Detektiv Dagobert
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Detektiv Dagobert

Kriminalgeschichten

  1. 522 Seiten
  2. German
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Detektiv Dagobert

Kriminalgeschichten

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Über dieses Buch

Überarbeitete Fassung aller 17 KurzgeschichtenEngland hat Sherlock Holmes, Frankreich – Pardon, Belgien – Hercule Poirot und Österreich? Österreich hat den charmanten Detektiv Dagobert.Lesen Sie hier erstmals in überarbeiteter Fassung alle ursprünglich in 6 Bänden herausgebrachten 17 Kurzgeschichten mit dem sympathischen Ermittler, der seinen bekannten Kollegen an Spitzfindigkeit und Schläue in nichts nachsteht.Dagobert Trostler ist ein Wiener Ruheständler. Sein Vermögen erlaubt ihm ein Leben nach seinen Interessen. Und seine Interessen sind die Verbrechen der feinen Wiener Gesellschaft. Dabei geht er stets charmant vor – immer Gentleman, aber auch immer erfolgreich.Der Leser weiß heute, dass die Donaumonarchie da schon dem Untergang geweiht war – umso unterhaltsamer sind die Geschichten, bieten sie doch einen Blick durchs Schlüsselloch auf eine vergangene Epoche."Cozy Crime" wie man es heute nennt: Krimis zum Schmunzeln und Einkuscheln, ohne pathologische Serienkiller oder alptraumhafte Gewaltorgien.Null Papier Verlag

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783962818814
Erster BandDie feinen Zigarren.

1.

Nach dem Abendes­sen be­gab man sich in das Rauch­zim­mer. Das war ei­ser­nes Ge­setz und durf­te durch­aus nicht an­ders sein. Die bei­den Her­ren wä­ren viel­leicht lie­ber noch bei Ti­sche sit­zen­ge­blie­ben, um im Nach­ge­nus­se der ku­li­na­ri­schen Meis­ter­leis­tun­gen in al­ler Be­hag­lich­keit ihre Zi­gar­re zu rau­chen, aber das ging nicht, ging ab­so­lut nicht. Das wuss­ten sie so schon lan­ge, und nun schi­en ih­nen der Auf­bruch und die Aus­wan­de­rung nur das Selbst­ver­ständ­li­che. Die schö­ne Haus­frau hat­te das so ein­ge­führt. In ih­rem Hau­se durf­te nur im Rauch­zim­mer ge­raucht wer­den. Dort hielt sie so­gar ge­le­gent­lich mit und rauch­te selbst in Ge­sell­schaft eine Zi­ga­ret­te, aber für alle an­de­ren Ge­mä­cher be­stand – das setz­te sie durch – strengs­tes Rauch­ver­bot.
Frau Vio­let Grum­bach hielt wie auf sich selbst, so auch auf den Rah­men für ihre Per­sön­lich­keit, auf ihre Woh­nung. Wie ihre äu­ße­re Er­schei­nung mit al­ler nur er­denk­ba­ren Sorg­falt, mit Ge­schmack und gu­ter Be­rech­nung in Sze­ne ge­setzt war, so auch die Woh­nung. Die Ein­rich­tung war mo­dern, war kost­bar, al­les war blitz­blank und fun­kel­te förm­lich vor Sau­ber­keit. Und da sagt man noch manch­mal, dass ge­we­se­ne Künst­le­rin­nen im All­ge­mei­nen kei­ne gu­ten Haus­frau­en ab­gä­ben!
