Kaiser Friedrich Barbarossa und das Heilige Reich
eBook - ePub

Kaiser Friedrich Barbarossa und das Heilige Reich

Geschichte/Mittelalter

  1. 14 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Kaiser Friedrich Barbarossa und das Heilige Reich

Geschichte/Mittelalter

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Barbarossa (1152 - 1190) ist bis heute im kollektiven Gedächtnis unserer Geschichte gegenwärtig. In Jahrhunderten hat sich ein regelrechter Mythos um ihn gerankt. Was aber waren seine historischen Leistungen?Dass in seiner Zeit die Bezeichnung "Heiliges Reich" entstanden ist, gibt uns einen ersten, überraschenden Hinweis: Dies war ein "Kampfbegriff" gegen die "heilige Kirche".Die Vorlesung führt zu den wichtigsten Stationen in der Herrschaft des Stauferkaisers, der am Ende den Vorrang des Papstes doch noch anerkennen musste.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Kaiser Friedrich Barbarossa und das Heilige Reich von Stefan Weinfurter im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Bildung & Geschichte unterrichten. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2011
ISBN
9783831256129

1. Der Mythos Barbarossa

Die Geschichte des fränkischen und deutschen Mittelalters kennt zwei herausragende Herrscher, die zu allen Zeiten im Gedächtnis geblieben sind: Karl den Großen und Friedrich I. Barbarossa. Während man den großen Karolinger, den ersten Kaiser des Abendlandes, gewissermaßen mit den Franzosen teilen musste, gehörte Barbarossa, der von 1152 bis 1190 regierte, den Deutschen ganz allein.
Dass er schon bei seinen Zeitgenossen besonderen Eindruck hinterließ, erfahren wir aus einer berühmten Quelle, den „Taten Kaiser Friedrichs“ (Gesta Friderici imperatoris). In diesem – von Bischof Otto von Freising und seinem Kaplan Rahewin zwischen 1156 und 1160 verfassten – Geschichtswerk ist folgende Beschreibung des damals etwa 35jährigen Staufers überliefert (Buch IV, Kapitel 86): „Der göttliche Kaiser Friedrich zeichnet sich durch seinen Charakter und sein Äußeres so sehr aus, dass er auch den Menschen nähergebracht werden soll, die ihn nur selten zu sehen bekommen. In überaus reichem Maße haben Gott, der Herr, und die Vernunft der Natur die gemeinsame Mitgift vollkommenen Glücks auf ihn gehäuft. Sein Charakter ist derart, dass man ihn nur loben kann. Seine Gestalt ist vorzüglich gebaut, und an Größe steht er über den Mittelgroßen. Sein Haar ist blond und oben an der Stirn leicht gekräuselt. Die Ohren werden durch darüber fallende Haare kaum verdeckt, da der Friseur aus Rücksicht auf die Würde des Reiches das Haupthaar und den Backenbart durch dauerndes Nachschneiden kürzt. Seine Augen sind scharf und durchdringend, die Nase schön geformt, der Bart ist rötlich, die Lippen sind schmal und nicht durch breite Mundwinkel erweitert. Das ganze Antlitz ist fröhlich und heiter. Die in schöner Ordnung stehende Reihe der Zähne ist schneeweiß. (…) Die Schultern sind etwas hochstehend, in den kurzen Weichen liegt Kraft (…) Sein Gang ist fest und gleichmäßig, seine Stimme hell und die ganze Körperhaltung männlich. Durch diese Leibesgestalt gewinnt er sowohl im Stehen wie im Sitzen höchste Würde und Autorität.“
