Erlösung in den Weltrelgionen
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Erlösung in den Weltrelgionen

Religionswissenschaft

  1. 14 Seiten
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Religionswissenschaft

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Über dieses Buch

Christentum, Judentum und Islam bezeichnen sich als Erlösungsreligionen und meinen damit im Wesentlichen die Befreiung von Leid und Krankheit, von Gefangenheit und Gebundenheit, von Sünde und Tod. Dabei geht es auch um Begriffe wie Ewigkeit, Zeit, Opfer und Mitgefühl.Erlöst sein wird verstanden als bei oder in Gott zu sein. Lässt sich dieser Zustand durch Liebe oder durch Mitleid erlangen? Oder durch Überwindung des Leidens?In den asiatischen Denkvorstellungen des Hinduismus und Buddhismus versteht man Erlösung mehr als die Befreiung aus dem eigenen Ich hin zu einer Erfahrung der Einheit mit allen Wesen. Dieser Ansatz findet sich aber auch in der Mystik der westlichen Religionen.Die unterschiedlichen Fragen der Religionen führen zu unterschiedlichen Antworten, oft als Hoffnung oder Erwartung formuliert. Aber sie kreisen alle um dieselbe Thematik, wie diese Vorlesung eindringlich aufzeigt.

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Information

Jahr
2011
ISBN
9783831256624
Erlösung – Christentum, Judentum und Islam, vielleicht auch noch der Hinduismus, weniger schon der Buddhismus bezeichnen sich als Erlösungsreligionen. Aber was heißt denn „Erlösung“? Kann der moderne Mensch mit dieser – zugegeben sehr alten – Vokabel noch etwas verbinden, das ihn unmittelbar angeht? Kann man überhaupt noch glauben, dass Gott die Welt mit sich selbst versöhnt durch den Tod Jesu Christi, durch das Opfer am Kreuz? Ist das nicht eine fromme Tradition, die unseren intellektuellen Erwägungen nicht mehr genügen kann? Ist vielleicht gar diese grausame Vorstellung vom Opfertod am Kreuz eher pathologisch und eine Todsünde des Christentums, wie vor einigen Monaten in der „Zeit“ zu lesen war, wie auch zum Beispiel Eugen Drewermann nicht müde wird, zu betonen? Oder wie vor einigen Jahren das Magazin für Geschichte „PM History“ in seiner Ausgabe 2/2000 titelt: „Der Tod am Kreuz – Erlösung oder Albtraum der Menschheit?“

„Optimistische“ und „pessimistische“ Religionen

Im 19. Jahrhundert hatte man „optimistische“ von „pessimistischen“ Religionen unterschieden. Friedrich Nietzsche, Arthur Schopenhauer, Richard Wagner und andere klassifizierten auf diese Weise wünschenswertes und lehnten solche Religionen ab, die ihnen nicht zeitgemäß zu sein schienen. Interessanterweise wechselten einige der Protagonisten die Perspektive, zum Beispiel Richard Wagner. Hatte der jüngere und mittlere Wagner das Griechentum als optimistische Religion gepriesen, das Christentum hingegen als eine die Künste und den Gestaltungswillen des Einzelnen unterdrückende Religion skeptisch beurteilt, so sah der späte Wagner im Buddhismus und Christentum Erlösungsreligionen, die deshalb anderen gegenüber zu bevorzugen seien, weil in ihnen die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen thematisiert würde.
War der frühe Wagner zum Beispiel in seiner berühmten Oper „Der fliegende Holländer“ und der mittlere Wagner etwa in „Tristan und Isolde“ noch überzeugt, dass Erlösung durch Liebe möglich sei, geht es dem späten Wagner um Erlösung von der Liebe, jedenfalls in ihrer sinnlichen, das Ego quälenden Gestalt. Erlösung durch das Mitleiden und die Erkenntnis der Einheit mit allen Wesen, wie er das im „Parsifal“ gestaltet.
Diese Einsicht hatte Wagner von Schopenhauer übernommen, der in einem seiner späten Essays zur Begründung der Ethik ähnliches von sich gegeben hatte, indem er das christliche Erlösungsmysterium buddhistisch uminterpretierte. „Erlösung dem Erlöser“, wie es am Ende des „Parsifal“ heißt.

