Hexen
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Die Bräute des Satans

  1. 80 Seiten
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Die Bräute des Satans

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Eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der katholischen Kirche ist die Jagd auf angebliche Hexen. In vier Jahrhunderten, vom Beginn des 14. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, konnte jede Frau - einmal der Hexerei angeklagt - auf dem Scheiterhaufen brennen. Wie viele diesen qualvollen Tod erleiden mussten, vermag heute niemand mehr zu sagen. Die Schätzungen belaufen sich auf eine bis acht Millionen Opfer.Wie eine Epidemie griff der Hexenwahn in Mitteleuropa um sich. Niemand blieb verschont: Kinder, Hebammen, schöne Frauen in der Blüte ihres Lebens, ehrwürdige Greisinnen aber auch Männer waren die unschuldigen Opfer einer gnadenlosen Tötungs-Maschinerie, die überall in Europa Angst und Schrecken verbreitete. Erst mutige Aufklärer setzten Ende des 18. Jahrhunderts dem Spuk ein Ende.

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Information

Jahr
2011
ISBN
9783831255948
Das Mittelalter war eine schreckliche Zeit. Kriege und Seuchen wüteten. Die Menschen hatten unendlich viele Gründe sich vor den Unbillen des Schicksals zu fürchten. Es war die Zeit dunkelster Mythen und grausamer Bräuche. Der schlimmste von allen war wohl die damals gängige Praxis der Hexenverbrennung. Sexuelle Verklemmung, ärgster Aberglaube und handfeste Interessen, oft von der Kirche geflissentlich unterstützt, verbündeten sich hier zu einem Verfolgungskult, dem viele, oft auch fortschrittliche Frauen zum Opfer fielen.
Der böse Höhepunkt dieser grauenvollen Tradition waren die Hexenverbrennungen. Sie waren öffentliche Spektakel, die willkommene Abwechslung für den tristen und mühseligen Alltag der Menschen des Mittelalters boten. Diese sorgsam inszenierten Massenhysterien, brachten die Menschen zur Raserei. Lauthals wurde der Tod der bösen Hexe gefordert. Und wenn dann die Flammen loderten, wurde laut gejubelt: „Sie brennt, die Hexe brennt.” Die Grausamkeit konnte nicht weit genug gehen. Das qualvolle Sterben und die Todesschreie des gemarterten Opfers stachelten den Massenfuror nur noch weiter an.
Rational denkende Menschen konnten wenig gegen diesen Massenwahn tun. Das erlebte auf brutale Weise sogar einer der größten Denker dieser Zeit, der Astronom Johannes Kepler. Er hätte sein Gesetz über die Planetenbewegung vielleicht schon fünf Jahre früher entwickeln können, wäre er nicht gezwungen gewesen, seine Mutter gegen den Vorwurf der Hexerei zu verteidigen. 1615 wurde die Witwe Katharina Kepler erstmals der Hexerei beschuldigt, erst am 28. September 1621 erfolgte ihr endgültiger Freispruch.
