widmet sich spirituellen Lebensformen und der realen Spannung zwischen spiritueller Gottunmittelbarkeit, kirchlicher Verortung und weltlichem Auftrag. Im dritten Teil kommen spirituelle Grundvollzüge zur Sprache: geistliche Lesung, Meditation, Gebet und Kontemplation. Die Reflexion auf das klassische Modell des dreifachen Weges schärft den Blick für die lebensgeschichtliche Dimension spiritueller Praxis.

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Information

Jahr
2012
ISBN
9783290200947

|135| Grundvollzüge

Im dritten Teil dieser Theologie der Spiritualität stehen Grundvollzüge im Zentrum, die das Leben aus dem Heiligen Geist prägen und zur Entfaltung bringen: das Beten in seinen verschiedenen Dimensionen, das dankbar auf Gottes Heilsangebot antwortet und die Intimität der Gottesfreundschaft erschliesst; ebenso die sich dadurch ereignende Verwandlung der Betenden, die zur persönlichen Wirklichkeit werden lässt, was sich in der Taufe verheissungsvoll verdichtet. Die drei Leitfäden dieses Buches finden sich auch hier: der pfingstlich rote Faden des Geistes, der im Herzen der Gläubigen betet und seufzt, bevor diese sich selbst zum Gebet aufmachen; der blaue Faden der Taufspiritualität, die sich im dreifachen Weg von Läuterung, Erleuchtung und Einung realisiert; der goldene Faden der Gegenwart Gottes, der kontemplativen Tiefendimension des Gebetes, die in mystischen Erfahrungen eine paradigmatische Gestalt erhält.

6
|136| Formen des Betens

Nach dem Kartäuser Guigo II. († 1188) vollzieht sich der Weg christlichen Betens in vier Stufen: lectio, meditatio, oratio, contemplatio. Er beginnt mit dem Hören auf das Wort der Schrift und seiner meditativen Verinnerlichung und führt über das betende Antworten auf das vernommene Wort in die Gegenwart des lebendigen Wortes.178 Guigos Modell ist keine Erfindung des Mittelalters, sondern hat im jüdischen Wortgottesdienst seinen Ursprung (vgl. Neh 8 und Lk 4,14–22). Es bietet eine Differenzierung des christlichen Gebetsvollzugs, die sowohl für die Darstellung als auch als Anregung für heutiges Gebetsleben nützlich sein kann. In Aufnahme einer langen Tradition fasst Guigo den Weg christlichen Betens folgendermassen zusammen:
«Lesung ist: wenn der Blick des Geistes aufmerksam und eifrig die heiligen Schriften durchwandert. Meditatio ist eine Tätigkeit des Geistes, der sich bemüht, der verborgenen Wahrheit unter Führung der Vernunft nachzuspüren. Gebet ist: wenn das Herz sich innig Gott zuwendet, um vom Bösen befreit zu werden und Gutes zu erlangen. Contemplatio ist gewissermaßen eine Erhebung des Geistes über sich hinaus in Gott hinein, wobei die Freuden der ewigen Wonne verkostet werden.»179
Die vier Momente, die Guigo unterscheidet, gehen auf die christliche Grunderfahrung zurück, dass der Glaube aus dem Hören und dem Gehörten kommt. Die betende Anrufung Gottes setzt den Glauben, der Glaube seinerseits das Evangelium voraus, das zum Glauben bewegt (vgl. Röm 10,14 ff.). Das befreiende Wort der Liebe, mit dem Gott uns anspricht und das in uns wirksam werden möchte, vermittelt sich durch die menschlichen Worte der Verkündigung (vgl. 1 Thess 2,13). Dem Hören auf die mündliche Verkündigung entspricht im Gebetsvollzug der Einzelnen, der im Folgenden in seinen wesentlichen Schritten thematisiert werden soll, das hörende Lesen der Heiligen Schrift (lectio). Die geistliche Lesung führt zu einem in die Tiefe führenden Verweilen an |137| der Stelle, wo etwas zu mir zu sprechen beginnt (meditatio). Das Hören auf die Schrift und das «Buch der Erfahrung»180 mündet in das lobende, dankende, bittende und klagende Gebet (oratio) und intensiviert das Bewusstsein, von Gottes Gegenwart umfangen zu sein (contemplatio).
Dass es sich bei dieser Unterscheidung nur um ein Modell handelt, soll hier unterstrichen werden. Nicht nur weil das spirituelle Leben immer reicher ist als alle Wegschemata, die es zu erfassen versuchen, sondern auch weil Beten ein Beziehungsgeschehen zwischen einzigartigen Menschen und dem unendlich beziehungsreichen Gott ist, der jeden und jede auf besondere Weise zu sich ruft. «Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit» (2 Kor 3,17). Auf diese Freiheit ist hier besonders zu achten. Nur so kann man dem Zug der Gnade folgen.
«Das persönliche Beten gehorcht bestimmten Gesetzen. […] Trotzdem ist das persönliche Beten in einem besonderen Sinne frei, und die Ordnung ist dafür da, diese Freiheit zu schützen. Je echter es ist, desto weniger kann man ihm vorschreiben, wie es sich zu verhalten habe, vielmehr gestaltet es sich nach dem inneren Zustande des Menschen, nach den Verhältnissen, in denen er steht, und den Erfahrungen, die er macht. Daher braucht ein Gebet, das zu einer bestimmten Zeit gut ist, es zu einer anderen nicht zu sein – ebensowenig wie das Gebet des Einen für den Anderen geeignet zu sein braucht. Wenn das Gebet seine Freiheit nicht findet, wird es unsicher, eintönig und unlebendig. So muss die Erziehung zum persönlichen Gebet ihm helfen, dass es ursprünglich und zuversichtlich werde.»181

