Religionsphilosophie, Teil 2
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Religionsphilosophie, Teil 2

Grund der Welt und letzte Wahrheit

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Religionsphilosophie, Teil 2

Grund der Welt und letzte Wahrheit

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Über dieses Buch

Gibt es für uns einen Bezug zum Ewigen, Göttlichen, so dass die Welt nicht einfach "alles" ist? Haben wir eine letzte Orientierung, einen letzten Halt? Die Antwort der Religion ist die, dass wir aus einem uns tragenden, aber auch uns beanspruchenden Sinngrund leben, in dem wir Halt und Orientierung finden und für den der Name "Gott" steht.Seit Beginn des kritischen Denkens im alten Griechenland wollte man diese Antwort im Diskurs denkend entscheiden.GRUND DER WELT UND LETZTE WAHRHEITDas philosophische Nachdenken über den religiösen Glauben hatte von Anfang an das Ziel, dem Wort "Gott" eine von der Vernunft akzeptable Bedeutung zu geben. Aus diesem Bemühen sind Gedankengänge entstanden, die man später "Gottesbeweise" nannte.Der sogenannte "Kosmologische Gottesbeweis" will nun zeigen, dass sich in unserem Begriff eines umfassenden Seins eine Selbständigkeit abzeichnet, ohne die unsere Welt nicht gedacht werden kann. Er macht deutlich, dass ohne sie der Begriff Gott seinen Vernunftgehalt einbüßen würde. Ähnliches lässt sich in einer Analyse unseres Verständnisses von Wahrheit zeigen.

