Economists4Future
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Economists4Future

Verantwortung übernehmen für eine bessere Welt

  1. 280 Seiten
  2. German
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Verantwortung übernehmen für eine bessere Welt

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Hunderttausende Schülerinnen und Schüler beharren auf eine konsequente Klimapolitik. Eltern, Lehrer*innen, Unternehmer*innen und viele weitere Menschen solidarisieren sich mit ihnen, darunter über 26.000 scientists4future aus diversen Disziplinen. Nur die etablierten Wirtschaftswissenschaften schweigen. Das ist kein Zufall, denn ihr Denkstil hat wesentlich zu den Krisen der Gegenwart beigetragen: Denn eins haben Klimakrise, Finanz- und Wirtschaftskrise ebenso wie die Corona-Pandemie gemein: Sie entlarven die Fragilität unserer Wirtschaft und zeigen, wie abhängig wir uns als Gesellschaft von ihr gemacht haben. Alte, scheinbar bewährte Lösungen greifen nicht mehr, Lieferengpässe reißen ganze Zweige in den Abgrund, das gesellschaftliche Zusammenleben gerät aus den Fugen. Zeit für die Wirtschaftswissenschaften, die Gebetsmühle aus Effizienz und Eigennutz zu zerschlagen und neue Visionen für eine bessere Welt aufzuzeigen.In "economists4future" mischt sich eine Gruppe von Weiterdenker*innen in die jetzt notwendige Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft ein – und verändert damit selbstverständlich geglaubte Spielregeln einer wichtigen Wissenschaft.

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Sebastian Thieme

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EINE BESSERE GESELLSCHAFT
AUSRECHNEN?

Zum Umgang mit Werten in der Ökonomik

Wer heute Ökonomik studiert, wird die Wissenschaft von »der Wirtschaft« als eine kennenlernen, die empirisch arbeitet. Es geht um Fakten und ökonomische Gesetzmäßigkeiten, mit denen versucht wird, »die Wirtschaft« zu verstehen, sie zu beschreiben, Aussagen über die Zukunft zu formulieren oder zu erklären, welche Konsequenzen die Änderung einer Variablen in einem bestimmten ökonomischen Modell hat.
Alle diese Dinge würden zu wissenschaftlichen Tatsachenaussagen führen, lernen die Studierenden. Das sind Aussagen, die belegt oder widerlegt werden können. Deshalb greift diese Ökonomik auf Mathematik und Statistik als (vermeintlich) »eindeutige« und naturwissenschaftliche Hilfs- und Ausdrucksmittel zurück. Eine solche positive Ökonomik sei wertneutral, frei von Ideologie und nicht (politisch) korrumpierbar.
Die Existenz einer normativen Ökonomik wird dagegen gerade noch so eingestanden. Sie drehe sich um Fragen, wie die Wirtschaft sein soll. Dort ginge es aber weniger um Fakten, sondern um Werte und Werturteile. Werte sind hier zu verstehen als Ideale, Verhaltensmaßstäbe oder Grundsätze, die als erstrebenswert gelten. Vereinzelt werden Werte mit persönlichen Einstellungen und Meinungen gleichgesetzt. Werte und Werturteile seien aber nicht »objektiv« zu begründen. Deshalb sei eine normative Ökonomik im Grunde auch nicht wissenschaftlich. Wer dagegen »richtige« Ökonomik betreiben wolle, solle im Feld der positiven Ökonomik und mit mathematisch-formalen Modellen arbeiten – mit Werten einzig verstanden als Zahlenergebnisse, Indizes oder Messwerte.
So oder so ähnlich sieht das Bild aus, das viele Lehrbücher, wie zum Beispiel die immerhin 16. Auflage von Artur Wolls Volkswirtschaftslehre, von der Ökonomik vermitteln. Zunehmend kommt eine Diskussion um Werte und Werturteile auch gar nicht erst auf: Denn als »moderne Wissenschaft« arbeite »die Ökonomik« evidenzbasiert und mit modernen empirischen Methoden, weshalb sie selbstverständlich politisch und ideologisch völlig unverdächtig sei. Zwar wird gerne der Anspruch erhoben, die Welt »besser« zu machen, was aber nur auf Messwertkategorien wie »Effizienz« oder »Produktivität« abzielt. Wirtschaft als Selbstzweck. Ganz ohne Leitbilder, Lebensprinzipien oder Werte eben.
Wer sich jetzt fragt, ob das ernst gemeint ist oder Satire, liegt mit »Realsatire« sicher richtig. Allerdings hat dieser »Spaß« weniger erfreuliche Konsequenzen für die Frage nach der Ermöglichung einer »besseren« Gesellschaft, in der Wirtschaft eben nicht Selbstzweck sein soll. Denn in der modernen Ökonomik besteht gar keine Veranlassung, sich mit Werten zu befassen. Das, was als Wertbezug im Rahmen etwa einer Transformativen Wirtschaftswissenschaft, wie sie Reinhard Pfriem und seine Kolleg*innen beschreiben, oder in der Pluralen Ökonomik gefordert wird, hat dort keinen Platz und trifft auf teils völliges Unverständnis.

