Sei dir selbst eine Insel
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Sei dir selbst eine Insel

Buddhas Weg zu innerem Glück und Frieden

  1. 175 Seiten
  2. German
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Sei dir selbst eine Insel

Buddhas Weg zu innerem Glück und Frieden

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

In diesem Buch führt uns Ayya Khema zu den Kernfragen unseres Lebens: Wie kann die buddhistische Lehre uns dabei helfen, Sorgen, Schwierigkeiten und Ängste zu überwinden und die Fesseln unserer Gewohnheiten zu sprengen und Befreiung zu erfahren - und sei es nur für einen Augenblick?Die Beobachtung unserer Reaktionen zeigt uns, dass sie vorprogrammiert sind. Wenn wir uns aber um Achtsamkeit bemühen, können wir unser Programm durchschauen und uns aus den Reaktionsketten lösen. Diese Erfahrung macht uns freier und zufriedener.Ayya Khema versteht es, zentrale Aussagen des Buddhismus klar zu vermitteln und ermutigt uns, Wege echter Freiheit zu betreten und uns selbst eine Insel der Zufriedenheit und des inneren Glücks werden zu lassen."Wie können wir uns von störenden Gewohnheiten lösen und Gelassenheit lernen? Wie können wir in Harmonie mit uns selbst und anderen leben? Zufriedenheit hat nur eine Heimat: unser eigenes Herz - und dies gilt es zu kultivieren." (Ayya Khema)

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783931274597

IX

Das Unmögliche versuchen – den Geist bis zu seinen Grenzen spannen

Wir setzen uns gewöhnlich bei allem, was wir tun, willkürliche Grenzen, weil wir statt an das Mögliche nur daran denken, was unserer Meinung nach unmöglich, nicht realisierbar, unerreichbar ist. Indem wir unsere Leistungskraft in jedem Tätigkeitsbereich, besonders jedoch in dem, was unser spirituelles Leben anbelangt, von vornherein für begrenzt halten, bauen wir selbst die Sperren auf, die unser Denken dann behindern.
Könnten wir nur die Vorstellung aufgeben, dass irgendetwas nicht verwirklicht werden kann, weil es eben unmöglich ist, und es stattdessen für möglich und realisierbar halten, wir würden uns dem öffnen, was sich innen und außen als beständiges Fließen entfaltet und wandelt. Da der Geist jedoch immer nur auf seinen engstirnigen Überlegungen herumreitet, sind wir dafür im Allgemeinen nicht offen. Die engstirnigen Überlegungen sind unsere Vorlieben und Abneigungen, Sorgen und Ängste und die Widerstände gegen das Loslassen.
Wir nehmen nur einen Bruchteil der Phänomene und Ereignisse wahr, die sich im Kosmos abspielen. Unsere Sinne haben selbst in ihrem eigenen Wirkungsbereich nur eine begrenzte Aufnahmekapazität. Wir können kein ultraviolettes Licht sehen. Die Bienen sind dazu in der Lage. Hunde können Töne hören, die wir nicht hören können, weil unsere Ohren für diesen hohen Frequenzbereich nicht taugen. In diesen Fällen sind uns demnach sogar Tiere überlegen, Wesen also, die weniger entwickelt sind als wir selbst, weil sie nicht über die Fähigkeit des Denkens verfügen. Aber ihre Sinne sind den unseren teilweise überlegen. Sie können sehen oder hören, was wir mit unserem Wahrnehmungsapparat nicht sehen oder hören können.
Das ist keine besonders bedeutende Erkenntnis. Sie unterstreicht nur, dass der Kosmos voller Erfahrungen und Möglichkeiten steckt, von denen wir keine Ahnung haben. Wir begrenzen uns selbst, weil wir nicht unbegrenzte Möglichkeiten in Betracht ziehen.
Wissenschaft und Technik sind uns näher und wesentlich vertrauter als geistiges Wachstum, als die spirituelle Entwicklung. Wissenschaft und Technik sind heutzutage sozusagen unser Geburtsrecht. Und auf diesem Gebiet sind wir vielleicht ein wenig wagemutiger. Zumindest die wissenschaftliche Elite ist es.