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Information

Jahr
2011
ISBN
9783831256259
Die philosophische Theologie hat es mit dem Begriff “Gott” zu tun, der sie zu ihrer Tätigkeit herausfordert, nämlich sich denkend auf dasjenige zu beziehen, was ein Letztes und Höchstes ist, und zu erkennen, dass die Philosophie aus eigener Reflexion auf ein solches Letztes und Höchstes ausgerichtet ist. Dieses Höchste und Letzte wird dann in der Weise in Beziehung gesetzt zum Gottesgedanken der Religion, dass man sagen muss: Wenn der religiös Gläubige sich selbst in seinem Glauben richtig begreift und sich auf den Inhalt des Gottesgedankens be zieht, kann er diesen Gottesgedanken nur so fassen - jedenfalls im Grundsatz - dass er ihn mit seiner Vernunft in dieser Weise begreift. Wenn er unter dieses Niveau des Denkens geht, wird aus “Gott” irgendetwas anderes, irgendein Faktor der Welt und sodann ein Götze. Insofern ist die philosophische Reflexion für das religiöse Bewusstsein wichtig und für die Theologie, also die Reflexion der Religion auf sich selbst über ihren eigenen Inhalt (dies kann man den Begriff der Theologie nennen).
Die philosophischen Gedankengänge, die in dieser Hinsicht besonders wichtig sind, werden gewöhnlich “Gottesbeweise” ge nannt. Freilich ist dies in mancher Hinsicht ein missverständlicher Begriff. Ganz allgemein kann man von einem Beweis sagen, dass in ihm argumentativ erwiesen werden soll, dass es den Inhalt, von dem die Rede ist, auch tatsächlich gibt. In unserem Falle handelt es sich aber um einen ganz einzigartigen Inhalt. Es ist ein Inhalt, der der Vernunft so eigentümlich zugeordnet ist, dass die Vernunft ohne ihn sich gar nicht voll begreifen kann.
Um was für eine Art von Beweis kann es sich in unserem Zusammenhang handeln? Was kann hier Beweis heißen? Nun, Beweis ist hier nicht gemeint im Sinne eines mathematischen Beweises. Ein mathematischer Beweis geht von bestimmten Axiomen aus, euklidischen Axiomen zum Beispiel, und folgert dann aus diesen Axiomen die verschiedenen mathematischen Theoreme, Gesetze und Aussagen. In diesem Sinne können die Gottesbeweise kein Beweis sein, ganz einfach deswegen, weil axiomatische Beweise immer von expliziten Voraussetzungen ausgehen, die einfach einmal hingenommen werden. Beim Gottesbeweis oder bei den Vernunftargumenten, die ihm entsprechen, also dort wo die Vernunft ein Letztes und Höchstes und Grundlegendes erreicht, kann man nicht dabei stehen bleiben, dass man irgendetwas voraussetzt, von dem dann auch wieder zu fragen wäre nach welchen Voraussetzungen diese Voraussetzungen legitimiert sind. Die Vernunft richtet sich hier von vornherein auf das Voraussetzungslose, auf das, was keine Voraussetzungen hat, auf das Ganze, auf das Ursprüngliche, auf das Letzte.
Es kann sich auch nicht um Beweise handeln in dem Sinne, dass man Theorien aufstellt über einen bestimmten intendierten Gegenstand, dessen Existenz dann empirisch verifiziert werden soll, also z.
B. bei der Frage nach einem Beweis, ob es Murmeltiere in den Alpen gibt. In diesem Fall kommt es darauf an, in den Alpen nachzuforschen. Oder in einem juristischen Verfahren sucht man z.B. nach bestimmten Indizien und schließt durch sie auf einen empirischen Sachverhalt.
Um solche Beweise kann es in unserem Zusammenhang nicht gehen, weil sich hier die Vernunft auf etwas ausrichtet, was allen Erfahrungen zugrunde liegt und was auch keine einzelne Erfahrung ist, d.h. keine Erfahrung, die in einem Zusammenhang von Erfahrungen steht. Allerdings sind auch die Gottesbeweise Argumentationen, die eine gewisse Geschlossenheit verlangen, und in diesem Sinne können sie Beweise genannt werden.
Was können das also für Argumentationen sein? Nun, es können nur solche Argumentationen sein, die auf etwas zielen, was immer schon da ist, was mir immer schon gegeben ist, was mir immer schon vertraut ist. Es kann nicht um etwas gehen, von dem ich äußerlich erfahren könnte, dass es existiert, indem ich auf es schaue. Es kann nur um eine Einsicht in eine Wahrheit gehen, die in gewisser Weise schon in meinem Geist vorhanden ist, weil es sich um etwas handelt, das nicht irgendwo aufgefunden wird, sondern immer schon da ist.
Das klingt sehr abstrakt und ist nicht ganz leicht zu verstehen. Aber man versteht es dann, wenn man sich darüber klar wird, dass die philosophischen Grundlagenfragen alle mit dieser Art von Argumentation zu tun haben.
Nehmen wir ein philosophisches Grundproblem, auf das wir immer wieder stoßen: unsere Freiheit. Die Freiheit werden wir nicht erfassen können oder auffinden, indem wir empirische Untersuchungen anstellen. Wir können unser Gehirn sozusagen zerlegen, Freiheit werden wir auf diesem Wege nie auffinden. Deswegen ist die Diskussion um die Neurophysiologie in diesem Zusammenhang missverständlich. Es geht bei der Freiheit um einen Sachverhalt, den wir niemals objektiv unter dem Mikroskop zu Gesicht bekommen. Das Erfassen dieses Sach verhaltes ist nur so möglich, dass wir uns in einer Reflexion über unser Tun darüber klar werden, dass wir immer schon mit Freiheit zu tun haben oder dass wir sie immer schon voraussetzen. Wir handeln nämlich immer schon und können uns nicht anders begreifen denn als Handelnde. Wenn das aber bedeutet, dass “wir” handeln und nicht “es” handelt, dann sind wir uns auch unserer Freiheit bewusst. Wenn wir uns so als Handelnde begreifen, wissen wir, dass wir nicht vollkommen von außen determiniert sein können, und wenn wir behaupten würden, wir wären vollkommen determiniert, dann müßten wir wenigsten die “Handlung”, d.h. den Vollzug unserer Erkenntnis ausnehmen.
Ähnlich ist es mit der Wahrheit. Mit Wahrheit haben wir immer schon zu tun. Wahrheit setzen wir immer voraus. Können wir Wahrheit erkennen? Ja, wir können Wahrheit erkennen. Jede einzelne Wahrheit kann man zwar bezweifeln, man kann sagen: Ist das wahr oder das? Aber zu sagen, Wahrheit sei uns vollkommen unbekannt und wir müssten sie erst irgendwo entdecken, ist widersprüchlich, weil wir, indem wir zum Beispiel fragen: Ist das so, oder ist das nicht so? die Wahrheit selbst immer schon voraussetzen. Wir können Wahrheit nicht voll kommen bestreiten. Auf dieses Thema werden wir noch im Einzelnen eingehen.
Oder nehmen wir die Werte und die Gutheit. Sie liegen nicht herum wie irgendwelche Gegenstände, die wir vorfinden. Werte erfahren wir und um die wissen wir nur durch unser Bewerten. Und dieses Bewerten können wir nie vollkommen aufheben. In unserem Wollen und Wünschen, in unseren fundamentalen Urteilen, vor allem im Gewissen gehen wir mit Werturteilen um.
Von dieser Art von Reflexion ist auch das, was wir Gottesbeweise nennen. Sie sind, wenn man sie vergleicht mit axiomatischen Beweisen, mit Indizienbeweisen, keine Beweise. Es sind aber doch auch wieder Beweise, insofern sie eine schlüssige Argumentation beanspruchen. Es sind aber, wie wir sehen werden, keine definitiv schließenden Beweise, weil ihre Ergebnisse stets wieder Fragen enthalten. Diese führen weiter, aber sie führen so weiter, dass die ursprüngliche Argumentation besser und genauer begriffen wird. Die Argumentationen haben eine reflexive Struktur. Sie haben die Struktur einer Reflexion über unsere Vollzüge, in denen wir uns ja immer schon bewegen.
Die Gottesbeweise sind auch nicht eigentliche Beweise über einen gesonderten Gegenstand, der nur der Religion angehört und nicht der Philosophie. Mit dem, worauf die Gottesbeweise zielen, hat es nämlich die Philosophie in ihrem ureigenen Geschäft zu tun. Was die Griechen arché nannten, den allgemeinen letzten Ursprung, darauf richtet sich die Vernunft als auf einen Inhalt, den sie selbst konzipiert, aus dem sie in gewisser Weise selbst lebt und schöpft. Die Vernunft hat nämlich das Besondere an sich, dass sie über alle Grenzen und alle Bedingungen hinaus fragen kann. Wir haben das schon anhand der Überlegung, dass ich in einen Widerspruch gerate, wenn ich sage: Ich bin immer begrenzt und bewege mich nur in bestimmten Bedingungen, gesehen. Denn wenn ich das erfasse, dann bin ich über diese Grenzen schon hinaus, dann setze ich die begrenzte Sphäre in eine weitere, so dass wir immer sagen können: Unsere Vernunft bezieht sich tatsächlich auf das Ganze und fragt nach dem Allgemeinen und dem schlechthin Ursprünglichen. Das wäre allgemein zu den Gottesbeweisen zu sagen.