SAG MIR, WO DIE WERTE SIND …

Worin soll eine »bessere Gesellschaft« bestehen? Dazu ist es notwendig, Werte und Wertbezüge zu reflektieren. Doch die moderne Ökonomik muss dafür erst sensibilisiert werden. Zum Beispiel über die folgende Kritik an ihrem Selbstverständnis als vermeintlich »wertneutral«. Die wichtigsten drei Kritikpunkte sind:
Erstens werden im Wissenschaftsprozess selbst Entscheidungen getroffen, die sich nicht »objektiv« begründen lassen. Wer hartnäckig genug eine Begründung für eine wissenschaftliche Annahme oder Methode sucht, wird an argumentative Endpunkte gelangen, sogenannte »archimedische Punkte«. Dort muss geglaubt, vertraut und eine nicht weiter begründbare Annahme, eine selbsteinsichtige Annahme oder »der gesunde Menschenverstand« behauptet werden. Genau in diesen Annahmen kommen die Vorstellungen über die »reale« Welt und die Beziehung zwischen der Wissenschaft zu dieser Welt zum Ausdruck. Dies wirkt sich auf die konkrete Wissenschaftspraxis aus, zum Beispiel auf die Wahl des Gegenstands der Analysen, der Methoden und Begriffe.
Zweitens sind auch Wissenschaftler*innen Menschen und somit Gesellschaftswesen. Dadurch ist eine soziale und kulturelle Prägung bedingt, die Adelheid Biesecker und Stefan Kesting eine »preanalytic vision« (also eine »voranalytischen Vision«) nennen: Wissenschaftler*innen gehen mit einem kulturspezifischen und historischen Vorverständnis an ihre Analysen heran und treffen diesen Analysen vorgelagerte Annahmen. Dies prägt den Gegenstand und die Fragestellungen. Auch die moderne Ökonomik hat eine »preanalytic vision«, die sich nicht von der eigentlichen wissenschaftlichen Betrachtung abtrennen lässt. Adelheid Biesecker und Stefan Kesting zielen mit ihren Ausführungen vor allem auf das zugrunde liegende Menschenbild, die damit verbundene Philosophie und das entsprechende Verständnis von Rationalität ab. In ähnlicher Weise ließe sich die feministische Kritik heranziehen, welche die moderne Ökonomik für ein einseitig männliches Weltbild und die Dominanz maskuliner Basiswerte (Homo oeconomicus, Konkurrenzdenken und dergleichen mehr) kritisiert.
Drittens wird die sich als »wertfrei« wähnende moderne Ökonomik aus dem Bereich der Wirtschaftsethik heraus schon sehr lange für ihren normativen Charakter kritisiert, Peter Ulrich tut dies zum Beispiel. So sei die »Wertfreiheit« selbst ein normatives Postulat. Die Normativität muss indes auch nicht immer sichtbar sein, was als implizite Normativität bezeichnet wird: In Lehrbüchern werden teils Beispiele konstruiert, die besonders lebens- und praxisnah sein sollen, etwa wenn es um den Wohnungsmarkt geht. Diese Praxisbeispiele dienen dann dazu, die verschiedenen Annahmen nicht zu hinterfragen, sondern sie als natürlich sinnvoll und »gut« zu akzeptieren. Dazu gehören marktwirtschaftliche Kategorien, wie zum Beispiel Effizienz, Verwertbarkeit, ökonomische Rationalität, das ständige Streben nach Besserstellung (Nutzenmaximierung), starke Arbeitsteilung, intensiver Wettbewerb sowie die Akzeptanz einer Arbeits- und Marktgesellschaft. Letztgenannte bedeutet, dass die Lebens(er)haltung im Wesentlichen durch Markteinkommen in Form von Lohnarbeit möglich sein soll.
Mit diesem letzten Punkt wird deutlich, dass es in modernen ökonomischen Analysen nicht allein darauf ankommt, Werte und Wertbezüge zu berücksichtigen, sondern darüber hinaus auch die impliziten Werte, Wertebezüge und Wertkonflikte herauszuarbeiten.