Die Mutter des weltberühmten Astronomen entsprach genau den damals herrschenden Klischeevorstellungen einer Hexe. Als klein, mager, von schwärzlichbrauner Gesichtsfarbe wurde ihr Äußeres beschrieben. Sie galt zudem als klatschsüchtig und zänkisch. Sie kannte sich mit heilkundigen Kräutern aus und wurde oft zu kranken Menschen oder Tieren gerufen. Natürlich gingen die Heilungszeremonien damals nicht ohne Handauflegen und Segensprechungen ab. Das alles war sehr, sehr verdächtig…
Und dann war doch noch die Sache mit ihrem Mann, so munkelte man schon bald nach Prozessbeginn. Da sei doch auch nicht alles mit rechten Dingen zugegangen: Kurz nachdem sich die Eltern von Johannes Kepler im schwäbischen Leonberg niedergelassen hatten, war der Ehemann und Vater verschwunden. Er galt seither als in Kriegsdiensten gefallen oder verschollen. Als nun der Hexerei-Verdacht aufkam, erinnerte man sich daran, dass er sein Weib öfter übel behandelt hatte. Vielleicht hatte sich ja Katharina an ihm mit ihren Hexenkünsten gerächt?
In der Anklageschrift tauchte dieser Punkt zwar nicht auf, dafür wurden darin aber so ungefähr alle Unglücksfälle aufgezählt, die den Dorfbewohnern in Leonberg in den letzten Jahren widerfahren waren. Sie habe das Vieh behext, hieß es, habe einem Vater zwei Kinder getötet, sich als Kupplerin des Teufels betätigt und diesem eine junge Frau aus dem Ort zugeführt. Auch die Lähmung des Dorfschneiders wurde ihr zugeschrieben und vieles andere mehr. Dazu kamen die in Hexenverfahren üblichen Vorwürfe der Zauberei und der Gotteslästerung.
Der Aberglaube hatte in jeder Zeit jedes rationale Denken verdrängt. Alles war beherrscht von der Vorstellung eines allgegenwärtigen, personifizierten Teufels. Damals wurden sogar die unwahrscheinlichsten Dämonen- und Gespenstergeschichten in „wissenschaftlichen” Werken bewiesen. In solch einer Zeit schien Katharina Kepler in höchstem Maße verdächtig. Und streitbar wie sie war, legte sich die alte Frau überflüssigerweise auch noch mit dem Richter an. Der sah diesen Fall fortan als persönliche Herausforderung und strengte sich mit der Klage gegen die Keplerin besonders an.
Um seine Mutter dem ständigen Druck, der vom Gericht ausgeübt wurde, zu entziehen, lud Johannes Kepler sie für einige Wochen ins österreichische Linz ein. Damit erreichte er jedoch genau das Gegenteil: Der Richter wertete die Reise von Katharina Kepler als Flucht, als Schuldanerkenntnis. Sie müsse wohl ein schlechtes Gewissen haben, meinte er. Bei der Böswilligkeit, mit der das Verfahren gegen sie betrieben wurde, hätte man aber wohl auch ihr Verweilen in Leonberg als belastendes Indiz gewertet.
Der Jesuit Friedrich von Spee, der wohl bedeutendste Bekämpfer des Hexenwahns im 17. Jahrhundert, beschrieb die Zwickmühle, in der Frauen damals stecken, die der Hexerei beschuldigt wurden: Erfährt die Verdächtigte etwas von den Anschuldigungen und entzieht sich der Festnahme durch Flucht, so erklären die Richter zugleich, das sei ein außerordentlich starkes Indiz dafür, dass sie schuldig sei, da sie ein schlechtes Gewissen habe. Bleibt die Beschuldigte indessen da, so ist auch das ein Indiz: der Teufel, sagen sie, hält sie fest, dass sie nicht fort könne.