Der letzte Ursprung

In der Tradition der Geistesgeschichte und in deren Zusammenspiel von Philosophie und Religion bzw. Theologie haben sich nun Gedankengänge herauskristallisiert, die von der eben beschriebenen Art sind, die also auf einen Inhalt ausgehen, der bedeutsam ist für den religiösen Glauben, weil in ihm dieser Glaube vernünftig verstanden wird.
Zunächst gibt es da den sog. kosmologischen Gottesbeweis. Dieser Beweis ist eigentlich nichts anderes als der Gedanke der arché als Argument vorgetragen. Er besteht also nicht nur in der Bezugnahme auf ein Letztes als einer bloßen Möglichkeit, sondern beantwortet die Frage: Gibt es dieses Letzte, oder ist es nicht vielleicht so, dass die Wirklichkeit ohne einen letzten Ursprung gedacht werden muss? Diese Frage stellt sich schon der Philosoph Anaximander, auf den ich schon hingewiesen habe. Er hatte den Begriff des Apeiron gebildet. Anaximander fragt: Kann nicht alles so sein, dass es nur als Abhängiges, d.h. von einem Anfang her und somit als Bedingtes gedacht wird?
Er kommt zu dem Ergebnis, dass dies nicht möglich ist. Ich kann nämlich nicht alles so denken, dass es nur Abhängiges ist. Denn wenn ich das Ganze denke, denke ich es als in sich stehend, d.h. als seinen Anfang in sich selbst habend. Also kann nicht alles nur ein Abhängiges sein, sondern dieses Abhängige muss in einem Anfang gründen, der Anfang von allem anderen ist - und, so fügt er hinzu - das nennt man das Göttliche.
Wir sehen also: Der Gedanke einer letzten arché geht selbst aus einer Argumentation hervor. Anaximander ist ein Philosoph, von dem sonst nicht viel überliefert ist. Wir haben nur Fragmente, kein einziges Werk von ihm. Aristoteles zitiert ihn. Von daher kennen wir diesen Gedankengang. Anaximander sagt also, es gibt eine letzte arché und nicht nur etwas, das von dieser arché abhängig ist. Die Gesamtheit des Seins unterscheidet sich also im Ursprung und in das, was von diesem Ursprung her ist. Der Ursprung aber ist das Göttliche und der höchste Gegenstand der Philosophie.