Hätten die Wissenschaftler und Ingenieure den Mondflug von vornherein als unmöglich ausgeschlossen, dann wäre auch niemand zum Mond geflogen. Vor achtzig Jahren war der Mondflug sicher undenkbar, eine Fantasterei, davon zu sprechen, wohl nur ein Scherz. Für uns ist er schlicht eine Tatsache, nicht mehr, nicht weniger. Bedenkt, achtzig Jahre nur hat es gedauert. Das ist kaum mehr als ein durchschnittliches Menschenleben! Menschen haben an ein völlig unmögliches Vorhaben geglaubt – und so wurde es schließlich Wirklichkeit.
In der Meditation oder im spirituellen Leben ist es nicht anders. Jeder ist sich selbst der schlimmste Feind. Ihr habt keinen anderen Feind als euch selbst. Kein Mensch schränkt eure Meditation willkürlich ein. Kein Mensch setzt eurem geistigen Streben und eurer spirituellen Entwicklung irgendwelche Grenzen. Kein Mensch hält euch auf, wenn nicht ihr selbst, wenn nicht eure Gedankentürme und Vorstellungen, eure Idee, dass dieses oder jenes eben unmöglich, nicht realisierbar ist.
Dreht den Spieß einfach um. Denkt an das, was ihr tun könnt.
Dann wird das Unmögliche möglich. Es gibt im Grunde nichts, das ihr nicht tun könntet.
Das ist eine Binsenwahrheit. Sie gilt für alle Lebensbereiche, also auch für eure Meditation. Ihr könnt euch beim Meditieren konzentrieren. Ihr habt Zugang zu den meditativen Vertiefungen, könnt andere Bewusstseinszustände erfahren, wenn ihr nur endlich loslasst. Was loslasst? Alle Schranken und Sperren, die euch einreden: »Ich will nicht. Ich kann nicht. Ich muss damit erst einmal etwas besser klarkommen.« Lasst diese Sperren los. Lasst alle Blockierungen los, die euch nicht frei zu fließen gestatten. Gebt euch dem Unbekannten hin und die alten, gewohnheitsmäßigen Reaktionen auf.
Hingeben und Aufgeben sind die wichtigsten Schritte zu erfolgreicher Meditation. Wir geben uns dem Atem hin, in den Atemvorgang hinein und unsere Vorstellungen auf. Wir lassen das völlig verwickelte Knäuel unserer Gedanken los. Es hat ohnehin keinen Wirklichkeitsgehalt.
Nur drei Merkmale des Daseins gibt es, die wahr sind und die die Wirklichkeit treffend beschreiben: Vergänglichkeit, häufig auch als Unbeständigkeit bezeichnet (anicca); Nichterfüllung, häufig auch als Unbefriedigtsein und Leiden bezeichnet (dukkha); und Selbstlosigkeit, häufig auch als Unpersönlichkeit oder Nichtexistenz eines Wesenskerns bezeichnet (anattā).
Alle anderen Gedanken sind nutzlose Fantasiegebilde, vollkommen durchsetzt von Sichtweisen und Anschauungen. Wo soll da noch irgendein Raum für Konzentration oder meditativen Vertiefung bleiben? Wenn der Geist vollgestopft ist mit Ideen und er diese Ideen darüber hinaus den ganzen lieben langen Tag lang äußert, ungeheuer wichtig nimmt, pflegt, vermehrt und weitschweifig ausführt, wie soll er sich dann überhaupt konzentrieren können? Wo ist dann noch der nötige Platz dafür? Wenn ihr dermaßen auf Gedanken versessen seid, wo soll der Platz herkommen, an dem sich Beseligung entfalten könnte? Habt ihr dafür überhaupt noch Platz?
Es gibt nur einen Geist. Ihr habt nirgendwo einen anderen Geist verstaut, auf Vorrat sozusagen. Und dieser Geist, den ihr hier und jetzt habt, steckt voller Vorstellungen, spuckt am laufenden Band irgendwelche Ideen aus. Wie soll der gleiche Geist schlagartig damit aufhören, nur weil wir uns zum Meditieren hinsetzen? Das kann er nicht.
