Die achtsame Schule - Praxisbuch

Leicht anwendbare Anleitungen für die Vermittlung von Achtsamkeit

Daniel Rechtschaffen, Maria Harpner

• Verlag: Arbor
• Jahr: 2018
• ISBN:
  9783867812238
• Thema: Bildung
• Thema: Bildung Allgemein

Dieses Praxisbuch bietet ein Schritt-für-Schritt-Programm aus Achtsamkeitsübungen: unmittelbar anwendbar für den Unterricht und Ihre persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Damit halten Sie die ideale Ergänzung zu Daniel Rechtschaffens grundlegendem Werk Die achtsame Schule in den Händen - jede Seite alltagstauglich und lebenspraktisch.Einfache Übungen - speziell entwickelt für Lehrende jeder Klassenstufe - ermöglichen Ihnen, Ihren Schülerinnen und Schülern Achtsamkeit spielerisch nahezubringen und Stärken wie Aufmerksamkeit, Mitgefühl und Wohlbefinden zu fördern.Voller effektiver und einfacher Tipps, Arbeitsblätter und geführter Übungen stattet Die achtsame Schule - Praxisbuch Sie mit allem Werkzeug aus, Achtsamkeit erfolgreich in den Schulalltag zu integrieren: vom Autor in langjähriger eigener Schulpraxis entwickelt und erprobt.Ein Hort von Ideen!

III

Achtsamkeitsübungen für Schülerinnen und Schüler
Aktivitäten, Übungen und Techniken für den Unterricht

Wir sitzen jeden Morgen in Stille und achten auf das, was in diesem Moment vor sich geht. In einer geführten Übung nehmen wir den Atem, die Gedanken, körperliche Empfindungen, Gefühle und Klänge wahr. Wir üben still zu sitzen. Ich ermutige die Schülerinnen wahrzunehmen, wie sich ihr Körper anfühlt, wenn sie sich wirklich niederlassen. Das ist unsere tägliche Morgenroutine, sie ist für die Erstklässler mittlerweile selbstverständlich geworden und siefreuen sich darauf.

JENNIFER HARVEY, LEHRERIN EINER ERSTEN KLASSE, KALIFORNIEN

Da wir nun wissen, wie man Achtsamkeit verkörpert und einen achtsamen Raum gestaltet, ist es an der Zeit die Praxis auch zu unterrichten. Vergessen Sie jedoch nicht, stets auch selbst Achtsamkeitsschülerin zu bleiben. Die persönliche Entwicklung endet nie. Inmitten der Wellen, die Forderungen und Dramen um uns herum schlagen, müssen wir immer von Neuem einen Weg zu innerer Ausgeglichenheit suchen. Statt das als Problem anzusehen, können wir lernen, auf diesen wechselnden Strömungen zu reiten. Je selbstverständlicher es für uns wird, uns achtsam durch den Alltag zu bewegen, desto leichter können wir das, was in uns selbst und in der Klassendynamik vorgeht, verstehen und steuern.

Wir beginnen dieses Kapitel mit den Lernzielen von Achtsamkeit. Bevor wir mit dem Unterricht beginnen, befassen wir uns mit den positiven Eigenschaften, die durch die Übungen erwiesenermaßen gestärkt werden, damit wir sie gezielt einsetzen können. Dann betrachten wir den Aufbau einer Achtsamkeitsübung. Wir sprechen darüber, wie man Achtsamkeitspraktiken vermittelt, so dass sie für Schüler interessant und inspirierend sind und in ihren Alltag passen. Dann zeige ich, wie man die Schülerinnen mit Achtsamkeit bekannt macht. Das sollte immer so geschehen, dass niemand sich genötigt fühlt. Im Gegenteil, wir wollen das Gefühl vermitteln, dass es sich um eine Einladung in eine faszinierende und spannende Welt der Selbstentdeckung handelt.

