Naturphilosophie
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Philosophie

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Über dieses Buch

Seit Anbeginn der Philosophie stellt die schon vorgefundene Natur, vom Kosmos bis zu den Atomen und den Elementarteilchen, einen Skandal für unsere Vernunft dar."Was ist die Welt?" war die erste philosophische Frage, gestellt vom ersten Philosophen Thales von Milet. Ihr folgte das lange und bis heute nicht abgeschlossene Programm naturphilosophischer Untersuchungen.Reduziert auf Teilgebiete und unter Verzicht der grundlegenden metaphysischen Fragestellungen ist die Beschreibung der Welt heute der Bereich der Naturwissenschaften.Die Vorlesung zur Einführung in die Naturphilosophie präsentiert das Panorama der modernen Naturphilosophie als der Begleiterin und Kritikerin der modernen Naturwissenschaften, die einst als experimentelle Philosophie begannen.Das Bild der Natur zeichnen die Wissenschaften, unser Weltbild kann nur die Philosophie entwerfen.

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Information

Die griechischen Naturphilosophen

Ich werde versuchen, Sie an ein paar Plätze zu führen und danach in den „Garten der Philosophie“ entlassen. Der Garten, das ist eigentlich schon das richtige Wort, das richtige Bild.
Philosophie sollte man nicht betreiben, wenn man Zahnschmerzen oder Kopfschmerzen hat oder sonst wie, wenn man schlecht drauf ist. Philosophie ist eine Sache, die dazu führen sollte, dass man sich über die Welt klarer wird. Das kann man nicht, wenn man sich ständig damit beschäftigen muss, dass einem irgendwas weh tut oder dass man Hunger hat.
Also, ich hoffe, Sie sind gut gerüstet, guter Dinge, denn dann - und nur dann - kann man sich wirklich der Philosophie zuwenden. Fröhlich, interessiert, neugierig, staunend. Das allererste, was es an Philosophie überhaupt gab, ist die Naturphilosophie.
Aristoteles – ein paar Griechen muss ich Ihnen vorstellen, nehmen Sie es mir nicht übel. Zu den großen „Resteuropäern“ kommen wir später. Fangen wir also bei den Griechen an – Aristoteles hat gleich zu Beginn in seiner Metaphysik, also offenbar einem Buch, das eigentlich gar nicht über die Physik, sondern darüber hinaus ging, geschrieben, dem Menschen seien das Staunen und die Neugierde immanent. Die seien in ihm drin. Der Mensch ist ein Lebewesen, das staunt und neugierig ist, das etwas wissen will.
Als Aristoteles das geschrieben hat, wollten schon andere viel früher als Aristoteles etwas wissen. Aristoteles konnte natürlich vor seiner Geburt nichts wissen wollen. Das klingt jetzt so läppisch – wovon redet denn der da? Aber Sie werden sehen, was ich meine. Wir haben tatsächlich einen gewissen begrenzten Erkenntnisraum – sowohl zeitlich wie räumlich. Das wird uns noch beschäftigen. Deswegen habe ich diesen Satz jetzt schon einmal gebracht, damit Sie sich nachher wieder daran erinnern: Ach, das war ja das, wo ich mich zum allerersten Mal darüber gewundert habe, worüber der Mann gesprochen hat. Sie werden sich noch ein paar Mal wundern, keine Bange. Ich werde Ihnen immer wieder Stolpersteine in den gedanklichen Weg legen.
Vor Aristoteles gab es schon andere, die sich darüber – den Kopf nicht zerbrochen – zumindest leicht angelehnt hatten. Vielleicht kennen Sie diesen einen, der da sitzt, der Denker von Rodin. Dieser Blick verrät etwas über die frühen griechischen Naturphilosophen.

