Neuropsychologie des Gedächtnisses
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Neuropsychologie des Gedächtnisses

Physiologische Psychologie

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Neuropsychologie des Gedächtnisses

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Das Gedächtnis wird definiert und seine Bedeutung evolutionsgeschichtlich begründet. Es existieren mehrere Gedächtnissysteme, die weitgehend unabhängig voneinander arbeiten und deswegen auch selektiv gestört sein können. Zustandsabhängigkeit und Dynamik von Informationsaufnahme und -abruf werden erläutert. Inwieweit menschliches Gedächtnis sich von tierischem unterscheidet, wird ebenfalls herausgearbeitet. Vieles wird weiter im Gehirn behalten, nur kommt man aktuell nicht heran.Was das Gehirn angeht, werden die Regionen beschrieben, die für die Einspeicherung, die Ablagerung und den Abruf von Information bedeutend sind (z. B. das Limbische System). Dabei wird auf neurologische und psychiatrische Krankheitsbilder Bezug genommen, die zu Amnesie führen.

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Neuropsychologie des Gedächtnisses

Ich will meinen Vortrag in drei Bereiche unterteilen. Zuerst werde ich über Gedächtnis allgemein sprechen, dann über Beziehungen zwischen Gedächtnis und Gehirn und zum Schluss will ich über psychiatrische Störungen, die sich auf den Gedächtnisbereich auswirken, reden.
Ich beginne mit einem Zitat von Ewald Hering. Ewald Hering war ein berühmter Physiologe, der 1870 formulierte: „Das Gedächtnis verbindet die zahllosen Einzelphänomene zu einem Ganzen und wie unser Leib in unzählige Atome zerstieben müsste, wenn nicht die Attraktion unserer Materie ihn zusammenhielte, so zerfiele ohne die bindende Macht des Gedächtnisses unser Bewusstsein in so viele Splitter als es Augenblicke zählt.”
Ich denke, damit hat Ewald Hering sehr plastisch ausgedrückt, was uns als bewussten Menschen ausmacht, dass unser Gedächtnis wesentlich unsere Persönlichkeit bestimmt und uns zu bewussten, eigenständigen Individuen macht. Die Frage, die man jetzt zu Anfang stellen kann, lautet: Wie hat sich Gedächtnis entwickelt? Wie weit gibt es bei Tieren vergleichbare Formen zu Gedächtnis, das heißt, wie ist die vermutliche Evolution unseres Gedächtnisses?

In der Evolution ist „Gedächtnis” eng mit „Geruch” verknüpft

Aus evolutionsbiologischer Sicht ist Gedächtnis sehr eng mit unserem Geruch verknüpft. Sehen wir uns die Tierwelt an: Hunde schnüffeln an anderen Hunden. Sie stellen dadurch fest, ob ein anderer Hund paarungsbereit oder aggressiv ist und können insofern auch Begegnungen mit anderen Tieren vermeiden. Man weiß auch, dass sehr viele männliche Tiere – ob man da an Löwen oder an Nashörner denkt, oder eben auch an Hunde – ihr Revier markieren. das heißt, wenn ein jüngerer Hund oder Löwe über das Revier geht, muss er befürchten, von einem älteren Tier angegriffen und möglicherweise schwer verletzt zu werden. Insofern ist also die Fähigkeit, über den Geruch Informationen zu speichern, sehr wesentlich für Tiere und schützt sie individuell vor einem frühzeitigen Tod.
Das gleiche gilt auch für die Art, für die Gattung. Auch da ist es wichtig, aggressive Rivalen von sich fernzuhalten, um das Überleben der Spezies langfristig zu sichern. Wir wissen heute, dass die Hirnregionen, die mit Geruch zu tun haben, sich gerade bei der Entwicklung des Menschen zu denen entwickelt haben, die zentral sind für Gedächtnisverarbeitung, für das Einspeichern von Information und auch wieder für den Abruf von Information.