Drohung mit Folter

1620 erfolgte schließlich die Verhaftung der Katharina Kepler, kurz nachdem sie wieder nach Leonberg zurückgekehrt war. In einem für die Hexenprozesse typischen Schnellverfahren sollte die Sache gegen die Frau rasch zu Ende gebracht werden. Der Richter hatte schon einen Foltertermin angesetzt, als Johannes Kepler, immerhin kaiserliche Hofastronom und Astrologe, von Linz nach Leonberg eilte, um seiner Mutter beizustehen.
Mit widerwilliger Hochachtung bedachten die Leonberger Richter jenen Mann, der zu den engsten Beratern des Habsburger Kaisers Rudolph II. gehört hatte, einen Geheimwissenschaftler und Sterndeuter, dessen Kalendervoraussagen auch in weiten Kreisen der Bevölkerung anerkannt wurden. Vor dem Leonberger Gericht nutzte Kepler seinen Ruf weidlich aus und erreichte schließlich, dass die Prozessakten der juristischen Fakultät der Universität Tübingen zwecks Erstellung eines Gutachtens vorzulegen seien.
Das Ergebnis ließ nicht allzu lange auf sich warten: Katharina sollte peinlich befragt werden. Das hieß Folter. Aber, und das war entscheidend, es sollten ihr nur die Instrumente gezeigt werden. Wenn sie, Katharina Kepler, daraufhin standhaft bliebe, sollte sie frei zu lassen sein. Eine im Vergleich mit der sonst herrschenden Praxis zurückhaltende, geradezu menschliche Entscheidung. Der Beschluss der „Territio”, der Schreckung, wurde Katharina Kepler natürlich nicht mitgeteilt. Ihr wurde lediglich der erste Satz des Gutachtens vorgelesen. Sie vertraute jedoch auf ihre Unschuld und auf Gottes Hilfe und bestand die Probe.
Man fange mit mir an, was man will, ich weiß nichts zu bekennen. Wäre ich eine Unholdin, so würde ich es längst bekannt haben. Sollte ich aus Marter und Pein etwas bekennen, so ist es doch nicht die Wahrheit. Ich sterbe darauf, dass ich mit der Hexerei nichts zu tun gehabt habe. Gott, dem ich alles befehle, wird die Wahrheit nach meinem Tod offenbaren. Er wird mein Beistand sein und seinen heiligen Geist nicht von mir nehmen. ”So sind die Sätze der Katharina Keplerüberliefert, als ihr die Folterinstrumente gezeigt wurden.
Am 28. September 1621 wurde Katharina Kepler wieder frei gelassen. Sie musste jedoch die Kosten des Verfahrens tragen. Auch das war üblich in einer Zeit, in der die Furcht vor Hexen und Zauberern zu einer wahren Epidemie ausartete. Kinder denunzierten ihre Eltern und Eltern beschuldigten ihre Kinder der Hexerei. Scharfrichter zogen mit ihren Bütteln auf der Suche nach Opfern durchs Land und ließen sich für ihre Henkersdienste gut bezahlen. Wenn vom finsteren Mittelalter die Rede ist, dann sind vor allem auch die brennenden Scheiterhaufen der katholischen Inquisition gemeint.