Thales und das Wasser

Der erste, der sich wirklich richtig Gedanken machte, war Thales von Milet. Er gilt als der allererste Philosoph. Die Frage, die er stellt, ist sofort und unmittelbar eine naturphilosophische. Er hat die Frage gestellt: Was ist die Welt? Ja, aus was besteht sie denn?
Er war einer derjenigen, der die Elementelehre in die Welt gebracht hat. Für ihn war alles irgendwie Wasser. Also, es war ihm nicht alles Wurst, sondern Wasser – feucht eben. Das Feuchte war für ihn entscheidend.
Klar, Milet ist eine Stadt in Kleinasien – ist doch interessant, dass die griechische Philosophie in der heutigen Türkei begonnen hat, aber das nur am Rande. Milet ist eine Hafenstadt. Dass da das Wasser eine überragende Rolle spielt, ist klar. Stellen Sie sich einmal für einen winzigen Moment vor, Thales wäre Eskimo gewesen. Was hätte er denn dann für einen Stoff genommen, um die Elemente in die Welt zu bringen? Eis vermutlich. Natürlich weiß ein Eskimo, dass aus dem Eis flüssiges Wasser wird, wenn man es erwärmt, ganz klar.
Aber die Verwandlungsfähigkeit der gesamten Natur erschließt sich in Grönland nicht so leicht wie in Griechenland, wo ja viel Grün ist, wo es eine üppige Natur gibt. Das muss man immer in Rechnung stellen. Ich bereite Sie schon einmal drauf vor.
Sie erinnern sich: Aristoteles, der vor seiner Geburt nicht denken konnte und Thales, der natürlich, wenn er in Grönland gelebt hätte, wahrscheinlich auch nicht sehr weit gekommen wäre mit seiner Philosophie. All das sind Voraussetzungen für unser Denken. Die richtige Umgebung, die richtige Zeit – dass man sich im richtigen Moment am richtigen Ort befindet, ist durchaus nichts Läppisches, nichts Lapidares.
Bei Thales war es das Wasser. Danach gab es Anaximander, einen seiner Schüler, der meinte: Nein, da müsste es etwas ganz anderes geben, etwas Unendliches. Apeiron hat er es genannt. Das sei überhaupt keiner konkreten Sache zugetan, da müsste doch etwas ganz anderes da sein, etwas Ewiges, das da gewissermaßen herumschwirrt, aus dem die ganzen Elemente hervorgingen.

Feuer, Wasser, Luft und Erde

Danach kam direkt jemand, der meinte, es sei Luft. Wieder ein anderer, nämlich Heraklit meinte, das Feuer sei das Urelement von allem. Empedokles meinte, ach was, nicht nur eines, sondern vier Elemente. Nehmen wir die Erde noch mit dazu. Feuer, Wasser, Luft und Erde. Wie die Elemente sich miteinander verbinden, das ist wie mit Liebe und Hass. Wir haben hier also erste Verbindungsarten. Damit haben wir schon ganz wesentliche naturphilosophische Positionen bedacht, wobei die jedes Mal viel mehr bedeuten als das, was wir ihnen heute zubilligen.
Heraklit zum Beispiel, der Mann des Feuers. Auch eine interessante Überlegung: Hätte Heraklit den Satz „Alles fließt“ („panta rhei“) in einer Lebensumgebung, in einer Umwelt geprägt, die zum Beispiel total eingefroren ist? Also hätte man eine solche Philosophie auch im Winter in Alaska machen können? Nein, bestimmt nicht.

Die Welt ist verstehbar

Die Lebensumstände sind sicherlich prägend für die menschlichen Vorstellungen gewesen. Die Philosophen haben sich die Welt in Elementen erdacht. Aber das Allerwichtigste, das wirklich Allerwichtigste, das zu all diesen Leuten gehört – von Thales bis später zu Platon und allen nachfolgenden Philosophen – ist der Ansatz: Die Welt ist verstehbar. Du, Mensch, kannst mit deiner Vernunft die Welt verstehen. Du brauchst keine Götter dazu, nichts. Du kannst mit deiner eigenen Vernunft tatsächlich etwas über die Phänomene in dieser Welt herausfinden, kannst Zusammenhänge entdecken, vielleicht sogar Zusammenhänge von der Sorte: Jetzt habe ich die Welt verstanden. Was natürlich immer ein Trugschluss ist, denn spätestens am Tag danach hat man sie nicht mehr verstanden.
Die ersten Philosophen waren ausschließlich Naturphilosophen. Sie haben nur Fragen gestellt: Was ist die Welt, aus was besteht die Welt, was sind die Seinsprinzipien von allem?
Da wurde nicht gefragt: Was soll ich tun? Sondern da ging es nur darum, die Phänomene um mich herum zu klären. Das ist eines der zentralen Probleme der Philosophie – nämlich die Tatsache, dass die Welt schon da ist. Man kommt auf die Welt – und da sind wir wieder bei dem Punkt mit Aristoteles, erinnern Sie sich noch?
Also ich werde Sie immer wieder dahin führen. So lange er nicht da war, war die Welt aber schon da. Zumindest gehen wir davon aus, dass vor uns schon etwas da gewesen ist. Man kommt also auf die Welt – auch Aristoteles kam auf die Welt – und findet sich in einer Welt wieder, in der schon alles irgendwie funktioniert. Es ist schon alles Mögliche da.