Klassische Konditionierung

Wir sagen heute, dass es nicht ein Gedächtnis gibt, sondern dass Gedächtnis sich entwickelt. Der berühmte Nobelpreisträger Eric Kandel hat sein Leben damit verbracht, über ganz einfache Tiere – Meeresschnecken, Aplysia – zu forschen. Diese Tiere sind, etwa ein Pfund schwer und 40 cm lang. An diesen Tieren hat er untersucht: Was verändert sich in deren Gehirnen, wenn sie ihre Kiemen zurückziehen, also erschreckt sind und ähnliches.
Es gibt in der Tradition der Gedächtnisforschung das große Gebiet der „klassischen Konditionierung”. Dieser Bereich ist eng verbunden mit dem Namen Iwan Pawlow, der um 1900, 1910 vor allem Hunde untersuchte: Wenn ein Hund Futter bekommt, läuft ihm der Speichel im Maul zusammen. Pawlow hat nun dem Tier zuerst ein Stück Fleisch gezeigt und dann, kurz bevor er das Fleisch zeigte, mit einer Glocke einen Ton erschallen lassen. Er fand heraus, dass der Hund schon anfing zu speicheln, wenn nur der Glockenton ertönte.
Das ist eine Form von Konditionieren, bei der, ohne dass das Tier etwas dagegen machen könnte, eine Reaktion in ihm vorgeht, eben dass ihm der Speichel im Maul zusammenläuft. Diese Form der Konditionierung wurde vor allem in der damaligen Sowjetunion als Hauptform von Gedächtnisentwicklung und Lernen propagiert.

Operante Konditionierung

In den USA ging man einen anderen Weg. Dort stand die sogenannte „instrumentelle” oder „operante Konditionierung” im Vordergrund. Hier hatten die Individuen, vor allem auch Tiere, eine Wahlfreiheit. Das heißt, man zeigte ihnen zum Beispiel zwei Reize: auf der einen Seite senkrechte, schwarzweiße Streifen, auf der anderen waagrechte, schwarz-weiße Streifen. Sie mussten lernen: „Immer da, wo die senkrechten Streifen sind, wartet dahinter eine Futterbelohnung”. Sie mussten die senkrechten wählen, die waagrechten vermeiden, um zu ihrem Futter zu kommen. Das nennt man „operantes Konditionieren”.
Und dann gibt es noch die höheren Formen. Erst vor kurzem wurde ein Beispiel bekannt, wo man herausgefunden hat, dass ein Hund in der Lage war, über 200 Puppen am Namen zu erkennen. Sein Frauchen hat ihm zugerufen: „Hol Josefine” und er brachte ihr die richtige Puppe an. Dann haben die Forscher eine neue Puppe dazu gelegt, dem Hund rief sein Frauchen zu: „Hol Sirikit” und der Hund – das sieht man in einem Film, der das Experiment dokumentiert – dreht sich erst dreimal im Kreis und überlegt: Was kann die wohl gemeint haben? Dann rennt er jedoch zielstrebig auf die neue Puppe zu und bringt ihr „Sirikit”.

Einsichtsvolles Lernen bzw. Probemlösefähigkeit

Das ist schon eine Leistung, die vermutlich ein dreijähriges oder auch ein vierjähriges Kind noch nicht erbringen würde, also etwas sehr komplexes. Wir finden das auch bei anderen Tieren, insbesondere natürlich bei Schimpansen, da nennen wir die Form von Lernen „Problemlösen”. Zum Beispiel: Der Forscher hängt hoch an die Decke eine Banane. Der Schimpanse kann sich noch so recken und springen, er kommt nicht an die Banane. Andererseits liegen jedoch Bambusstöcke auf dem Fußboden und ein paar Kisten sind nebeneinander gestellt. Die Affen steckten jetzt entweder Bambusstöcke ineinander und schlugen dann die Banane von herunter oder sie stapelten Kisten übereinander, kletterten hoch und holten die Banane ebenfalls herunter.