Frau Vio­let war Schau­spie­le­rin ge­we­sen. Nicht eine von den al­ler­ers­ten, aber si­cher­lich eine der al­ler­hüb­sche­s­ten. Auch jetzt noch – al­les, was wahr ist! – war sie eine un­ge­mein an­zie­hen­de Frau. Et­was un­ter Mit­tel­grö­ße, die For­men von an­ge­nehm ent­wi­ckel­ter rund­li­cher Fül­le, jetzt doch schon be­trächt­lich mehr ent­wi­ckelt als zu­zei­ten ih­rer ak­ti­ven Künst­ler­schaft; licht­blon­des, im­mer kunst­reich ge­ord­ne­tes Haar, leb­haft blit­zen­de graue Au­gen, fein­ge­zeich­ne­te zar­te, rote Lip­pen und ein pi­kan­tes, keckes Stumpf­näs­chen, das dem run­den Ge­sicht­chen auch jetzt noch eine Art kind­li­chen Aus­druckes lieh, – al­les in al­lem ein sehr an­ge­neh­mes En­sem­ble.
Zu den Mahl­zei­ten lieb­te sie es, im­mer in be­son­ders ge­wähl­ter Toi­let­te zu er­schei­nen. Kin­der wa­ren nicht im Hau­se, so hat­te sie Zeit dazu, über­haupt be­saß sie eine ganz gute Art, sich das Le­ben zu ver­schö­nen; sie schmück­te sich und ihre Um­ge­bung. Da be­greift es sich denn, dass sie ihre Vor­hän­ge, ihre Spit­zen und Deck­chen, ihre Pla­fonds und Sei­den­ta­pe­ten nicht der bö­sen Wir­kung des Ta­baks­qualms aus­set­zen woll­te.
Heu­te war nur ein Gast an­we­send, der alte Haus­freund Da­go­bert Trost­ler, und der war im Hau­se Grum­bach so zu Hau­se, dass man sei­net­we­gen kei­ner­lei Um­stän­de mehr mach­te; wenn Frau Vio­let doch wie­der große Toi­let­te an­ge­legt hat­te, so galt das nicht ein­mal ei­gent­lich ihm. Es war ein­mal Ge­pflo­gen­heit, die ein­ge­hal­ten ward, auch wenn sie mit ih­rem Mann al­lein zu Ti­sche ging. Höchs­tens dass ei­ni­ge Nuan­cen auf Rech­nung des Gas­tes ka­men, so der herz­för­mi­ge Aus­schnitt der wei­ßen Spit­zen­blu­se, der dem Beo­b­ach­ter ei­ni­ge Aus- und Ein­bli­cke ge­stal­te­te, und die halb­lan­gen Spit­zen­är­mel, die den rund­li­chen Un­ter­ar­men, die sich zu den sei­nen Hand­ge­len­ken und den hüb­schen klei­nen Hän­den zart ver­jüng­ten, den wün­schens­wer­ten Spiel­raum ge­währ­ten.
An­dre­as Grum­bach, Be­sit­zer ei­ner großen und sehr ein­träg­li­chen Ju­te­spin­ne­rei, Prä­si­dent der All­ge­mei­nen Bau­un­ter­neh­mungs­bank und au­ßer­dem Trä­ger zahl­rei­cher Ti­tel und Wür­den, war ganz er­heb­lich äl­ter als sei­ne Gat­tin; so an zwan­zig Jah­re, und wenn es ver­wehrt ist, das Al­ter der Da­men mit all­zu bru­ta­ler Ge­nau­ig­keit nach­zu­rech­nen, so darf es bei ihm schon ver­ra­ten wer­den. Er moch­te doch so sei­ne drei- oder vierund­fünf­zig Len­ze ge­se­hen ha­ben, aber er sah so­gar noch et­was äl­ter aus, als er war. Sein schö­nes dun­kel­brau­nes, glatt­ge­bürs­te­tes Haar be­wies nichts. Er hät­te auch au­ßer Haus fri­sie­ren las­sen kön­nen. Der Ba­cken­bart zu bei­den Sei­ten schim­mer­te schon sehr stark ins Sil­b­ri­ge, und da­bei trug er doch das Kinn aus­ra­siert in dem Be­stre­ben, doch et­was jün­ger aus­zu­se­hen und den Sil­ber­se­gen nicht all­zu sehr an­wach­sen zu las­sen.