Erlösung = Befreiung

Aber was heißt denn das? Zunächst Erlösung: In dem Wort schwingt etwas von „Loslösung“ mit. Loslösung von Gebundensein. Was gelöst werden muss, von wem und wie, das ist in den Religionen ganz verschieden. Dass aber das menschliche Leben nicht ist, wie es sein sollte oder sein könnte bzw. dass die Qualität eines guten Lebens bedroht ist und vor den Kräften des Negativen oder Bösen zeitweilig oder dauerhaft geschützt werden muss, das ist den Religionen gemeinsam. Erlösung ist in den meisten Religionen, die ich kenne, im Zusammenhang gesehen mit Befreiung von Leid, von Krankheit, geistiger und auch äußerlicher körperlicher Gefangenschaft, Frustration und letztlich und vor allem natürlich Erlösung von Tod.
Im Christentum wird davon gesprochen, dass Erlösung die Befreiung von der Sünde und dem Tod sei. Beide – Sünde und Tod – werden eng miteinander verbunden gesehen. Der Tod gilt als – wie es in der alten deutschen Übersetzung heißt – „der Sünde Sold“, also als Strafe für die Sünde, nicht als notwendige Kehrseite des Lebendigseins, wie wir das etwa aufgrund biologischer Erkenntnisse oder auch philosophischer Überlegungen formulieren würden.
Tod als Strafe für die Sünde? Warum? Weil Sünde und Tod beide etwas gemeinsam haben. Sie haben beide einen gemeinsamen Ursprung nach biblischer Vorstellung, nämlich die Ferne von Gott. Eine Gottesferne, die also mit der Entfremdung des Menschen von seinem Ursprung, seiner Mitte, seinem Ziel – Gott also – zu tun hat. Wenn Erlösung nun Befreiung von der Macht des Todes sein soll, dann ist sie auch Befreiung von der Gebundenheit in der Zeit. Denn Zeit in der Anschauungsweise des Vergänglichen und Tod hängen nicht nur miteinander zusammen, sondern sind gerade zwei Seiten ein und desselben. Demgegenüber heißt dann das Erlöstsein „die ewige Fülle“, bei oder in Gott zu sein. Und das beschreiben wir mit dem Wort oder mit dieser Metapher „Ewigkeit“.
Ewigkeit ist ja nicht eine unendliche Fortsetzung der Zeit, dann wäre es keine Erlösung, sondern nur ein Fortschreiten des ewig Gegebenen und das wäre vielleicht sogar ein Horror, sondern Ewigkeit bedeutet eine andere Qualität, eine überzeitliche Qualität. Etwas grundsätzlich Anderes, eben Befreiung von der Zeitlichkeit, damit von der Vergänglichkeit, damit auch von dem Tod.

