Ideologie, Kritik, Öffentlichkeit
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Ideologie, Kritik, Öffentlichkeit

Verhandlungen des Netzwerks kritische Kommunikationswissenschaften

  1. 400 Seiten
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Verhandlungen des Netzwerks kritische Kommunikationswissenschaften

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Über dieses Buch

Aus dem Mainstream der wissenschaftlichen Debatte über Medien, Journalismus und Öffentlichkeit sind seit Jahrzehnten wichtigeBegriffe praktisch verschwunden: "Herrschaft", "Propaganda" und auch "Ideologie".Dieses Buch übt Ideologiekritik an den Kommunikationsverhältnissen in westlich-kapitalistischen Demokratien. Seine Autorinnen und Autoren sind Forscher aus dem Netzwerk Kritische Kommunikationswissenschaft und beleuchten Ideologien in der massenmedialen Berichterstattung, der Medienpolitik, der Medienindustrie und der Medienwissenschaft.

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Ideologien der kapitalistischen Medienindustrie

Eine Kritik der Ideologie der »freien Presse« zur Wendezeit 1989/1990

Mandy Tröger
Keywords: DDR 1989/1990, Freie Presse, Ideologiekritik, Demokratie, Kapitalismuskritik
Dieser Beitrag zeigt, inwiefern BRD-Verlagskonzerne und die Bundesregierung in ihrem Wirken zur DDR-Pressetransformation 1989/1990 den demokratischen Grundsatz der freien Presse als politisches Mittel nutzten und inwieweit sie diesem praktisch folgten. Im Namen der »demokratischen freien Presse« gestalteten sie die DDR-Presselandschaft vor allem entsprechend ihrer politischen und wirtschaftlichen Interessen; die Entmonopolisierung der Presse war zweitrangig. Alternative Visionen, wie sich eine freie demokratische Presse auch hätte gestalten können, blieben chancenlos.
Mandy Tröger | LMU München | [email protected]

1 Einführung

»Wir wollen für die Bürger der DDR Informationsfreiheit sofort und nicht auf Raten. Die gesellschaftspolitische Verpflichtung der Großunternehmen […] findet in dem jetzigen Vorgehen ihre reale medienpolitische Ausprägung.«
(Gerd Schulte-Hillen, Vorstandsvorsitzender von Gruner + Jahr, am 19. März 1990)
Informationsfreiheit ist Teil der Pressefreiheit. Auch wenn in westlichen Demokratien generell Einigkeit darüber herrscht, dass eine unfreie Presse abzulehnen ist, ist die Frage, was die Presse letztlich »frei« macht, schwerer zu beantworten. Hierfür braucht es einen gesellschaftlich verankerten Konsens, der im Folgenden Ideologie genannt wird. Rahel Jaeggi (2009, 268) definiert Ideologien als »Überzeugungssysteme, die praktische Konsequenzen haben« und ihrerseits »Effekte einer bestimmten gesellschaftlichen Praxis sind«. So verstanden sind Ideologien also Ideensysteme, die Praktiken und Habitus-Formen hervorbringen. Diese begünstigen dann wiederum die Durchsetzung bestimmter Ideen und Praktiken und führen zu deren »Selbstverständlichmachung« bzw. »Verselbständlichungen«.
Ideologiekritik ist laut Jaeggi dann der Versuch, genau diese Mechanismen sichtbar zu machen, die es nicht zuletzt dominanten Gruppen erlauben, sie zur Durchsetzung eigener Interessen am Laufen zu halten. So verstanden ist Ideologiekritik also immer auch Herrschaftskritik. Sie nimmt innere Widersprüche im Selbst- und Weltverständnis von individuellen und sozialen Entitäten auf, misst sie an eigenen Maßstäben und holt sie damit aus ihrem angenommenen Stadium der Wertfreiheit und des unhintergehbar »natürlich« Gegebenen (ebd., 269f.).
Wenn im Folgenden also von der Kritik der Ideologie der freien Presse gesprochen wird, geht es erstens um die Sichtbarmachung der als selbstverständlich hingenommenen Ideensysteme der westlichen »freien Presse« in der Übernahme der DDR-Presselandschaft und zweitens um die damit verbundenen und praktisch durchgesetzten Interessen. Fokus ist die Rhetorik der Akteure und Widersprüche zwischen dieser und den von den Akteuren geschaffenen Fakten.
Der Zeitrahmen der Untersuchung erstreckt sich vom Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 bis zur deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 oder, wie die DDR-Tageszeitung Junge Welt es formulierte, der Zeit zwischen dem Wegfall des »alten Maulkorbs« politischer Zensur und der Übernahme des Marktes (Schumann 1990). Gezeigt wird, dass diese Übernahme dem rigorosen Wirken westdeutscher politischer und wirtschaftlicher Interessengruppen im Namen der »demokratischen freien Presse« zum Erreichen eigener Ziele geschuldet war. Alternative Visionen, wie sich eine freie demokratische Presse hätte auch gestalten können, blieben damit chancenlos.

