Lebendige Seelsorge 2/2019
eBook - ePub

Lebendige Seelsorge 2/2019

Scheitern. Aufhören.

  1. 84 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Lebendige Seelsorge 2/2019

Scheitern. Aufhören.

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Dreißig Stunden müssen reichen. So viel Zeit ist für das Durchschreiten der Niederlage vorgesehen. So lange ist Unordnung erlaubt, steht das Programm still. Dann muss es weitergehen. Noch prächtiger als zuvor. Dreißig Stunden liegen zwischen dem "Es ist vollbracht" der Karfreitagsliturgie und dem"Lumen Christi" der Osternacht. Dreißig von achttausendsiebenhundertsechzig Stunden im Jahr.In Kirchen lässt sich in dieser Zeit beispielhaft beobachten, wie unterschiedlich auch in der Seelsorge mit dem Scheitern umgegangen wird: Die einen bleiben beim Alten. Weggeräumt wird nur, was man beim Auszug unkompliziert aus dem Altarraum mitnehmen kann. Es muss ja ohnehin bald wieder alles an seinem Platz sein. Andere können es kaum erwarten, wieder Halleluja zu singen. Das Osterfeuer wird noch im Sonnenschein des Karsamstags entzündet. Wieder andere verklären Leid zur Tugend und Schmerz zur Prüfung - untermalt durch detaillierte Darstellungen. Und es gibt die, die der Leere Platz machen, die sich in Liturgie wie Pastoral dem Scheitern aussetzen, sich aber auch nicht damit abfinden.In dieser letzen Spur bewegt sich dieses Heft. Es hat zwei merkwürdig unverbundene Themen: Scheitern und Aufhören. Beide werden zunächst für sich betrachtet: Maria Elisabeth Aigner und Katharina Karl gehen den psychologischen bzw. spirituellen Ebenen des Scheiterns auf den Grund. Christian Kern nimmt daran anschließend die feine Verbindung zwischen beiden in den Blick: Im Widerfahrnis des Scheiterns kann die unverfügbare Gabe des Aufhörens liegen. Sie braucht Orte und Rituale, um wirksam zu werden und zu einem neuen Anfang zu verhelfen. Auf dieser Linie bewegen sich die weiteren Beiträge: So beschreiben unter anderem Petra und Tilman Kirste ganz praktisch "Letzte-Hilfe-Kurse", Hans-Joachim Höhn entfaltet die Kunst, mit dem Aufhören anzufangen. Schließlich zeigen Gotthard Fuchs und Barbara Schlenke - in je eigener Perspektive -, was passieren kann, wenn man Gott aufhört.Die dreißig Stunden nach dem Kreuzestod sind ein kostbares Leerzeichen der Liturgie: Ostern wird es nicht trotz des Scheiterns, und auch nicht wegen des Scheiterns. Ostern kann es im Scheitern werden. "Das Gelingen" - so hat es Klaus Hemmerle formuliert - "muss immer erscheitert werden. Die Erlösung muss immer erscheitert werden."

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Lebendige Seelsorge 2/2019 von Echter Verlag, Erich Garhammer, Erich Garhammer im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Theologie & Religion & Christliche Rituale & Praktiken. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Verlag
Echter
Jahr
2019
ISBN
9783429064228
PRAXIS
Schluss machen
Oder: Von der Kunst, mit dem Aufhören anzufangen
Das Aufhören kommt vor dem Anfangen. Wer im Leben vorankommen will, muss vieles hinter sich lassen, aufgeben, beenden. Dabei kommt es entscheidend auf den rechten Zeitpunkt an, wann ein Schlusspunkt gesetzt wird. Wann ist es angezeigt, aus einem Amt auszuscheiden, eine Aufgabe abzugeben oder eine Beziehung aufzulösen, um endlich etwas Neues beginnen zu können? Woran erkennt man, dass es Zeit wird für eine Kündigung, einen Rücktritt, eine Trennung, einen Abschied?
