Schlagfertig statt Selbstzweifel: Feedback selbstbewusst kontern!
// Von Simone Janson
Viele Menschen werden von Selbstzweifeln geplagt. Wie schön wÀre es nun, kritisches Feedback, das oft genug sogar unsachlich ist, selbstbewusst kontern zu können. Hier erfahren Sie wie.
Negatives Feedback â und jetzt?
âAlles ganz tollâ, sagen Sie vielleicht. âDoch leider wird heutzutage im Job eben viel erwartet und es ist selbstverstĂ€ndlich, stĂ€ndig kritisiert zu werden. Daher ist es kein Wunder, dass ich versuche, so wenig Kritikpunkte wie möglich zu bieten, indem ich möglichst perfekt bin.
Ich will schlieĂlich nicht erwischt werden, wenn ich einen Fehler machen!â Nach allem, was Sie bis jetzt darĂŒber gelesen haben, wie wenig Erfolg versprechend das Vermeiden von Fehlern ist, sollten Sie wissen, dass Sie mit dieser Taktik nicht weiterkommen werden.
AnfĂ€llig fĂŒr Kritik
Eines sollte Ihnen klar sein: Als Perfektionist haben Sie ja ohnehin schon einen gewissen Hang zum Selbstzweifel. Die Kritik von Chefs oder den lieben Kollegen trifft Sie also viel hĂ€rter als Menschen mit einem gesunden Selbstbewusstsein. Und nicht selten kommt es vor, dass Sie sich bei Kritik anderer geradezu ertappt fĂŒhlen â gerade weil Sie selbst sich insgeheim schon selbst fĂŒr die Sache kritisiert haben â oder?
Kritik kann Sie kaum treffen, wenn Sie ganz und gar zu sich stehen. Wenn Sie das entsprechend schlagfertig demonstrieren, können Sie die Kritik ins Leere laufen lassen: Ein Kollege beleidigt Sie etwa in der Weise: âSie haben ja keine Ahnung, Sie haben ja nichtmal Ihr Studium abgeschlossen!â â Antworten Sie: âDas sehen Sie richtigâ, âDas haben Sie gut beobachtetâ oder âDaran werden Sie sich gewöhnen mĂŒssen.â Und wenn es Ihnen egal ist, was die anderen denken, können Sie auf den Vorwurf âDas können Sie so nicht machenâŠâ schlicht antworten: âDoch, das kann ich!â
Die anderen haben immer recht?
Das Hauptproblem vieler Perfektionisten, die mit Selbstzweifeln und zu hohen AnsprĂŒchen an sich selbst kĂ€mpfen, ist, dass sie dazu tendieren, ihren Kritikern vorbehaltlos zu glauben. Wie Isabel, die zu einem wichtigen VorstellungsgesprĂ€ch geladen war.
Als Perfektionistin hat sie sich akribisch darauf vorbereitet. Sie hat Informationen zur Firma eingeholt, Fakten recherchiert, Formulierungen ĂŒberlegt und sich extra ein neues KostĂŒm gekauft. Alles soll hundertprozentig sein. Doch trotz ihrer Vorbereitung ist sie unsicher. In der Stellenausschreibung waren gute Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch erwĂŒnscht. Isabel weiĂ: Ihr Englisch ist hervorragend, aber ihr Französisch ist ein wenig eingerostet â ihr wunder Punkt sozusagen. Daher hat sie extra einige französische StandardsĂ€tze geĂŒbt, mit denen sie ihre FĂ€higkeiten unter Beweis stellen möchte.
Beim Schummeln ertappt?
Das GesprĂ€ch lĂ€uft gut, der Personaler ist begeistert von ihren Englischkenntnissen und Isabel will schon erleichtert aufatmen â da hört sie plötzlich: âDa Sie ja sogar einen französischen Vornamen haben, können Sie bestimmt eben so gut Französisch. ErzĂ€hlen Sie mir doch einmal etwas ĂŒber ihren letzten Urlaub in Frankreich.â Der Personaler nickt ihr freundlich zu, doch Isabel fĂŒhlt sich ertappt: âĂber den Urlaub redenâ hat sie nicht geĂŒbt, sie hat sich mehr auf berufliche Themen konzentriert. Alles, was sie jemals ĂŒber französische Grammatik wusste, scheint wie weggeblasen, mĂŒhsam stottert sie etwas vor sich hin. âNa, Sie werden doch noch ein paar einfache SĂ€tze hinbekommen, schlieĂlich haben Sie doch sechs Jahre lang Französisch gelerntâ, zeigt sich der Personaler erstaunt.