Platon und Aristoteles

Der Gedanke wird in der Philosophie immer wieder aufgegriffen. Er wird später bei Platon, Aristoteles und anderen näher ausgeführt und differenzierter dargestellt. Bei Platon stellt er sich so dar: Wir sehen unsere Welt in Bewegung und Veränderungen, worin eines vom anderen abhängt. Das Ganze kann aber nicht nur aus abhängigen Bewegungen bestehen. Die Bewegung muss letztlich aus einer Selbstbewegung kommen. Ohne eine solche kann sie gar nicht gedacht werden. Eine solche Selbstbewegung finden wir in der Seele. Denn unsere Seele ist etwas, das sich selbst bewegt. Insofern hat unsere Seele etwas zu tun mit dieser ursprünglichen arché, die aus sich selbst ist und aus der die Bewegung stammt, die den Kosmos regiert.
Platon sieht also schon sehr genau, dass der Gedanke des aus-sich-selbst-Seins etwas über den Kosmos als ganzen aussagt und zugleich etwas sagt über die Verfassung von uns Menschen. Auch die Seele ist ein Aus-sich-selbst-Sein. Sie gehört zu dem, was letzter Ursprung von allem ist, gehört in die Ordnung der Ewigkeit dieses Ursprunges. In gewisser Weise hänge ich selbst direkt zusammen mit diesem allgemeinen ewigen Ursprung, bzw. der allgemeine Ursprung ist in mir und ermöglicht so mein Aus-mir-selbst-Sein und die Bewegung meiner Selbstbewegung.
Bei Aristoteles wird dieser Gedanke in eine große Kosmologie hineingestellt. Aristoteles differenziert zunächst den Begriff der Bewegung mit den Begriffen der Potentialität und Aktualität. Bewegung ist nach ihm so zu begreifen, dass etwas aus einer Potentialität in die Aktualität überführt wird. Das ist nur so möglich, dass diese Überführung von einer Aktualität ausgeht, jedenfalls nie ohne eine solche erfolgen kann. Sonst müßte die Überführung letztlich aus reiner Potentialität kommen, aus einem reinen Noch-Nicht, d.h. aus dem Nichts. Das aber ist undenkbar. Potentialität gründet also in Aktualität. Dies hat dann aber so prinzipiell zu gelten, dass das letzte Ursprüngliche reine Aktualität sein muss. In ihr gründet der Kosmos, der allerdings selbst aus mehreren Stufen der Bewegung aufgebaut ist. Der Bewegungszusammenhang unserer Erde gründet zunächst im Bewegungszusammenhang der Planeten, und dieser wiederum in dem der Fixsterne und der gründet schließlich in einem Bewegenden, das selbst nicht mehr bewegt ist, sondern “unbewegter Beweger” ist. Das ist dann Gott oder das Göttliche. Wir sehen hier eine differenzierte Ausführung des Arché-Gedankens, die aber mit einer bestimmten Kosmologie verknüpft wird, einer Kosmologie sich umschließender Schalen mit der Erde als Mittelpunkt, die sich bis zur Neuzeit erhalten hat.
Aristoteles führt diesen Gedanken dann so weiter, dass er sagt: Dieses Höchste, Bewegende macht es verständlich, dass der Kosmos sinnhaft ist, dass in ihm Ziele wirken, d.h. dass die Bewegungen, in denen wir uns vollziehen und uns selbst begreifen und in denen wir auch die Natur erkennen, von Zielen gesteuert sind, und dass diese Ziele das eigentlich Bewegende sind. Das Bewegende ist in gewisser Weise eine Attraktionskraft, und diese Attraktionskraft ist letztlich der unbewegte Beweger, der nicht wirkt wie eine gewöhnliche Ursache, die selbst noch einmal in dieses Ganzen involviert ist, sondern außerhalb seiner selbst unbewegt ist und als bloße Attraktion wirkt, als ein “Geliebtes”.
Aristoteles greift damit einen platonischen Gedanken auf. Bei Platon ist dieses Höchste, Bewegende, den Kosmos Bewegende, die Idee des Guten, also das, was geliebt wird. Mit dieser Art der Bewegung macht Aristoteles verständlich, dass das letztlich Bewegende selbst unberührt bleibt und trotzdem bewegt, aber nicht wie eine gewöhnliche Ursache, die im Wirken sich verändert und somit selbst wieder einer Begründung bedarf.
Damit ist das aristotelische Weltbild skizziert, das in die christliche Philosophie übernommen wird, so bei Thomas von Aquin. Wir haben ja gesehen, dass er den Aristoteles sehr schätzt und das aristotelische Weltbild in seine Gesamtsicht einbaut. Wir finden diesen christlichen Aristotelismus etwa in Dantes “göttlicher Komödie”, worin Vergil, der antike Autor, Dante durch die Sphären der jenseitigen Welt führt, durch Hölle, Fegfeuer und dann bis an die Schwelle des Paradieses. Unsere Welt stellt sich dann so dar, dass sie überwölbt ist von der jenseitigen, göttlichen Welt, die unsere Welt trägt und durch die Liebe in Bewegung hält.
So schließt dieses große Gedicht mit den Worten: “L‘amor che move il sole e l‘altre stelle (die Liebe, die die Sonne und die anderen Gestirne bewegt). Das heißt, der alles durchwirkende Eros, ausgerichtet auf das Höchste zu Liebende und selbst in höchster Weise Liebende bewegt den ganzen Kosmos. Wir haben hier eine eindrucksvolle Gesamtkonzeption vor uns, die geleitet ist von dem Vernunftbemühen, unsere Wirklichkeit von einem letzten Ursprung und auf ihn hin zu begreifen, so dass Ursprung und Ziel eins sind. Freilich trägt diese Konzeption auch zeitgebundene Züge. Wird der kosmologische Gottesbeweis zu stark an sie geknüpft, wird er auch mit ihr zusammen fragwürdig. Es geht also heute darum, den Beweis so darzustellen, dass er in seinem Kerngehalt deutlich wird. Der ist aber nicht zeitgebunden.
Im Kern enthält der Beweis einen einfachen Gedanken, der auch heute noch Gültigkeit hat. Es ist der Gedanke, dass das Ganze der Wirk lichkeit in sich selbst begründet sein muss, dass aber damit dem Gesichtspunkt des “In-sich-Selbst” Rechnung getragen werden muss.