Aber wir haben eine andere Möglichkeit. Wir können den Geist schulen, sodass er ein ganz anderer Geist wird, als er jetzt ist. Dies ist realisierbar, weil die notwendigen Voraussetzungen schon jetzt in ihm angelegt sind. Würde nicht jeder Mensch das Buddha-Wesen in sich tragen, es wäre für uns sinnlos, Buddhas Lehren zu studieren, denn sie könnten dann in uns einfach nichts bewirken. Warum sollten wir uns damit abgeben, wenn wir das Unmögliche doch nicht möglich machen könnten? Buddha-Wesen – das ist der Zugang.
Es gibt etwas, das weit über unseren jetzigen Horizont hinausreicht, das unseren jetzigen Erkenntnisstand, ja sogar die Art des gewöhnlichen Erkennens sprengt. Und dies lockt uns, gibt uns den Anstoß, dass wir uns auf die Suche begeben, dass wir nach Transzendenz streben.
Wenn wir diesen Ansporn nicht hätten, es würde sich gar nichts mehr tun, es würde keinerlei Entwicklung mehr geben. Wir wären immer nur mit Banalitäten beschäftigt: »Es ist zu heiß! Wenn nur diese Mücken nicht wären! Wenn es nur besseres Essen gäbe! Oder nicht so viel! Oder nicht so wenig!« Etwas anderes würden wir dann nicht denken.
Indes, es gibt etwas, das unseren jetzigen Erkenntnisstand überschreitet. Nicht, weil der Buddha es gesagt hat. Nicht, weil der Nachbar, unser bester Freund oder unser schlimmster Feind es gesagt hätten. Wer hat es uns überhaupt gesagt? – Tief in unserem Herzen lebt ein fundamentales Wissen, das zu uns spricht. Es sagt: »Es ist mehr am Leben dran als das, was ich bisher getan habe. Ich habe alles ausprobiert, getan, was alle anderen tun, meine schlimmsten Feinde nicht anders als meine besten Freunde. Es hat mich nicht befriedigt. Das Leben muss noch andere Möglichkeiten bieten.«
Woher kommt dieses Wissen? Ihr könnt nur euer eigenes Herz, euren eigenen Geist gebrauchen. Etwas anderes steht euch nicht zur Verfügung. Warum geht ihr also nicht etwas sorgsamer mit eurem Herzen und mit eurem Geist um? Seid bitte etwas rücksichtsvoller zu ihnen. Beobachtet Herz und Geist mit mehr Sorgfalt, behandelt sie wie ein kostbares Juwel, das ihr in Watte verpackt, damit es nicht herumgestoßen und zerkratzt wird. Mit vielen Kratzern kann der Geist nicht meditieren. Unmöglich, dass er es kann.
Nur ein beschützter Geist kann meditieren. Aber: Wer wird euren Geist für euch beschützen? Nur ihr selbst. Nur ihr selbst könnt euren Geist beschützen. Ihr tut dies ja auch für euren Körper. Ihr schützt ihn so gut es geht vor Verbrennungen, Wunden, Erschütterungen und Schlägen. Bei unvorhergesehenen Notfällen und Unglücken steht sogleich der Erste-Hilfe-Kasten bereit. Ein Arzt ist da oder sogar das Krankenhaus, die sich um den Körper kümmern.
Der Geist hingegen wird herumgestoßen, zerkratzt und geschlagen, von Gedankensalven und allen damit einhergehenden Ich-Bestätigungen bombardiert. Unaufhörlich drängt sich ihm die Begrenztheit weltlicher Überlegungen auf und prägt sich ihm in tiefen Furchen ein: »Ich mag dieses, jenes hingegen mag ich nicht. Ich will dieses, jenes hingegen will ich nicht. Das tut mir sehr leid. Jenes macht mich ungeheuer wütend. Dies ist kein guter Mensch.« Und so weiter. Nichts als Gedankenketten, die den Geist zerkratzen.
Wenn ihr wie alle Welt beständig auf eurem Geist herumkratzt, werden aus leichten Kratzern schließlich tiefe Wunden, die nur schwer verheilen und vernarben. Diese Wunden sind die Begrenzungen und Urteile, die wir dem Geist aufzwingen. In seiner eigenen Reinheit ist der Geist ein kostbares Juwel, ein Edelstein von höchster Güte. Keinem ist geholfen, wenn wir ihn zerkratzen und ihm tiefe Wunden zufügen.
