Aus dem Wald hinausfinden
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Aus dem Wald hinausfinden

Ein Gespräch mit Caspar Shaller

  1. 160 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Aus dem Wald hinausfinden

Ein Gespräch mit Caspar Shaller

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Als der Journalist Caspar Shaller Margaret Atwood im Herbst 2018 in Toronto trifft, ist er erstaunt, wie klein »die kanadische Königin der Literatur« (Freundin) ist und wie groß ihre Sonnen- brille. Im Café sprechen sie zwei Tage lang über Atwoods Gedichte und Romane, über Totalitarismus und Religion, über die Post- Truth-Ära, die verschiedenen Facetten von Feminismus, die #MeToo-Debatte und über Beyoncé. Trumps Amerika kennt Atwood so gut wie Kanadas Wälder, wosie ihre Kindheit fernab städtischer Zivilisation verbracht hat. Die unfreiwillige Prophetin der ökologischen Katastrophe und des wiedererstarkenden Faschismus erzählt auch davon, wie die rot-weißen Roben der Figuren aus ihrem dystopischen Roman »Der Report der Magd« zu einem Meme der Anti-Trump-Bewegung wurden und wie sie selbst sich heute politisch engagiert. Hellwach, kämpferisch und mit tiefer Menschenkenntnis analysiert Atwood das Zeitgeschehen und beweist, dass sie auch mit achtzig Jahren nichts an intellektueller Brillanz, politischem Gespür und Gerechtigkeitsstreben eingebüßt hat – ebenso wenig wie an Humor.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783311701040