Kosmologischer Gottesbeweis

Wir können unsere Welt zwar nur so begreifen, dass die Dinge in ihr aufeinander bezogen sind, dass sie ihr Eigensein nur haben in diesem Welt-Kontext. Doch ist es unmöglich den so gedachten Kontext aus sich selbst zu begreifen. Denn das hieße, ihn als Selbstbezug zu verstehen, was er offensichtlich nicht ist. Aber andererseits können wir das Ganze der Wirklichkeit nicht ohne Selbstbezug begreifen. Wir können jedoch unsere Welt nicht in einen solchen übersetzen. Sie bleibt vielmehr durch eine unaufhebbare Andersheit charakterisiert. Wollten wir diese verschwinden lassen, würden wir unsere Welt tilgen. Keiner würde sich vom anderen wirklich unterscheiden. Alles müßte in einen radikalen Selbstbezug zusammenfallen.
So können wir unsere Welt aber nicht auffassen. Wenn es aber so ist, dass die Konfiguration des immer Begrenzten und Anderen, d.h. des Endlichen, nicht aus sich selbst ist, und wenn nicht aus sich selbst, dann nicht ohne anderes, dann kann dieses Andere zu ihr nur die Alternative zu ihr als Endlichkeit überhaupt sein. Das ist das einzig das Unendliche, rein aus sich selbst Seiende und auf sich Bezogene, welches sich von dieser Welt zwar radikal unterscheidet, ohne das sie aber nicht zu denken ist, d.h. das sie trägt und begründet.
Das ist, wie ich meine, der Grundgedanke des kosmologischen Gottesbeweises, ein Gedanke, der irgendwie nicht zu umgehen ist und auf den man auch immer wieder zurückkam, sooft man sich ihm auch zu entziehen suchte. Er führt zwar zu weiteren Fragen und Reflexionen, zeigt aber darin auch wieder seine erklärende und erschließende Kraft.