Nichts geht ohne eine innere Vision, ein tief inneres Schauen. Diese Vision hat euch zur Meditation hingeführt. Nun müsst ihr dieselbe innere Vision auf euren Geist anwenden, damit er weit und offen werden kann. Macht euren Geist ganz weit, dass er das Unmögliche fassen kann, dass er sich einfach mit euch auf euer Kissen setzt und sich einem höheren Bewusstsein anvertraut, in dem weltliche Überlegungen ihn nicht mehr berühren.
Zu diesem Zweck müsst ihr loslassen. Ihr müsst alles loslassen, womit der Geist sich gewöhnlich beschäftigt. Anders geht es nicht. Wenn der Geist nämlich den ganzen Tag oben und unten, nach vorne und nach hinten herumgetollt ist, wenn er dagegen war oder dafür, sich gesorgt hat, unzulänglich gefühlt hat oder obenauf war, dann schleppt er diese Dinge auch mit zum Meditationskissen, dann trägt er sich beim Meditieren mit denselben Gedanken.
Leider könnt ihr eure Gedanken nicht zusammen mit euren Sandalen draußen vor der Halle abstellen. Das wäre wunderbar. Sie einfach abstellen wie die Sandalen. Aber das geht nicht. Ihr bringt sie mit herein in die Meditationshalle. Da sind sie also. Und was nun? Mehr Gedanken. Mehr Vorstellungen. Mehr Abneigungen. Mehr Sorgen. Mehr Ängste. Mehr unerfüllte Hoffnungen. Das heißt: Mehr weltliche Interessen und Überlegungen. Indes haben sie hier gar nichts zu suchen. Sie gehören nicht auf das Meditationskissen. Das ist nicht der angemessene Aufenthalt für sie.
Hier geht es ja gerade um das Gegenteil: Dass der Geist weit wird und offen. Und diese Erweiterung kann nur geschehen, wenn sie nicht behindert wird, wenn euch nicht irgendwelche festen Vorstellungen den Zugang zu ihr verbauen. Also streckt euch, weitet euch, dehnt euch aus – so weit, so offen, dass das Unmögliche darin Platz hat. In der Meditation betreten wir ein vollkommen anderes Reich, ein Reich, vor dem all unser weltlicher Müll zurückbleibt.
Wenn ihr euch im Anschluss wieder weltlichen Aufgaben zuwendet, werden euch diese nicht weiter berühren. Ihr kümmert euch darum, tut, was getan werden muss, ohne euch hineinziehen zu lassen.
»Ihr Geist schwankt nicht, auch wenn er mit weltlichen Belangen in Berührung kommt«, heißt es in der Mahā Maṅgala Sutta über die Erleuchteten, die Arahats. »Von weltlichen Belangen zwar gestreift, schwankt ihr Geist doch niemals. Makellos sind sie, sorgenfrei und sicher. Ihnen gehört der größte Segen.«
Das heißt nicht, dass ihr euch nicht mehr um weltliche Angelegenheiten kümmern dürft. Wohl aber heißt es, dass die Erweiterung, die sich in einem von allen Blockierungen befreiten Geist entfaltet, diesem Geist zugleich eine neue, andere Sichtweise schenkt. Der Geist hat zu einer neuen inneren Vision Zugang gefunden.
Solange dies nicht geschehen ist, bleibt alle Meditation nur Wunschdenken: eine Hoffnung oder eine Art Beten. Hoffen und Beten ist im Allgemeinen nicht besonders wirksam. Wirksam ist nur, was von entschlossenem Vorgehen getragen wird, wenn ein überzeugendes Motiv den Geist zu handeln veranlasst.
Alles loslassen! Alles aufgeben! Darin zum Beispiel manifestiert sich ein entschlossener Geist. Deswegen ist es eine kraftvolle Geistestat.
Stellt euch vor, ihr hört einen Feuerwerkskörper explodieren, und während ihr die Explosion hört, lasst ihr zugleich die Vorstellung los, dass ihr einen Feuerwerkskörper explodieren hört. Das ist eine kraftvolle Geistestat! Darin steckt Mut und Kraft. Habt ihr es schon einmal versucht? Wenn ja, werdet ihr aus Erfahrung wissen, dass nur ein entschlossener, kraftvoller und aktiver Geist zu dieser Tat fähig ist.