Soweit die zeitgenössische Beschreibung, die sicherlich nicht nur ein Idealbild zeichnet. Auch die Nachwelt hat in Barbarossa eine ganz ungewöhnliche Gestalt erblickt, die bald mit der Aura eines Mythos umgeben wurde. Nach dem Tod seines Enkels, Friedrichs II., 1250 war zwar zunächst die Vorstellung entstanden, dieser sei mit seinem Heer in den Ätna geritten und werde als künftiger Friedenskaiser von dort wiederkommen. Aber im 15. Jahrhundert ging diese Rolle Schritt um Schritt auf Barbarossa über.
Damals entstand die Sage, Kaiser Friedrich Barbarossa schlafe und residiere im Kyffhäuser in Thüringen. Andere Quellen verlegten seine Wohnstatt nach Kaiserslautern. Dort habe sich ein Mann in eine Felsenhöhle hinabgelassen und dort tatsächlich Kaiser Friedrich sitzen sehen – von vielen Leuten umgeben.
Im 16. und 17. Jahrhundert entstand ein regelrechter Wettstreit um die wahre Schlafstätte Barbarossas. In der Pfalz glaubte man, der Kaiser habe sein Bett auf dem Trifels. Und im Elsaß war man überzeugt, er säße dort irgendwo unter einem Felsen, und wenn es ringsum still sei und man das Ohr an den Stein halte, so höre man, wie ihm der Bart wachse.
Aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts erfahren wir dann, dass dem Kaiser sein roter Bart schon durch den Tisch bis auf die Füße gewachsen sei. Er nicke ständig mit dem Kopf und zwinkere mit den Augen, als wenn er etwa nicht recht schliefe oder bald wieder aufwachen wolle, um sein verlassenes Kaisertum wieder anzutreten. Und in der Tat: Seine große Zeit kam ein Jahrhundert später: In den Befreiungskriegen, im Vormärz und in der Revolution von 1848, insbesondere dann in den Jahren zwischen 1866 und 1871 erreichte der Barbarossa-Mythos seinen Höhepunkt.
Am 18. Januar 1871 war es dann soweit. „An diesem Tag“, so lesen wir in den Schulbüchern der Zeit, „ist statt des Rotbarts der Weißbart, nämlich Wilhelm I., als Kaiser auferstanden und hat das neue deutsche Kaiserreich groß und mächtig gemacht!“ Friedrich Barbarossa hatte damit seine Mission erfüllt und hätte sich nun eigentlich zur Ruhe setzen können. Aber die dritte Reichsgründung hat ihn dann doch nochmals aufgeschreckt.
Die Barbarossa-Sage zählte in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zu den hartnäckigen Wucherungen einer eschatologischen Verirrung. In der Sprache des neuen Heilsbringer-Mythos hieß es nunmehr: „Es schläft Einer irgendwo, der Held und Retter unseres Landes, verwunschen und verborgen, der erweckt werden muss. Es sitzt Einer irgendwo und sammelt ein Heer auserlesener Krieger für einen künftigen Tag (...) Aller Entscheidungen Ende wird eine große Feldschlacht sein!“
Heute wissen wir, welche Irreführung der Menschen damit verbunden war. Aber die Faszination von Barbarossas historischer Person und seiner Zeit ist doch geblieben, wenn auch längst in die Bahnen der kritischen Geschichtswissenschaft gelenkt. Selbst wenn wir die nationalistische Vernebelung beiseite schieben, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Barbarossa heute noch einen Platz im kulturellen Gedächtnis einnimmt. Was ist der Grund dafür? Was hat seine Wirkung bereits zu seinen Lebzeiten ausgemacht? Was waren seine Leistungen? Wer war Barbarossa wirklich?