„Beobachtungs-” oder „Imitationslernen” – typisch menschlich

Dieses Verhalten ist eine sehr hohe Form von Lernen, wir nennen das „einsichtsvolles Lernen” oder eben „Problemlösefähigkeit”. Auch das findet man erst im Laufe der Entwicklung, das heißt bei Kleinkindern kommt das noch nicht vor. Kleinkinder sind auch noch nicht in der Lage, beispielsweise „Konzepte” zu bilden, also Dinge nach irgendwelchen Oberbegriffen zu ordnen: Das sind alles Gemüsesorten oder das sind alles Obstsorten. Das würde man als „Konzeptlernen” bezeichnen. Dann gibt es noch, und darin sind menschliche Kinder besonders gut, das sogenannte „Beobachtungs-” oder „Imitationslernen”. Wenn man zum Beispiel Schimpansenkinder mit menschlichen Kindern vergleicht – das hat man gemacht, indem man sie gemeinsam in einer Wohnung großzog – dann ist es häufig so, dass die Schimpansenkinder auch mit drei Jahren noch über Bänke und Tische springen, während Menschenkinder in diesem Alter schon massiv anfangen, zu imitieren, das heißt Erwachsene zu beobachten und nachzumachen, was sie tun. Das „Beobachtungs-” oder „Imitationslernen” zeichnet uns als Menschen besonders aus.

Beziehung zwischen Körper- und Hirngewicht

Die Forscher haben sich dann gefragt: Gibt es eine Beziehung zwischen irgendwelchen Gehirnmerkmalen und dem Gedächtnis? Was sich da zeigt und was vor allem untersucht wurde, ist, wie weit unser Körpergewicht mit unserem Hirngewicht gleichläuft. Es wurde eine Reihe aufgestellt, angefangen sagen wir mit dem Maulwurf, dann Ratte, Katze, Löwe, Mensch, Delfin und schließlich der Elefant. Dann wurde das jeweilige Körpergewicht unten auf der X-Achse und das zugehörige Gehirngewicht auf der Y-Achse abgetragen. Dabei hat man festgestellt: Für die meisten Tiere zeigt sich in der logarithmisierten Form eine Gerade, das heißt, es gibt eine lineare Beziehung zwischen Körpergewicht und Hirngewicht. Beim Menschen ist das ein wenig anders, da verschiebt sich die Gerade in Richtung Hirngewicht. Wir Menschen haben also relativ mehr Hirngewicht als Körpergewicht, was vermutlich mit unseren intellektuellen Leistungen zusammenhängt. Das Tier, das uns bei den Säugetieren am nächsten kommt, sind die Delfine, die ebenfalls relativ mehr Gehirngewicht im Vergleich zum Körpergewicht haben.
Eine Ausnahme in dem ganzen Tierspektrum machen die Vögel, was sich aber dadurch erklärt, dass sie ja einen sehr leichten Körperbauhaben müssen, damit sie fliegen können. Andererseits haben die Vögel ein recht einfaches Gehirn, können aber trotzdem – zumindest ein Teil der Vögel, die Rabenvögel oder die Papageien – außergewöhnliche Leistung vollbringen. Dass Papageien die menschliche Sprache nachahmen können, zum Teil sogar sinnvoll, um zum Beispiel darauf hinzuweisen, wenn sie irgendwas haben wollen, ist fast schon sprichwörtlich. Von Rabenvögeln weiß man, dass sie sogenannten „Werkzeuggebrauch” haben: Sie können sich irgendwelche Stöckchen oder Blätter abreißen und sie benutzen, um damit Würmer oder Maden aus dem Baum herauszuholen.
Die Vögel haben also im Tierreich noch einmal eine Sonderentwicklung. Trotzdem: Insgesamt kann man sagen, Tiere und insbesondere manche Säugetiere (Hunde, Affen) verfügen in Spezialbereichen über relativ ausgeprägte Leistungen, die vergleichbar sind mit denen drei-/vierjähriger Kindern, aber insgesamt – und das will ich im Weiteren erläutern – sagen wir dennoch, dass das menschliche Gedächtnis gekennzeichnet ist durch Funktionen, die bei Tieren so nicht auffindbar sind.