Ihr gebt die Dinge nicht wohl oder übel auf. Aufgeben ist kein Wischiwaschi, Loslassen keine puddingweiche, wabbelige Belanglosigkeit. Es gehört Entschlossenheit dazu und Durchhaltevermögen. Wenn ihr nicht auf der Stelle damit beginnt, verschwendet ihr nur eure Zeit. Aber es ist eine Schande, ein wertvolles Menschenleben nutzlos zu vertun, eine Schande besonders dann, wenn wir schon unseren Weg bis in ein Meditationszentrum gefunden haben, uns daselbst auf unser Kissen setzen und, ja und? … und nichts anderes tun, als darüber nachdenken, was in der Welt so alles passiert.
Der Buddha charakterisiert meditative Sammlung in den Suttas grundsätzlich mit dem Wort »weltabgeschieden«. Den Geist von der Welt abscheiden heißt ihn beschützen. Es bedeutet, dass wir ihn beobachten und ihm den Raum zur Verfügung stellen, in dem er sich weiten und entfalten kann. Ohne einen gewissen Schutz entfaltet sich nichts zu seinem Vorteil, schon gar nicht etwas, das überhaupt noch nicht gereift oder gewachsen ist. Erst in einem Arahat ist der Geist zu vollständiger Reife gelangt. Unser Geist ist noch ein Säugling. Er braucht viel Schutz.
Und nur wir selbst können ihn schützen. Alle negativen Gedanken zerkratzen das Juwel, das der Geist ist. »Ich kann ihn nicht leiden. Ich kann sie nicht leiden. Ich bin gekränkt. Ich bin wütend. Ich fühle mich zum Heulen. Ich mache mir Sorgen …« – alles nur Kratzer auf unserem Geist. Wir können damit Schluss machen. Niemand anderes kann dies für uns tun.
Gewiss, wir sind schon längst darüber hinaus, die äußeren Anlässe verantwortlich zu machen, die Bedingungen, die unsere Reaktionen hervorrufen. Oder etwa nicht? Was wir auch in unserem Geist tragen, wir selbst haben es dorthin gebracht. Wir selbst, niemand anderes. Niemand denkt einen klugen Gedanken für uns. Warum sollte also irgendjemand auf die Idee kommen, unsere dummen Gedanken für uns zu denken? Niemand denkt unsere guten Gedanken für uns. Warum sollte also irgendjemand die schlechten für uns denken? Das ist unmöglich. Es geht einfach nicht.
Ihr selbst seid Wächter eures Geistes. Und ihr seid es auch, die ihn pflegt und entwickelt. Er ist vorläufig nur ein unbeackertes weites Feld. Noch ist er nicht gezielt bearbeitet worden. Gut, er hat einige Kratzer abbekommen. Wir haben ihm ein paar Wunden zugefügt, und er trägt die entsprechenden Narben. Vielleicht haben wir jedoch auch schon einige positive Samen in ihn gepflanzt. Ansonsten ist noch nichts mit ihm geschehen.
Schaut nach den guten Samen, und fördert ihre Entwicklung. Pflegt positive Geisteszustände. Sie sind die guten Samen. Und denkt immer daran, dass der gewöhnliche Geist auf dem Meditationskissen nichts verloren hat. Er gehört nicht dorthin. Wir können ihn außen vor lassen.
Auf dem Meditationskissen müssen wir verstehen, dass das Unmögliche möglich ist. Dort streckt sich der Geist in die Reiche höheren Bewusstseins hinein, welche von einer inneren Vision bestimmt sind, die alles als fließend, als beständigen Wandel erkennt.
In diesem Fließen gibt es nirgendwo einen Wesenskern. Keine Bange, dieses Verständnis wird kommen. Solltet ihr davon noch keinen Vorgeschmack bekommen haben, so vielleicht nur deshalb, weil ihr euren Geist nicht richtig beschützt habt. Oder macht ihr etwa äußere Umstände für eure Situation verantwortlich?
