Urschwejk
  1. 390 Seiten
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Über dieses Buch

Diese frühen Texte Jaroslav Hašeks in der Übersetzung der vortrefflichen Grete Reiner waren lange unbekannt. Hier werden sie den Lesern geboten, die mehr über den Autor des braven Soldaten Schwejk erfahren wollen. Wichtig ist vor allem die Erzählung "Kommandant der Stadt Bugulma", ohne die Hašeks berühmter Roman nicht zu verstehen ist, meinte Karel Kosík. Der Band wird ergänzt durch Berichte von František Langer und Josef Lada, Freunden Hašeks, und zwei Essays zu seinem Werk, einem von Karel Kosík und einem von Hans Dieter Zimmermann zu den Antipoden Kafka und Hašek.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783990471180

II. Kommandant der Stadt Bugulma

1.

Als mir Anfang Oktober 1918 vom militärischen Revolutionssowjet der »linksufrigen Gruppe in Simbirsk« (levobereschnaja gruppa v Simbirsku) bekanntgegeben wurde, ich sei zum Stadtkommandanten von Bugulma ernannt worden, fragte ich den Vorsitzenden: »Und wissen Sie das auch bestimmt, daß Bugulma schon erobert ist?«
»Nähere Meldungen haben wir nicht«, lautete die Antwort, »und ich zweifle sehr, daß es bereits jetzt in unseren Händen ist, aber bevor Sie dort eintreffen, wird es hoffentlich bereits gefallen sein.«
»Und wird mich jemand hinbegleiten?« fragte ich leise. »Und dann noch etwas: Wie komme ich nach Bugulma, wo liegt es eigentlich?«
»Sie bekommen eine Eskorte von zwölf Mann, und was die zweite Frage betrifft, schaun Sie sich die Karte an. Glauben Sie, es ist meine Sorge, wo irgendein idiotisches Bugulma liegt?«
»Noch eine Frage, Towarisch Kajurov. Wann bekomme ich Geld für die Reise und Auslagen?«
Kajurov schlug die Hände zusammen ob dieser Frage.
»Sie sind verrückt geworden. Auf dem Wege kommen Sie doch durch mehrere Dörfer, wo man Sie schon anfüttern wird, und in Bugulma werden Sie eine Kontribution einheben …«
In der Wachstube unten wartete meine Eskorte. Zwölf kräftige jungen Tschuwaschen, die sehr wenig russisch verstanden, so daß sie mir in keiner Weise erklären konnten, ob sie einberufen seien oder freiwillig dienten. Ihrem biederen und furchtbaren Aussehen konnte man entnehmen, daß sie eher Freiwillige seien, die zu allem entschlossen waren.
Als ich meine Dokumente und einen Haufen Vollmachten erhalten hatte, in denen man nachdrücklich darauf hinwies, daß mir von Simbirsk bis Bugulma jeder Bürger jedwede Unterstützung gewähren müsse, begab ich mich mit meiner Expedition auf den Dampfer, und wir fuhren auf der Wolga und auf dem Kamafluß bis nach Tschistopol.
Während der Reise erlebte ich kein besonderes Abenteuer. Nur einer meiner Tschuwaschen fiel in betrunkenem Zustand über Bord und ertrank. So blieben mir nur elf. In Tschistopol, wo wir den Dampfer verließen, meldete sich ein Tschuwasche, er werde Fuhrwerke beschaffen, und kehrte nicht mehr zurück. So blieben ihrer zehn, und ich erfuhr, daß der verschwundene Tschuwasche nach seinem ungefähr vierzig Werst entfernten Heimatort entlaufen sei, um zu schauen, wie es seinen Eltern gehe.
Als ich endlich nach langem Fragen bei der Ortsbevölkerung festgestellt hatte, wo Bugulma eigentlich liegt und wie man hingelange, verschafften meine Tschuwaschen Fuhrwerke, und wir machten uns auf den grundlosen, furchtbaren Straßen dieser Gegend über Kratschalg, Jelanov, Moskov, Gulukov, Ajbaschov auf den Weg. Das sind lauter Dörfer, die von Tataren bewohnt werden, bis auf Gulukov, wo Tscheremisen mit Tataren vermengt leben.
