Die Unbelehrbarkeit des Menschen
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Die Unbelehrbarkeit des Menschen

Wissenschaftsgeschichte

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Die Unbelehrbarkeit des Menschen

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Die Evolution hat Menschen lernfähig gemacht. Aber können wir alles lernen? Oder bleiben wir in Situationen unbelehrbar, auf die uns unsere Entwicklungsgeschichte nicht vorbereitet hat? Wir wissen, daß wir zu viele Menschen auf dem Planeten sind, und ändern doch nichts an unserem Kinderwunsch. Wie können wir mit Katastrophen umgehen, die sich lautlos und langsam vor unseren Augen vollziehen? Wie können wir lernen, auf kurzfristige Erfolge (Wirtschaftswachstum) zugunsten langfristiger Ziele (Klimaschutz) zu verzichten? Was tun wir, wenn die Rationalität versagt?

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Information

Das 20. Jahrhundert hat in der Naturwissenschaft eine merkwürdige Entwicklung mit sich gebracht. Man hat ja nach dem erfolgreichen 19. Jahrhundert gedacht, dass im 20. Jahrhundert die Wissenschaft alles erfasst, alles ergreift und alles vollendet. Stattdessen hat man bemerkt, dass die wesentliche Vorsilbe des 20. Jahrhunderts die Vorsilbe ‚un' ist.
Erst wurde eine Unstetigkeit in der Natur entdeckt, dann wurde eine Unbestimmtheit in der atomaren Wirklichkeit gefunden, dann wurde sogar eine Unentscheidbarkeit bei mathematischen Gesetzen entdeckt, dann wurde eine Ungenauigkeit in der Logik als grundlegend verstanden und dann ist sogar noch – das ist das Stichwort der Chaosforschung – eine Unvorhersagbarkeit in die ganze Natur hineingekommen.
Ich möchte heute dieser Unsitte ein weiteres Beispiel hinzufügen. Ich möchte die Frage erörtern, ob trotz aller Wissenschaft, trotz aller Fähigkeit der menschlichen Gesellschaft, über Naturwissenschaft die Wirklichkeit oder das Natürliche kennen zu lernen, trotz unserer Fähigkeit, über die Dinge etwas zu lernen, nicht zum Schluss etwas übrig bleibt, was uns gefährdet. Das ist das, was ich die Unbelehrbarkeit des Menschen nenne.
Es könnte sein, dass die Evolution uns nicht in die Lage versetzt, wirklich das zu lernen, was wir benötigen, um im globalen Maßstab überleben zu können. Insofern ist es eine spannende Frage, ob der Mensch trotz aller Lernfähigkeit im Hinblick auf seinen evolutionären Ursprung unbelehrbar bleibt.

Die Überproduktion der Natur

Im Buch von Charles Darwin, über die Abstammung der Arten, ist vor allen Dingen eines auffällig, das Darwin auch als Erstes in seiner Theorie deutlich macht: Die Natur fällt dadurch auf, dass sie Überschuss produziert. Immer ist zu viel da. Denn, wenn die Natur nicht Überschuss und Übermengen produzieren würde, wäre ja auch jede Auswahl überflüssig. Wenn nur ein paar von uns hier herumlaufen würden, gäbe es keine Probleme. Das Problem gibt es dadurch, dass wir so viele sind und dass wir immer mehr werden, dass wir eine Überproduktion pflegen. Wir haben uns die Eigenschaft der Natur angewöhnt, einfach zu viel zu machen.
Die Natur hat das Verfahren der Selektion eingeführt, um bei ihrer Wirkungsweise dafür zu sorgen, dass es nicht Übermengen werden, sondern dass nur die Angepassten, die sich an das Leben gewöhnt haben, übrig bleiben. Wir machen das dadurch, dass wir uns Ziele setzen, was ja in der Evolution nicht zu erkennen ist. Ganz wichtig: Wenn man den Gedanken der Evolution anschaut, dann offenbart sie kein Ziel. Was im Übrigen auch bedeutet, dass die Evolution keine perfekten Formen des Lebens hervor bringt, sondern immer wieder fehlerhafte. Die müssen sich natürlich in jeder Situation neu anpassen.
Wir haben das ja vielleicht durch Lernfähigkeit kompensiert. Wir müssen nur schauen, wie weit diese Lernfähigkeit reicht, ob sie nicht irgendwann an ihre natürlichen Grenzen stößt.
Durch ihre Evolution und dadurch, dass sie kein Ziel hat, hat die Natur natürlich auch nie etwas Fertiges. Alles, was da ist, wird sich weiterentwickeln. Es wird nicht zum Stillstand kommen. Wir versuchen, an diesem Prozess teilzuhaben, indem wir uns Ziele vorgeben und den Prozess selbst in die Hand nehmen.