Hans-Joachim Höhn
Wer sich nach Maßstäben sinnvollen Anfangens und Aufhörens erkundigt,bekommt seit geraumer Zeit zu hören: „Fang an, was Dir Spaß macht – und mach Schluss, wenn der Spaß ausbleibt!“ Ein von Spitzensportlern und Showgrößen oft gehörter Satz bestätigt diese Empfehlung: „Wenn es keinen Spaß mehr macht, dann höre ich eben auf!“ Für sie wird das Weitermachen sinnlos, wenn ihnen die Lust daran vergeht. Nicht Medaillen und Bestzeiten entscheiden darüber, wie lange und wie oft eine Olympiasiegerin noch bei Wettbewerben antritt. Eine wie sie, die alles erreicht hat, bleibt im Rennen, solange es ihr Spaß macht. Und ein Popstar, der seine größten Erfolge schon lange hinter sich hat, tritt solange auch auf kleinen Bühnen auf, wie er dabei Spaß hat. Ob es allerdings ein guter Ratschlag ist, beim Aufhören und Anfangen allein an dieser Größe Maß zu nehmen und die Auswahl anderer Kriterien ebenfalls an ihrem Spaßquotienten festzumachen, dürfte damit noch nicht entschieden sein.
Die folgenden Streiflichter nehmen beides in den Blick: Phänomene des Aufhörens und maßgebliche Hinweise auf einen gekonnten Umgang mit freiwilliger oder erzwungener Untätigkeit. Für diese Ratschläge wird keine Erfolgsgarantie übernommen – auch nicht bei sachgemäßer Anwendung. Tauchen bei ihrer Umsetzung unkalkulierbare Risiken und unerwünschte Nebenwirkungen auf, ist es angeraten, mit dem Weitermachen aufzuhören. Aufhören kann frustrieren, aber es kann auch verhindern, dass nachträglich bereut wird, was anfangs großen Spaß machte.
AUFHÖREN, WENN ES KEINEN SPAß MEHR MACHT
Die Lust, etwas zu tun oder zu lassen, hängt ab vom Spaßfaktor, den eine Tätigkeit aufweist. Wenn die Dinge, die zu tun sind, lustvoll und beschwingt erledigt werden, nehmen sie meist auch ein gutes Ende. Was hingegen lustlos angefangen wird, wird in der Regel auch zu einem freudlosen Abschluss gebracht. Wer Spaß bei der Arbeit hat, beklagt selten Defizite hinsichtlich des Sinns dessen, was zu tun ist. Wo aber Lust und Laune an der Arbeit abnehmen, schwinden auch der Sinn des Arbeitens und die Neigung, sich diesen Sinn zu erarbeiten. Wo man mit Freude bei der Sache sein kann, ist man zudem bereit, bei dieser Sache selbst angesichts mancher Widrigkeiten zu bleiben. Wo viele Dinge nur des Spaßes wegen getan werden, avanciert er zum zentralen Sinnkriterium des Tuns und Lassens (vgl. Höhn 2010). Die dazu passenden Empfehlungen lauten: Ein Vorhaben ist sinnvoll, wenn seine Umsetzung Spaß macht. Und nur was Spaß macht, sollte überhaupt begonnen werden. Wenn nach einer Weile der Spaß abnimmt, legt es sich nahe, nicht länger auf einen unerfreulichen Abschluss hinzuarbeiten und das Ganze vorher abzubrechen. Das gilt sogar für die Liebe. Die Dauer einer Beziehung hängt nicht davon ab, ob der Tod die Beteiligten scheidet. Das Ende ist dann gekommen, wenn nach guten Tagen die schlechten kommen. Und das erkennt man daran, dass der Spaß ausbleibt, wenn man weiter miteinander zu tun hat (vgl. Müller-Ebert). Folglich wird „Schluss gemacht“ – gelegentlich sogar in einem kurzen Prozess per SMS.
Hans-Joachim Höhn
Dr. theol. habil., Univ.-Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln
AUFHÖREN, WENN DIE LUST ZUR LAST WIRD
Beim Spaß liegen Anfang und Ende dicht beisammen. Wenn der Spaß aber aufhört, endet vieles andere auch: die Geduld, die Gemütlichkeit, die Freundschaft. Allerdings muss bisweilen im Leben gerade das aufgegeben werden, was Spaß macht. Wenn es ernst wird, beginnen Exerzitien des Verzichts. Würde man weitermachen mit einer Lust, die zum Laster geworden ist, ließe sich ein böses Ende nicht vermeiden. Erst das Aufhören verhindert das Unvermeidliche. Sich das Rauchen abzugewöhnen und Alkohol zu meiden, sind zwar freudlose Verzichtsübungen. Aber sie können zur Voraussetzung dafür werden, längerfristig überhaupt noch etwas im Leben vom Leben zu haben.