Geschichte des Hexenglaubens

Der Hexenwahn ist uralt und aus dem Heiden- und Judentum auf die christlichen Völker übergegangen. Bei den Juden schlug der Teufelsglaube Wurzeln, nachdem sie mit den Persern in Berührung gekommen waren. Moses bestrafte Zauberei, Wahrsagerei und Zeichendeuterei mit dem Tode. Welchen Sinn würde ein solches Verbot gehabt haben, wenn der Glaube daran im Volke nicht vorhanden gewesen wäre? Bei den Römern enthielten schon die zwölf Tafeln, Roms ältestes Gesetzbuch, Strafen für diejenigen bereit, die durch Zaubersprüche Menschen schädigten oder Feldfrüchte verdarben.
In den ersten Jahren des Christentums, als die junge Religion noch vielen Verfolgungen ausgesetzt war, bildete sich die apokalyptische Vorstellung des Antichrists als eines dämonischen Widersachers Christi und seiner Kirche. Die Gläubigen verstanden darunter die Unterdrücker und Verfolger der neuen Glaubenslehre. Als die Christenverfolgungen dann endlich aufhörten, stellten sich die frommen Menschen unter dem Antichristen den Fürsten der Finsternis vor. Ein von Gott verstoßener Engel, der ein sichtbares irdisches Reich gründen wolle und deshalb einen großen Kampf beginnen werde, schließlich jedoch unterliegen müsse.
Zunächst ging die Kirche gegen den Aberglauben, der ihrer Meinung nach heidnischen Ursprungs war, energisch vor. Die Synode von Paderborn im Jahre 785 bedrohte jeden mit dem Tode, der, vom Teufel verführt, nach Art der Heiden glaubte, jemand sei eine Hexe und fresse Menschen, vor allem kleine Kinder. In demselben Sinne forderte noch Papst Gregor VII. den König von Dänemark auf, zu verhindern, dass in seinem Land bei Unwettern und Seuchen unschuldige Frauen als Zauberinnen verfolgt würden, die angeblich das Unglück verursacht hätten.
Doch es half keine noch so schwere Strafandrohung. Und mit der Verbreitung des Mönchstums wurde der Hexenglaube immer phantastischer. In der Abgeschlossenheit ihres Klosterlebens hatten Mönche und Nonnen genügend Muße, um das unsichtbare Geisterreich mit allerhand Truggestalten zu bevölkern und den Aberglauben in ihrem Interesse zu fördern. Denn das ungebildete Volk suchte bei ihnen Schutz gegen die Bedrohung durch die bösen Geister. Dadurch festigte sich die Herrschaft der Geistlichen über schwache Gemüter immer mehr.
Gern erkauften sich Laien auch den geistlichen Schutz vor höllischen Anfechtungen. besonders solche, die ihr Gewissen von schwerer Schuld befreien wollten. Sie stifteten Kirchen und machten Klöstern beträchtliche Schenkungen, um sich durch das Gebet der Beschenkten die ewige Seligkeit zu sichern. Das behagte natürlich der Geistlichkeit. Konsequenterweise hielt sie es für unklug, den Aberglauben, die Ursache dieser Annehmlichkeiten, durch Aufklärung zu zerstören. So erhielt denn der Teufel durch die Phantasie der Menschen immer konkretere Konturen: er wurde der Inbegriff alles Naturwidrigen, Hässlichen und Grässlichen.
Der Hexen- und Zauberglaube verfestigte sich noch mehr, als die Inquisition zu wüten begann. Die römische Kirche vermischte nun die Zauberei mit dem Begriff der Ketzerei. Die beschränkten Pfaffen und Mönche, die fortan über die vermeintlichen Glaubensabweichler zu Gericht saßen, stempelten nur allzu leichtfertig mit der Bezeichnung „Zauberei” ab, was über ihr Fassungsvermögen hinaus ging. So erweiterten sie das Reich des Aberglaubens mit einer Unzahl unsinniger, phantasievoller Vorstellungen.
Die Hirngespinste der Richter fanden mehr und mehr Eingang in die Vorstellungswelt der Bevölkerung. So kam es, dass völlig unschuldige, aber nervenschwache, überspannte und von der Existenz des Teufels überzeugte Menschen sich schließlich mit dem Satan für verbündet hielten, wenn sie lebhaft von nächtlichen Treffen mit dem Herrn der Finsternis träumten. Solche Träume waren durchaus erklärlich, bekam jedermann fortwährend schon von Kindesbeinen an vom Aberglauben geprägte Schreckensvorstellungen erzählt. Gerade Personen mit besonders zartem Gewissen fürchteten sich am meisten, in die Fallstricke des Teufels zu geraten. Dazu trugen auch die Legenden von den Versuchungen der Heiligen bei. Solche oft durch Hysterie hervorgerufenen Visionen kamen bei Frauen damals häufiger vor als bei Männern. Auch so ist es zu erklären, dass es mehr Hexen gab als Zauberer.