Gefährliches Ziel: Wachstum

Die Ziele haben wir bis jetzt nie diskutiert, sondern wir haben sie einfach nur hingenommen. Die Frage ist, ob diese Ziele tatsächlich leicht erreichbar sind. Bis jetzt hatten wir nämlich ein Ziel, das eigentlich gar keins ist. Dieses Ziel nannten wir Wachstum. Wir haben alle Neuerungen, alle Errungenschaften, alle Entwicklungen unter dieses Konzept des Wachstums gestellt. Das ökonomi sche Ziel, das wir vorgeben und das wir auch heute noch hören, lautet: Der Umsatz muss wachsen, der Gewinn muss wachsen, die Zahl der Autos muss wachsen, die Zahl der Produkte muss wachsen. Es muss alles wachsen, immer wieder wachsen. Wachstum ist der eigentliche Motor. Wachstum generiert Arbeitsplätze, Wachstum generiert Steuereinnahmen, Wachstum, Wachstum, Wachstum… Selbst eine doch physikalisch informierte und wissenschaftlich orientierte Bundeskanz lerin hatte es sich nicht nehmen lassen, einen Arbeitskreis ins Leben zu rufen, der ‚Innovation und Wachstum' hieß.
Dabei wissen wir längst, dass uns Wachstum schaden kann. Wir können nicht weiter wachsen. Und selbst die alte Tante ‚FAZ’ hat in einem Artikel festgehalten, dass, wer heute noch Wachstum als Ziel vorgibt – als Wachstum der Wirtschaft, Wachstum der Umsätze – der müsste eigentlich als Selbstmordattentäter bezeichnet werden. Denn, wenn wir alle so weiter wachsen, wie wir das in den letzten 100 Jahren getan haben, dann ist der Planet „Erde“ in absehbarer Zeit restlos überfordert.