Religionen stellen unterschiedene Fragen

Religionen sind verschieden. Ich sage gern: Religionen stellen nicht ein und dieselbe Frage und beantworten sie verschieden, sondern Religionen stellen verschiedene Fragen. Religionen sind emotionale intellektuelle und kultische, wir können sagen „Selbstvergewisserungen“ des Menschen. Sie heben in jedem Falle ins Bewusstsein, dass der Mensch mehr ist als das, was an der Oberfläche des alltäglichen Erlebens erscheint. Aber wie ich sagte sind verschiedene Religionen dennoch nicht einfach unterschiedliche Antworten auf ein und dieselbe Frage, sondern sie stellen die Fragen verschieden und dann sind natürlich auch die Antworten unterschiedlich.
Warum? Weil Religionen in den verschiedenen Kulturen, in den Sprachen, in den ganz unterschiedlichen Umweltbedingungen der Menschen wurzeln. Sie haben aufgrund des eben gesagten unterschiedliche Ursprungsgeschichten. Es ist etwas ganz anderes, ob wir zum Beispiel eine Religion in ihrer Entstehungsgeschichte im Umfeld etwa eines tropischen Klimas haben, wo es keine Jahreszeiten gibt oder eines Klimas, wo die Jahreszeiten die Zeit in ganz bestimmter Weise strukturieren. Es ist etwas ganz anderes, ob die Mythen einer Religion im Urwald, im Dschungel, geformt sind oder in den Wüsten der Welt oder in den Hochgebirgen, an den Flüssen oder an den Meeren. Jeweils unterschiedliche, menschliche Erfahrungen lassen die ganze Deutung von „Welt“ unterschiedlich erscheinen und dann auch die Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt, was sich dann in den Religionen niederschlägt.
Was also auch „Erlösung“ ist, hängt in den Religionen auch von den jeweils spezifischen Welterfahrungen, von den jeweils spezifischen Leidenserfahrungen ab. Diese Erfahrungen sind geschichtlich überliefert und geben einer Kultur über Jahrhunderte, manchmal Jahrtausende, hinweg ihre Identität. Aber diese Identitäten sind dennoch nicht feststehend, sondern sie verändern sich. Das, was letztlich erfahren wird, bestimmt das, was der Mensch denkt und das ist etwa vor 2000 Jahren sehr anders gewesen als heute. Innerhalb der Geschichte des Christentums, aber genauso innerhalb der Geschichte des Judentums und auch des Islam, des Buddhismus, des Hinduismus und aller anderer Religionen.

Ewigkeit – Dimension jenseits von Zeitlichkeit

Für die meisten Menschen in der jüdisch-christlichen Tradition ist die Zeit, von der wir eben sprachen, mit der Erfahrung verbunden, dass die Zeit so etwas ist wie ein Strahl, wie ein linearer Zahlenstrahl, der zwischen einem Anfangspunkt – der Schöpfung – und einem Endpunkt – dem Weltende – aufgespannt ist. Ewigkeit, wir sagten es schon, ist nicht die Verlängerung dieses Zeitpfeiles, wie man auch in der Physik und der Philosophie sagt, sondern Ewigkeit ist die andere Dimension, die jenseits der Zeitlichkeit nicht nur geglaubt, sondern in tiefen geistigen Erfahrungen auch erfahren wird. In tiefen Gebetserfahrungen, in tiefen Meditationserfahrungen, wahrscheinlich auch in tiefen Erfahrungen der Inspiration, der Kunst und so weiter.
Das ist die Dimension Gottes, wie wir in der Religion sagen, von der es zum Beispiel im Psalm heißt: „Tausend Jahre sind vor Dir, Gott, wie ein Tag“. Das heißt, Zeiterfahrung ist abhängig von der jeweiligen Perspektive und das ist unter dem Gesichtspunkt Gottes etwas anderes als des Menschen. Aber auch in der menschlichen Erfahrung sind Zeiterfahrungen ganz verschieden. Ein Kind erlebt Zeit ganz anders als ein älterer Mensch, wir erleben Zeit ganz anders in einem Hochgefühl von Glück als in einer Zeit des Schmerzes und so weiter. Zeit ist nichts feststehend objektives, sondern unsere Zeiterfahrung hängt an den Bedingungen unsers Bewusstseins.
Wie dem auch sei: In jedem Fall sagen die Religionen aus: Gott ist reine Ewigkeit. Wer in die Sphäre Gottes eintritt, tritt in die Ewigkeit ein. Dies kann jetzt im Leben schon geschehen, wie zum Beispiel – so die biblische Überlieferung – wenn der Prophet Elia entrückt wird oder wenn Paulus, wie er selbst berichtet, in höhere Sphären entrückt wird. Das geschieht letztlich wohl jedem Menschen im Sterben, das heißt: Im Übergang von der Zeitlichkeit in die Ewigkeit. Was dem gesamten Kosmos am jüngsten Tage widerfahren wird, nämlich das Ende der Zeit, das – so die biblisch-christlich aber auch jüdische und auch islamische Überlieferung – widerfährt dem individuellen Menschen schon jetzt im Tode. Er begegnet Gott.
Bitte: Das alles sind Metaphern. Was das letztlich bedeutet, was wir mit diesem Begriff „Gott“ und „Ewigkeit“ tatsächlich meinen, kann nicht in Definitionen angegeben werden, denn das wissen wir nicht, es sind eher Horizonte, auf die wir uns ausrichten. Es gibt zumindest für solche Menschen, die eine Erfahrung Gottes schon jetzt und hier im Leben machen, eine Ewigkeit vor dem Tode. Man hat solche Menschen meist „Mystiker“ genannt, aber es gibt derer vermutlich sehr viele und verschiedene.