Wie aus Ketzern Hexen wurden

Der exakte Beginn und das Ende der Hexenprozesswelle in Europa lassen sich nicht an bestimmten Jahresdaten festmachen. Bis zum Ende der 80er-Jahre des 15. Jahrhunderts waren die theoretischen Grundlegungen des Hexenwesens im Wesentlichen fixiert. Doch auch schon vorher kam es mitunter zu Gerichtsverhandlungen, die charakteristische Merkmale eines Hexenprozesses trugen. Allerdings lässt es sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob das damals noch ein Ketzerprozess oder schon ein Hexenprozess war.
Der Dominikaner Nicolaus Jacquier, Führer der Inquisition in Nordfrankreich, war der erste, der die Brücke von der Ketzerei zur Hexerei schlug. In seiner vielbeachteten Schrift „Ketzergeißel” schildert er Rituale des Teufelskultes, wie sie bereits dem Templerorden vorgeworfen wurden. Die Anbetung des Teufels und die Feier sexueller Orgien bildeten das Herzstück der Vorwürfe. Zielsetzung jeder teuflischen Vereinigung, so Nicolaus Jacquier, sei die absolute Bekämpfung des allein selig machenden katholischen Glaubens. Daher, resümierte der Dominikaner spitzfindig, werde die Verleugnung des Glaubens auch nur von Christen gefordert, nicht aber von Mohammedanern oder Juden.
Den Grenzüberschritt vom Ungläubigen zum Ketzer definierte Jacquier, wenn ein Ungläubiger von einer bislang antikirchlichen Einstellung zu einer allgemein Schaden stiftenden neuen Zaubersekte umschwenkt. Dann nämlich erhalten die Ungläubigen während oder nach der Anbetung des Teufels Mittel, mit denen sie ihren Mitmenschen Übles antun konnten. Und schon wird aus einem Ketzer ein Zauberer oder eine Hexe.
Jacquier hatte in seiner Schrift auch vielfältige Möglichkeit aufgezeigt, Ketzer schon allein wegen eines Schadenzaubers verurteilen zu können. Gerade solch eine Schadensverursachung war nach deutschem Recht unabdingbare Voraussetzung für ein Todesurteil. Welch ungeheure Auswirkungen sein Werk vor allem in Deutschland haben sollte, hatte der fromme Phantast vermutlich nicht geahnt.
Jacquier zeichnete auch verantwortlich für die Beschreibung eines prozessualen Hilfsmittels, das den Hexenrichtern schon vor Verhandlungsbeginn ein starkes Indiz für die Schuld des Angeklagten geben konnte: das Hexenmal, das „stigma dia- bolicum”. Wenn eine Hexe zum ersten Mal an einem Hexensabbat teilnahm, behauptete Jacquier, verlange der Teufel von ihr neben der Abschwörung Gottes einen Treue- und Gehorsams-Eid. Und weiter: „Daraufhin drückte der Teufel mit seiner linken Klaue der Hexe ein Zeichen ein, das sich als Muttermal oder Warze auswuchs, völlig schmerzunempfindlich wurde und blutleer blieb.” Auf dieser Theorie baute die später bei Hexenprozessen einheitlich durchgeführte Nadelprobe auf.
Das Hexenmal war erfunden worden, um den Pakt der Hexe mit dem Teufel nachweisen zu können. Die Nadelprobe diente zum Beweis, dass das Hexenmal tatsächlich vom Teufel eingebrannt war. Aber auch ohne das verdächtige Hexenmal wurde den Frauen, die sich erst einmal verdächtig gemacht hatten, buchstäblich ein Strick gedreht. Eine Frau, an der man das Hexenmal nicht entdecke, sei besonders verdächtig, argumentierte zum Beispiel der französische Jurist Jean Bodin, weil sich der Teufel ihrer Treue besonders sicher sei. Es reichte also meist schon allein, weiblichen Geschlechts zu sein, um sich verdächtig zu machen.
Ein Jahr nach der Veröffentlichung der Ketzergeißel kam es im französischen Arras zu einer Anzahl von Prozessen, in denen die Angeklagten zwar noch als Ketzer bezeichnet wurden. Aber die Vorwürfe, die ihnen gemacht wurden, waren weitgehend mit den späteren Hexenprozessen identisch. Dort zeigte sich zum ersten Male die zwangsläufige Folge neuer Prozesse durch „abgefolterte”, also abgepresste, Denunziation. Um von der Qual der Folter erlöst zu werden, beschuldigten die Delinquenten nahe Verwandte oder friedliche Nachbarn der Zauberei oder Hexerei.
Verfolgungs-Orgien wie in Arras waren auch in Deutschland im Schwange. Sie gerieten jedoch bald ins Stocken, nachdem der brutale Großinquisitor Konrad von Marburg auf der Heide bei Marburg am 30. Juli 1233 von aufgebrachten Bürgern wegen seiner Ketzerprozesse zu Tode geprügelt wurde. Noch funktionierte der gesunde Menschenverstand der einfachen Leute. Aber das sollte nicht mehr lange so sein.