Nicht immer ist hinreichend klar, ob es noch rechtzeitig gelingt, lustvolle Risikofaktoren auszuschalten. Entsprechende Anregungen, dies frühzeitig zu testen, nehmen nicht zuletzt Anleihen bei religiösen Fastentraditionen und formatieren asketische Ideale so um, dass sie therapeutisch einsetzbar sind und bereitwillig übernommen werden (vgl. Detering). Die Zumutung des Entsagens verknüpfen sie mit dem Versprechen der Selbstbeherrschung: Wer es schafft, in überschaubaren Zeitintervallen kompromisslos Verzicht zu leisten, kann optimistisch sein, sich selbst und das individuelle Suchtpotenzial noch im Griff zu haben. Die von einem rigorosen Diätprogramm verlangte Selbstunterwerfung wird kompensiert durch den Langzeiteffekt der Selbstbehauptung. Zahlreiche Lebenskunstratgeber präsentieren vor diesem Hintergrund attraktive Kalkulationen eines verzichtbasierten Zugewinns an Lebensqualität (vgl. Ackermann/Schmidt; Ley). Hier zahlt sich das Aufhören aus. Ein begrenzter Verzicht steht im Dienst eines unverzichtbaren Gutes.
Bemerkenswert ist dabei die Aufhebung einer ansonsten befolgten Handlungslogik: Nachhaltige positive Auswirkungen generiert nicht das Erfolgskalkül des ungehinderten Fortschreitens und Weitermachens, sondern die Bereitschaft zur Unterbrechung, zur „Auszeit“, zum (zeitweiligen) Ausstieg.
AUFHÖREN, WENN ES GUT WEITERGEHEN SOLL
Das Aufhören gilt vielfach als ein Ausdruck schwindender Kräfte und als Vorbote der Resignation. Manchmal wird es erzwungen. Trillerpfeifen, fliegende Eier und Tomaten können die Wahlkampfrede eines Politikers ungewollt abkürzen. Und in einer Castingshow führen Buh-Rufe aus dem Publikum zum abrupten Ende einer missglückten Performance. Man kann aber auch gewollt, geplant und wohlüberlegt, aus eigenem Entschluss das Weitermachen stoppen.
Wer Leistungssport treibt, weiß darum, dass das Wichtigste am Training die Pausen sind. Sie müssen regelmäßig in Phasen der
Es ist nicht erwiesen, dass ständige Verbesserungen etwas Optimales erzielen.
Belastung eingestreut werden. Ausdauersportler trainieren nicht andauernd, sondern unterbrechen von Zeit zu Zeit ihre Anstrengungen. Diese Pausen dienen aber nicht der vollständigen Erholung, sondern der zunehmenden Leistungsverbesserung. Sie dürfen nur so lange dauern, dass nach einer Pause ein Belastungsreiz gesetzt werden kann, der höher ist als in der Trainingseinheit vor der Pause. Intervalle des Zulegens und Nachlassens, des Aufhörens und Weitermachens wechseln hier einander ab. Eine Maximalbelastung wird kombiniert mit einer Maximalentlastung, die Maximalbelastungen auf höherem Niveau ermöglicht.
Aber auch ein Intervalltraining kann nicht andauernd fortgesetzt werden. Spitzensportler benötigen trainingsfreie Zeiten, in denen sie jede physische Anstrengung unterlassen (vgl. Schurr). Daraus lässt sich eine generelle Empfehlung für andere Hochleistungsbereiche ableiten: Man kann durch stetes Bemühen, Üben und Perfektionieren ein Spitzenniveau erreichen. Aber nur wer es zeitweise völlig bleiben lässt, an ständigen Fortschritten zu arbeiten, kann auf diesem Niveau langfristig noch Verbesserungen erzielen.
AUFHÖREN, WENN VERBESSERUNGEN NICHTS GUTES VERHEIßEN
Modernes Leben folgt einem Optimierungsimperativ und verlangt permanente Verbesserungen des Guten. Dass einmal ein Punkt erreicht wird, an dem man etwas gut und genug sein lassen kann, ist in diesem Programm nicht vorgesehen. Aber es ist keineswegs erwiesen, dass ständige Verbesserungen etwas Optimales erzielen. Jeder Künstler weiß, dass er bei Zeiten ein Bild mit einem letzten Pinselstrich, ein Gedicht mit einem letzten Wort oder eine Komposition mit einem letzten Akkord abschließen muss, sollen sie überhaupt fertig werden. Hier ist das rechtzeitige Aufhören die Gelingensbedingung für ein gutes Werk. Die Fortsetzung von Verbesserungsbemühungen kommt nie an ein Ziel und führt letztlich in die Verschlimmbesserung des Getanen.