Kurz- und Langzeitgedächtnis – Alt- und Neugedächtnis

Und damit will ich jetzt zum menschlichen Gedächtnis kommen. Die meisten von Ihnen kennen die Unterscheidung zwischen Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis. Die meisten Menschen verstehen unter „Kurzzeitgedächtnis” eher etwas, was ein paar Stunden anhält, vielleicht sogar einen Tag. Wir in den Wissenschaften und insbesondere in den Neurowissenschaften sehen „Kurzzeitgedächtnis” aber anders. Wir sagen: Das ist das Gedächtnis, das im Bereich von Sekunden bis wenige Minuten reicht. Und alles, was darüber hinaus geht, länger als drei, vier Minuten dauert, ist für uns „Langzeitgedächtnis”. Das ist eine bedeutende Differenzierung. jetzt eine Telefonnummer hört, dann kann er die kurz rekapitulieren, geht dann zum Telefon, wählt die Nummer, aber danach hat er sie wieder vergessen. Das wäre ein typisches Beispiel für „Kurzzeitgedächtnis”.
Eine weitere Differenzierung in der Wissenschaft ist die zwischen Neugedächtnis und Altgedächtnis. Unter „Neugedächtnis” verstehen wir, was neu erworben und dann bleibend abgespeichert wird. Die Negativ-Form heißt in der Wissenschaft „anterograde Amnesie”, dass man sich also nach vorwärts in die Zukunft gerichtet nichts mehr bleibend aneignen kann.
Die andere Seite – rückwärts sozusagen – das „Altgedächtnis” bezieht sich auf Informationen, die wir schon früher einmal gelernt und abgespeichert haben und bei denen es darum geht, sie jetzt wieder aktuell hervorzuholen, abzurufen. Hier heißt die negative Form dann „retrograde”, also zurückreichende Amnesie, dass man nicht mehr an das Alte herankommt. Ich will nachher zeigen, dass es Patienten gibt, die entweder das eine, das „Neugedächtnis” nicht mehr erwerben können oder andere, die nichts mehr aus dem „Altgedächtnis” zurückholen können.

Fünf Gedächtnisformen

Noch bedeutender als die Unterteilung, die ich soeben nach der Zeit gebracht habe, ist für uns die Unterteilung in Systeme. Seit 10 oder 20 Jahren sagt man, dass wir nicht ein Langzeitgedächtnis haben, sondern dass wir fünf Formen unterscheiden. Zuerst einmal zähle ich diese Formen kurz auf und dann erkläre ich sie näher.
Wichtig ist: Diese fünf Formen entwickeln sich einerseits innerhalb der Evolution, also von einfachen Tieren bis hin zum Menschen, andererseits entwickeln sich diese fünf Formen auch – wie wir sagen – ontogenetisch, das heißt vom Baby bis zum kleinen Kind.

Prozedurales Gedächtnis

Die einfachste Form ist das prozedurale Gedächtnis. Prozeduren, das sagt schon der Name, heißt: Hier geht es darum, irgendwelche motorischen Fertigkeiten, Dinge, die wir vielleicht als Kind kompliziert erlernen, später automatisch durchführen zu können. Beispiele wären: Autofahren, Skifahren, Fahrradfahren, Klavierspielen, Kartenspielen. All das tun wir routinemäßig, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. Dass dem tatsächlich so ist, dass wir nicht groß darüber nachdenken, will ich in einer Beispielfrage erläutern: Was müssen Sie beim Autofahren zuerst tun, wenn Sie vom zweiten in den dritten Gang schalten wollen? Viele würden jetzt spontan sagen: „Kupplung drücken”. Das ist aber falsch – denn erst müssen Sie mit dem rechten Fuß vom Gaspedal gehen. Das Beispiel zeigt Ihnen beim prozeduralen Gedächtnis, dass es herbei um Routinen geht, über die wir eben nicht nachdenken müssen. Wenn wir darüber nachdächten, wäre die Ampel schon längst wieder auf Rot, bevor wir die richtige Reihenfolge der Sequenzen beim Schalten gemacht haben. Das bedeutet: Prozedurales Gedächtnis entlastet uns im Alltag.