6.1
Geistliche Lesung und Meditation

Christliches Gebet antwortet auf die Verheissung des Evangeliums. Das gehörte Wort geht dem selbst gesprochenen voraus. Hier zeigt sich erneut der rote Leitfaden dieses Buchs: Das heilsame Wirken Gottes geht unserem Wirken voraus. Sich diese Vorgängigkeit bewusst zu machen, hat Konsequenzen für den Gebetsvollzug und die Gebetshaltung. Deshalb |138| soll im Folgenden die rezeptiv-passivische Dimension christlichen Betens besonders betont werden. Die aktiven Formen des Gebets – das lobende, dankende, bittende und klagende Gebet in seinen unterschiedlichen Ausdrucksformen – wurzeln und münden in rezeptiven und passiven Gebetsvollzügen: im Hören auf Gottes Wort, im Erfahren seiner Gegenwart, die das Gebet selbst weckt. Wie die Liturgie lebt auch persönliches Beten vom Wechsel zwischen Hören und Antworten, zwischen Empfangen des Wortes und Danksagung, zwischen Ausdruck und stillem Verweilen in Gottes Gegenwart.

6.1.1
Lectio divina: Das Wort in seinem Reichtum bei uns wohnen lassen (vgl. Kol 3,16)

Exkurs
Ich thematisiere im Folgenden nur die wichtigste Form der geistlichen Lesung: die lectio divina, die sich auf einen biblischen Text bezieht. Geistliche Lesung im weiteren Sinne kann sich auch in andere Texte vertiefen. Bereits die Benediktsregel sieht eine solche Form geistlicher Lesung vor.182 Die benediktinische Lesekultur bildete einen zentralen Faktor für die Vermittlung des antiken Wissens.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat nicht nur die Gläubigen zur aktiven Teilnahme an der Liturgie eingeladen, sondern auch in Anknüpfung an altkirchliche und reformatorische Tradition allen Gläubigen die geistliche Lesung ans Herz gelegt.183 Christliches Beten nährt sich vom Wort Gottes wie ein Baum von der Feuchtigkeit der Erde und dem Licht der Sonne. Zur lectio divina wird das Lesen in der Heiligen Schrift durch eine Haltung empfänglicher Aufmerksamkeit, die es zum lesenden Gebet werden lässt, zum Raum des Schweigens, in dem Gott zu Wort kommen kann. Nach Meister Eckhart ist es «das allerbeste und alleredelste, wozu man in diesem Leben kommen kann […], wenn du schweigst und Gott wirken und sprechen läßt»184. Die hörende Bereitschaft der lectio divina gleicht derjenigen, die der junge Samuel im Tempel zu Schilo zu lernen hat: «Rede, Herr, dein Diener |139| hört!» (1 Sam 3,10) Das Erlernen und Wecken dieses hörenden Schweigens ist jedoch nicht nur eine Voraussetzung für die geistliche Lesung, sondern führt zu einer grundlegenden Veränderung der Gebetshaltung, die zunächst eher in die Worte zu fassen ist: «Höre, Herr, denn dein Diener spricht zu dir»185. Anknüpfend an den Ausspruch Samuels findet Guigo zu der folgenden schönen Formulierung, die sich als einleitendes Gebet zur geistlichen Lesung eignet:
«Rede, Herr, zum Herzen deines Dieners, damit mein Herz zu dir rede.»186
Die lectio divina vollzieht sich coram Deo, in der Gegenwart Gottes und im dadurch neu erschlossenen Heute des Menschen (vgl. Lk 4,21). Nach Rupert von Deutz (1077–1129) treten wir im betenden Lesen vor das Angesicht Gottes:
«Schauen wir nicht Gott von Angesicht zu Angesicht, wenn wir die Schrift lesen und verstehen? Tatsächlich, die Schau Gottes, die dereinst vollkommen sein wird, beginnt hier in der Lesung der Schrift.»187
Das vom Heiligen Geist getragene Lesen in der Heiligen Schrift führt zur Erfahrung, dass wir vor Gott immer Beteiligte, Angesprochene und heilsam Angegangene sind. Der Geist bewirkt eine Umkehrung des Auslegungsvorganges, über die wir nicht verfügen. Die lectio, die damit beginnt, dass ich die Schrift im Horizont meines Lebens und mein Leben im Horizont der Schrift zu verstehen suche, mündet dann in die Erfahrung, dass nicht ich die Schrift auslege, sondern die Schrift mich auslegt. Das Hören auf das Wort lässt mich entdecken: Ich ge-höre dem Wort. Bevor ich es suche, kommt es zu mir und umfängt mich von allen Seiten.