Nachhaltigkeit

Jetzt stellt sich die Frage, ob wir ein neues Ziel formulieren können? Ein neues Ziel hat schon einen Namen bekommen: „Nachhaltigkeit“. Das ist ein Ausdruck, der aus dem Engli schen kommt, ‚Sustainability’. Wir verstehen inzwischen, dass wir nachhaltig wirtschaften müssten. Der einfache Gedanke stammt aus dem 18. Jahrhundert, schon damals sollte die Forstwirtschaft nach haltig in dem Sinne wirtschaften, dass sie nicht mehr Bäume schlägt, als nachwachsen, sodass immer genügend Bäume da sind.
Wie können wir aber Sustainability, die Nachhaltigkeit, erreichen? Passt das überhaupt zu unserer Natur? Unsere Natur ist evolutionärer Art. Nachhaltigkeit, die wir fordern, ist eine kulturelle Forderung. Die Frage ist, ob die Kultur, die wir fordern, mit unserer Natur verträglich ist. Darum wird es gehen.
Das Problem der Nachhaltigkeit ist in aller Munde, wird in aller Öffentlichkeit diskutiert, aber zum Teil mit einer merkwürdigen Dummheit. Im März des Jahres 2009 gab es eine von vielen Konferenzen gegen den Klimawandel. Diesmal fand sie in Kopenhagen statt. In deren Verlauf hat einer der führenden Politiker Dänemarks gemeint, das wäre ja alles ganz toll, man müsste jetzt endlich etwas entschließen. Ich zitiere aus einem Zeitungsartikel vom März 2009: „Ich hoffe“, so der dänische Minister, „dass sich die ganze Welt zusammenschließt und eine Erwärmung unseres Planeten von maximal 2° C als Ziel beschließt.“
Überlegen Sie einmal, wie viel Unsinn in diesem Satz steckt. Als ob wir entscheiden könnten, wie sich der Planet aufheizt. Als ob es irgendwo eine Instanz gibt, die sozusagen 2° C festlegt. Außerdem wissen wir gar nicht, was eine Erwärmung von 2° C bedeutet. Wir haben überhaupt keine Ahnung. Aber wir formulieren das als Ziel und haben dadurch das Gefühl, dass wir etwas getan haben.
Ich glaube, dass wir überhaupt nicht mit der richtigen Rationalität, mit dem richtigen Vermögen, die Entscheidungen zu treffen, ausgestattet sind.
Wir behaupten nur, wir könnten das. Aber hat uns die Evolution an dieser Stelle nicht gewaltig im Stich gelassen? Können wir lernen, wie wir eigentlich mit den Problemen umgehen müssen, die auf uns zukommen?

Egoismus und Altruismus

Wir müssen insgesamt verstehen, und das ist die große evolutionäre Aufgabe, wie das entsteht, was wir kooperative Sozialverbände nennen. Denn in dieser Form entscheiden wir. Der Einzelne entscheidet heute nichts mehr, wir entscheiden das in Staaten, in Institutionen.
Das fängt natürlich evolutionär gesehen mit der Familie an. Und die große Frage, wie Familien entstanden sind, wie sich Sozialverbände kooperierender Art gebildet haben, ist immer noch spannend. Wie dabei moralische Verhaltensweisen entstehen – die Moral, die den Verband zusammenhält, die den Verband stark macht, um nach außen zu bestehen.
Die grundlegende Idee, die die Evolutionsbiologie dabei vertritt, ist, dass der Einzelne sich bemühen sollte, egoistisch zu sein. Er muss sich selbst in seiner Gruppe um seine eigenen Vorteile bemühen. Er muss schauen, dass er sich durchsetzt, er muss schauen, dass er den großen Anteil bekommt und dass er oder sie sich möglichst vermehrt.
Aber eine Gruppe ist nur dann erfolgreich, wenn es zusätzlich zu den Egoisten auch genügend Altruisten gibt, also solche, die sich für den Gesamtverband einsetzen, die eventuell ihre eigenen Ziele dem Gruppenziel unterordnen. Auf diese Weise wird eine Gruppe dann stark, wenn der egoistische Einzelne von altruistischen Anderen kooperiert wird. Die Frage ist nur, wer da wann welche Rolle übernehmen muss. Die spannende Frage ist, ob wir das heute in einer ganz neuen Gemeinschaft noch durchhalten können, diese beiden Pole des individuellen Egoismus und des kommunalen Altruismus, wo doch die ganze große Gemeinschaft das globale Dorf ist. Sind wir auf dieses globale Dorf vorbereitet? Wenn nicht, wie können wir uns in die Lage versetzen, die Probleme, die diese Globalisierung, diese Gesamtwelt mit sich bringt, in den Griff zu bekommen?
Klar ist natürlich, dass Evolution Gruppenverbände schafft. Das fängt mit der Familie an. Familie wird zu Dörfern, Clans entstehen, Städte entstehen. Einer der evolutionären Gedanken besteht darin, diese Strukturen immer größer zu machen. Denn das Individuum wird von der Evolution so ausgestattet, dass es irgendwann einmal beschließt – das ist meist in der menschlichen Entwicklung die Pubertäts zeit – die Sicherheit der familiären Bindung oder der Gruppenbindung aufzugeben, um autonom zu werden.
Der Einzelne geht dann hinaus in die Welt. Er versucht, sein eigenes Leben aufzubauen, gründet seinen eigenen Hausstand. Er versucht sich zu entfernen. Je mehr Wesen da sind, desto weiter geht die Entfernung vonstatten, sodass wir die gan ze Zeit globalisieren. Das gehört zur Natur des Lebens, dass es globalisiert, wobei klar ist, dass es nach wie vor lokal orientiert entscheidet und handelt. Tatsächlich ist es auch so: Wir reden zwar von einer globalen Welt, aber alle Handlungen, alle Entscheidungen, alle Planungen, die wir ausfüh ren, sind lokal. Wenn wir zum Beispiel sagen, dass es auf dieser Welt ein Wasserproblem gibt, dass es für die Menschen global zu wenig Zugang zu frischem Wasser gibt, dann können wir dieses Problem auf keinen Fall global lösen. Wie wollen wir das machen? Sie können etwas nur lokal lösen. Sie können lokal in Baden-Württemberg oder lokal irgendwo in Nepal den Zugang zu Wasserquellen verbessern, aber Sie können nicht global das Wasserproblem lösen. Insofern ist es klar, dass insgesamt lokale Aktionen bleiben, obwohl globale Probleme auftauchen.

