Sozialphilosophie, Teil 2
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Sozialphilosophie, Teil 2

Die dynamische Gesellschaft

  1. 11 Seiten
  2. German
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Sozialphilosophie, Teil 2

Die dynamische Gesellschaft

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Über dieses Buch

Was ist Gesellschaft? Sie ist unser Raum und unsere Zeit, ihr gehören wir untrennbar an und stehen doch auch immer außerhalb von ihr. Ihre hierarchische Ordnung und ihr Gedächtnis spiegeln sich in den unvermeidbaren Konflikten, die in Wirtschaft und Politik besonders weitreichend sind. Unverzichtbar für ihre Lösung ist es dabei, sich über sozialethische Maßstäbe wie Gerechtigkeit zu verständigen.Zwei Brennpunkte dieser Debatte sind die Fragen nach der Gestaltung der Globalisierung und der Rolle von Religion in demokratischen Gesellschaften.

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Information

Jahr
2011
ISBN
9783831256310

1. Sprechen über Gesellschaft

Wir haben im ersten Kapitel über das Wohlwollen gesprochen, als eine Haltung, mit der wir uns überhaupt dem Gegenstand – nämlich Gesellschaft – öffnen. Jetzt ist nun über Gesellschaft zu sprechen, wie wir sie sprachlich einfangen.
Wir haben zuerst drei Schwierigkeiten zu nennen, wenn wir über Gesellschaft sprechen. Wer über Gesellschaft spricht, trägt auch immer sich selbst vor. Da wiederum kein Mensch sich völlig kennt und völlig auszusprechen vermag, ist Gesellschaft dem Sprechenden nicht völlig begreifbar. Nicht einmal das, was er tut, begreift der Mensch vollständig in seinen Beweggründen und Folgen. Und als Teil der Gesellschaft stellt sich auch ihm die Frage der Unparteilichkeit. Streng genommen können Menschen gar nicht unparteilich sein. Und deswegen wird man sagen können, wie Goethe es ausgedrückt hat: „Aufrichtig zu sein, kann ich versprechen, unparteiisch zu sein, aber nicht.“
Eine vielfältige Gesellschaft wird aber zumindest bestimmte Abhängigkeiten, zwischen Richtern und am Streit Beteiligten etwa, strukturell vermeiden müssen. Von der Sache her gesehen ist Gesellschaft nichts Statisches. Sie ist beständig in Bewegung. Geburt und Tod der Mitglieder tragen ebenso wie der Eintritt in Rollen und das Ende von Amtszeiten zum Wechsel bei. Die sprudelnden und verschiedenen Ansichten fordern zur Diskussion heraus. Es ist unmöglich, die Dynamik der gesamten Gesellschaft in Sätze zu fangen und zu vermitteln. Es besteht die Gefahr, dass das eigene oder ein bereits überholtes Bild als „die Gesellschaft“ weitergetragen wird. Arnold Gehlen sagte einmal: Wer etwas verdingliche, also von „der Gesellschaft“ spreche, behandle sie wie ein Vergangenes. Vergegenständlichtes Tun sei dasselbe wie vergangenes Tun. „Alle Verdinglichung ist ein Vergessen“, fügt Adorno hinzu.
Gewiss hilft sich der Geist durch Eingrenzungen und Abstraktionen, doch vermag er nicht allem Unterschiedenen eine gedachte und sprachliche Form zu geben, die das Ganze erfasst. Diese Unmöglichkeit zeigt Friedrich Hölderlin in dem Gedicht, das er mit „Bonaparte“ überschrieben hat. Mit einem Hinweis auf den jungen Napoleon schrieb Hölderlin, dass Dichter zwar „heilige Gefäße“ seien, worin der Geist der Helden sich aufbewahrt, dass aber der Geist dieses Jünglings, der schnelle, wie Hölderlin sagt, jedwedes Gefäß sprengen muss. „Er kann im Gedichte nicht leben und bleiben.“
Der Geist selbst sprengt die Form, welche der menschliche Geist entwickelt hat. Er ist unfähig, sich seinen eigenen Produkten vollständig zu unterwerfen. Wir können sagen, der Geist entwischt oder entwindet sich solcher Gefangennahme. Der Geist erhebt sich über jeden Versuch seiner Einbindung und vermag sie zu seinem Außen zu machen und sich zu distanzieren. So sehr der Mensch sich seines Geistes bedienen kann, er ist doch nicht sein Herr. Denn womit könnte er es sein, wenn nicht wiederum mit dem Geist? So bleibt er seinem Geist ausgeliefert. Und die Gesellschaft, die eine vom Menschen gestaltete und ein Produkt seines Geistes ist, entwindet sich auf diese Weise. Der beobachtende Geist entwindet sich ihr.
Wenn wir diese Einwände einmal zurückstellen, erkennen wir, wie Sprache verdinglicht. Wir sprechen davon, dass es das Kind oder eine große Zahl von Bürgern gebe. Ein solches, zum Teil vermeidbares Sprechen bringt den einzigartigen Menschen in Gefahr. Er selbst erfährt sich als Sache und Ware und – mit den Worten von Karl Marx aus dem Kapital – innerhalb der „Totalisierung des Verdinglichungszusammenhangs, aus dem das Humanum, das lebendige Du und Wir verschwunden ist. Und dann ist es nur ein kleiner Schritt, dass der Mensch sich selbst wie ein Ding gegenüber dessen Herrn erkennt, mit dem ihn ein verdinglichtes Verhältnis verbindet. So nimmt das gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst (...) für sie die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen“ an.