Aha – die Welt ist da

Die Sonne geht im Westen auf – nein stimmt gar nicht, im Osten geht sie auf. Stimmts? Oder wo geht sie auf? Geht sie überhaupt auf? Wieso geht die Sonne auf? Ich dachte, die Erde dreht sich um die Sonne… Man kann sich leicht verwirren lassen. Also machen wir es einmal ganz klar: Die Sonne geht im Osten auf, im Westen geht sie unter. Das war bei Aristoteles auch schon so. Es gab die Phasen des Mondes am Himmel zu besichtigen. Es gab die vier Jahreszeiten. Es gab die ganze Tier- und Pflanzenwelt um ihn herum. Tja, das war alles schon da, alles. Was es noch nicht gab, waren zum Beispiel Kameras und Aufnahmegeräte, Flugzeuge, Automobile usw. Auch Computer gab es nicht und so etwas. Das gab es alles noch nicht.
Aha, also der Mensch ist immer ein zu spät Gekommener. Das könnte eine hochgradig interessante philosophische Position werden, wenn man sich die Frage stellt: Ja, woher kommt denn die ganze Welt, in die ich da hineingeboren wurde? Für die Naturphilosophen war genau das der Punkt. Sie sind in einer Welt und offensichtlich zu spät gekommen. Alle von uns sind immer zu spät gekommen, wir kommen nie zu früh, sondern immer zu spät. Wir kommen in dieser Welt an – die griechischen Naturphilosophen kamen in dieser Welt an – und stellen fest: Aha, die Welt ist da. Das heißt, die Welt ist etwas, worüber man staunt. Man möchte gerne wissen: Was ist das, woraus besteht sie?
Die Elementelehre war die allererste. Dann gab es noch die Lehre von Parmenides: Es müsse ein praktisch unveränderliches Sein geben, denn nur vor einem solchen Unveränderlichen könne sich überhaupt irgendetwas verändern. Heraklit war der große Anhänger der Veränderung. Das alles gipfelte nachher in Vorstellungen, wie sie von Platon und Aristoteles entwickelt wurden.
Das Programm, das von den griechischen Naturphilosophen wirklich übrig geblieben ist, ist ein Programm, das jetzt immer noch läuft.

Atomos – das Unteilbare

Das ist das Programm Atomos, das Unteilbare. Über mehrere Jahrhunderte hatte man sich in der Philosophie mit der Frage abgekämpft: Ja, was ist es denn jetzt? Ist es ein Element oder was ist es? Jetzt kamen Leukipp und Demokrit und überlegten sich: Die Welt besteht letztlich aus unteilbaren Teilchen, die sich irgendwie miteinander verhaken und deswegen die verschiedenen Zustandsformen, sei es nun Gas, Flüssigkeit oder etwas festes, irgendwie zusammenbringen. Die Lebenswelt funktioniert auch irgendwie und Feierabend. Gut, das war es.
Und genau diese Suche nach den unteilbaren Teilchen, nach den allerletzten Teilchen, ist das große Programm der Physik, wenn es darum geht, von den Molekülen zu den Atomen, von den Atomen zu den Kernen, von den Kernen zu den Elementarteilchen zu kommen. Vielleicht noch zu den elementarsten Elementarteilchen. Wenn wir also heute einen großen Beschleuniger bauen, um herauszufinden, was denn die letzten Bausteine sind, aus denen Materie bestehen kann, ob es da überhaupt eine Grenze gibt, dann ist das nichts anderes als die Idee von Demokrit, über 2.300 Jahre gezogen und einfach in die Moderne hineingesetzt. Das sind die ganz großen Verstrickungen der heutigen Naturwissenschaft mit der griechischen Naturphilosophie von damals.
Da gibt es viel zu erzählen, viel über die Gründe, über den Anlass, dass die Natur sich in ihre Existenz geworfen hat. Was ist denn der Grund dafür, dass überhaupt etwas da ist?
Der große „Formalisierer“, der große „Klassifikator“ Aristoteles, hat sich dann überlegt: Es muss für alles einen Grund geben.
Wir nennen das lateinisch – er hat es auf griechisch benannt, aber wir nennen es lateinisch – „causa“. Es gibt „causae“, also verschiedene Gründe für Dinge, so zu sein wie sie sind. Da gibt es zum Beispiel die causa formalis, den „Formgrund“ gewissermaßen. causa materialis, das ist der „Materialgrund“. Also, aus was besteht denn so was? causa efficiens – also was für eine Art von Funktion hat das Teil? Und dann gibt es noch eine causa finalis – was ist denn die Letztbegründung? Das kann man auf das ganze Universum anwenden, so dachte Aristoteles.

