Sozialphilosophie, Teil 3
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Sozialphilosophie, Teil 3

Moderne und nat

  1. 10 Seiten
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Sozialphilosophie, Teil 3

Moderne und nat

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Über dieses Buch

Was ist Gesellschaft? Sie ist unser Raum und unsere Zeit, ihr gehören wir untrennbar an und stehen doch auch immer außerhalb von ihr. Ihre hierarchische Ordnung und ihr Gedächtnis spiegeln sich in den unvermeidbaren Konflikten, die in Wirtschaft und Politik besonders weitreichend sind. Unverzichtbar für ihre Lösung ist es dabei, sich über sozialethische Maßstäbe wie Gerechtigkeit zu verständigen.Zwei Brennpunkte dieser Debatte sind die Fragen nach der Gestaltung der Globalisierung und der Rolle von Religion in demokratischen Gesellschaften.MODERNE UND NATÜRLICHE GESELLSCHAFTDer Begriff "Gesellschaft" ist noch keine 200 Jahre alt. Hatten über Jahrhunderte die "Polis", die "civitas" oder die "societas" sowohl das öffentliche Leben wie das Familien- und Hausleben umfasst, trat diese Einheit ab 1800 auseinander: Einerseits in die staatliche Organisation und anderseits die in wirtschaftende Gesellschaft.Ein weiterer Begriff von Gesellschaft wird zugrunde gelegt: die Gesellschaft als natürliche Vorgegebenheit. Mit Wechselwirkungen, (fast) ursprünglichen Hierarchien, Erinnerungen und ihrem Wir-Bewusstsein einerseits, und andererseits die von Menschen bewusst ausgestaltete Form, mit gewollten Hierarchien, dem organisierten Erinnern und Vergessen.

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Information

Jahr
2011
ISBN
9783831256327
In der ersten Vorlesung haben wir uns über grundlegende Dinge unseres Verhältnisses zur Gesellschaft unterhalten, zuerst über unsere Einstellung des Wohlwollens: Ohne Wohlwollen keine richtige Erkenntnis, auch nicht der Gesellschaft, mag sie uns auch manches zugefügt haben. Zweitens haben wir uns über das Erkennen von Gesellschaft unterhalten. Es ist nur möglich, weil wir nie total von der Gesellschaft ergriffen sind. Gesellschaft hat nie völlig von uns Besitz genommen. Nur deswegen ist es möglich, dass unser Geist sie anschaut und erkennt. Prinzipiell ist unser Geist eine Fähigkeit, welche gerade zur Eigenart hat, sich nicht bändigen und einfangen zu lassen. „Der Geist entwischt“, wie ich das in der ersten Vorlesung gesagt habe.
Bei der zweiten Vorlesung ging es um das Sprechen über Gesellschaft. Wir haben die Gefahr aufgezeigt, dass unser Sprechen über Gesellschaft, Menschen und Institutionen diese verdinglicht und sie damit ihre Lebendigkeit verlieren. Auch über das Sprechen, das immer ein Allgemeines ist, verlieren wir die Individualität dessen, was wir erkennen wollen. Im letzten Schritt sind wir dann auf Wissenschaften eingegangen, die sich mit Gesellschaft beschäftigen: Sozialwissenschaft, Soziobiologie, Konventionstheorie und Sozialphilosophie und wir haben diese als eine engagierte Philosophie des gesellschaftlichen Lebens herausgestellt.
Worum es im Folgenden geht, ist ein wenig Geschichte. Geschichte der Trennung von zwei Begriffen und damit auch von zwei Sachen, nämlich zwischen Staat und Gesellschaft. Dann geht es um das Wesen der Gesellschaft, seine klassische Formulierung und einen eigenenVorschlag.