Hexen in Irland

Ein Hexenprozess im Irland des Jahres 1324 zeigte ganz deutlich, wohin künftig die Entwicklung gehen würde. Der Vorwurf der Zauberei bedeutete nun eine Steigerung gegenüber dem Vorwurf der Ketzerei. Der Urheber der Verfolgung in Irland war der Minoritenmönch Richard de Ledrede, Bischof von Ossory im Palatinat Kilkenny. Der Kirchenfürst hatte es sich zur Aufgabe gemacht, zunächst in seiner Diözese und schließlich in ganz Irland der Ketzerei und Zauberei ein Ende zu bereiten.
Sein erstes Opfer war eine vornehme Dame, Alice Kyteler. Sie wurde zusammen mit ihren beiden Zofen, ihrem Sohn William und mehreren anderen Personen aus ihrem Hofstaat wegen des Verdachts der Zauberei vor Gericht geladen. Alle Angeklagten sollten, um zaubern zu können, für eine bestimmte Zeit dem christlichen Glauben abgeschworen haben. So lautete jedenfalls die Anklage.
Die Anklagevorwürfe gegen Alice Kyteler waren reichlich absurd und voll sexueller Phantasien. Mrs. Kyteler soll auf einem Kreuzweg Geschlechtsverkehr mit einem bösen Geist gehabt haben, noch dazu mit einem Geist von einer eher armseligen Sorte. Diesem soll sie bei diversen Treffen zudem rote Hähne und Pfauen-Augen als Mahlzeit vorgesetzt haben. Während sie mit dem Geist heftig Unzucht trieb, soll sie das heilige Messopfer verhöhnt und alle Glieder ihres Ehemannes verflucht haben.
Ihren Hexenkünsten sollen bereits vier Menschen zum Opfer gefallen sein. All diese Schandtaten tat sie zu Gefallen ihres Liebhabers, dem Teufel Robin Artysson. Als besonders erschwerender Umstand wurde angeführt, dass Robin einer der gemeinsten aller Teufel in der Hölle wäre, denn er erscheine immer nur in Gestalt eines Katers oder schwarzhaarigen Hundes oder - wenn er bei sehr guter Laune sei - in der Gestalt eines Mohren. Für Lady Kytelers Zofen Petronilla und Basilia bringe er sinnigerweise immer auch gleich zwei Mohrenteufel zur Gesellschaft mit.
Bischof Ledrede scheute sich also nicht, solch aberwitzigen und hanebüchenen Unsinn in die Anklageschrift zu schreiben, um die vornehme Dame auf den Scheiterhaufen zu bringen. Vermutlich hatte er es auf sie als Geliebte oder auf ihr Vermögen abgesehen - oder beides - und zog deshalb jedes Register in der Schreckensphantasie. Den Angeklagten gelang die Flucht. Nur die Zofe Petronilla geriet in die Hände der Häscher und wurde zum Tod auf dem Scheiterhaufen ver- urteilt. Die Hinrichtung der Unglücklichen war in Irland das erste wegen Hexerei vollstreckte Bluturteil.
Mit diesem Fall und vor allen mit den Verfahren in Arras wurde eine wahre Lawine von Hexenprozessen losgetreten. Sie wurden zum Vorbild für große, periodisch wiederkehrende Verfolgungen in Deutschland, die sich immer wieder auf die Vorbilder in Irland und Frankreich beriefen: 1583 in Osnabrück und Straßburg, ca. 1590 in Trier, 1605 in Fulda und Köln, Würzburg, 1630 in Bamberg, um nur einige zu nennen. Unmittelbarer Auslöser dieser Hexenverfolgungen in Deutschland war ein verhängnisvolles Machtwort des Papstes.

Die Bulle des Papstes

Mit Datum vom ...

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