Da zwischen den Tschuwaschen, die bereits vor etwa fünfzig Jahren das Christentum angenommen haben, und den Tscheremisen, die noch heute Heiden sind, furchtbare Feindschaft herrscht, begab sich in Gulukov ein kleines Mißgeschick. Meine bis auf die Zähne bewaffneten Tschuwaschen brachten mir nach der Durchsuchung des Dorfes den Ortsvorsteher Dawledbaja Schakir geschleppt, der in der Hand einen Käfig mit drei weißen Eichhörnchen hielt, und einer von den Tschuwaschen, der am besten russisch sprach, wandte sich zu mir mit folgender Aufklärung: » Die Tschuwaschen rechtgläubig seit ein, zehn, dreißig, fünfzig Jahren – die Tscheremisen Heiden, Schweine.« Und während er der Hand Dawledbaja Schakirs den Käfig mit den weißen Eichhörnchen entwand, fuhr er fort: »Weißes Eichhörnchen ihr Gott sein – ein, zwei, drei Götter. Dieser Mann Priester, springt mit Eichhörnchen, springt, betet zu es. Du wirst ihn taufen …«
Die Tschuwaschen gebärdeten sich so drohend, daß ich befahl, Wasser zu holen, und den Dawledbaja Schakir besprengte, wobei ich unverständliche Worte murmelte. Dann ließ ich ihn frei.
Die tscheremisischen Götter wurden hierauf abgehäutet, und ich kann jedem versichern, daß der Herrgott der Tscheremisen eine sehr gute Suppe gibt.
Dann machte mir der mohammedanische Lokalmulla Abdulhalej seine Aufwartung und sprach mir seine Freude darüber aus, daß wir die Eichhörnchen aufgegessen hatten. »Jeder muß an etwas glauben«, sagte er, »aber an Eichhörnchen, das ist eine Schweinerei. Sie springen nur von Baum zu Baum, und wenn sie im Käfig sind, machen sie an. Für so einen Herrgott bedanke ich mich.« Er brachte uns einen Haufen gebratenen Hammelfleisches und drei Gänse und versicherte uns, wenn die Tscheremisen sich in der Nacht auflehnen würden, würden alle Tataren an unserer Seite kämpfen.
Doch passierte nichts, da, wie Dawledbaja Schakir erklärte, der sich am Morgen zu unserem Abmarsche eingefunden hatte, der Wald voller Eichhörnchen war. Zum Schluß passierten wir Ajbaschev, und am Abend langten wir ohne weiteren Zwischenfall in Klein-Pisecnic ein, einem russischen Dorf, zwanzig Werst weit von Bugulma entfernt.
Die Ortsbevölkerung war sehr gut informiert über die Vorgänge in Bugulma. Vor drei Tagen hätten die Weißen die Stadt kampflos verlassen, die Sowjettruppen ständen auf der andern Seite der Stadt und fürchteten sich einzumarschieren, um nicht in einen Hinterhalt zu fallen.
In der Stadt herrsche Anarchie, und der Bürgermeister warte mit der ganzen Gemeindevertretung bereits zwei Tage lang mit Brot und Salz in der Hand, um den zu begrüßen, der die Stadt besetze.
Ich schickte den Tschuwaschen voraus, der am besten russisch sprach, und am Morgen rückten wir nach Bugulma vor.
An der Stadtperipherie kam uns eine unübersehbare Menschenschar entgegen. Der Bürgermeister hielt in der Hand ein Tablett, auf dem ein Laib Brot und eine Schale Salz standen.
In seiner Rede sprach er die Hoffnung aus, ich würde mit der Stadt Erbarmen haben. Ich kam mir vor wie der böhmische Nationalheld Žižka, besonders als ich in dem Aufzug auch Schulkinder erblickte.
Ich dankte mit einer langen Rede, schnitt mir eine Scheibe Brot ab und bestreute sie mit Salz. Ich betonte mit Nachdruck, daß ich nicht gekommen sei, um irgendwelche Schlagworte zu predigen, sondern mein Ziel sei Ruhe, Friede und Ordnung. Zum Schluß küßte ich den Bürgermeister, reichte den Vertretern der orthodoxen Kirche die Hand und begab mich aufs Rathaus, wo mir Räumlichkeiten für das Stadtkommando zugewiesen wurden.
Hieraufließ ich den Befehl Nummer eins folgenden Inhalts plakatieren:
Bürger!