1. Etymologische Auskunft

Erstens also die etymologische Auskunft: Gesellschaft findet sich etymologisch, also was die Wortherkunft angeht, in „Sälen“ das heißt genauer: in dem Versammlungsraum. Gesellschaft ist demnach ursprünglich etwas, wo Menschen sich versammeln, um Entscheidungen zu treffen. Geselle ist ebenfalls ein Wort, in welchem wir Bestandteile von Gesellschaft finden. Geselle ist der Mensch mit mir, der mit mir geht, nicht der Mensch neben mir. Der Wortteil „sell“ von Gesellschaft bezeichnet nicht bloßes Nebeneinander von Menschen, sondern eine gemeinsame Unternehmung, das heißt ein Aufeinandereinwirken von Menschen auf Menschen. In anderen Sprachen, wie in dem romanischen und angelsächsischen, finden wir das lateinische societas in Société oder Society, was Genossenschaft oder Gemeinschaft bedeuten kann.

2. Ausdifferenzierung von Gesellschaft aus Staat

Schauen wir uns die Geschichte der Ausdifferenzierung von Gesellschaft genauer an. In der griechischrömischen Zeit haben wir Begriffe, um das Gemeinwesen zu bezeichnen: Koinonia, griechisch die polis, bezeichnet den Staat oder Stadtstaat. Der lateinische Begriff civitas oder res publica bezeichnet wiederum die öffentliche Angelegenheit.
Es ist festzustellen, dass bis in das 18. Jahrhundert hinein Staat und Gesellschaft nicht unterschieden wurden. Man trennte nicht auf in die politische Organisation einerseits und einen ihr gegenüber stehenden eigenen Raum des sozialen Lebens andererseits. Vielmehr umfasste die politische Organisation das öffentliche Leben, die Erziehung der Kinder auf das öffentliche Leben hin, aber auch das Leben im Haus und anderen Lebensgemeinschaften.
Koinonia bezeichnete ursprünglich den Kultverband, dann auch den zweckbestimmten Zusammenschluss von Menschen, die nicht allein durch Instinkt oder Natur zusammen getrieben worden waren, sondern aus eigener Wahl zusammengehörten.
Polis meinte das funktionierende Beziehungsgeflecht öffentlichen Lebens. Sie war eine territoriale Organisation, die nach Selbständigkeit und dem guten Leben strebte und die in sich Häuser, Familien und Ehen einschloss. Civitas ist der lateinische Ausdruck dafür. Res publica schließt außerdem das Privateigentum und die Privateigentümer ein. Es gibt also letztlich die Antike hindurch keinen Begriff, um das zu bezeichnen, was wir heute Gesellschaft nennen.
Wie sah es etwas später aus, wenn wir beispielsweise das westeuropäische Mittelalter nehmen? Der Begriff, der mir am meisten zur Kennzeichnung taugt, ist der französisch Begriff der société tripartite, der dreigeteilten Gesellschaft, die wir übrigens bei Platon schon angedeutet finden: Herrscher, Wächter und die Arbeiter. Die drei Ordines wie man im Mittelalter sagte: Krieger, Beter und Arbeiter. Immer wieder hat man diese Ordnung für eine göttliche und unantastbare Ordnung ausgegeben. Zu ihr gehörten die politische Dimension, die verteidigende Arbeit und die Arbeiter, die den Reichtum erwirtschaftet haben.
Es ist interessant zu sehen, dass es innerhalb dieser dreigeteilten Gesellschaft immer wieder Bewegungen gab, sie, was die drei Schichtungen anbetraf, durchsichtig zu machen. Bauern strebten nach oben in den Adelsstand, der Adelsstand wollte in den Klerikerstand hinein. Ebenso gab es Abwehr und Abschottungsbemühungen. Es gab auch Tendenzen, dass man diese Dreiteilung aufheben wollte, jedenfalls zum Teil.