Da­go­bert Trost­ler, sein al­ter Freund, war durch­aus nicht da­mit ein­ver­stan­den ge­we­sen, als Grum­bach, ei­nem hol­den Jo­han­nis­trie­be nach­ge­hend, vor etwa sechs Jah­ren die Schau­spie­le­rin Vio­let Moor­lank als sein ehe­lich Ge­mahl in sein Haus führ­te. Es war aber nichts da­ge­gen zu ma­chen, und schließ­lich hat­te Da­go­bert auf der gan­zen Li­nie un­recht be­hal­ten. Es ward eine ganz ak­zep­ta­ble und re­spek­ta­ble Me­na­ge dar­aus, die Ehe ge­stal­te­te sich zu ei­ner durch­aus glück­li­chen.
Da­go­bert selbst war Jung­ge­sel­le ge­blie­ben. Er war ein aus­ge­dien­ter Le­be­mann mit stark ge­lich­te­tem Schei­tel und ei­nem Pe­trus-Schöpf­chen. Sein so­kra­ti­sches Ge­sicht wur­de be­lebt durch zwei dunkle aus­drucks­vol­le Au­gen. Jetzt hat­te er nur noch zwei große Pas­sio­nen, die Mu­sik und die Kri­mi­na­lis­tik. Sein großes Ver­mö­gen ge­stat­te­te ihm, sich die­sen sei­nen bei­den so di­ver­gie­ren­den Lieb­ha­be­rei­en ohne jeg­li­che an­de­re Sor­ge zu wid­men. Zur Mu­sik hat­te er ein ge­nie­ßen­des und ein schaf­fen­des Ver­hält­nis. Sei­ne Freun­de be­haup­te­ten, dass er stär­ker war im ers­te­ren. Auch er hat­te Vio­let schon ge­kannt, als sie noch dem Thea­ter an­ge­hör­te, und wenn es da­mals ir­gend­ei­ne ih­rer Rol­len mit sich brach­te, dass sie ei­ni­ge Lie­der zu sin­gen hat­te, so war er es, der sie ihr ein­stu­dier­te. Na­tür­lich als Ama­teur. Auf al­len Tä­tig­keits­ge­bie­ten, aus de­nen er sich um­tat, blieb er Ama­teur, pas­sio­nier­ter Di­let­tant, gent­le­man-ri­der. Sei­nen Pro­fit hat­te er aber bei je­nen mu­si­ka­li­schen Ein­pau­kun­gen doch. Es ge­lang ihm näm­lich manch­mal, auf die­sem Wege die eine oder die an­de­re sei­ner ei­ge­nen Kom­po­si­tio­nen als Ein­la­gen in die Öf­fent­lich­keit zu schmug­geln.
Was sei­ne kri­mi­na­lis­ti­schen Nei­gun­gen be­traf, so äu­ßer­ten die sich zu­nächst dar­in, dass er am liebs­ten von be­deu­ten­den Raub­mor­den und halb­wegs an­stän­di­gen Un­ter­schla­gun­gen sprach. Er war über­zeugt, dass an ihm ein Kri­mi­nal­kom­mis­sär von Klas­se ver­lo­ren ge­gan­gen wäre, und be­haup­te­te steif und fest, dass, wenn alle Stri­cke ris­sen, er sehr wohl in der Lage sei, sich als De­tek­tiv sein Brot zu ver­die­nen. Sei­ne Freun­de mach­ten sich auch oft ge­nug lus­tig über ihn. Nicht etwa, dass sie an sei­nem ein­schlä­gi­gen Ta­lent ge­zwei­felt hät­ten. Von dem hat­te er ja oft ge­nug über­zeu­gen­de Pro­ben ge­lie­fert. Sie fan­den nur die Pas­si­on son­der­bar, sich selbst eine Rute auf den Rücken zu bin­den. Denn sei­ne Lieb­ha­be­rei brach­te ihm nicht nur man­cher­lei Unan­nehm­lich­kei­ten ein, son­dern sie ver­strick­te ihn ge­le­gent­lich wohl auch in recht ge­fähr­li­che Si­tua­tio­nen. Wenn es ir­gend­wo eine