Dazu gehört im praktischen Vollzug der geistlichen Lesung, dass ich mir das Wort, das sich mir schenken möchte, nicht selbst aussuchen kann.
|140| «Wollte man sich die Schriftstellen nach eigenem Belieben aussuchen, würde man die Bibel zu einem Buch entwerten, aus dem man sich heraussucht, was man finden will.»188
Alles liegt daran, dass ich das bei mir ankommen, zu mir sprechen und mir zusprechen lasse, was mir heute – nach einem vorgegebenen oder persönlichen Leseplan – ungesucht geschenkt wird. Nach Hieronymus bedeutet dies, «die Segel nach dem Heiligen Geist aufspannen, ohne zu wissen, an welchem Ufer wir landen werden»189. Zu den schönen Erfahrungen der geistlichen Lesung gehört es, wenn Abschnitte, die uns bei der ersten und flüchtigen Lektüre befremden oder kalt lassen, nach einigem Verweilen plötzlich auf überraschende Weise in die gegenwärtige Lebenssituation hineinzusprechen beginnen.
Mit der Orientierung an einem Leseplan ist auch die Beschränkung gegeben, die eine Vertiefung des Gelesenen erst möglich macht. Die Erfahrung, dass ein wahlloses Herumlesen in der Schrift zerstreut, machen schon Johannes Cassian (360–435) und sein Gefährte Germanus:
«Kommt uns […] ein Abschnitt eines Psalmes in den Sinn, so entgleitet er uns unmerklich wieder, der Geist wendet sich, ohne es zu beachten, ja zu seinem eigenen Erstaunen, einem anderen Schrifttext zu. Wenn er nun beginnt, diesen zu erwägen, so steigt ihm sogleich die Erinnerung an ein anderes Schriftwort auf und verhindert das Nachdenken über den früheren Stoff, auch wenn er noch nicht vollständig erörtert ist […] So treibt er sich in unstetem Wechsel in der ganzen Schrift herum; er bringt es nicht dazu, etwas nach Belieben aufzugeben oder festzuhalten, noch kann er etwas völlig ergründen und erschöpfend betrachten, da er die geistlichen Empfindungen nur tastend verkostet, sie aber nicht erzeugt oder sich ganz zu eigen macht. So schwankt der Geist, immer in Bewegung und Unruhe, hin und her […].»190
Der Wüstenvater Isaak, den die beiden westlichen Pilger um Rat angehen und hinter dem sich vermutlich Cassians Lehrer Evagrios Pontikos verbirgt, lehrt sie, bei einem einzigen |141| Psalmvers zu verweilen und ihn durch häufiges Wiederholen zu verinnerlichen. Die lectio divina lebt vom geduldigen Brüten über einen kurzen Abschnitt der Heiligen Schrift. Nur so wird Vertiefung möglich, kann die lectio ihre verwandelnde Wirkung zu entfalten beginnen. Das (halb-) laute und wiederholte Lesen transformiert das geschriebene Wort in aktuelle Gegenwart, die sich mir zuspricht, sich in mich einsenkt und das Wirken des Geistes in mir freisetzt.
«Eine Zeitlang noch schläfert unser Herz, aber schon ist der Geist Gottes darin gegenwärtig und ruft, uns noch unbewusst, zum Vater. Der gleiche Geist ist auch in dem göttlichen Wort gegenwärtig, das von außen an unser Herz klopft. Von vornherein herrscht Verwandtschaft zwischen dem von außen anrufenden Wort und dem in unserem schlummernden Herzen wachenden Geist.»191
Die lectio divina ist sowohl von der meditatio als auch von einer exegetischen Lektüre zu unterscheiden. Im Vergleich zur gesammelten Meditation, zu der sie hinführt und die sie vorbereitet, zeichnet sich die geistliche Lesung dadurch aus, dass sie das Bemühen darstellt, einen biblischen Text in seiner Bedeutung zu verstehen und zu erschliessen. Sie besteht in der Arbeit des genauen Lesens. Die Meditation des Gelesenen und Verstandenen vollzieht sich in thematischer Eingrenzung und nähert sich einem Verkosten an, das in der contemplatio zur Fülle kommt.
Lectio d...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelei
  2. Geleitwort zur Reihe
  3. Inhaltsübersicht
  4. Vorwort
  5. Einleitung
  6. Grundlegung
  7. Grunddimensionen
  8. Grundvollzüge
  9. Ausklang
  10. Literaturverzeichnis
  11. Abkürzungen
  12. Detailliertes Inhaltsverzeichnis
  13. Fussnoten
  14. Seitenverzeichnis