Ich danke Euch allen für die warme und aufrichtige Begrüßung mit Salz und Brot. Bewahret stets den altslawischen Brauch, gegen den ich nichts einzuwenden habe. Doch bitte ich Euch, vergeßt dabei nicht, daß ich zum Stadtkommandanten ernannt wurde, der ebenfalls seine Pflichten hat.
Ich bitte Euch daher, liebe Freunde, morgen um zwölf Uhr alle Waffen im Rathaus in den Räumlichkeiten der Stadtkommandantur abzuliefern.
Ich drohe natürlich nicht, aber Ihr wißt, daß sich die Stadt im Belagerungszustand befindet.
Ich betone noch, daß ich beauftragt wurde, der Stadt eine Kontribution aufzuerlegen, daß die Stadt aber keine Kontribution zahlen wird.
Unterschrift.
Am folgenden Tag um zwölf Uhr füllte sich der Ringplatz mit bewaffneten Leuten. Es kamen ihrer mehr als tausend Mann mit Gewehren, hie und da schleppte einer auch ein Maschinengewehr.
Wir elf Mann wären von dieser Sturmflut bewaffneter Bürger hinweggefegt worden, aber sie kamen nur, um ihre Waffen abzuliefern. Bis spät in die Nacht dauerte die Ablieferung, wobei ich jedem die Hand reichte und ein paar leutselige Worte sagte.
Am Morgen ließ ich Befehl Nummer zwei drucken und plakatieren:
Bürger!
Ich danke der gesamten Bevölkerung Bugulmas für die genaue Ausführung des Befehls Nummer eins.
Unterschrift.
Ich ging an jenem Tag ruhig schlafen. Ich ahnte nicht, daß über mir ein Damoklesschwert hänge, in der Gestalt des Twersker Revolutionsregimentes.
Wie ich bereits sagte, standen die Sowjettruppen in einer Entfernung von etwa fünfzehn Werst südlich von Bugulma und wagten nicht, in Bugulma einzudringen, da sie sich vor einem Überfall fürchteten. Schließlich erhielten sie vom Revolutionsmilitärsowjet in Simbirsk den Befehl, um jeden Preis Bugulma zu besetzen und so die Basis der Sowjettruppen zu sichern, die östlich von Bugulma operierten.
Und so schickte sich Genosse Jerochymov, Kommandant des Twersker Revolutionsregimentes, in der Nacht an, Bugulma zu erobern und zu besetzen, als ich bereits drei Tage lang gottesfürchtig Stadtkommandant war und zur allgemeinen Zufriedenheit aller Bevölkerungsschichten amtierte.
Das Twersker Regiment »drang« in die Stadt ein, feuerte Salven in die Luft beim Marsch durch die Straßen und stieß nur auf den Widerstand bei dem Wachposten meiner Tschuwaschen. Diese wurden nämlich während des Wachdienstes aus dem Schlaf gerissen und wollten Genossen Jerochymov, der mit dem Revolver in der Hand an der Spitze seines Regimentes an die Besetzung des Rathauses schritt, nicht ins Rathaus lassen. Die Twersker nahmen die Tschuwaschen gefangen, und Jerochymov trat in meinen Amts- und Schlafraum.
»Hände hoch!« rief er siegesberauscht und zielte mit dem Revolver auf mich. Ich erhob ruhig die Hände.
»Was sind Sie eigentlich?« fragte der Kommandeur des Twersker Regimentes.
»Stadtkommandant.«
»Von den Weißen oder von den Sowjettruppen?«
»Von den Sowjettruppen. Kann ich die Hände herabgeben?«
»Sie können, aber ich ersuche Sie, mir sofort nach Kriegsrecht das Stadtkommando zu übergeben, denn ich habe Bugulma erobert.«
»Aber ich wurde ernannt«, wandte ich ein.
»Der Teufel hole alle Ernennungen. Zuerst müssen Sie eine Stadt erobern.«
»Wissen Sie was«, sagte er nach einer Pause großmütig, »ich ernenne Sie zu meinem Adjutanten. Falls Sie damit nicht übereinstimmen sollten, lasse ich Sie in fünf Minuten erschießen.«
»Ich habe nichts dagegen, Ihr Adjutant zu sein«, antwortete ich und rief meiner Ordonnanz zu: »Wassilij, mach den Samowar zurecht, wir werden mit dem neuen Stadtkommandanten, der soeben Bugulma erobert hat, Tee trinken …«
Glück und Glas, wie leicht bricht das.