Andere Welten

Dann mache ich jetzt mal eine kleine Marktforschung mit Ihnen, denn man lernt auch viel über einen Menschen anhand der Bücher, die er gelesen hat. Wollen Sie mir verraten, welche Lektüren Sie besonders beeinflusst haben?
Ich war schon immer eine unersättliche Leserin. Man könnte sagen, meine ersten Lehrer waren Schriftsteller. Manche lebten noch, aber die allermeisten waren nicht mehr am Leben – im üblichen Sinne des Wortes. Aber sie leben nun einmal weiter durch ihre Stimmen, Worte und Geschichten. »Du wirst dir deine Augen ruinieren«, sagten mir meine Eltern, als sie mich mit einer Taschenlampe beim Lesen erwischten. Und wie ich mir meine Augen ruiniert habe! Lesen ist die wohl beste Art, sich seine Augen zu ruinieren. Ich habe alles gelesen, was mir in die Finger gekommen ist. Das war eine erstaunliche Bandbreite an Büchern. Ich habe die Buchhaltung meiner Eltern aufbewahrt, meine Mutter hatte alles penibel aufgezeichnet. Darum weiß ich heute, wofür sie ihr mageres Einkommen ausgegeben haben. Bei Büchern haben sie nicht gespart. Bücher waren teuer damals, aber sie haben sie wie wild gekauft. Mein Vater liebte Krimis, also stapelten sie sich bei uns zu Hause, und ich habe sie alle gelesen. Zuerst alle Bände von Sherlock Holmes, dann fast alles andere von Arthur Conan Doyle. Meine Mutter mochte historische Romane, die habe ich auch verschlungen.
Ich habe auch sehr viel Science-Fiction gelesen. Wenn es in den Fünfzigerjahren geschrieben wurde, habe ich es garantiert gelesen. Mein Vater liebte Science-Fiction, gerade weil er Wissenschaftler war. Er las diese Science-Fiction-Romane und lachte und lachte und lachte. »Was für ein Seemannsgarn!«, rief er dann. Ich war begeistert von Ray Bradbury, John Wyndham, Anatole France. George Orwells 1984 las ich erst, als es als eines dieser billigen Taschenbücher herauskam. Ich habe diese Ausgabe noch. Es hat einen sehr schlüpfrigen Einband. Der Protagonist Winston Smith ist darauf zu sehen, wie er einer Blondine ins Dekolleté glotzt. Dann Schöne neue Welt natürlich. Von H.G. Wells habe ich auch alles gelesen, meine Eltern hatten die komplette Sammlung.
»Ich war schon immer eine unersättliche Leserin. Man könnte sagen, meine ersten Lehrer waren Schriftsteller.«
Ihre Begeisterung für Science-Fiction wurde Ihnen also quasi in die Wiege gelegt. Gab es später in Ihrem Leben weitere literarische Prägungen, die Sie für Ihr Schreiben als wichtig erachten?
Viel später, als ich in Harvard meinen Ph.D. machte, wurde ich großer Fan der Literatur des 19. Jahrhunderts. Diese Epoche war damals sehr unmodisch. Man las eher John Donne, den Dichter aus dem 17. Jahrhundert, diese Strömungen kommen und gehen. Der Grund, warum ich das 19. Jahrhundert als literarische Epoche so mochte, ist eigentlich banal. Als ich meinen Bachelor machte, wurde diese Epoche sehr gründlich unterrichtet. Außerdem war die absolute Koryphäe auf dem Gebiet ein Kanadier. Er unterrichtete in Harvard und wurde dort mein Doktorvater.
Sie haben Ihre Dissertation aber nie beendet.
Dabei war sie ausgezeichnet! Ich behandelte darin die »Metaphysische Romanze«. Diesen Namen hatte ich mir ausgedacht, um die Werke zu beschreiben, für die damals niemand einen Namen hatte. Gemeint sind damit Werke von George MacDonald über C.S. Lewis bis zu Tolkien. Ich untersuchte darin die mächtigen weiblichen Figuren mit übernatürlichen Kräften und ihr Verhältnis zu darwinistischen und wordsworthianischen Naturvorstellungen. Diese Art von Fantasyliteratur hatte damals noch niemand wirklich studiert, denn es war naturgemäß kein Realismus. Diese Literatur gehörte nicht zur großen Tradition des Sozialrealismus, in diesen Büchern kamen Frauen mit übernatürlichen Kräften vor! Das war eine bestimmte Obsession des 19. Jahrhunderts. Damals war man sehr besorgt um diese Frauen und was mit ihnen passieren könnte, wenn sie mehr Macht hätten. Ich habe mich immer für solche magischen Frauenfiguren interessiert, gute wie böse.
In Ihren Geschichten gibt es sehr viele Frauenfiguren mit übernatürlichen Kräften, sogar in Büchern, wo man sie nicht erwarten würde. In Die Räuberbraut von 1993 zum Beispiel gibt es die Figur Zenia. Sie stiehlt die Männer der drei Hauptfiguren, stirbt dann und kehrt von den Toten zurück. Beim Lesen ist mir aufgefallen, dass sie zwar offensichtlich als Verkörperung des Bösen, als komplette Soziopathin, dargestellt ist, aber man diese Persönlichkeit auch als die einer sehr erfolgreichen und in diesem Sinne nachahmenswerten Person betrachten könnte: durchsetzungsstark, verschlagen, manipulativ. Sie bekommt, was sie will.
Dass viele Leser das so sehen, habe ich erst herausgefunden, als das Buch erschienen war. Das erstaunt mich sehr, denn eigentlich habe ich sie tatsächlich als eine Art Superschurkin geschrieben. Als ich in England eine Lesung hatte, habe ich danach das Publikum gefragt, mit welcher Figur es sich am meisten identifizieren könnte. Und die Leute sagten ernsthaft: Zenia. Ich fragte sie, wie das nur möglich sei. Und diese eine Engländerin antwortete: »Weil Frauen es satt haben, die ganze Zeit gut zu sein!« Sich schlecht zu verhalten und damit erfolgreich zu sein, scheint stark damit assoziiert zu werden, mächtig zu sein.
Sie sollten Naomi Aldermans Buch Die Gabe lesen. Darin erhalten Frauen plötzlich die Fähigkeit, Blitze zu kontrollieren, und können so die Macht an sich reißen. Alderman erforscht in dem Buch, wie Frauen sich verhalten würden, wenn sie an der Macht wären. Es gab schon viele Utopien oder Dystopien, die das durchgespielt haben. Die aus dem frühen 20. Jahrhundert zeigen normalerweise das Reich der Freude und Schönheit. Alle tragen griechische Kleider und sind sehr nett, wie Glinda, die gute Hexe des Nordens aus Der Zauberer von Oz. Aber es ist doch völlig unwahrscheinlich, dass eine Gesellschaft, in der Frauen Führungspositionen einnehmen, auf einen Schlag friedlich und gerecht wird. Haben Sie schon mal von Margaret Thatcher gehört? Vielleicht war sie auch nur wegen des Patriarchats so. Vielleicht auch nicht. Wir wissen es nicht, wie es wäre, wenn nur noch Frauen regieren würden, denn wir waren noch nie in solch einer Situation. Es muss mehr Frauen in der Politik geben, weil sie die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Aber abgesehen von diesem statistischen Grund wird das nicht unbedingt Friede, Freude, Eierkuchen bedeuten. Ich bin kein großer Fan von solch einem Stammesdenken.
»Es ist doch völlig unwahrscheinlich, dass eine Gesellschaft, in der Frauen Führungspositionen einnehmen, auf einen Schlag friedlich und gerecht wird. Haben Sie schon mal von Margaret Thatcher gehört?«
Sie schreiben sehr oft über bösartige Menschen und oft über schreckliche Gewalt. Woher kommt der Antrieb dazu?
Lesen Sie Zeitung? Gewalt ist nun mal das, was man am meisten darin findet.
Aber es ist etwas anderes, in einer Zeitung zu lesen, dass irgendjemand irgendwo auf der Welt erschossen wurde, oder es selbst zu sehen – oder es detailliert zu beschreiben, wie Sie es tun.
Ich habe in meinem Leben bereits viele Tote gesehen. Ich gebe zu, die meisten starben nicht daran, dass sie erschossen wurden. Ich kannte aber mehrere Leute, die ermordet wurden. Und natürlich kannte ich Menschen, die Selbstmord begangen haben. Man kann nicht bis in mein Alter leben, ohne eine bestimmte Anzahl von Menschen zu kennen, die ermordet wurden oder Selbstmord begangen haben. Allein schon aus statistischen Gründen.
Lassen Sie uns ein kleines Gedankenexperiment machen. Sie lesen einen Roman. Auf der ersten Seite steht, wie die Hauptfiguren heißen: Fr...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Vorwort
  4. »Bitte nicht stören!«
  5. Mit Toten verhandeln
  6. Hexensaat
  7. Die Königin der Schwerter
  8. Das Rad des Schicksals
  9. Die Hohepriesterin
  10. Aus dem Wald hinausfinden
  11. Die essbare Frau
  12. Der Gehängte
  13. Andere Welten
  14. Moralische Unordnung
  15. Der Magier
  16. Der Turm
  17. Sonnenaufgang
  18. Leben und Werk
  19. Fußnoten
  20. Über Margaret Atwood
  21. Impressum