2. Aufbruch und Ehre des Reiches

Seine Wahl im Jahre 1152 war, wie die Forschung herausgearbeitet hat, das Ergebnis eines geschickten wahltaktischen Verhaltens. Friedrich Barbarossa, bis dahin Herzog von Schwaben, vermochte die wichtigsten Fürsten des Reichs durch gezielte Wahlversprechen auf seine Seite zu ziehen. Dem mächtigen Welf VI. versprach er das Herzogtum Spoleto in Mittelitalien, außerdem noch die Markgrafschaft Tuszien von Mantua bis Florenz und die Herrschaft über Sardinien – fürwahr ein gewaltiger Machtbereich! Der Wittelsbacher Konrad von Dachau sollte Herzog von Meranien werden, eine Region, die man bis heute gar nicht genau lokalisieren kann. Dem Herzog Berthold von Zähringen wurde das Rektorat über ganz Burgund zugesagt, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Das waren gewiss reizvolle Angebote. Aber es waren zum großen Teil regelrechte Luftschlösser. Über die meisten der versprochenen Gebiete konnte der neue König gar nicht verfügen. Sie mussten erst gemeinsam mit den Fürsten erobert werden. Doch gerade daran wird das Hintergründige an den Aktionen Barbarossas sichtbar: Geschickt konnte er damit das Interesse der Fürsten mit seinem eigenen verknüpfen. Ihm ging es von Anfang an um die imperiale Herrschaft über Italien, und die Fürsten wurden mit dem in Aussicht gestellten Gewinn in diese Zielsetzung eingebunden.
Es ist noch ein zweiter Gesichtspunkt zu erwähnen, der den erstaunlich starken Drang nach gemeinschaftlichen Aktionen bei dem neuen König und den Fürsten erklären kann. Man erkennt in den ersten Jahren Barbarossas eine regelrechte Aufbruchstimmung. Das hing offenbar damit zusammen, dass in dieser Zeit eine neue Generation von jungen Adligen an die Macht kam.
Sie war offenbar wie der neue König von der Idee geleitet, dass das Ansehen des Reiches und des Kaisertums wieder erhöht werden müsse. Es ging um die Überwindung der Veränderungen, die sich aus dem Investiturstreit des ausgehenden 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts ergeben hatten. Entscheidend dabei war, dass dem Herrscher damals der Rang als Stellvertreter Christi abgesprochen worden war. Die höchste Stellung auf Erden beanspruchte von nun an der Papst. Die gesamte Kirche wurde auf die neue, universale Spitzenstellung des Papsttums ausgerichtet. Damit begann die Ausbildung der kirchlichen Hierarchie. Der Papst sah sich fortan als alleiniger und oberster Verwalter der göttlichen Wahrheit. Nur er besaß als Nachfolger Petri mit göttlicher Autorität die Macht, auf Erden zu binden und zu lösen.
Das war die Situation, bevor Barbarossa den Thron bestieg: Jahrzehntelang waren die Menschen im Abendland zutiefst irritiert und verunsichert durch die Kämpfe zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt. Der Ausweg aus diesem Dilemma bestand für sie darin, dass sie sich in eine tiefe Religiosität flüchteten. Das Ende der Welt sah man bevorstehen. Wenn kirchliche und weltliche Macht gegeneinander wirkten, dann, so war man überzeugt, habe der Antichrist seinen Vernichtungszug angetreten.
Hunderte von Reformklöstern entstanden. Neue Orden traten ihren Siegeszug an, wie diejenigen der Zisterzienser, der Kartäuser und der Prämonstratenser. So wie diese frommen Mönche und Reformkanoniker müsse man leben, so lautete die Botschaft. Dann habe man Aussicht darauf, in dem kurz bevorstehenden Jüngsten Gericht zu bestehen.