Antwortversuche der Religionen

Ich möchte nach diesen allgemeinen Bemerkungen zum Thema Erlösung, Ewigkeit, Zeit, Religion, Gott, die etwas changieren, die etwas hin- und hergehen, sich keine klaren Definitionen erlauben, weil wir hier nicht im Bereich des Definierbaren sind, sondern eher Metaphern andeuten, mit denen wir umgehen, die unsere innere Imagination anregen, ich möchte nach diesen allgemeinen Bemerkungen nun zu einigen Antworten der Religionen kommen oder Antwortversuchen, die auch nicht beschreibend und behauptend sind, sondern sich meist – darf ich sagen – im Modus der Hoffnung, im Modus der Erwartung, vielleicht auch der Poesie formulieren.
Ich beginne mit einigen allgemeinen Bemerkungen und zitiere zunächst Psalm 126 aus der hebräischen Bibel: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann werden unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes an ihnen getan, der Herr hat Großes an uns getan. Des sind wir fröhlich. Herr, bringe zurück unsere Gefangenen, wie du die Bäche wiederbringst im Südland. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Gaben.“
Diese letzten Worte: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“ sind ja wunderbar vertont im Deutschen Requiem von Johannes Brahms und alle, die das musikalisch erlebt haben, werden wissen, dass hier nicht nur die Geschichten Israels, die politische Geschichte, denn die Gefangenen Zions, das sind natürlich die im Exil weilenden, ins babylonische Exil verschleppten Israeliten, dass aber nicht nur diese historische Situation gemeint ist, sondern dass dies eine allgemeinmenschliche Erfahrung beschreibt: Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Ein Traum, der aus dem geschichtlichen Wunsch gespeist wird, aber eben auch aus der kollektiven individuellen Erinnerung, ein Traum, der sich auf die Güte Gottes in der Schöpfung beruft, die nun auch übertragen auf die Geschichte gelten soll.

Der Mensch als Spiegelbild des „Kosmos“

Die Erfahrung, die hier dahinter steht, ist vielleicht so zu formulieren: Wenn die Welt eine Ordnung ist und Ordnung heißt im Griechischen „Kosmos“, wenn die Welt also ein Kosmos ist und nicht ein Chaos, dann kann das nicht nur in den Strukturen der Molekularbiologie, vielleicht auch der Planetenbewegungen oder anderer gesetzmäßig erfassbarer Zusammenhänge sichtbar werden, sondern dann muss das auch in der menschlichen Geschichte irgendwo greifbar sein, sonst würden menschliche Geschichte und Welt völlig auseinanderfallen, was denkerisch kaum möglich ist.
Wenn also, und das ist die Erfahrung und auch die Beschreibungsebene vieler Religionen, nicht nur des Judentums, auch im Hinduismus, auch im Buddhismus, wenn also die Welt eine Ordnung ist, wenn sie etwas Verlässliches ist, dann muss sich das letztlich irgendwo auch im Verhalten und Geschick des Menschen ablesen lassen. Wenn also Ungerechtigkeit widerfahren ist, dann muss das irgendwie ausgeglichen werden und das ist eine Form der Erlösung.

Drei Erlösungsmodelle

Ich möchte drei Erlösungsmodelle vorstellen, die aus diesem Hintergrund formuliert worden sind, die christlich eine große Rolle spielen, die aber auch Modelle sind, die in anderen Religionen durchaus vorkommen. Und ich möchte diese Erlösungsmodelle mit der Thematik des Opfers verbinden, denn wir hatten ja zu Beginn dieser Vorlesung gesehen, dass Opfer und Erlösung zumindest im jüdischchristlich-islamischen Verständnis eng miteinander zusammenhängen, wenn auch dann verschieden gedeutet werden.
Das erste Modell ist das der Kompensation, das zweite ist das der Satisfaktion und das dritte ist das der Läuterung. Was ist damit gemeint?

