Vom Wert des Lebens und der Freiheit
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Vom Wert des Lebens und der Freiheit

  1. 96 Seiten
  2. German
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Vom Wert des Lebens und der Freiheit

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Unser Gefühl frei zu sein wird als eine Illusion bezeichnet. Julian Nida-Rümelin entwickelt in seinem Buch Gedanken zur menschlichen Freiheit und Verantwortung, die unserer lebensweltlichen Praxis entsprechen und mit wissenschaftlichen Forschungsergebnissen vereinbar sind.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783831269563
ÜBER MENSCHLICHE FREIHEIT2
Die menschliche Freiheit ist eines der ältesten Themen, die die Menschheit überhaupt beschäftigt haben. Man kann sagen, dass die Philosophie fast von ihrem Anbeginn an – wobei sich die Vor-Sokratik damit interessanterweise noch nicht beschäftigt hat – immer wieder auf dieses Thema zurückkommt. In immer neuen Anläufen setzt sie sich damit auseinander, was eigentlich die menschliche Freiheit und Verantwortlichkeit ausmacht und wie Freiheit und Verantwortung miteinander zusammenhängen.
Wenn man zu erklären versucht, warum das die Menschen offenbar nicht loslässt, dann scheint mir vor allem eine Erklärung sehr plausibel zu sein: Die Freiheit, die wir empfinden, ist das Gefühl. Ich entscheide, ob ich jetzt hier stehe oder gehe, Sie entscheiden, ob Sie weiterlesen oder nicht. Es ist etwas, was ganz unter unserer eigenen Kontrolle ist. Darüber hinaus haben wir nicht erst seit heute, sondern schon seit der Antike eine sehr starke Intuition, die etwa Folgendes besagt: Jedes Ereignis der Welt hat seine Ursache. Nichts passiert zufällig, nichts passiert willkürlich, es gibt Gesetzmäßigkeiten, die einen Zusammenhang herstellen zwischen Ereignissen jetzt und Ereignissen später, zwischen Weltzuständen jetzt und Weltzuständen später.
Selbstbild und Weltbild
Damit ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen unserem Selbstbild als Akteure, als Verantwortliche, als diejenigen, die Autoren ihres Lebens sind, und auf der anderen Seite unserem Weltbild, das im Lauf der Geschichte der Menschheit immer mehr durch wissenschaftliche Forschungsergebnisse angereichert wurde. Die These also: Wir kriegen die Freiheitsthematik deshalb nicht los, weil es ein Spannungsverhältnis zwischen Selbstbild und Weltbild gibt.
Gegenwärtig erlebt diese Thematik wieder einmal eine Boomphase. Typischerweise wurde diese durch den Erfolg einer Naturwissenschaft ausgelöst, nämlich der Neurowissenschaft. Es gibt da ganz unterschiedliche Untersuchungsmethoden und einige auch durchaus provokative Thesen einiger Neurowissenschaftler, vor allem in Deutschland. Sie besagen, dass die Neurowissenschaft jetzt bewiesen habe, dass unser Selbstbild – Selbstbild als verantwortlich und frei – empirisch widerlegt sei. Wir geben uns da einer Täuschung, einer Illusion hin. Offen bleibt zunächst, was für Konsequenzen das im Einzelnen haben soll. Muss das Strafrecht dann reformiert werden oder nicht? Jedenfalls haben das viele, vor allem in den Feuilletons und zum Teil auch in den wissenschaftlichen Disziplinen als eine Herausforderung an unser Selbstbild empfunden. Wird das Selbstbild als freier, verantwortlicher Akteur grundlegend infrage gestellt oder nicht?
Ich selbst habe mich mit dieser Thematik schon vor vielen Jahren auseinandergesetzt. Zunächst einmal ganz unabhängig von der neurowissenschaftlichen Herausforderung. Dann habe ich versucht, die verschiedenen Stränge der Überlegungen so kompakt wie nur möglich zusammenzufassen. Daraus ist ein kleines Büchlein hervorgegangen. Es hat den Titel »Über menschliche Freiheit« (Reclam, 2005). Das ist nicht sehr umfangreich, so etwa 170 Seiten, aber zugegebenermaßen ist es zum Teil nicht sehr einfach zu lesen.
Was ich mir jetzt vorgenommen habe, ist nicht, Ihnen diese Lektüre zu ersparen, sondern in sehr knapper, kompakter Form, in einer Sprache, die auch für diejenigen verständlich ist, die sich nicht intensiver mit Philosophie beschäftigt haben, die Grundgedanken zur Frage Was ist menschliche Freiheit? so zu erläutern, dass sie dann vielleicht auch mehr Gewinn von der Lektüre dieses Textes und vieler anderer Texte, die gegenwärtig auf dem Markt sind, haben.
Freiheit und Verantwortung
Auf der ersten Etappe dieses »Gedankenausflugs« – so wollen wir das einmal nennen – versuche ich, genauer zu klären, welche Rolle Freiheit und Verantwortung eigentlich in unserer Lebenswelt, in unseren alltäglichen Interaktionen, in der Art und Weise, wie wir uns verständigen, spielen. Man könnte vermuten, gar keine.
