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Methodische Kompetenz nach Bildungsbereichen
Die Auswahl der in diesem Band vorgeschlagenen Methoden entlang der einzelnen Bildungsbereiche beruht auf dem Prinzip des kindzentrierten Lernens und spricht altersspezifische Entwicklungs- und Bildungsthemen der Kinder an. Die Methoden werden der Lernnatur des Kindes angemessen und interaktiv dargeboten und sind sowohl individuell als auch in kleineren oder größeren Gruppen umsetzbar. Sie erlauben eine systematische Bildungsförderung, die eine Reflexion und Planung des pädagogischen Handelns voraussetzt (Roth & Strüber, 2015, Braun, 2012), so dass die neuen Themen und Inhalte auf vielfältige Weise präsentiert und mit bekannten Inhalten verknüpft werden können. Das Lernen wird nachhaltiger, wenn die Kinder sich auf unterschiedliche Art – emotional, körperlich, kognitiv, sprachlich – aktiv beteiligen. Durch verschiedene Beschäftigungen, seien es Bewegung und Sport, naturwissenschaftliche Themen, Verstehen von Kunstwerken, Thematisieren von verschiedenen »Erwachsenen«-Fragen oder Erzählen einer Bildergeschichte – werden gezielt einzelne Themen und Wissenserfahrungen angesprochen. Im kognitiven Bereich werden zum Beispiel Abstraktionsfähigkeit, Urteilsvermögen, Problemlöse- und Kritikfähigkeit eingeübt. Im sozialen Bereich rücken durch die Gruppenausrichtung der Angebote Erzählkompetenz und Gesprächsführung sowie Verhaltensregeln und der soziale Umgang in der Gruppe in den Mittelpunkt. Mittels der Vielfalt der hier besprochenen Methoden werden auch kreative Fähigkeiten wie die sinnliche Wahrnehmung, Fantasie, Körperwahrnehmung oder ästhetisches Empfinden angeregt.
Die Ausrichtung der methodischen Auswahl zielt darauf ab, dass jedes Kind sich aktiv beteiligt, seine Grenzen ausprobiert, Erfolge und Spaß mit neuem Erkenntnisgewinn erlebt. Eine emotional positiv gestaltete Umgebung, Zuwendung und ungeteilte Aufmerksamkeit der pädagogischen Fachkraft schaffen einen guten Rahmen für ein erfolgreiches und gewinnbringendes Handeln mit Kindern.
Mit dem gezielten Einsatz von verschiedenen Methoden und der Planung von Angeboten werden die Kinder in ihren verschiedenen Fähigkeiten gestärkt. Mit einer gruppenbezogenen Ausrichtung der meisten Angebote und deren Bezug zur Alltagswelt und den Erfahrungen der Kinder steht die Förderung des sozial-emotionalen Bereiches und der Alltagskompetenz stets im Vordergrund. Die vorgeschlagenen Methoden ermöglichen ko-konstruktiv, ganzheitlich und alltagsorientiert die Kinder gezielt und systematisch in neue Themen einzuführen und spielerisch den Kindergartenalltag zu bereichern. Pädagogische Fachkräfte können die vorgeschlagenen Übungen, Spiele und Projekte selbst gestalten oder auch den Kindern die Regie überlassen und ausgehend von ihren Interessen weiterentwickeln. In diesem Fall können Angebote einen eher offenen Verlauf nehmen und dann in weitere Beschäftigungsideen, geleitet durch Impulse der Kinder, übergehen. Viele von den vorgeschlagenen Methoden haben eine dialogische Ausrichtung und regen die Kinder an, weiterhin über die Themen und ausprobierten Beschäftigungen nachzudenken. Durch verschiedene Ausdruckweisen der Kinder und des Einsatzes von Körpersprache, Stimme, Mimik und Intonation machen die Kinder auch die wertvolle Erfahrung, dass man durch eigenes (Sprach)Handeln etwas bewirken kann.
Dabei ist die Zone der nächsten Entwicklung jedes einzelnen Kindes zu berücksichtigen. Was kann das Kind schon, was kann ich ihm als Nächstes zumuten und wie viel Unterstützung benötigt es – all diese Fragen helfen den pädagogischen Fachkräften bei der Planung, die Angebote möglichst individuell für jedes Kind zu gestalten.
Nach der Durchführung der Angebote ist es für den weiteren Ablauf wichtig, einzuschätzen, ob weiterführende Aktivitäten zu behandelten Themen stattfinden sollen. Die eigene persönliche Reflexion der Qualität der Angebote, der Kinderbeteiligung, der Weiterführung des Themas ist ein qualitativsicherndes Merkmal der pädagogischen Arbeit im Alltag.
Um schon erprobte Methoden in die systematische Praxis der Einrichtung einführen zu können, wird empfohlen, eine Fotodokumentation mit einer kurzen Beschreibung und eigener Bewertung des Angebots für andere Kolleginnen anzulegen. Eine andere Möglichkeit wäre, beschriftete Fotodokumentationen in Form von »sprechenden Wänden« zu gestalten. Hier bietet sich die Möglichkeit, dass die Familien und Kollegi*nnen weitere methodische Anregungen mitnehmen.