Isabel ist sauer auf sich selbst: Nicht nur, dass sie versagt hat, nun steht sie auch noch wie jemand da, der ĂŒber seine FĂ€higkeiten gelogen hat. âDu könntest vielleicht einen FrĂ€nzösischkurs in Frankreich belegen, damit so etwas nicht noch einmal passiertâ, meint ihr Freund liebevoll ein paar Tage spĂ€ter. Isabel flippt völlig aus: âWie kannst Du mir so in den RĂŒcken fallen? Ich kann Französich. DarĂŒber diskutiere ich nicht mehr!â
The Show must go on
Am Ende erfĂ€hrt sie, dass eine Bekannte von ihr die Stelle bekommen hat, deren Französischkenntnisse sehr begrenzt sind. Die verrĂ€t Isabel ihr Erfolgsgeheimnis: âIch habe einfach irgendwas gelabert, was gut klingt. Das ist nicht aufgefallen, denn der Personaler konnte auch kaum Französisch.â HĂ€tte der Personalchef Isabels Englischkenntnisse kritisiert, wĂ€re Sie davon wahrscheinlich kaum berĂŒhrt gewesen. âAber woher wusste er nur, dass ausgerechnet Französisch meine Schwachstelle ist? Und warum bin ich in diesem Punkt nicht einfach selbstbewusster?â
Mitunter ist Kritik berechtigt, etwa wenn Sie wirklich einen Fehler gemacht haben. Oder wenn Sie die Kritik nicht zurĂŒckweisen können, weil der Kritiker Ihr Vorgesetzter ist: Stehen Sie dann unumwunden zu Ihrem Fehler: âIch verstehe, dass Sie sauer sind. Ich werde mich sofort um das Problem kĂŒmmern.â Versuchen Sie erst gar nicht, sich irgendwie aus der AffĂ€re zu ziehen â damit schaden Sie sich nur selbst. Zeigen Sie lieber, dass Sie konstruktiv mit Ihrem Fehler umgehen.
Mehr Selbstbewusstsein bitte!
Vermutlich geht es Ihnen Ă€hnlich: Es gibt Situationen, in denen Sie mit Kritik gut fertig werden, einfach weil Sie sich sicher und unangreifbar fĂŒhlen. Manchmal fĂŒhlen Sie sich vielleicht sogar so sicher, dass Sie die Kritik gar nicht bemerken. Daher sind Ihnen diese Momente möglicherweise gar nicht bewusst. Und es gibt Situationen, in denen jemand Ihren wunden Punkt berĂŒhrt und Sie sich angegriffen fĂŒhlen, auch wenn Sie vielleicht niemand kritisieren wollte.
Der Personaler beispielsweise wollte Isabel eine gute Vorlage liefern, ihre FĂ€higkeiten zu zeigen. Als Perfektionistin wollte sich Isabel hingegen rigide an ihre eingeĂŒbten französischen SĂ€tze halten, um alles im Griff zu haben; dass sie plötzlich spontan und völlig ungeplant reagieren sollte, war fĂŒr Isabel ein derartiges Problem, dass sie einen Blackout bekam. Aber mehr noch: Isabel glaubte, der Personaler habe sie mit Absicht aufs Glatteis fĂŒhren wollen, indem er ĂŒberhaupt auf ihre Französischkenntnisse zu sprechen kam und sie etwas absurd Einfaches gefragt hatte. Ihre Bekannte hingegen hatte ihrer Ansicht nach frech gehandelt.