„Priming” – Prägung

Eine zweite Gedächtnisform ist ebenfalls unbewusst automatisch. Sie nennt sich „Priming”. Priming könnte man übersetzen als „Prägung” oder „Bahnung”. Nehmen wir wieder unser Autobeispiel. Sie sitzen im Auto, haben das Autoradio angestellt es wird eine Melodie gespielt und Ihnen fällt automatisch der Text zu der Melodie ein. Das wäre Priming, eine Prägung. Das wird heutzutage von der Werbung im Radio oder im Fernsehen genutzt. Sie sehen in der Spielfilmpause im Fernsehen Werbeblökke, zuerst Firma A für 20 Sekunden, dann Firma B für 20 Sekunden, dann Firma C für 20 Sekunden und dann geht es wieder zurück zu Firma A: Haben Sie schon gewählt für dieses oder jenes Produkt? Die Annahme ist: Als die Werbung der Firma A zum ersten Mal kam, hingen Sie mit den Gedanken noch am Spielfilm. Das ganze ist irgendwie unbewusst schon mal ins Gehirn gedrungen, hat da für den „Prime”, die Prägung gesorgt und wenn das ganze jetzt innerhalb kurzer Zeit gleich oder ähnlich abgekürzt wiederholt wird, führt das zu einer Art „Aha-Erlebnis”: Sie erinnern sich, da war doch eben schon mal das Ähnliche beworben worden und Sie kaufen dann eher dieses Produkt.
Diese beiden Gedächtnissysteme, Priming und prozedurales Gedächtnis, sind wichtig im Alltag. Was auch noch bedeutend ist, was man sich aber gar nicht so vor Augen führt, ist, dass wir das allermeiste, das wir von der Umwelt aufnehmen, unbewusst aufnehmen. Das hat in vielen Fällen keine weitere Bedeutung, aber in manchen Fällen wird es später wieder wirksam und führt zu einer Art Aha-Erlebnis, wenn man auf die gleiche Situation noch ein zweites Mal trifft.

Perzeptuelles Gedächtnis

Dann kommen wir zum dritten Gedächtnisbereich, das ist das perzeptuelle Gedächtnis. Hier geht’s um Dinge, die man als bekannt erkennt, die einem irgendwie familiär vorkommen. Da nehme ich das Beispiel vom Apfel: Es ist gleichgültig, ob Sie einen roten, grünen, einen ganzen oder einen angebissenen Apfel sehen, Sie erkennen ihn automatisch als Apfel und können ihn sicher von Birne oder Pfirsich differenzieren. Dazu brauchen Sie auch keine Sprache, das geht einfach über den Blick auf das Obststück. Das ist aber andererseits auch eine bewusste Entscheidung, das heißt, ab jetzt kommen wir auf die bewusste Ebene der Gedächtnissysteme und die setzt sich fort mit dem, was wir „Wissens-System” nennen.

Wissens-System

Wissens-System meint alle Informationen, im Grunde Fakten, die wir einmal als Schulwissen erworben haben und die zum anderen von uns später als Weltwissen aufgenommen wurden. Also Dinge wie: Oslo ist die Hauptstadt von Norwegen oder 23 =8 oder a2 + b2 = c2. Also es muss nicht immer sprachlich sein, es kann auch mathematisch sein, in jedem Fall aber sind es Dinge, von denen wir wissen, das sind Fakten, die gelten so, die haben Bestand, von denen wir aber nicht wissen, wann und wo wir sie gelernt haben. Das heißt: Da haben wir keinen Kontext in unserem Gedächtnishintergrund, in unserem Gehirn.

Episodisch-autobiographisches Gedächtnis

Das ist dann anders bei dem fünften und letzten Gedächtnissystem, das heißt bei dem, was wir „episodisch-autobiographisches Gedächtnis” nennen. Das ist, wenn man so will, das komplexeste, komplizierteste Gedächtnissystem, das was auch am anfälligsten ist gegenüber Hirnschäden. Hier geht es immer um sich selbst als Person in Beziehung zur Umwelt, zur sozialen, biologischen Umgebung und um eine Bewusstmachung von Erinnerungen. Hier geht es also nicht mehr um reine Fakten, sondern es geht um persönlich Erlebtes, um Lebenserinnerungen, die man in einen Kontext setzen kann, wo man also weiß, wann man das erlebt hat, wie lange das schon her ist und an welchem Ort man das erlebt hat. Hier haben wir ein bewusstes Zurückgehen in der Zeit und, was auch wichtig ist, hier verknüpfen wir die Erinnerungen mit Emotionen, wir bewerten. Wie war das damals, als wir uns an dies oder jenes erinnert haben? War das ein schönes Erlebnis oder war das eher ein trauriges Erlebnis? Dieses Gedächtnissys...

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