DIE MARGINALANALYSE ALS BESONDERES PROBLEM FÜR ECONOMISTS4FUTURE

Neben vielen Problemen der impliziten Normativität findet sich ein Sonderproblem für economists4future in der sogenannten Marginalanalyse. Worin diese Problemlage besteht, das lässt sich am standardökonomischen Umgang mit Umweltfragen illustrieren: Umweltschäden werden dort als »negative Externalitäten« behandelt, also als unbeabsichtigte negative Folgen wirtschaftlichen Handelns. Soll wirtschaftliches Handeln im ökologischen Sinne nachhaltig sein, sind diese negativen Externalitäten als »Kosten« zu berücksichtigen: Sie werden »eingepreist«. Dies, so die Hoffnung, sorgt dann für ökonomische Anreize, um das Verhalten am Umweltschutz auszurichten.
Die Marginalanalyse bietet nun einen Weg, um die negativen Externalitäten ins ökonomische Kalkül einzubeziehen: Dabei werden der zusätzliche gesellschaftliche Nutzen (Grenznutzen) und die zusätzlichen gesellschaftlichen Kosten (Grenzkosten) der Herstellung eines weiteren Produkts miteinander verglichen. Ziel ist es, den optimalen Verschmutzungsgrad zu ermitteln, also – in den Worten Paul Krugmans und Robin Wells – das »Belastungsniveau, für das sich die Gesellschaft unter Berücksichtigung sämtlicher Kosten und Nutzen der Umweltverschmutzung entscheiden würde«.
Dieses Vorgehen ist allerdings mit einem Trick erkauft: Es wird unterstellt, dass Wirtschaft immer Umweltschäden verursacht. Demnach wäre es gar nicht möglich, ohne Umweltschäden zu wirtschaften. Damit ginge es lediglich darum, wie viel Umweltschutz als nützlich oder rentabel erscheint. Auf diese Weise wird die Frage nach dem angemessenen Umgang mit der Natur auf Fragen zum (rentablen) Umweltschutz reduziert und so der Marginalanalyse zugänglich gemacht.
Problematisch ist schon, dass allein die Idee, ohne Umweltschädigung zu produzieren, aus der Welt der modernen Ökonomik verbannt wird. Mehr noch, sie wird als unmöglich stigmatisiert: Keine Umweltschäden zu verursachen, würde bedeuten, die Produktion stillzulegen und erhebliche Wohlfahrtsverluste in Kauf zu nehmen. Ziele, wie eine CO2-freie Stromerzeugung oder Personenbeförderung, stehen damit grundsätzlich unter Hirngespinstverdacht. Darüber hinaus lassen sich Umweltschäden auch nicht immer einpreisen. Und selbst wenn doch: Wäre das überhaupt erstrebenswert? Ist Natur als gemeinsames Gut aller Menschen eine Ware, die »verdinglicht« beziehungsweise »ökonomisiert« werden darf?