Das Regress-Argument

Zur klassischen Kritik an diesem Beweis gehört das Regress-Argument.
Könnte man nicht sagen, die Unendlichkeit des Ganzen ergibt sich einfach aus der unendlichen Verknüpfung von Endlichem in einer unendlichen Reihe? Doch bedeutet diese Unendlichkeit des Endlichen nichts anderes als eine ständige Wiederholung und Bestätigung, in keiner Weise aber eine Aufhebung der Endlichkeit und ihrer Nicht-Begründung durch sich selbst. Die Wiederholung und Bestätigung des Endlichen lässt es endlich und macht es nicht zu einem Aus-sich-Sein, macht keinen Selbstbezug aus ihm. Man müßte das prinzipiell Nicht-begründet-Sein als Selbstbegründung begreifen können. Aber das ist nicht vollziehbar.
Man hat den Beweis auch dahingehend kritisiert, dass man sagte: Hier werde die Eigenwirksamkeit des Endlichen geleugnet, denn es werde davon ausgegangen, dass alles Endliche immer von anderem abhänge. Doch ist dem nicht so. Das Endliche hat in der Tat eine gewisse Selbständigkeit auch dem anderen Endlichen gegenüber. Aber es hat keine vollkommene Selbständigkeit. Das erkennt man gerade an seiner Angewiesenheit auf den Kontext des Endlichen, ohne den es nicht sein kann. Als vollkommene Selbständigkeit wäre es reines Aus-sich-sein. Es wäre das Unendliche selbst, das es überhaupt nur einmal geben kann. Das Endliche muss also in seiner Abhängigkeit so gedacht werden, dass es gerade in seiner Selbständigkeit dem Kontext gegenüber immer noch abhängig bleibt. Aber wovon, wenn nicht vom Kontext? Es kann dann nur vom Unendlichen selbst abhängig sein, von dem es dann aber auch seine Selbständigkeit erhält.
Besonders deutlich wird das, wenn wir die Selbständigkeit dort aufsuchen, wo sie für uns direkt erfahrbar wird. Das ist unsere Freiheit. Heißt Freiheit, dass wir aus uns selbst sind, vollkommen und in jeder Hinsicht? Nein, gerade nicht. In unserer Freiheit begreifen wir uns nur dann richtig, wenn wir sie als eine abhängige verstehen.
Das ist nun allerdings ein anspruchsvoller Gedanke. Es bedeutet nämlich, nahezu einen Widerspruch zu denken. Es bedeutet, dass die Selbständigkeit der Freiheit als solche nochmals aus einer Abhängigkeit gedacht werden muss. Es besagt nicht, dass wir in einem gewissen Bereich selbständig sind und in vieler anderer Hinsicht bedingt und determiniert sind. Der Gedanke bedeutet vielmehr, dass bis ins Letzte unserer Selbständigkeit hinein diese Selbständigkeit eine begründete ist.

Die Lehre von der Freiheit

Damit führt der kosmologische Gottesbeweis, der also von den Dingen ausgeht, eigentlich in die Tiefe einer Lehre von der Freiheit. Es geht nämlich darum, diese Selbständigkeit richtig zu begreifen. Was kann es heißen, dass unsere Freiheit selbst noch einmal eine abhängige ist?
Wir können das nur begreifen, wenn wir unsere Freiheit eine als Freiheit ermöglichte verstehen, also nicht aus einem Grund, der sie aufhebt, sondern der sie konstituiert. Das kann dann keine äußere determinierende Ursache sein. Der Grund muss anders gedacht werden. Aber wie?
Er muss so gedacht werden, dass die Freiheit eine beanspruchte und aufgeforderte, gleichsam eine zu sich selbst geführte ist. Eine solche, die sich als sich selbst gegeben und aufgegeben erfährt. Dies ist dann die Erfahrung einer Abhängigkeit, welche die Freiheit n...

Inhaltsverzeichnis

  1. Der letzte Ursprung