2.

Das erste, was ich tat, war, daß ich meine zwei gefangenen Tschuwaschen befreite und mich hinlegte, um den durch den Umsturz in Bugulma unterbrochenen Schlaf fortzusetzen. Gegen Mittag erwachte ich und stellte fest: erstens, daß alle meine Tschuwaschen auf geheimnisvolle Weise verschwunden waren und mir in einem meiner Stiefel einen Zettel von recht unverständlichem Inhalt hinterlassen hatten: »Towarisch Gašek.* Viel Hilfe suchen hier und dort. Towarisch Jerochymov baschkakhawa.« (Kopf ab); zweitens, daß Genosse Jerochymov sich von früh an anstrengte, seinen ersten Befehl an die Bevölkerung Bugulmas abzufassen.
»Towarisch Adjutant«, sagte er zu mir, »glauben Sie, daß das so gut ist?«
Er entnahm einem Haufen geschriebener Entwürfe ein Blatt mit durchgestrichenen Zeilen und eingefügten Worten und las: »An die gesamte Bevölkerung von Bugulma! Mit dem heutigen Tage habe ich nach dem Fall Bugulmas das Stadtkommando übernommen. Den bisherigen Kommandanten entferne ich von seinem Amte wegen Unfähigkeit und Feigheit und ernenne ihn zu meinem Adjutanten. Stadtkommandant Jerochymov.«
»Das erfaßt die ganze Situation«, sagte ich anerkennend. »Und was gedenken Sie weiter zu tun?«
»Vor allem«, antwortete er ernst und feierlich, »werde ich eine Pferdemobilisierung anordnen, dann laß ich den Bürgermeist...

Inhaltsverzeichnis

  1. Startseite
  2. Vorrede von Grete Reiner (1928)
  3. I. Der Urschwejk
  4. II. Kommandant der Stadt Bugulma
  5. III. Der Horschitzer Bezirkshauptmann
  6. IV. Die Staatspolizeischule
  7. V. Oberpolizeikommissär Wagner
  8. VI. Die Korruptionsaffaire des Magistratspraktikanten Bachura
  9. VII. Der Bandwurm der Fürstin
  10. VIII. Die Sarghandlung
  11. IX. Spiritistischer Nachwuchs
  12. X. Die Geschichte vom toten Wähler
  13. XI. Hymne der Beharrlichkeit
  14. XII. Der junge Kaiser und die Katze
  15. XIII. Die Verlobung in unserer Familie
  16. XIV. Gerichtssachverständige
  17. XV. Der Tolpatsch
  18. XVI. Wie man mit Erfolg Selbstmörder rettet
  19. XVII. Kettenhandel mit Sacharin
  20. XVIII. Historische Anekdoten
  21. XIX. Er schüttelt den Staub von seinen Schuhen
  22. XX. Begegnung mit dem Verfasser meines Nekrologs
  23. František Langer: Erinnerungen an Jaroslav Hašek
  24. Josef Lada: Wie ich sie kannte
  25. Karel Kosík: Schwejk und Bugulma oder Die Entstehung des großen Humors
  26. Hans Dieter Zimmermann: Jaroslav Hašek – Leben und Legende. Ein Nachwort
  27. Hans Dieter Zimmermann: Die Übersetzerin Grete Reiner
  28. Zu diesem Band
  29. Literaturhinweise