Schließlich erkunden wir die fünf Grundkompetenzen des achtsamen Lernens. Wir beginnen mit der Körperkompetenz und erforschen die Sprache des Körpers, um Bewusstheit, Entspannung und Wohlbefinden zu entwickeln. Dann gehen wir weiter zur Sprache des Geistes. Wir helfen den Schülern, ein Verständnis für Aufmerksamkeit, Ablenkung, Gedanken, Metakognition und die Funktionsweise ihres Geistes zu entwickeln. Emotionale Kompetenz unterstützen wir, indem die Schülerinnen lernen, wie sie schwierige Gefühle regulieren und Emotionen wie Zufriedenheit, Dankbarkeit und Mitgefühl fördern können. Dann stellen wir die soziale Kompetenz vor; wir ermuntern die Schüler, ihren Beziehungen und den kulturellen Zusammenhängen Aufmerksamkeit und Mitgefühl entgegenzubringen. Wenn die Kinder dann ihren achtsamen Blick weiten, lernen sie, die globalen Zusammenhänge zu verstehen und sich für die Welt, in der sie leben, einzusetzen. Schließlich erkunden wir Praktiken zu Integration und wie Achtsamkeit sich in den Ablauf eines Schultages einbauen lässt.

Ein achtsamkeitbasiertes Curriculum ist in gewisser Weise ein Widerspruch in sich, denn, wie wir gelernt haben, geht es bei Achtsamkeit darum, in unserer sich stets wandelnden Welt präsent zu bleiben, um auf die jeweilige Situation emphatisch reagieren zu können. Jedes genaue Unterrichtsmodell wird in gewisser Weise reduktiv sein. Jede Klasse ist anders und die Atmosphäre im Klassenzimmer ändert sich unablässig, abhängig von der Tageszeit und einer Million anderer Faktoren. Sehen Sie dieses Curriculum weniger als lineares Modell, das befolgt werden sollte, sondern mehr als ein Werkzeugkasten, den Sie zusammen mit den Schülerinnen nutzen können, um ein achtsames Klassenzimmer zu schaffen.

Lernziele der Achtsamkeit

Die folgenden Lernziele entstammen der Achtsamkeitsforschung. Im Curriculumsteil finden Sie für jede Übung eine Liste von Lernzielen, die durch diese spezielle Übung gefördert werden. In den letzten 30 Jahren wurde in den Bereichen Medizin, Neurowissenschaft und Psychologie bereits reichlich über Achtsamkeit geforscht. Seit etwa zehn Jahren werden auch über Achtsamkeit in der Schule vielversprechende Studien publiziert. Nutzen Sie die Liste der Lernziele als Ausgangspunkt und erklären Sie die positiven Auswirkungen von Achtsamkeit auf Schüler und die Schulgemeinschaft.

Exekutive Funktionen

Eine Achtsamkeitspraxis ist bestrebt, die Aufmerksamkeit der Schülerinnen von einer Ablenkung oder Dysregulation zurück zu einem gleichbleibenden Fokus zu holen und dadurch auch ihre exekutiven Funktionen zu kräftigen. Der Begriff Exekutive Funktionen bezieht sich auf das innere System, das unsere kognitiven Prozesse kontrolliert und reguliert. Um Probleme lösen und kritisch denken zu können, ist es nötig, dass Kinder diese grundlegenden kognitiven Fähigkeiten stärken. Man weiß mittlerweile, dass eine Achtsamkeitspraxis die exekutiven Funktionen von Grundschulkindern, besonders derjenigen, die in diesem Bereich Nachholbedarf haben, positiv beeinflusst (Flook et al., 2010). Neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse zeigen, dass kurze aber regelmäßige Achtsamkeitsübungen die exekutiven Funktionen und die dazugehörenden neurobiologischen Mechanismen verbessern können (Tang et al., 2012).