Die Farbe des Mondes

Aber trotzdem müssen wir uns natürlich fragen, wie wir globale Probleme erkennen. Obwohl bei uns eigentlich alles in schönster Ordnung ist. Nur an anderen Stellen tauchen Probleme auf. Wir müssen uns überlegen, wie wir uns aus den eventuell gegebenen evolutionären Schranken befreien können, um diese Probleme für die Gestaltung der Zukunft sinnvoll bearbeiten zu können.
Dass es Situationen gibt, dass es Bedingungen gibt, auf die uns die Evolution nicht vorbereitet hat, das kann man sich leicht klarmachen. Das einfachste Beispiel hat jetzt zunächst einmal nichts mit dem globalen Problem zu tun, dem wir heute gegenüberstehen, aber es zeigt, dass es Situationen gibt, in denen wir evolutionär bedingt völlig unfähig sind, eine Frage zu beantworten.
Als die ersten Astronauten auf dem Mond landeten, wollte die Bodenstation wissen, welche Farbe der Mond hat. Wenn Sie auf dem Mond stehen, können Sie die Farbe des Mondes nicht angeben, weil unser Farbsehen unter der Bedingung der Erde, unter der Bedingung einer Atmosphäre, unter der Bedingung des Einwirkens des Sonnenlichtes, das eine bestimmte Helligkeit hat, das eine bestimmte Atmosphäre durchdrungen hat, entwickelt ist. Unser Sehen ist hieran angepasst. Wenn Sie auf dem Mond stehen, versagt dieses Sehen, d. h. Sie sind nicht in der Lage, die Farbe des Mondes anzugeben.

Die Logik des Misslingens

Ähnlich gibt es Situationen, auf die wir nicht vorbereitet sind, die mit dem Stichwort Komplexität und Vernetzung bezeichnet werden können. Eine Zeit lang wurde, wenn Flugzeuge abstürzten oder Unglücke mit Eisenbahnen oder komplizierteren technischen Einrichtungen geschahen, in der Zeitung immer formuliert: „Die Ursache des Unfalls war menschliches Versagen“. Damit meinte man, dass der Pilot oder der Lokführer oder der Autofahrer nicht 17 Knöpfe gleichzeitig in die richtige Richtung bewegen konnte. Seitdem hat sich auch das Wort der Bedienerfreundlichkeit durchgesetzt.
Menschen, die unter einem gewissen Druck stehen, können höchstens einen Knopf oder vielleicht 2 richtig bedienen, sonst wird die ganze komplexe Situation viel zu schwierig. Das rückwärts Einparken ist schon eine sehr komplexe Situation und wenn Sie jetzt noch in einer Gefahrensituation plötzlich rückwärts ausweichen müssen, dann verwechseln Sie die Drehung des Lenkrades, Sie verwechseln vielleicht Gaspedal und Bremspedal. Auf diese Weise kommt es zu einem Unfall, den man dann menschliches Versagen nennt.
Aber die Situation hat einfach unsere evolutionären Bedingungen überfordert. Wir sind nicht dazu gemacht, 17 Knöpfe auf einmal zu bedienen. Wir sind auch nicht dafür angelegt, nichtlineare Reaktionen von technischen Systemen beurteilen zu können. Wenn wir das mit unserem evolutionären Erbe aber trotzdem tun, dann tritt das auf, was die Psychologen gerne die Logik des Misslingens nennen.