An­samm­lung von Men­schen gab, war er si­cher mit da­bei, aber nicht mit dem all­ge­mei­nen In­ter­es­se an dem ak­tu­el­len Vor­gan­ge, wel­cher Art er auch sein moch­te, – er pass­te auf Ta­schen­die­be und trach­te­te, sie bei der Ar­beit zu be­ob­ach­ten und auf fri­scher Tat zu er­tap­pen. Er ge­riet da nicht sel­ten in be­denk­li­che Ver­wick­lun­gen, aber es ge­lang ihm doch, man­chen Lang­fin­ger der Po­li­zei in die Hän­de zu lie­fern. So lieb­te er es auch, bei dunklen Kri­mi­nal­fäl­len auf ei­ge­ne Faust Nach­for­schun­gen an­zu­stel­len, und da­her kam es, dass er sich alle mög­li­chen Sche­re­rei­en auf den Hals lud, alle Au­gen­bli­cke bei Ge­richt zu tun hat­te oder auf die Po­li­zei zi­tiert wur­de, der sei­ne pri­va­ten Be­mü­hun­gen manch­mal schon un­be­quem ge­wor­den wa­ren, – aber das al­les mach­te ihm Ver­gnü­gen. Er war eben Ama­teur. –
Man be­gab sich also ins Rauch­zim­mer.
Die bei­den Her­ren setz­ten sich an das Rauch­tisch­chen, das in der Nähe des Fens­ters stand, Frau Vio­let nahm auf ei­ner klei­nen ge­pols­ter­ten Bank Platz, die – ein ganz rei­zen­des Mö­bel­stück – sich von dem ho­hen und fein­ge­glie­der­ten Ka­min bis zur Tür hin­zog und dort den Raum sehr schick­lich aus­füll­te. Der Ka­min stand in ei­ner Ecke, und so war dort ein sehr trau­li­ches Plätz­chen ge­schaf­fen.
Grum­bach nahm vom Rauch­ti­sche ein Zi­gar­ren­kist­chen; nicht auf gut Glück. Es wa­ren de­ren meh­re­re da, und er hat­te erst be­dacht­sam ge­wählt. Er öff­ne­te es und woll­te die Zi­gar­ren eben Da­go­bert rei­chen, als er stutz­te.
»Ich weiß nicht«, sag­te er nach­denk­lich, »es muss in mei­nem Hau­se doch noch einen Lieb­ha­ber ge­ben – ge­ra­de für die­se Sor­te. Es wäre kein schlech­ter Ge­schmack. Das Stück kos­tet einen Gul­den!«
»Be­merkst du Ab­gän­ge?« frag­te Da­go­bert.
»Ich glau­be sie zu be­mer­ken«, er­wi­der­te Grum­bach.
»In un­se­rem Hau­se wird nichts ge­stoh­len!« warf Frau Vio­let ein in Ver­tei­di­gung ih­rer Haus­frau­en­eh­re.
»Gott sei Dank – nicht!« gab Grum­bach zu­rück. »Und doch – ganz be­stimmt kann ich es na­tür­lich nicht be­haup­ten – aber mir ist, als hät­ten aus der obe­ren Lage ges­tern nur zwei Zi­gar­ren ge­fehlt, und heu­te feh­len da acht oder neun Stück.«
»Ei­ge­ne Schuld«, be­merk­te Da­go­bert. »Müss­test sie eben un­ter Ver­schluss hal­ten!«
»Man soll in sei­nem Hau­se auch et­was frei her­um­lie­gen las­sen kön­nen!«
»Vi­el­leicht irrst du dich doch?« gab Frau Vio­let zu be­den­ken.
»Es wäre nicht un­mög­lich, aber ich glaub’s nicht. Nun, ein Un­glück ist’s ge­ra­de nicht, aber es be­un­ru­higt.«
»Das müss­te doch nicht schwer sein, der Sa­che auf den Grund zu kom­men«, äu­ßer­te Da­go­bert, in dem sich die De­tek­tiv­lei­den­schaft zu re­gen be­gann.