Überall sah man Anzeichen des Niedergangs – ein Eindruck, der durch den völlig misslungenen Zweiten Kreuzzug von 1147 bis 1149 verstärkt wurde. Jetzt aber, 1152, kam ein neuer Herrscher.
Barbarossa schien durch seine Herkunft von den Welfen mütterlicherseits und von den Staufern väterlicherseits dafür prädestiniert zu sein, mit großem Rückhalt für Frieden im Reich zu sorgen. Ja noch mehr: Von ihm versprach man sich offenbar, dass er mit starker Hand eine neue Verbindung zwischen kirchlicher und weltlicher Gewalt herstelle, und das bedeutete, dass mit ihm das Ende der Welt nochmals hinausgeschoben würde.
In der Tat hat der berühmte Chronist Otto von Freising wenige Jahre nach der Wahl Barbarossas gerade diesen Gedanken in den Mittelpunkt seiner Darstellung gerückt: Friedrich Barbarossa halte durch seine zusammenfügende Kraft, mit der er Kirche und Welt wieder vereine, das Weltenende auf. Barbarossa wurde auf diese Weise in heilsgeschichtliche Dimensionen gestellt!
Wie sehr man sich einen strengen, fest zupackenden Herrscher wünschte, zeigt eine Episode, von der ebenfalls der Chronist Otto von Freising berichtet. Es handelt sich um ein Ereignis, das während der Königserhebung Barbarossas 1152 stattgefunden haben soll.
Unmittelbar nach der Königskrönung in Aachen habe einer der staufischen Dienstmannen, dem Barbarossa geraume Zeit vorher wegen schwerer Vergehen seine Gnade entzogen hatte, sich mitten in der Kirche dem neuen Herrscher zu Füßen geworfen und um Barmherzigkeit gebeten. Der König aber sei bei seiner früheren Strenge geblieben: „Er blieb fest“, so versicherte der Chronist, „und gab allen damit ein Beispiel seiner geradlinigen Stetigkeit!“ Barbarossas glorreiche Erhöhung zum König habe ihn also nicht zur Nachgiebigkeit oder gar zur Vergebung von Vergehen verleitet.
Diese Erzählung ist sehr aufschlussreich, denn Barmherzigkeit zu üben, galt bis dahin als eine der königlichen Kardinaltugenden. Nun aber brach eine Zeit verschärfter herrscherlicher Strenge an, die sich mit geschickter politischer Taktik und dem gezielten Wahrnehmen des Machtvorteils vereinigte. Gegenüber der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit dem Vorherrschen religiös-idealistischer Begeisterung traten nun nüchternes Machtstreben und geschäftsmäßiges Kalkül in den Vordergrund.
Dieser gewandelte Stellenwert von Machtdenken und Machtdemonstration führte Barbarossa geradewegs in die Auseinandersetzung mit dem Papst. Anfangs versuchte er es mit Verhandlungen. In einem Vertrag mit Papst Eugen III., dem „Konstanzer Vertrag“ von 1153, sicherten sich die beiden zu, sich in ihrem jeweiligen Rang anzuerkennen. Der lateinische Begriff dafür lautet honor, also die Ehre, die man beim anderen achten wolle.
Der neue König verpflichtete sich außerdem, dem Papst zu helfen, der sich durch den griechischen Kaiser in Byzanz und den normannischen König in Palermo bedroht sah. Er sollte ihm sogar die Hoheit über Süditalien verschaffen. Und worin bestand die Gegenleistung des Papstes? Es war die Kaiserkrönung, die er zusagte. Eben dies war entscheidend für Barbarossa. Die römische Kaiserwürde war von Beginn an sein Ziel.