Menschliches Versagen

Es gibt gute Gründe dafür, dass das große Unglück von Tschernobyl dadurch zustande gekommen ist, dass das Bedienungspersonal durch die Reaktionen der technischen Geräte völlig überfordert war. Die sind zwar in allem unterrichtet gewesen, was man in bestimmten Alarmsituationen tun muss. Aber ein expotentielles Verändern von Parametern oder ein sehr gravierendes Verändern von mehreren Größen ist – selbst, wenn man das gelernt hat – im Moment einer dramatischen Situation einfach nicht nachvollziehbar. Man ist aber gezwungen zu handeln und macht das dann prompt falsch. Es gibt tatsächlich menschliches Versagen, wenn keine Bedienerfreundlichkeit, Benutzerfreundlich keit gegeben ist. Wir sind eben nur zu bestimmten komplexen Handlungen in der Lage. Wir können auch nur bestimmte komplexe Situation zur Zukunftsprognose einsetzen. In den 60er Jahren war die merkwürdige Idee aufgekommen, dass man überhaupt jede politische Entscheidung den Menschen abnehmen und den Computern übertragen sollte. Denn Computer können beliebig komplexe Software einsetzen, um dann irgendwelche Parameter auszurechnen, die in Zukunft das evolutionär bedingte Denkvermögen des Menschen übersteigen. Aber der Gedanke, dass Computerprogramme über zukünftige Entscheidungen bestim men sollen, ist natürlich noch schlimmer. Man sieht ja zum Beispiel bei den Börsenbewegungen, dass das in die Katastrophe führen kann.
Wir haben natürlich auch noch andere Situationen, auf die uns die Evolution nicht vorbereitet hat, in die uns aber z. B. wissenschaftliche Fragestellungen führen. Wir haben überhaupt keine Vorstellung für kosmische Dimensionen. Wir können uns vielleicht eine Tagesreise vorstellen, aber wenn wir sagen, Licht bewegt sich mit 300.000 km/sec, ist es sinnlos, den Versuch zu machen, sich das vorzustellen. Und von Entfernungen in Lichtjahren zu sprechen, ist einfach nur nett. Auch die Vorstellung von evolutionären Zeiten ist schwer: Milliarden Jahren der Entwicklung oder „die Dinosaurier haben 100 Millionen Jahren auf der Erde gelebt“. Das ist alles nett, das kann man ratio nal sagen und Sie können das auch abfragen oder in der Schulprüfung damit durchfallen oder sie bestehen, aber eine innerliche Vorstellung haben wir davon nicht.
Auch die Zahl der Menschen, mit denen wir zu tun haben, überfordert uns irgendwann. Es gibt gute Gründe, dass die Evolution uns dafür ausgestattet hat, etwa mit 150 Menschen gut umgehen zu können. Eine Gemeinschaft von 150 Menschen organisiert sich auf ihre besondere Weise. Aber sobald es mehr werden, muss man andere Strukturen einführen. Es wird anonymer und dadurch steigt auch die Zahl der Fremden, mit denen man zu tun hat.
Fremde kann man als die Personen definieren, die man nur einmal trifft und dann nicht...

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  1. Die Überproduktion der Natur