Naturphilosophie und Naturwissenschaften

Hier erkennen wir jetzt zum allerersten Mal die Grundformen des wissenschaftlichen Denkens. Wie kann ich denn einem Problem nachgehen? Ich kann es auf seine Form hin untersuchen, auf seine Materialbestandteile, auf seine funktionellen Bestandteile und ich kann eine Frage stellen, von der ich natürlich hoffe, dass ich sie irgendwann einmal von irgendetwas beantwortet kriege. Die Frage nach der Letztbegründung für Alles.
Heutzutage, das kann ich Ihnen schon einmal sagen, haben die Naturwissenschaften auf diese metaphysischen Fragestellungen völlig verzichtet. Haben Sie es bemerkt? Ich habe soeben das Wort „Naturwissenschaften“ verwendet. Bis gerade eben war ich noch bei der Naturphilosophie und jetzt komme ich Ihnen mit Naturwissenschaften. Was ist denn bitteschön der Unterschied zwischen Naturwissenschaften und Naturphilosophie?
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Naturwissenschaften sind methodisch eigentlich dazu da, vor allen Dingen Informationen über die Welt der Natur zu sammeln. Und nicht nur die Informationen zu sammeln im Sinne von „Was ist denn alles da?“, also Inventur zu machen, welche Teilchen da sind, welche Objekte da sind, welche Dinge da sind, welche Tiere da sind, Pflanzen usw., sondern möglicherweise auch allgemeinere Erklärungen dafür anzubieten, wie die Dinge miteinander zusammenhängen. Das werden wir gleich noch erledigen.
Die Naturphilosophie wiederum ist als Philosophie eine ganz andere Form von Wissenschaft. Sie möchte nämlich viel mehr wissen als nur die Einzelwissenschaften. Die Einzelwissenschaften haben ihre einzelnen Anwendungsbereiche: Die Biologie die Welt der lebenden Natur, die Physik die Welt der grundlegenden Fundamente der Naturwissenschaft, die Chemie die der chemischen Zusammensetzung usw. Das sind Einzelwissenschaften, die ihre bestimmten Anforderungs- und Anwendungsbereiche haben.
Die Philosophie dagegen fragt nach dem Ganzen der Natur. Das, was die einzelnen Naturwissenschaften gar nicht können. Zumindest heute nicht mehr können. Früher waren Naturwissenschaften angewandte, gewissermaßen experimentelle Naturphilosophie. Die heutige moderne Naturphilosophie ist eine philosophische Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften.
Die Naturwissenschaften sind entstanden als Kinder der Naturphilosophie. Irgendwann hatten sich diese Kinder soweit emanzipiert und sich von der Philosophie komplett gelöst. Dann hat die Philosophie diese Kinder losgelassen und sie haben ihr eigenes Leben gelebt. Damit sind ja Eltern nicht immer einverstanden. In diesem Fall muss man sagen: Der Triumph der Naturwissenschaften wurde von ihnen mit dem Verzicht auf metaphysische Fragestellungen erkauft. Die Frage nach der Letztbegründung, nach der causa finalis, also dem aristotelischen, ultimativen Grund für alles, ist heute keine Frage mehr, die in den Naturwissenschaften angesprochen wird.