Schlagfertigkeit ist nicht jedermanns Sache. Vielleicht ist eine âfrecheâ Antwort auf Kritik auch nicht immer angebracht. Dann bleiben Sie ganz sachlich. Rechtfertigen Sie sich nicht, damit wĂŒrden Sie sich nur in eine Opferrolle begeben. Bleiben Sie ruhig und sagen Sie so gelassen wie möglich: âDas sehe ich anders. Ich wĂŒrde gerne meine Sicht des Sachverhalts darstellen.â
Eine absolute Ăbertreibung
Leider sind wir nicht immer gleich selbstbewusst. Und jeder Mensch reagiert anders auf Kritik. Das hĂ€ngt damit zusammen, dass jeder von uns bestimmte verletzende Erfahrungen mit sich herumtrĂ€gt. Deshalb liegen diese verletzlichen Punkte bei jedem von uns an einer anderen Stelle. Wenn ein Kritiker nun diese wunden Punkte trifft, reagiert so gut wie jeder empfindlich. Doch auch wenn es fĂŒr niemanden schön ist, kritisiert zu werden â viele Perfektionisten machen es sich zusĂ€tzlich unnötig schwer. Denn oft sind sie nicht einmal durch den Inhalt einer Kritik verletzt, sondern darĂŒber, dass ĂŒberhauptetwas Negatives gesagt wurde: SchlieĂlich wollen sie perfekt sein. Wenn sie dennoch einen Fehler machen, kommt das fĂŒr sie in typisch-perfektionistischer Alles-oder-Nichts-Denkweise einer absoluten Katastrophe gleich.
Perfektionisten wie Isabel nehmen Kritik darĂŒber hinaus nicht nur einfach an, sondern verknĂŒpfen sie auch noch direkt mit ihrer Person. Der Personaler hat sachlich festgestellt, dass Isabel doch nach sechs Jahren Französischunterricht mehr herausbringen mĂŒsse. Dass er auf ihre Bewerbung verweist, gibt ihr einen empfindlichen Stich: Offenbar glaubt er ihren Angaben nicht. Das ist fĂŒr Isabel, als hĂ€tte er sie als LĂŒgnerin bezeichnet. Und plötzlich wird ihr innerer Kritiker aktiv, als hĂ€tte er nur auf die BestĂ€tigung von auĂen gewartet und Isabel beginnt selbst zu glauben, sie habe den Personaler arglistig tĂ€uschen wollen und dass sie es verdient habe, den Job nicht zu bekommen. Als ihr Freund Isabel freundlich vorschlĂ€gt, einen Französischkurs zu machen, ist das fĂŒr Isabel eine versteckte Kritik an ihren Sprachkenntnissen. In beiden FĂ€llen hat Isabel mehr in die ĂuĂerungen hineininterpretiert, als tatsĂ€chlich gesagt wurde.
Wie Sie Kritik weniger persönlich nehmen
Allerdings kommt es auch vor, dass Kritik tatsĂ€chlich versteckt und sehr indirekt geĂ€uĂert wird: âGute Idee â aber noch nicht so gut, dass Sie es mir nicht hĂ€tten zeigen können, bevor Sie es prĂ€sentieren!â Dadurch, dass Sie die Abstimmung mit Ihrem Chef vermeiden, laufen Sie Gefahr, mögliche Kritik einfach zu ĂŒbergehen â das kann bei bestimmten Chefs ein Problem werden. Die Kunst besteht darin, zwischen echter und eingebildeter Kritik zu unterscheiden. Gehen Sie gezielt auch auf indirekte Kritik ein: âTut mir leid, das war keine Absicht. Wie können wir das beim nĂ€chsten Mal besser abstimmen?â
Ăberlegen Sie einen Moment: Vielleicht geht es Ihnen auch gelegentlich so wie Isabel? Sie hören einen Satz, vermuten dahinter Kritik und reagieren entsprechend beleidigt oder gereizt, einfach weil Sie Perfektionist sind â und der Chef oder Kollege, der das gesagt hat, versteht die Welt nicht mehr. Oder eine Kollege sagt: âDer Chef war heute aber ungehaltenâ und sie denken sofort: âOh Gott, habe ich etwa etwas gemacht?â, weil Sie diese Bemerkung sofort auf sich beziehen oder weil eine ĂuĂerung Ihren wunden Punkt trifft. Meist lĂ€uft dieses Denkschema automatisch ab. Doch Sie können dagegen etwas tun, indem Sie sich genauer bewusst machen, was Sie denken.