»Das Ein­fachs­te wird sein, dei­nen Rat zu be­fol­gen, Da­go­bert. Ver­schlie­ßen – das ist der bes­te Schutz!«
»Das wäre mir nicht in­ter­essant ge­nug«, lau­te­te die Ant­wort. »Man muss den Mar­der er­wi­schen!«
»Soll ich mich viel­leicht auf die Lau­er le­gen und ta­ge­lang auf­pas­sen? Da kom­me ich noch bil­li­ger weg, wenn ich’s mich ein paar Zi­gar­ren kos­ten las­se.«
»Du musst doch wis­sen, wer Zu­tritt in das Zim­mer hat!«
»Für mei­nen Die­ner ste­he ich. Der nimmt nichts!«
»Und ich für mein Stu­ben­mäd­chen«, be­eil­te sich Frau Vio­let hin­zu­zu­fü­gen. »Sie ist seit mei­ner Kind­heit bei mir, und es ist noch nicht eine Steck­na­del weg­ge­kom­men!«
»De­sto bes­ser!« fuhr Da­go­bert fort. »Glaubst du, dass täg­lich Ab­gän­ge vor­kom­men?«
»I be­wah­re! Das fehl­te ge­ra­de noch! Vo­ri­ge Wo­che glaub­te ich’s ein­mal schon be­merkt zu ha­ben und dann ein­mal viel­leicht auch in der vor­vo­ri­gen Wo­che.«
Dann ließ man das The­ma fal­len. Man sprach noch eine Wei­le von den Ta­ge­s­er­eig­nis­sen, die ge­ra­de die öf­fent­li­che Mei­nung be­schäf­tig­ten: dar­auf er­ho­ben sich Haus­frau und Haus­herr, um sich noch ein we­nig her­zu­rich­ten für die Oper. Es war ge­ra­de ihr Lo­gen­tag, Mitt­woch, und Da­go­bert soll­te wie ge­wöhn­lich mit von der Par­tie sein. Ei­nen so al­ten Be­kann­ten und ver­trau­ten Haus­freund durf­te man schon ein Vier­tel­stünd­chen al­lein las­sen, ohne sich erst groß zu ent­schul­di­gen.
Frau Vio­let mein­te im spöt­ti­schen Scherz, es müs­se ihr so­gar sehr er­wünscht sein, eine Wei­le al­lein blei­ben zu dür­fen, da er nun umso un­ge­stör­ter dem düs­te­ren Pro­blem nach­sin­nen kön­ne, wo­hin die ver­schwun­de­nen Zi­gar­ren wohl ge­ra­ten sein mö­gen. Er als Meis­ter­de­tek­tiv wer­de das doch ge­wiss her­aus­brin­gen!
Es hät­te nicht erst die­ses spöt­ti­schen Ap­pells be­durft, um ihn an sei­ne Lieb­ha­be­rei zu er­in­nern. Er hat­te im Stil­len oh­ne­dies schon bei sich be­schlos­sen, den Tä­ter zu ent­de­cken, und so war es ihm nun ganz be­son­ders will­kom­men, sich un­ge­stört auf dem Schau­platz der Tat ge­nau um­se­hen zu kön­nen. Der Fall war ja herz­lich un­be­deu­tend und ge­ring­fü­gig, aber was tut ein Ama­teur nicht, um im Trai­ning zu blei­ben? Man nimmt ein­mal auch so et­was mit.