Kompensation = Ausgleich

Ein Opfer, das ich als „Kompensation“ gebe, ist ein Ausgleich. Schon die frühen griechischen Philosophen vor Sokrates hatten den Eindruck, dass der Mensch schuldig wird, wenn er lebt. Denn er lebt von anderen Leben. Er lebt, indem er anderes Leben nimmt und auch wenn die Menschen Vegetarier sind, dann nehmen sie Pflanzen und töten Leben, um selbst leben zu können. Ja, es ist nicht erst seit Darwin und der Evolutionslehre, sondern natürlich durch die Anschauung der Natur schon immer bekannt gewesen, dass Leben von Leben lebt und es daher in der Natur „grausam“ zugeht. Man muss also, wenn man Leben nimmt, eine Kompensationsleistung geben. Diese Vorstellung ist uralt und die meisten Opferriten der Welt, ob in den indischen Religionen oder den chinesischen oder altägyptischen oder indianischen Kulturen, aber eben auch in den arabischen, palästinensischen Kulturen, die vorchristlich sind, beruht diese Opfervorstellung auf alten Anschauungen, dass das Töten der Tiere für die Nahrung sozusagen eine Gewissensbereinigung braucht, das Opfer als Kompensation.

Satisfaktion = Sühne

Das zweite Modell ist die „Satisfaktion“. Hier wird das Opfer als Sühne verstanden. Nicht für den normalen Lebensrhythmus und den Ausgleich von Nahrung, sondern dadurch, dass der Mensch sich versündigt, dass er schuldig wird am anderen Leben in seiner Geschichte, dass er mehr nimmt als er eigentlich bedarf, dass er vielleicht auch aus reinem Mutwillen oder aus Angst tötet oder anderes Leben verletzt. Aus dieser christlichen, wie das Christentum sagt, „aus dieser menschlichen Sündengeschichte“ heraus ist das Opfer als Satisfaktion verstanden worden, als Sühne also. Weil nun aber die menschliche Schuld so groß ist, dass ein Mensch oder auch die gesamte Menschheit diese Sühne, also diese, wenn man so will, „Gegensatzleistung“, diese Aufhebung des Bösen nicht leisten kann, muss Gott – so die mittelalterliche Philosophie der christlichen Deutung etwa eines Anselm von Canterbury – sich selbst mit sich selbst versöhnen. Das heißt, nur er selbst kann diese Satisfaktionsleistung bringen. Weil die Schuld so groß ist, kann es also nur Gott selbst sein, der für die Menschheit einspringt, und damit haben wir die ganze Satisfaktionstheorie des christlichen Erlösungsopfers.

Läuterung = Erziehung

Die dritte Vorstellung der Erlösung als einer Kompensation ist nun etwas anderes, es ist die „Läuterung“. Der große mittelalterliche Philosoph Abelard etwa hat in diese Richtung gedacht. Das heißt, das Opfer, das Christus gibt, erweckt unser Mitleid, denn dieser unschuldige Mensch, der dort stirbt, ja der Unschuldigste, den man sich vorstellen kann, erweckt unter Mitleid. Und wenn das Mitleiden in uns erweckt wird, bekommen wir eine Anschauung der Liebe in uns selbst und das formt uns, das gestaltet uns, das läutert uns, das erzieht uns. Wir könnten also sagen, hier hat das Opfer Christi eine pädagogische Funktion.
Zunächst also eine kompensatorische, dann eine satisfaktorische und hier eine pädagogische Funktion. Diese Erlösungsmodelle sind im Christentum nun nie in Reinform gelehrt worden, dass man sagt: Entweder dies oder das, sondern sie verbinden sich miteinander und prägen in ihrer jeweiligen Kombination die christliche Geschichte ganz unterschiedlich. Im Übrigen finden wir das auch noch in nachchristlichen Theorien oder etwa...

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  1. „Optimistische“ und „pessimistische“ Religionen