Abb. II.1: Methodische Grundsätze bei der praktischen Durchführung
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Ästhetische Bildung und Kunst
Christian Widdascheck
1.1 Theoretisch-konzeptuelle Grundlagen. Was ist und was will ästhetisch-künstlerische Bildung?
Drei Phänomene sind in Kitas noch häufig zu beobachten, wenn es um den Bildungsbereich Kunst geht:
oft noch eher vorgegebenes Basteln, insbesondere im Zusammenhang mit den Jahreszeiten und bestimmten Festen und Feiertagen im Jahresverlauf, zu erkennen an periodisch auftretenden (Fenster-)Basteleien, die durch ihre Einförmigkeit auffallen;
Materialien für bildnerisch-künstlerisches Arbeiten, mit denen Kinder selbstständig und frei zugänglich arbeiten können, beschränken sich oft vor allem auf Farben und hier insbesondere Bunt- und Filzstifte;
immer öfter wird in Kitas auch im Sinne bestimmter Künstler*innen oder künstlerischer Richtungen gearbeitet, wobei dabei oft nicht klar ist, was die
genaue Bildungsintention ist, warum eine bestimmte Künstlerin ausgewählt wurde.
Auf die mit diesen drei Beispielen umrissene Situation möchte der folgende Beitrag antworten und Erweiterungen und Alternativen aufzeigen, indem er konsequent eine Perspektive künstlerischer Bildung verfolgt. Dabei versucht dieser Beitrag im Wesentlichen, folgende Fragen zu klären:
Was ist ästhetisch-künstlerisches Handeln und was sind mögliche Bildungserfahrungen in und durch ästhetisch-künstlerisches Handeln (Abschnitt 1)?
Was bedeutet dies für die Einstellung und wie müssen die Rahmenbedingungen sein, damit ästhetisch-künstlerisches Handeln entstehen und bildsam werden kann (Abschnitt 2 und 3)?
Wie können konkrete Handlungsimpulse. Arrangements und Themen gestaltet werden, damit das sich das Potential ästhetisch-künstlerischer Bildung realisieren kann (Abschnitt 4)?
Diese Intention des Beitrags kommt auf einer theoretischen Ebene schon in dem Bindestrich-Begriff ästhetisch-künstlerischer Bildung zum Ausdruck, der deshalb bewusst in dieser Form als Titel des Beitrags gewählt wurde.
Der Aspekt des Ästhetischen, als erster Teil des Bindestrich-Begriffs, betont die Notwendigkeit eines besonderen sinnlichen Berührtseins, damit sich der Bildungsprozess entfalten kann. Damit diese besondere Form der sinnlichen Berührung entstehen kann, braucht es wiederum Bedingungen. Eine zentrale dabei ist, dass ein Kind von einer sinnlichen Gegebenheit ergriffen wird und dadurch eine ästhetische Erfahrung für das Kind entsteht. Eine Ästhetische Erfahrung bedeutet, dass unsere sinnliche Wahrnehmung, die ja unser ständiger Begleiter ist, aus ihrer für den alltäglichen Lebensvollzug notwendigen Funktionalität ausbricht. Dadurch wird das, das wir gerade wahrnehmen, selbst zum Thema, zu etwas, was uns in einer offenen intensiven Art und Weise berührt. Indem es so aus seiner geklärten Alltäglichkeit herausfällt, in der schon immer klar ist, was etwas ist, was es bedeutet und für was es da ist, wird es in diesem Sinne fremd und befremdet. Es fordert heraus, mit ihm als Phänomen umzugehen, um im gestaltenden Handeln herauszufinden, was das Phänomen ist und was das Phänomen für einen bedeutet. Dies berührt letztendlich auch die Dimension, wer ich in Relation zu dem Phänomen bin. Das heißt, es geht in der ästhetischen Auseinandersetzung mit einem Phänomen um dreierlei: Es geht um den geteilten, phänomenalen Erfahrungsraum und ausgehend davon, was das Phänomen für sich ist und wer ich in Relation zu dem Phänomen bin?6
Der Aspekt des Künstlerischen, als zweiter Teil des Bindestrich-Begriffs, setzt genau an dieser Stelle an. Denn er betrifft die Frage, welche Handlungsformen und welche Wahrnehmungsweisen, die ja durch die Handlungsformen entstehen, dann zur gestalterischen Auseinandersetzung mit einem Phänomen zur Verfügung stehen, unterstützt, angeregt oder mitunter auch akzeptiert und toleriert werden. Dies ist insofern von höchster Relevanz, da, je diverser die künstlerischen Handlungsformen sind, die zur gestalterischen Auseinandersetzung mit einem Phänomen zur Verfügung stehen, desto differenzierter und vielfältiger wird das über die Wahrnehmung sich entwickelnde Verständnis für das Phänomen und für mich in Relation zu dem Phänomen.
Kindern ist es zu eigen, dass sie leicht in eine ästhetische Wahrnehmung von sinnlichen Gegebenheiten kommen, da sie die Welt und sich selbst erst kennenlernen und dadurch offener und weniger vorstellungsgeleitet sind (Dunker, 2010). In gewisser Weise ist ihre sinnliche Wahrnehmung dadurch für die ästhetische Erfahrungsdimension offener als die von Erwachsenen, da die sinnlichen Wahrnehmungen bei Kindern noch weniger durch Vorstellungen, geklärte Wahrnehmungsgestalten und eine funktionale Perspektive überformt sind. Genau dieser Aspekt kommt ja auch im sogenannten Freispiel von Kindern zum Ausdruck, denn Spielen entzündet sich aus einer ästhetischen Bildungsperspektive an der gestalterischen Auseinandersetzung mit einem Phänomen. Dieses Phänomen kann Wind sein, es kann das Mischen von Farben, die Berührung von Wasser, die Erfahrung von Bewegung im Raum oder können auch bestimmte Beziehungskonstellationen sein, wie beim Spielen mit der Familie.
Im explorierend-ges...