Er setz­te sich, als er al­lein war, in sei­nem Fau­teuil1 zu­recht und be­gann nach­zu­den­ken. Gar so ein­fach war die Ge­schich­te denn doch nicht. Die letz­te Un­tat war am Tage vor­her be­gan­gen wor­den. Er be­sah sich das Zi­gar­ren­kist­chen, den Rauch­tisch – da war nichts zu ent­de­cken. Es war ein­fach ekel­haft, was in dem Hau­se für Rein­lich­keit herrsch­te! Wie da täg­lich auf­ge­räumt und auf­ge­wischt wird! Da soll dann ein Mensch etwa noch einen Fin­ger­ab­druck auf dem Holz­rah­men des Rauch­ti­sches ent­de­cken, der die rote Tuch­fül­lung der Plat­te um­grenzt! Der Rah­men war wahr­schein­lich auch ges­tern nicht stau­big, und seit­her ist ja wie­der un­sin­nig ge­wischt und ge­bürs­tet wor­den, – und da soll ein Mensch dak­ty­lo­sko­pi­sche Stu­di­en ma­chen!
Da­mit war es also nichts.
Im Zim­mer leuch­te­ten jetzt vier elek­tri­sche Lam­pen. Er dreh­te mit ei­nem Griff auch noch die üb­ri­gen acht auf. Strah­len­de Hel­le er­füll­te nun den Raum, und jetzt un­ter­such­te er wei­ter. Er schritt das Ge­mach nach al­len Rich­tun­gen ab, und über­all hin sand­te er den for­schen­den Blick, ohne ir­gend­ei­nen An­halts­punkt fin­den zu kön­nen.
Dann setz­te er sich wie­der an den Rauch­tisch. Es war klar, dass die­ser das Zen­trum für die Nach­for­schun­gen bil­den müs­se. Wie er aber auch späh­te, hier ließ sich kei­ne Spur und kein cor­pus de­lic­ti ent­de­cken, – doch – eben als er wie­der sei­ne Wan­de­run­gen auf­neh­men woll­te, be­merk­te er et­was. Ein­ge­bet­tet in der schma­len Spal­te zwi­schen Tuch und Holz­rah­men des Rauch­ti­sches und über sie her­aus­ra­gend ein Haar, dun­kel und glän­zend, nicht lang – ge­ra­de ge­zo­gen viel­leicht fünf Zen­ti­me­ter, aber es hat­te die Ten­denz, sich zu ei­nem Krei­se zu schlie­ßen.
Da­go­bert fuhr mit der Hand über Tuch, Rah­men und Spal­te, wo das Haar steck­te. Die­ses bog sich und blieb ste­cken. Es hat also auch Bürs­te und Staub­tuch stand­hal­ten kön­nen. An­der­seits – bei der Art, wie hier rein ge­macht wur­de, wie be­reits er­wähnt – ge­ra­de­zu ekel­haft! – war es wohl an­zu­neh­men, dass der Wi­der­stand kaum von Dau­er sein wür­de. Mehr­fa­che An­grif­fe wür­den das Haar doch wohl weg­fe­gen. Es war also ganz gut mög­lich, ja wahr­schein­lich, dass es erst ges­tern hin­ge­langt ist.
Er dach­te einen Au­gen­blick dar­an, sich den Die­ner her­ein­zu­läu­ten, um sich zu ver­ge­wis­sern, ob nicht heu­te schon ir­gend­je­mand, der nicht zum Hau­se ge­hör­te, das Zim­mer be­tre­ten hät­te, viel­leicht ihn auch dar­über aus­zu­ho­len, wer ges­tern da­ge­we­sen sei, aber er ver­warf den Ge­dan­ken so­fort wie­der. Na­tür­lich woll­te er, muss­te er spio­nie­ren, aber nicht bei der Die­ner­schaft! Das konn­te zu al­ber­nem Ge­re­de füh­ren, und eine ge­wis­se Rück­sicht war er doch dem Hau­se sei­nes bes­ten Freun­des schul­dig.
Er hob also das Haar mit den Fin­ger­spit­zen her­aus und barg es mit al­ler Sorg­falt in sei­nem Ta­schen­bu­che. Dann setz­te er sei­ne Nach­for­schun­gen fort. Er sah sich in dem gan­zen Zim­mer noch ein­mal gut um; es war wohl kaum noch et­was zu ho­len. Die Be­leuch­tung war so hell, dass ihm nicht leicht et­was ent­ge­hen konn­te. Oben auf der gla...

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