3. Das neue Programm der Heiligkeit

Als Friedrich I. am 18. Juni 1155 von Papst Hadrian IV. in der Peterskirche in Rom zum Kaiser gekrönt wurde – und der Papst somit seine Verpflichtung erfüllt hatte –, konnte der Staufer seinerseits das Versprechen der Rückeroberung Süditaliens nicht einlösen. Auch die Verhandlungen mit dem Kaiser von Byzanz scheiterten, und rasch brach das gesamte bisherige Balance-System der Mächte zusammen.
Mit Hadrian IV. war ein neuer Papst aus England auf den Thron gekommen, der sich an die Verträge nicht mehr gebunden sah und 1156 in Benevent mit seinem bisherigen Feind, dem König des Normannenreichs in Süditalien, kurzerhand ein Schutzbündnis einging. Der Kaiser wurde durch diesen Akt demonstrativ als Schutzherr der Kirche zurückgewiesen, ja ausgegrenzt.
Diese Veränderungen waren überaus folgenreich. Mit dem Verlust der höchsten Schutzstellung gegenüber der römischen Kirche drohte der Kaiser das wesentliche Merkmal des Kaisertums zu verlieren. Damit wurde die bis dahin geltende Vorstellung untergraben, Gott selbst habe den Kaiser zum Schutz und Frieden der Christenheit bestimmt.
Dagegen musste sich Barbarossa mit Macht zur Wehr setzen. Von nun an wurde am Hof das Konzept eines Kaisertums propagiert, das unmittelbar auf die spätantiken Kaiser zurückgeführt wurde und jede Abhängigkeit des Kaisers von der Gunst oder Ungnade des Papstes beseitigte. Die Legitimationsbezüge zum Papst wurden abgebrochen.
In dieser Situation entstand 1157 ein Brief, den Barbarossa an alle Fürsten des Reiches schrieb (D F. I. 163). Darin heißt es, man habe sich zur Heerfahrt gegen Mailand einzufinden, denn, so die Begründung, er, Barbarossa halte durch göttliche Vorsehung und Milde die Leitung der Stadt Rom und der Welt (urbis et orbis) in Händen. Deshalb müsse er Sorge tragen für das heilige Reich und den göttlichen Staat: sacro imperio et divae rei publicae.
Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte wurde hier in einer Herrscherurkunde die Formel sacrum imperium verwendet: „heiliges Reich“. Waswar damit gemeint? Welche Idee stand dahinter?
Schon unter Konrad III., dem Vorgänger Barbarossas, wurden in der königlichen Kanzlei erstmals die Bezeichnungen sacer und sanctus für Gegenstände, die vom König ausgingen, verwendet. So konnte zum Beispiel eine königliche Urkunde „heilig“ sein. Dabei folgte man offensichtlich byzantinischem Brauch.
Die neue Formel „heiliges Reich“ unter Barbarossa ging freilich über diese Ansätze weit hinaus. Damit wurde nunmehr signalisiert, dass das Reich eine eigenständige und gleichwertige Heiligkeit gegen-über der sancta ecclesia, der heiligen Kirche, besitze.
Das lateinische Wort sacer, das in der Formel sacrum imperium steckt, meint nämlich eine Heiligkeit, die von sich aus besteht und nicht abgeleitet ist. Die Wendung „heiliges Reich“ stellte also einen Kampfbegriff gegen die Benennung „heilige Kirche“ dar.
Im Deutschen besitzen wir diese Unterscheidung in der „Heiligkeit“ nicht. Nur in der lateinischen Sprache ist dieser tiefgreifende Gegensatz zwischen dem „Heiligen Reich“ und der „Heiligen Kirche“ zu erkennen.
Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass der Kaiserhof in höchste Aufregung geriet, als eine päpstliche Abordnung 1157 verkündete, Barbarossa habe das Kaisertum vom Papst verliehen bekommen – möglicherweise sogar als päpstlicher Lehensmann, wie man das in der Umgebung des Staufers interpretierte.
Die Gemüter erhitzten sich derart, dass der päpstliche Vertreter sich zu dem Ausruf hinreißen ließ: „Von wem hat er denn das Kaisertum, wenn nicht vom Herrn Papst!“ Zornentbrannt sei daraufhin der kräftigste Haudegen unter den Großen des Reiches, der Wittelsbacher Otto, Pfalzgraf von Bayern, dem Legaten mit gezücktem Schwert an den Hals gegangen. Dieser sei nur durch das persönliche Eingreifen des Kaisers gerade noch mit dem Leben davongekommen.
In aufgebrachter Stimmung beschwerte sich Barbarossa in einem Rundbrief an die Fürsten des Reiches: „Die Legaten des Papstes“ – so ließ er verbreiten – „wollten der Ehre des Reiches unglaublichen Schaden zufügen, vom Teufel der Bosheit aufgeblasen, von maßloser Überheblichkeit, von Arroganz und Hochmut geschwollen, denn sie brachten die Botsc...

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Der Mythos Barbarossa