Emotionale Selbstregulation

In diesen Übungen lernen die Schüler einen direkten Weg, um ihre Dysregulation zu erkennen, ihre Emotionen bewusst wahrzunehmen und sich selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Wir müssen unsere Emotionen regulieren, um lernen zu können. Schwierige Emotionen sind in der Lage unsere Bildungskapazität einzuschränken und die Richtung, in die sich unser Leben entwickelt, zu beeinflussen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Achtsamkeit die Gehirnregionen stärkt, die für die emotionale Regulation zuständig sind, wie zum Beispiel der präfrontale Cortex, während sie die Aktivitäten in anderen für emotionale Prozesse zuständigen Regionen, wie der Amygdala, reduziert (Lutz et al., 2014). Ebenso fand man heraus, dass sich die Fähigkeit zur emotionalen Regulation von Schülerinnen weiterführender Schulen, die Achtsamkeitsunterricht erhielten, verbesserte, sie größere emotionale Bewusstheit und Klarheit, sowie einen besseren Zugang zu regulativen Strategien aufwiesen. (Metz et al., 2013)

Metakognition

Diese Übungen bieten den Kindern die Möglichkeit, ihre Gedanken und Erfahrungen mit einem gewissen Maß an Objektivität wahrzunehmen und sich nicht mehr einfach von ihnen mitreissen zu lassen. Selbstgewahrsein ist eine angeborene menschliche Fähigkeit und eine Achtsamkeitspraxis unterstützt uns dabei, unseren Geist, unseren Körper, unser Herz und unsere Umwelt beobachten zu können. Dadurch erkennen Schüler leichter, wenn sie dysreguliert oder abgelenkt sind, und können ihren Kurs korrigieren. Achtsamkeitsbasierte therapeutische Interventionen stehen Antidepressiva in ihrer Wirksamkeit bei wiederkehrenden Depressionen um nichts nach. Ein wesentlicher Aspekt der therapeutischen Wirkung von Achtsamkeit liegt in der Fähigkeit, seine Gedanken und Emotionen wahrzunehmen, ohne von ihnen überflutet zu werden (Teasdale, 1999). Bildungswissenschaftler haben herausgefunden, dass Metakognition für Schülerinnen als wesentlicher Faktor für Motivation und Selbstregulation betrachtet werden kann (Efklides, 2011).

Fokussierte Aufmerksamkeit

Schüler trainieren ihren Aufmerksamkeitsmuskel, indem sie sich über einen längeren Zeitraum auf eine Sache konzentrieren und mit Ablenkungen und einem abschweifenden Geist umgehen lernen. Aufmerksamkeit ist die Grundlage für den Erfolg jeglichen Unterfangens. Wenn Schülerinnen abgelenkt sind, lenken sie in der Regel auch andere ab und man braucht viel Zeit, um die Aufmerksamkeit der Kinder zurück auf das anstehende Thema zu lenken. Kurze Aufmerksamkeitsübungen, die regelmäßig wiederholt werden, können sowohl bei der Atmosphäre im Klassenzimmer als auch bei der Aufmerksamkeitsspanne der einzelnen Schüler erstaunliche Veränderungen bewirken. Menschen, die schon lange Achtsamkeit praktizieren, haben tatsächlich die Vernetzung ihres Gehirns verändert, sie können sich besser konzentrieren und werden von äußeren Geschehnissen weniger gestört oder abgelenkt (Brefcynski-Lewis et al., 2007).

In einer Studie zeigten 9- bis 13-jährige, die eine achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie erhielten, weniger Konzentrationsprobleme und in Folge auch weniger Verhaltensauffälligkeiten (Semple et al., 2010).

Empathie

Im Kindergarten verbringen die Pädagoginnen viel Zeit damit, die Kinder zu Empathie anzuhalten. Traurigerweise stehen Mobbing und ernsthafte Konflikte unter den Schülern in den meisten Schulen trotzdem auf der Tagesordnung. Jede Schülerin weiß, dass man nett zu den andern sein sollte, doch die...

Inhaltsverzeichnis

• Cover
• Titelblatt
• Urheberrecht
• Widmung
• Inhalt
• Die ersten Schritte
• I Beginnen wir mit uns selbst
• II Mit Achtsamkeit bekannt machen Ressourcen und Empfehlungen
• III Achtsamkeitsübungen für Schülerinnen und Schüler Aktivitäten, Übungen und Techniken für den Unterricht
• IV Empfehlungen zur Integration
• Literaturhinweise
• Danksagungen