2 Die Ideologie der »freien Presse«

Das Modell der freien Presse in westlichen Demokratien oder, wie der US-amerikanische Journalismushistoriker John Nerone (2013) es nennt, das »hegemonic western model of journalism«, ist ein Beispiel für ein von Jaeggi beschriebenes Ideensystem. Als konstituierende Grundlage für das Funktionieren der demokratischen Ordnung ist es grundsätzlich positiv konnotiert. Es sichert den Informationsfluss für die Teilhabe des mündigen Bürgers am demokratischen Prozess. Die historisch gewachsene Institutionalisierung der »freien Presse« als privatwirtschaftlich organisierter Pressemarkt wird in der Forschungsliteratur als gegeben hingenommen und selten problematisiert. Nerone und andere haben für den US-amerikanischen Kontext gezeigt, wie beide, demokratische und marktwirtschaftliche Interessen, historisch eng verschränkt sind, wie die »freie Presse« also als kapitalistisches Unternehmen wuchs und demokratisierend wirkte, indem es die Presse aus dem parteipolitischen Rahmen (»partisan press«) löste. Der damit einhergehende Objektivitätsanspruch sicherte zum einen politische Unabhängigkeit; zum anderen wurden Nachrichten oder »news«, wie wir sie heute kennen, erst durch diese Standardisierung geschaffen, nicht zuletzt da sie so vielseitig verwertbare Marktgüter (»commodities«) wurden (vgl. Nerone 1995). Infolge kommunikationstechnologischer Entwicklungen und einer interessenorientierten Institutionalisierung dieses Modells verfestigte sich die Idee, dass die Presse dann »frei« ist, wenn sie privatwirtschaftlich organisiert, durch Werbeeinnahmen und Vertriebserlöse finanziert und damit politisch unabhängig ist. Der Käufer allein entscheidet, wessen Stimme auf dem freien Markt der Informationen und Meinungen Gehör findet (ebd.).
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieses Ideensystem von den Alliierten zunächst über den Weg der Lizenzpresse auch in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Das heißt, die deutsche Presselandschaft wird bis heute durch privatwirtschaftliche Verlagshäuser gestaltet. Die Rahmengesetzgebung, die die Pressefreiheit durch Artikel 5 des Grundgesetzt definiert, misst diese vor allem an der Freiheit des Verlegers (Tendenzschutz), und die Journalistenausbildung orientiert sich am Objektivitätsgebot. Mit den »informationellen Revolutionen«, wie die taz-Journalistin Ute Scheub (1990) die Umbrüche in Osteuropa um 1990 nannte, und den damit einhergehenden post-sozialistischen Pressetransformationen erlangte das »western model of journalism« auch dort normative Gültigkeit.

2.1 Das Paradox der demokratischen Presse

Vor dem Hintergrund dieser Pressetransformationen verwies das Europäische Parlament (EP) im April 1992 allerdings auf eine der strukturellen »Paradoxien unserer demokratischen Gesellschaft«: Die freie Presse übernimmt die »Aufgabe einer öffentlichen Einrichtung«, während sie gleichzeitig »den Gesetzen des Marktes unterworfen« ist (Bericht 1992, 13). Das Parlament schlussfolgerte, da die Presse »den Gesetzen der Marktwirtschaft gehorchte und gehorcht, hängt ihre Rolle im Dienste der Öffentlichkeit von den Zufällen der Privatwirtschaft ab« (ebd.). Diese Punkte verweisen gleich auf mehrere Widersprüche im Selbstverständnis der westlichen freien Presse als Grundlage demokratischer Gesellschaften. Sie lassen sich durch eine Reihe von Fragen erschließen: Was ist »unsere« demokratische Gesellschaft? Was sind die »Zufälle der Privatwirtschaft«? Und warum ist die Organisation der Presse und damit implizit der Demokratie selbstverständlich an den Markt gebunden? Diese Fragen bieten einen ideologiekritischen Analyseansatz des »western model of journalism«.
Für den vorliegenden Beitrag wird das vom EP problematisierte Spannungsfeld an der Frage festgemacht, inwiefern BRD-Verlage während der DDR-Pressetransformation 1989/1990 demokratische Grundsätze als politisches Mittel nutzten und inwieweit sie diesen Grundsätzen, also den »Gesetzen des Marktes«, praktisch folgten. Dabei muss nach Jaeggi (1990) dem angenommenen »falschen« Objekt der Analyse (also dem Paradox der westlichen freien Presse oder der Markterschließung) nicht die »richtige« Alternative entgegensetzt werden. Vielmehr liegt in der Analyse selbst die Kritik.

2.2 Die »freie Presse« zur Wendezeit

Dennoch birgt gerade die Wendezeit eine Reihe alternativer Visionen zu der Frage, wie sich eine »freie Presse« abseits dessen, was wir als selbstverständlich hinnehmen, auch gestalten kann. Denn wenn Ideologien »unseren Weltbezug und damit den Deutungshorizont [konstituieren], in dem wir uns und die gesellschaftlichen Verhältnisse verstehen« (Jaeggi 2009, 269), muss gefragt werden, welche Deutungshorizonte es zur Wendezeit gab. Weder waren Ideensysteme noch deren Institutionalisierung selbstverständlich. Durch den Zusammenbruch des Staatsapparates der DDR und das Wirken verschiedenster Kräfte zu dessen Transformation mussten zu allen gesellschaftspolitischen Fragen neue Deu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Einleitung
  3. Ideologietheoretische Perspektiven auf Medien und Kommunikation
  4. Ideologien der kapitalistischen Medienindustrie
  5. Ideologie in journalistischer Berichterstattung
  6. Ideologie und Wissenschaft
  7. Literatur
  8. Kurzbiografien
  9. Anmerkungen