Wir machen uns gegenseitig Vorwürfe, wir loben uns, das heißt, wir nehmen wertend Stellung zu fremdem Handeln und – wenn wir selbstkritisch sind – auch zu eigenem Handeln. Wir beurteilen die Überzeugungen, die Äußerungen von anderen Personen und von uns selbst, wir tauschen Gründe aus. Aber ein genauerer Blick zeigt, dass diese Alltagspraxis, an der wir alle teilhaben, bestimmte Voraussetzungen hat. Philosophen nennen das gern Präsuppositionen, Voraussetzungen, die unverzichtbar sind, ohne die diese Praxis gar nicht verständlich wäre, ja eigentlich gar nicht existieren könnte. Und zu diesen Voraussetzungen gehören Freiheit und Verantwortung.
Das muss ich kurz erläutern. Machen wir es einmal ganz konkret: Nehmen wir bestimmte moralische Gefühle, auch reaktive Einstellung gegenüber anderen Personen, wie verzeihen, etwas übel nehmen oder auch Dankbarkeit. Das sind zentrale Gefühle. Man kann sich kaum vorstellen, dass eine soziale Welt, jedenfalls so, wie wir sie kennen, ohne solch moralische Gefühle und reaktive Einstellungen existieren könnte. Reaktive Einstellungen insofern, weil wir damit auf Handlungen oder Äußerungen reagieren. Wir verzeihen etwas, nachdem wir es übel genommen haben. Jetzt haben wir den Eindruck, die Person ist zur Einsicht gekommen. Sie bereut auch, was sie getan hat, vielleicht hat sie sich entschuldigt.
Moralische Gefühle und reaktive Einstellungen
Die These lautet zunächst: Ohne diese moralischen Empfindungen und reaktiven Einstellungen gäbe es die Praxis, an der wir alle teilhaben – nennen wir sie die moralische und soziale Praxis unserer Alltagswelt –, nicht. Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, ob Freiheit dabei eine Rolle spielt.
Nehmen wir folgendes Beispiel: Eine Person hat mir einen Brief geschrieben, in dem sie mich beleidigt. Ich bin deshalb schlecht auf diese Person zu sprechen, ich nehme ihr das übel. Ich denke, sie hatte keinen Grund dazu, mir solch einen Brief zu schreiben. Eines Tages stelle ich die Person zur Rede und frage, wie das denn erklärlich ist, was sie getan hat. Ich mache dem Briefschreiber Vorhaltungen. Dann stellt sich zu meiner Überraschung heraus, dass es sich hier um eine Art Kriminalfall handelt, dass die Person entführt und erpresst und dazu gezwungen worden war, diesen Brief zu schreiben. Ich nehme an, jeder von uns ändert schlagartig seine Einstellung, wenn er das erfährt. Diese Person ist exkulpiert, das Übelnehmen meinerseits ist nicht mehr begründet. Ich muss ihr nicht einmal verzeihen, weil ich keinen Grund hatte, etwas übel zu nehmen. Warum hatte ich keinen Grund, etwas übel zu nehmen? Weil ich jetzt weiß, dass der andere in Wirklichkeit nicht frei, sondern unter Zwang gehandelt hat. Er hat nicht aus Gründen, aus Überzeugungen, so gehandelt, sondern weil ihm keine andere Option des Handelns offen stand, außer er hätte damit große Probleme heraufbeschworen.
Das heißt also, wir schreiben uns wechselseitig Verantwortung für unsere Taten – einschließlich des Schreibens beleidigender Briefe – nur unter der Voraussetzung wechselseitiger Freiheit, nämlich der Freiheit, so oder auch anderes handeln zu können, zu. Oder etwas spezifischer: bestimmte Gründe für das, was wir tun, gehabt zu haben. Das, was wir taten, war das Ergebnis der Abwägung von Gründen.
Subjektive und objektive Einstellung
Ich habe jetzt indirekt auf einen epochalen Aufsatz von Peter Strawson angespielt, der aus den Anfangsjahren der 1960er stammt und der den Titel »Freedom and resentment« trägt. Darauf nehmen noch viele Philosophen Bezug, wenn sie sich mit dieser Thematik auseinandersetzten. Ich korrigiere jetzt das, was Strawson und seine Anhänger aus diesem Aufsatz ziehen, weil ich glaube, dass er eine Schlagseite hat, die in die Irre führt. Bei Strawson wird das so dargestellt: Es gibt zwei Arten von Einstellungen. Subjektive Einstellungen, das sind moralische und viele weitere Gefühle. Das bindet uns aneinander. Sie sind gewissermaßen der Mörtel des sozialen Lebens. Auf der anderen Seite haben wir eine objektive Einstellung. Da wird der andere zum Objekt, auch zum Objekt der Beeinflussung und der Manipulation.
Die These von Strawson ist nun: Wir sind aufgrund dieser subjektiven Einstellung, dieser auf moralischen Gefühlen beruhenden Einstellung, Teil der sozialen Welt. Wir würden die Verbindung zur sozialen Welt verlieren, wir würden radikal vereinzeln und vereinsamen, wenn wir gegenüber anderen eine objektive Einstellung einnähmen.
Das ist von großer Bedeutung und sicher auch nicht ganz falsch, denn gibt es doch viele in der Geschichte des Denkens über Freiheit, die gesagt haben, die Problematik mit Ethik und Verantwortung einerseits und Freiheit andererseits wäre ganz einfach zu lösen. Wir müssten nicht annehmen, dass die Leute frei sind, um verantwortlich zu sein. Es genügt, dass wir annehmen, dass unser Tadeln, unser Kritisieren, die Vorhaltungen, die wir machen, einen Einflu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Urheberrecht
  3. Titelblatt
  4. Inhalt
  5. Was macht den Wert menschlichen Lebens aus?
  6. Über menschliche Freiheit
  7. Über den Autor