Alles zu seiner Zeit. Jetzt ist der Augenblick gekommen, dass ihr richtig meditieren lernt. Tut ihr dies nicht, so setzt sich das alte Spiel unendlich fort. Ihr werdet euch immer in derselben Situation wiederfinden. Ihr werdet denken, denken und nochmals denken. Von Konzentration oder meditativer Vertiefung keine Spur. Ja, ihr werdet nicht nur Gedanken haben, ihr werdet auch vieles ablehnen und euch maßlos über alle möglichen und unmöglichen Dinge ärgern, die, recht besehen, eigentlich nur lächerliche Lappalien sind.
Eure Aufmerksamkeit ist in fataler Weise fehlgeleitet, was zu folgenschweren Fehleinschätzungen führt: Ihr werdet die Totalität des Seins übersehen, die Unmittelbarkeit des Todes und natürlich auch die Möglichkeit, zu einem Bewusstsein vorzustoßen, das weit über alle Lappalien und Banalitäten hinausgreift. Es kommt noch schlimmer: Ihr werdet nicht erkennen, dass ihr selbst es in der Hand habt, euch einen Zustand jenseits von Kummer und Leiden zu erschließen. Alles dies werdet ihr übersehen und stattdessen euren Geist mit Dingen beschäftigen, die sogar noch unter Kindergarten-Niveau liegen.
Lasst los! Lasst diese ganze Verwirrung einfach sausen. Ihr verliert dadurch nichts. Ihr könnt trotzdem noch Blumen gießen. Auch wenn ihr loslasst. Ihr könnt immer noch ein gutes Essen kochen, Briefe schreiben, euch etwas zum Anziehen nähen. Das geht wie von selbst. Alle weltlichen Aufgaben und Arbeiten erledigen sich ganz selbstverständlich, ohne den Geist zu behelligen oder zu beeinflussen. Der Geist bleibt dabei sorgenfrei, makellos und sicher.
Nur die Meditation verleiht dem Geist die nötige Kraft. Ihr könnt alles ausprobieren: den Geist sozusagen auf den Kopf stellen, ihn durchwühlen, das Oberste zuunterst kehren. Ihr könnt euch noch so bemühen, ihm auf die Schliche zu kommen. Ihr könnt verstehen, logische Schlüsse ziehen, analysieren, glauben, tun, was ihr wollt. Nichts davon hilft. Nichts davon gibt dem Geist Kraft, bringt euch weiter. Das geht auch gar nicht. Wenn es euch nämlich tatsächlich weiterbringen würde, müsste mittlerweile jeder Universitätsprofessor erleuchtet sein.
Seit undenklichen Zeiten versuchen es die Menschen auf diese Weise. Natürlich auch jene, die Buddhismus lehren und Bücher darüber schreiben. Die Regale stehen voll davon. Überall. Auf der ganzen Welt. Bei uns in der Bibliothek ebenfalls. Keiner dieser Autoren ist aber durch das Bücherschreiben zur Erleuchtung gelangt.
Das ist nicht der richtige Weg. Der Buddha hat niemals behauptet, dass es der richtige Weg wäre. Aber der Geist, der Geist bildet sich das schon ein. Glaubt, er muss nur lange genug in irgendwelchen Ecken herumwühlen und ein paar mehr Gedanken miteinander verknüpfen, dann könnte er es schaffen, könnte auf diesem Weg Erleuchtung erlangen. Absurd! Das kann der Geist nur glauben, weil er nicht weit und offen, sondern vielmehr ein Schrumpfgeist ist, der nicht von seinen eigenen läppischen Banalitäten loskommt.
Aber das wiederum kann d...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. I Zufluchtnahme
  7. II In Einklang leben
  8. III Miteinander sprechen
  9. IV Steter Tropfen höhlt den Stein
  10. V Ansichten und Meinungen
  11. VI Unwissenheit
  12. VII Liebevolle Zuwendung
  13. VIII Mit uns selbst leben
  14. IX Das Unmögliche versuchen - den Geist bis zu seinen Grenzen spannen
  15. X Formbarer Geist
  16. XI Das Herz leer machen
  17. XII Befreiung hier und jetzt
  18. Glossar
  19. Fußnote