Ein Wort des Heiligen Benedikt von Nursia im 5. Jahrhundert lautet: „Ora et labora“ – bete und arbeite. Hier sind der Stand der Beter und Arbeiter in einem Menschen zusammengenommen. Benedikt wollte den betenden Arbeiter und den arbeitenden Beter haben. Der Beter sollte für sein tägliches Brot sorgen. Der Arbeiter sollte wissen, dass es mehr gab als bloß die körperliche Arbeit.
Etwas später haben wir die geistlichen Ritterorden, welche sowohl Anteil an dem Beterstand haben, aber auch im militärischen Bereich weiterhin kämpfen wollen. Die radikalste Absage an die Dreiteilung der Gesellschaft erfahren wir während des Bauernkrieges, also 1525, als die Bauern unter anderen Sprüchen auch diesen hatten: „Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?“
Das ist eine Kritik an der Abschottungstendenz der Krieger und natürlich an ihren Privilegien und ihrer Unterdrückungspolitik.
Das feudale Zeitalter hat die Gesellschaft durch die Dreiteilung in einer starken Starre gehalten, so dass die vielen Verträge, die wir noch zu Beginn des Mittelalters kennen, allmählich zurückgeführt werden auf starre Gesetze und Privilegienhaltungen. Aber – und das ist wichtig für uns: Es ist keine Teilung zwischen privat und öffentlich, zwischen wirtschaftender und politischer Gesellschaft vorhanden, sondern auch die wirtschaftende Gesellschaft gehört in den Bereich der einen dreigeteilten Gesellschaft. Das hatte den großen Sinn, etwa auch für Thomas von Aquin, dass es nur eine Moral gibt. Eine Moral für den König, eine für den Krieger, dieselbe für den Bauern und Arbeiter. Erst am Beginn der Neuzeit bildet sich eine Verschiedenartigkeit der „Moralen“ heraus – je nach Berufsstand. Dann ließ sich der König nichts mehr von der Tugendlehre sagen, der Krieger hatte wiederum seine eigene Einstellung und die volle Wucht der alten Moral traf die Armen.
Jean-Jacques Rousseau stellte 1762 eine Bewegung fest, die schon damals zum Abschluss kam. Man hatte zuerst gesagt: der König der Perser, Franken oder Engländer. Dann allmählich versachlichte sich diese Bewegung und die Menschen wurden verdinglicht. Man sagte: der König von Persien, der König Frankreichs, der König von Russland etc. Es wurde also die Herrschaft einer Person über Personen durch die Beziehung der Autorität über ein Territorium abgelöst.
Mit dem Land hatten die Könige auch die Bewohner in Besitz genommen. Diese Verdinglichungen sind der Anlass, um die Dreiteilung der Gesellschaft immer stärker unter Beschuss zu nehmen. Wenn wir uns eine Pyramide vorstellen, dann war der immer stärker angewachsene dritte Stand der Bürger, Bauern, Handwerker und Advokaten immer mehr in Spannung geraten mit dem kleineren Stand der Krieger bzw. Offizierskorps und dem noch kleineren Stand des höheren Klerus, der Bischöfe und Kardinäle.
In Europa bildete sich bis zur Französischen Revolution eine Souveränitätstheorie heraus, die wiederum die Familien mit einschließt. Weiterhin finden wir allerdings, sei es bei dem Jesuiten-Theologen und Philosophen Suárez, sei es bei Leibniz, immer nur den Begriff societas. Societas ist die Familie, das Dorf oder die res publica. So finden wir – bei aller sich fortsetzenden Dreiteilung der Gesellschaft und bei allem Miteinander von wirtschafts- und politischer Gesellschaft – bis weit ins 18. Jahrhundert hinein immer nur einen Begriff: den der societas. Das hat alle Gemeinschaften auf eine Linie gebracht.
Sie war die Form, in der das Glück und zugleich der politische Frieden zu suchen war. Es ging dem Gemeinwesen um das private Glück aller.