Diese Problemlage rückt vor allem dort ins Zentrum, wo Umweltfragen auch Gesundheitsfragen sind und damit auf die Menschenwürde als Grundrecht stoßen. Klaus Deimer, Martin Pätzold und Volker Tolkmitt weisen in ihrem Lehrbuch darauf hin, dass die Bestimmung eines Verschmutzungsoptimums nur theoretisch möglich sei: Während sich die moderne Ökonomik auf eine »effiziente« Verteilung der Kosten des Umweltschutzes beschränkt, müsse dieses Ziel im realen Lebensalltag zurückstehen, wenn es um Gesundheit und Leben geht. Die Marginalanalyse ist dann schlicht fehl am Platz. Denn während die ökonomische Marginalanalyse die Fiktion nährt, es gäbe einen einzigen, für alle Menschen optimalen Verschmutzungsgrad, können Umweltschäden individuell ganz verschiedene Gesundheitsgefahren darstellen. Zum Beispiel mag die Menge eines Schadstoffs, die für einen gesunden erwachsenen Mensch (noch) verkraftbar ist, für Säuglinge, alte oder geschwächte Menschen sehr schwerwiegende Schäden nach sich ziehen oder sogar zum Tod führen. Wieder ist zu berücksichtigen, dass die Annahme, es gäbe den einen repräsentativen Modellmenschen, auf einem Werturteil beruht. Genauso ein Werturteil liegt in der (unausgesprochenen) Folgeannahme, dass es zu akzeptieren sei, jene Menschen in existenzielle Gefahr zu bringen, die von dieser Norm abweichen.
Auf diese Weise stehen jene, die eine Berücksichtigung von Werten in der ökonomischen Analyse fordern, vor dem Problem, dass mit standard-ökonomischen Instrumenten, wie etwa der Marginalanalyse, nicht-marktwirtschaftliche Werte ausgehöhlt werden: Die moderne Ökonomik nimmt sich dann zwar der entsprechenden Probleme – zum Beispiel der Umweltverschmutzung – an, untergräbt aber mit der Marginalanalyse absolut geltende Werte, wie Gesundheit oder Menschenwürde.
Die hier beschriebene »Schadschöpfung« – als sprachlicher Gegenpart zur »Wertschöpfung« – beschränkt sich auf reine und direkte Schäden, die der Mensch zu tragen hat. Tatsächlich geht sie aber weit darüber hinaus und steht für die Vernichtung von Pflanzensorten und die Abtötung von Tierarten. Was in der modernen Ökonomik als »optimaler Verschmutzungsgrad« bezeichnet wird, ist nur eine Beschönigung, denn eigentlich geht es dort um die Kalkulation »optimaler Zerstörung«. Womit wir wieder bei der Realsatire landen: Kann Beschmutzung beziehungsweise Zerstörung »optimal« sein? »Optimal« für wen? Welchen Beitrag soll so eine »optimale Zerstörung« zu einer »besseren« Gesellschaft leisten können?

NOCHMAL ZURÜCK AUF LOS!

Natürlich hat Wirtschaft mit Werten und Wertbezügen zu tun. Ein tagtäglich erfahrbares Wirtschaftsmotiv besteht zum Beispiel darin, sich selbst zu erhalten. Darauf ist später noch einmal zurückzukommen. Auch Freude, Erhalt und Reproduktion von Ressourcen oder Sorge um Mitmenschen und / oder Natur können Werte der konkreten Wirtschaftspraxis s...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Wie wir wirtschaften, so leben wir auch
  5. #reflexivität
  6. #transparenz
  7. #diversität
  8. #partizipation
  9. #befähigung
  10. LITERATUR
  11. Impressum