Ein unendlicher Regress

Trotzdem ist es eine wichtige Frage, die vor allen Dingen bei der Kosmologie, also dem Anfang des Universums eine überragende Rolle spielt. Schon Aristoteles hatte bereits das Problem aufgeworfen, vor dem wir in der Kosmologie heute noch stehen: Was ist ein Anfang?
Ich kann sofort sagen: Vor dem Anfang muss ja noch etwas gewesen sein. Wie kann ich also dieses logische Problem lösen?
Aristoteles hatte das Problem des unbewegten Erstbewegers. Für ihn musste alles in Bewegung gebracht werden. Also musste es auch einen Beweger geben, der alles in Bewegung gebracht hat. Aber wer hat dann den Beweger in Bewegung gebracht? Er musste also irgendwo einen dogmatischen Abschluss vollziehen – irgendwie. Hier haben wir die Möglichkeit, das entweder statistisch zu machen, wir kreieren einfach 10500 Universen. Oder wir beginnen mit einem Schöpfungsprinzip. Auf jeden Fall haben wir hier ein logisches Problem, das man einen unendlichen Regress nennt. Wir kommen nicht raus. Jedes Mal, wenn wir meinen, eine Lösung zu haben, können wir darüber immer noch weiterfragen. Wir kommen also aus den Letztbegründungen nicht heraus.

Die langweilige Welt der Quantenmechanik

Jetzt wollen wir aber noch einmal zu den causae zurückgehen, zu diesen vier Ursachen von etwas. Dass wir Dinge nach bestimmten Kriterien untersuchen können, ist bereits eine Form von Wissenschaftlichkeit. Und die naturphilosophische Fragestellung zum Beispiel nach dem Ursprung der Dinge wäre: Was ist denn das Wesen der Grenze der Materie? Was erleben wir denn, wenn wir Experimente mit der Materie machen, um zum Beispiel festzustellen: Ein Lebewesen, das vor uns sitzt, steht oder kreucht und fleucht besteht aus Atomen.
Nein, es besteht nicht aus Atomen, es sind eigentlich Moleküle. Wenn ich aber in diesen molekularen Bereich hineinschaue, verliere ich das Lebewesen als Ganzes. Ich verliere noch mehr den Kontakt zu diesem Lebewesen, wenn ich die Moleküle auseinandernehme und mir die Atome anschaue. Dann ist es schon völlig egal. Dann kann ich auch irgendwelche Atome nehmen. Da unten wird die Welt nicht mehr individuell, da ist nichts mehr da, alle Teilchen sind gleich. Man sieht einem Elektron nicht an, ob es in einem Molekül von einem Wildschwein war oder in einem Molekül einer Rose.
Die Welt auf dieser Ebene ist eine völlig langweilige Welt, die nur aus Teilchen besteht. Diese Teilchen haben keine Individualität, gar nichts.
Was bedeutet denn das, dass die Welt letztlich in ihren allerkleinsten Bausteinen gar nicht mehr unterscheidbar ist?
Ab einer bestimmten Energie ist die Welt überhaupt nicht mehr in Einzelteilen zu unterscheiden. Aber es ist noch viel schlimmer. Die moderne Quantenmechanik sagt: Selbst wenn du da unten tatsächlich irgendwelche Unterscheidungen treffen möchtest, wenn du es tun solltest, verlierst du sofort die Orientierung. Du bist gar nicht in der Lage, Geschwindigkeit und Orte oder Zeiten und Energien genau zu bestimmen. Dort unten wird alles verschwommen. An der unteren Grenze der Materie tauchen Eigenschaften auf, die wir in unserer normalen Welt gar nicht erleben. Nichts davon ist da und trotzdem sind wir uns heute völlig sicher, dass auf dieser fundamentalen Ebene der Materie die Quantenmechanik die richtige Theorie ist.
Was bedeutet das für unser Selbstverständnis als Lebewesen?
Ich will Sie darauf hinweisen, dass der entscheidende Satz meiner Rede zu diesem Thema war: Ich verliere den Kontakt zum Lebewesen.
Der entscheidende Punkt ist nämlich: Wenn ich etwas betrachte, wenn ich etwas untersuche, dann soll ich es bitte nur so tun, dass ich es nicht zerstöre. Wenn ich beginne, ein Lebewesen nur noch als einen Molekularverband zu betrachten oder als eine Ansammlung von Quarks – das sind übrigens die elementarsten Elementarteilchen, die wir zur Zeit kennen – dann habe ich den Bezug zum Lebewesen oder zu dem Ding, das ich betrachten möchte, längst verloren. Ich brauche eine angepasste Genauigkeit an das Problem. Es nutzt mir gar nichts, etwas immer weiter in seine Einzelteile zu zerlegen, denn ich verliere irgendwann genau die Eigenschaften, von denen ich gerne wissen möchte, woher sie überhaupt kommen.

Was kann ich eigentlich wissen?

Aber das ist bereits ein Teil, der zur kritischen Auseinandersetzung d...

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  1. Die griechischen Naturphilosophen