Bitte kurz nachdenken
Sobald Sie sich von einer Aussage getroffen fĂŒhlen, sollten Sie einen Moment innehalten, sachlich nachdenken und sich langsam einige Fragen beantworten: Was denke ich gerade? Welche Bedeutung messe ich diesen Worten oder Handlungen bei? Woher weiĂ ich, dass ich richtig vermute? Was genau wurde gesagt? Welcher Wortlaut wurde verwendet? Was das wirklich eine Kritik an mir oder eine Forderung? Oder interpretiere ich diese Aussage nur als Forderung oder Kritik?
Fragen Sie sich, ob es auch eine andere ErklĂ€rung fĂŒr diese Aussage geben könnte. Dabei geht es nicht darum, dass Sie sich wirklich hieb- und stichfest beweisen, dass Sie mit ihrer Annahme, Sie wĂŒrden kritisiert, daneben liegen. Vielmehr sollen Sie die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es auch noch andere GrĂŒnde geben könnte.
- Meint mein Freund wirklich, dass ich kein Französisch kann oder will er nur selbst Urlaub in Frankreich machen?
- Glaubt der Personaler wirklich, ich hÀtte ihn angelogen?
- Ist mein Chef wirklich meinetwegen schlecht gelaunt oder hat mein Kollege einfach nur Angst, weil er einen Fehler gemacht hat?
Richtig reagieren
Es ist natĂŒrlich schön, wenn Sie wissen, wie Sie fĂŒr sich selbst mit der Kritik umgehen können, wenn Sie diese einordnen und bewerten können. Das allein reicht jedoch nicht immer, gerade im Berufsalltag nicht. Denn sonst stehen Sie schnell als SchwĂ€chling da. Denn im Berufsalltag kommt es immer auch darauf an, wie Sie sich verkaufen und vor anderen darstellen.
Wie jedoch zeigen Sie einem Kritiker, dass Sie seine Meinung nicht teilen, ohne Ihre Verletzlichkeit zu zeigen? Die beste Methode ist die schlagfertige oder rhetorisch geschickte Entgegnung, mit der Sie aus so mancher Kritik oder Forderung eines Kollegen noch einen Imagegewinn fĂŒr sich herausholen können. Probieren Sie es aus: Sie werden ĂŒberrascht sein, wie wenig Sie wirklich schlucken mĂŒssen und wie offensiv Sie mit Kritik und Forderungen anderer umgehen können.
Kritik hinterfragen
Warum aber können Perfektionisten ungerechtfertigte Kritik nicht einfach abblocken oder zumindest hinterfragen? Die Antwort: Sie haben es nicht gelernt. Blicken Sie einmal auf Ihre eigene Kindheit zurĂŒck. Uns allen wird frĂŒh beigebracht, Kritik einfach hinzunehmen. Die Absicht dahinter ist, uns die Regeln und Normen nahezubringen, die wir einhalten mĂŒssen, wenn wir in der Gesellschaft zurechtkommen wollen. Doch werden uns manchmal die falschen Informationen vermittelt.
Isabel beispielsweise hatte im Französischunterricht Probleme mit der Aussprache. Eine einfache, sachliche Kritik ihrer Lehrerin wĂ€re gewesen: âDeine Aussprache ist schlecht, ĂŒbe das bitte zu Hause.â Stattdessen verband die Lehrerin die Kritik mit einer Wertung: âWenn Du Dir nicht endlich MĂŒhe gibst, Deine Aussprache zu verbessern, wirst Du nie Französisch lernen. Und wenn Du kein Französisch kannst, wirst Du es nicht weit bringen.â
Kritik filtern und bewerten
Die Absicht der Lehrerin war es sicher, Isabel zu mehr Leistung anzuspornen. Isabel jedoch ist seitdem ĂŒberzeugt, im Leben zu versagen, wenn sie nicht perfekt Französisch lernt. TatsĂ€chlich hatte Isabel das anfĂ€nglich auch angezweifelt: âWarum brauche ich denn unbedingt Französischâ, hatte sie ihre Lehrerin gefragt und zur Antwort bekommen: âWeil ich es sage, darum!â. Und als sie ihre Eltern fragte: âIs...