Das Sprechen über Gesellschaft zeigt uns noch etwas anderes. Wenn wir über Gesellschaft sprechen, sprechen wir gleichsam über ein Behältnis vieler Sprachen. Denn in jeder Gesellschaft leben zahlreiche Sprachen. Zum einen sind es die vielen Sprachen der nebeneinander lebenden Menschen, von denen eine jede ihre Übersetzung in eine andere begehrt. Zum anderen trägt eine jede Sprache die Formungen zahlreicher Generationen weiter mit sich. In ihr, der heute bestehenden, lebenden Gesellschaft, sprechen vergangene Generationen weiter und zügeln den völlig freien Umgang mit ihr.
Zum Abschluss darf ich noch den kombinatorischen Ansatz vorstellen, mit dem wir uns sowohl Gesellschaft wie anderen Gegenständen oder Menschen nähern können. Der kombinatorische Ansatz wird auch der konvergierende Ansatz genannt: der aus mehreren Elementen wie Säulen zusammenstrebende Ansatz. Er achtet auf das präreflexive Wesen, die Evidenz, den Diskurs und Minderheiten.
Er sei im Einzelnen erklärt: Erstens gibt es ein präreflexives Wissen, das uns vor aller Reflexion und Bewusstwerden schon auszeichnet. Es ist aus fünf Gründen anzunehmen. Bereits die allererste Frage weist die Richtung, in der sie sucht. Das zeigt, dass sie ein Grundwissen hat. Wenn „Erfahrungen machen“ bedeutet, in Zusammenhänge einzuordnen, dann muss die allererste Erfahrung schon auf ein Raster zurückgreifen können, in das sie das Erfahrene einzufügen vermag, um es von dort als Erfahrung zu lesen. Drittens: Da es ein Wissen um ein „Ich“ gibt, welches von den ersten Fragen an dieses begleitet, muss ich wissen, wie ein solches Vorwissen gegeben ist. Es zeigt sich im Stolz oder in der Scham über eine Frage oder Antwort.
Da intersubjektives Handeln viertens nicht der Beginn von Verständigung, sondern seinerseits durch eine Gemeinsamkeit bedingt ist, muss es ein solches Wissen geben, ein Wissen, aus dem heraus wir verstehen, wie Verträge zustande kommen, was ein Versprechen ist oder was der beiden Vertragspartnern zugängliche Horizont bedeutet.
Der letzte Punkt, den unser reflexives Wissen zeigt, ist das Wissen, das sich beim sittlichen Handeln einstellt, nämlich das Wissen um die Unbedingtheit der Verpflichtung.
Das zweite Element ist das, was ich die Evidenz nenne, das heißt ein geduldiges sich Aussetzen, das Zeit benötigt, eine Haltung, in der der Erkennende, der sich aussetzt, das Wagnis der anderen Perspektive und des bislang noch nie begangenen Weges unternimmt. Auf diesem Weg oder während dieses „sich Aussetzens“ gibt es so etwas wie ein blitzartiges Aufgehen von Sachverhalten und Erkenntnissen.
Das schließt nicht aus, dass es auch in diesem Erkennen noch einen Reifeprozess geben kann. Die Einsichten, die uns, wie man sagt, beschert sind, müssen allerdings begründbar und mitteilbar sein.
Drittens sind die Einsichten im Gespräch mit anderen zu überprüfen. Das wäre das Diskurs-Element oder dialogische Element. Die gewonnenen Einsichten sind anderen vorzutragen; anderen, von denen man den Eindruck hat, dass sie etwas zu diesem Sachverhalt oder zu solchen Fragen wissen. Dies setzt wiederum ein Wissen vor dem erfragten Wissen voraus.
Als echte Anfrage und Bereitschaft, Antworten zu begutachten, ist dieses Gespräch zu verstehen. Es wird die Stimmigkeit der eigenen Ansicht mit anderen Ansichten zu prüfen haben. Es ist aus der Bereitschaft zu führen, Korrekturen vorzunehmen oder zumindest bis zu besserem Wissen zu schweigen. Was also soll dieser Diskurs? Er dient dem Überprüfen der eigenen Ansicht, welche er bestätigen, in Frage stellen oder verwerfen kann. Und doch übt der Diskurs nicht die Funktion schlicht hinzunehmender Falsifikation oder Verifikation aus. Jedes seiner Ergebnisse unterliegt weiterer Überprüfung, ob die vorgebrachten Argumente passen.
Auf das vierte Element kommt es mir besonders an. Nach dem Hinweis auf das präreflexive Wissen, die Evidenz und den Dialog ist es wichtig, dass sich unsere Erkenntnis in dieser Welt misst: In der Welt, in der wir leben, mit ihren sozialen und politischen Verwerfungen. Unser Wissen misst sich an dem Wissen und an den Interessen der Armen, der Benachteiligten, derer, die das Leben aus einer anderen Perspektive anschauen und die in ihre...

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Sprechen über Gesellschaft