Ein Wetterleuchten an diesem Himmel, der sich bis zur Französischen Revolution 1789 erstreckt, zeigt sich einige Jahre früher, genau genommen 1767, und zwar in dem Werk eines Schotten: Adam Ferguson und sein Essay „Über die Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft“. Hier merken wir, wie ein wenig die Dreiteilung in Frage gestellt wird. Die zwei oberen Stände werden bestätigt, aber zugleich wird gesagt, dass was die zivilisatorischen Errungenschaften angeht, der dritte Stand von höchster Bedeutung für das Gemeinwesen ist und deshalb nicht mehr abschätzig als der dritte Stand behandelt werden darf. Dieser dritte Stand hat sich weniger um Krieg und das Gebet zu bemühen. Es gibt also Bestrebungen der Vereinigung der ansonsten immer noch dreigeteilten Gesellschaft.
Kant selber wird immer noch von der Societas reden, sei es der Familie oder der politischen Gesellschaft. Er legt den Akzent auf eine etwas andere Achse, die allerdings für später wichtig ist, nämlich auf den Übergang vom Naturzustand in den bürgerlichen Zustand. Das ist die societas civilis. Der Naturzustand ist der, in dem man natürlich schon Rechtsträger ist, aber das Recht nicht gewährleistet oder gesichert ist und durch die mögliche Bosheit der anderen beschädigt wird.
Aber Kant wird erst einmal an einem solchen Begriff festhalten. Allerdings sehen wir in seinen, gerade am Ende des 18. Jahrhunderts geschriebenen Schriften wie der „Metaphysik der Sitten“, dass die eigentliche Gesellschaft, die das Gemeinwesen trägt, drei Kriterien haben muss: Jeder Bürger muss ein freier sein, die Gleichheit mit allen anderen einnehmen und behaupten, und wirtschaftlich selbständig sein. Das ist für ihn bereits ein ganz wichtiges Element, das innerhalb der ansonsten noch gar nicht aufgelockerten Landschaft der Dreiteilung der Gesellschaft und des umfassend verwendeten Societas-Begriffs keine Selbstverständlichkeit ist.
Nun wird der Blick auf die Gruppe gelenkt, die das Gemeinwesen trägt. Dies ist die Gruppe der Freien, Gleichen und Selbständigen. Damit bahnen sich ganz andere Unterschiede an, nämlich dass das Volk eingeteilt wird in Selbständige, verantwortlich für ihr Leben, und in unselbständige Personen, z.B. Hausangestellte oder in Betrieben angestellte Menschen.
Zum anderen trennt Kant bereits in der Friedensschrift von 1795 zwischen dem eigentlichen Staat und der Regierung dieses Staates. Auch hier merken wir, wie sich langsam eine Trennung zwischen Staat und Gesellschaft anbahnt. Denn nun wird auf den Staat im engeren Sinne geschaut und damit auf die Beamtenschaft oder den Fürsten auf der einen Seite, und die Wähler auf der anderen Seite, die frei, gleich und selbständig sein müssen.
Jemand, der diesen Schritt ganz deutlich vollzieht und die Trennung von bürgerlicher Gesellschaft und Staat vorgenommen hat, ist Georg Wilhelm Friedrich Hegel, vor allem in den Schriften zwischen 1816 bis 1825. Hegel wird allerdings noch eine andere Unterscheidung anbringen, indem er Ehe und Familie und die dazugehörige Güterverwaltung aus der Gesellschaft (genauer: der bürgerlichen Gesellschaft) herausnimmt. Bürgerliche Gesellschaft ist jetzt die Wirtschaftsgesellschaft.
Damit sind in erster Linie die Unternehmer gemeint. Die großen Firmen, die Handelskompanien, das alles bildet bereits eine eigene Welt. Über ihr – durch einen Schritt des Geistes erreichbar – bildet sich der eigentliche Staat oder, wie Hegel sagt: der sittliche Staat. Bürgerliche Gesellschaft:
„Ist die Differenz, welche zwischen die Familie und den Staat tritt, wenn auch die Ausbildung derselben später als die des Staates erfolgt. Denn als die Differenz setzt sie den Staat voraus, den sie als Selbständiges vor sich haben muss, um zu bestehen.“
Hegel betont damit, dass die bürgerliche Gesellschaft dem Staat vorausgehen muss. Historisch gesehen ist sie ein spätes Produkt der Verselbständigung staatlichen Lebens.
Doch wenn wir genau auf Hegels Texte schauen, ergibt sich ein differenziertes Bild. Denn für die bürgerliche Gesellschaft sieht Hegel einen eigenen Staat vor, den so genannten „Notstaat“. Es wäre im Grunde der Staat gemeint, den wir heute haben, da der sittliche Staat eine ganz bestimmte Struktur hat. Hegel traut dieser bürgerlichen Gesellschaft es nicht zu, sich mit den Kräften des Marktes oder aus Eigenverantwortung der Unternehmer zu bewähren. Sie braucht noch einen, allerdings von ihr, bestimmten Staat.
Letztlich ist diese Trennung bei Marx und Engels in der deutschen Ideologie (1845/46) vollzogen. Dort schreiben Marx und Engels:
„Die bürgerliche Gesellschaft „geht über den Staat und die Nation hinaus, obwohl sie andererseits wieder nach außen hin als Nationalität sich geltend machen, nach innen als Staat sich gliedern muss“. Der Begriff „bürgerliche Gesellschaft“ kam im 18. Jahrhundert auf, als sich die Eigentumsverhältnisse bereits aus dem antiken und mittelalterlichen Gemeinwesen herausgearbeitet hatten. Marx und Engels knüpfen also an einen Begriff von Gesellschaft an, der die Weltgesellschaft als Gesamtheit der Menschheit meint. Während die Nationalität sich als Ausprägung durch eine Sprache, Geschichte und Kultur in der Gesellschaft zeigt, wird dort zugleich die Öffnung auf die Weltgesellschaft hin geltend gemacht.
Kaum war dieser Begriff der bürgerlichen Gesellschaft gefunden und dem Staat als Organisation begrifflich gegenübergestellt, hat er gleichsam magisch immer stärker die Existenz der Sache nach sich gezogen. Die Benennung eines Faktums hat dieses Faktum nicht nur ins Bewusstsein gebracht, sondern stellenweise überhaupt erst geschaffen. Der Begriff ließ nicht nur die Wirklichkeit anders sehen, sondern hat die Wirklichkeit anders gemacht. So ein Begriff hat Einfluss auf dieses Werden genommen, hat es gestärkt und allerdings auch gefährdet. Nach welchen Kriterien war denn nun eigentlich diese bürgerliche Gesellschaft auszurichten? Was war ihre Aufgabe? Ließ sich von einer solchen überhaupt noch sprechen?
Das ist der Punkt, an dem sich Sozialphilosophie heute bewegt, indem sie sich von einer Staatsphilosophie im engeren Sinne und von einer Philosophie der kleineren Gemeinschaften, wie der Familie und der Ehe trennt. Sie kümmert sich um dieses Gebilde, das erst seit etwa 200 Jahren deutlicher ins Bewusstsein getreten ist.

3. Zur Definition von Gesellschaft

Versuchen wir nach dem geschichtlichen Durchblick eine Definition von Gesellschaft. Da begegnet man großen Schwierigkeiten. Eine Definition meint seit Aristoteles: Eine Gattung benennen und dann den Art bildenden Unterschied suchen, um eben dann bei der Art selber zu bleiben. So ist eben „Lebewesen“ eine Gattung und „Lebewesen mit Vernunft“ wäre der Art bildende Unterschied. Dann wäre die Art selber „Lebewesen mit Vernunft“ – das ist der Mensch.
Wenn man als Art aber haben will: Gemeinschaft, Gesellschaft, Gruppe, Ansammlung von Menschen, Familie, Ehe oder vielleicht sogar Staat, was käme dann als Art bildender Unter...

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Etymologische Auskunft