Zur Kreativität des Hervorbringens gehört es, zum richtigen Zeitpunkt nichts mehr zu tun. Das Aufhören des Hervorbringens ermöglicht erst das Eigen- und Selbstsein des Hervorgebrachten. Etwas vollenden heißt dann: auf das Tun das Seinlassen folgen lassen und das Getane gut sein lassen, d. h. davon absehen, es als Mittel für weitere Zwecke einzusetzen. Der schöpferische Mensch kann seinem Schöpfergott nacheifern und durch Nichtstun sein Werk vollenden (vgl. Gen 2,1-3). Das Aufhören ist hier kein Akt, der dazu führt, dass dem Entstandenen etwas vorenthalten wird, sondern die Voraussetzung dafür, dass es erhält, was ihm noch fehlt: die Entlassung ins Selbst- und Eigensein. Und auch der Akt des Hervorbringens findet in dieser Gelassenheit ein gutes Ende – anstelle eines ziellosen, ewigen „weiter so“, das mit keinem Ergebnis zufrieden sein kann, weil es kein „gut so“ kennt.
Ohne Lassen gibt es kein Tun.
AUFHÖREN, WEIL NICHTS MEHR ZU MACHEN IST
Die Moderne misst den Wert menschlichen Handelns am Getanen. Je früher dessen Wert absehbar wird, umso eher ist klar, ob die Mühe des Anfangens und die Anstrengung allen weiteren Tuns lohnt. Und je früher die Aussichtslosigkeit aller weiteren Bemühungen erwiesen ist, umso rascher ist das Aufhören angezeigt. In jedem Fall ist Tempo angesagt. Wer sich zu lange Zeit lässt mit dem Anfangen, Weitermachen und Aufhören, verliert zu viel Zeit. Eile tut Not, weil menschliches Dasein befristet ist. Darum hat die Moderne alle wissenschaftlichen, technischen und ökonomischen Daseinsoptimierungen unter einen „kinetischen“ Imperativ gestellt (vgl. Kläden/ Schüßler): Alles, was den Menschen umgibt, soll immer schneller immer besser werden. Weltverbesserungen dürfen nicht allzu lange auf sich warten lassen. Denn die dem Menschen verfügbare Zeit vergeht und zerrinnt – auch die Lebenszeit der Weltverbesserer. Sie könnte zu Ende sein, bevor sie durch eigenes Zutun die Welt so weit verbessert haben, dass sie das Leben in und mit ihr für annehmbar halten. Darum sollte man auch mit aussichtslosen Weltverbesserungen möglichst rasch aufhören – es wäre reine Zeitverschwendung. Ohne Lassen gibt es kein Tun. Diese Einsicht ist trivial und wird dennoch selten bedacht. Wer etwas tun will, muss vieles anderes auslassen, zumindest aufschieben oder vertagen. Jedes Handeln geht – gerade in modernen Multioptionsgesellschaften – mit einem Verzicht oder einer Selbstbeschränkung des Handelnden einher (vgl. Höhn 2014). Das Auslassen ist ein Implikat von Wahlfreiheit. Nicht alles Mögliche wird realisiert, sondern nur das, wozu man sich aus freien Stücken entschieden hat. Was der Mensch aus freiem Willen zu tun vermag, kann er auch unterlassen.
Tun und Lassen führen in den Bereich der Moral. Das Unterlassen zeigt sich in der Nichteinhaltung eines Verbotes oder in der Nichtbeachtung eines Gebotes. Es gibt die unterlassene Hilfeleistung und die Unterlassungsandrohung: „Wehe, du machst das noch einmal!“ Man soll Gutes tun und Böses unterlassen. Aber etwas Böses zu unterlassen, ist per se noch nichts Gutes.
Es gibt allerdings Situationen, in denen nichts mehr zu machen ist und diese Passivität dennoch nicht zu einem moralischen Vorwurf führt. Wenn jede ärztliche Kunst bei einer todbringenden Krankheit vergeblich ist, kann die Fortsetzung erfolgloser Therapieversuche zur Qual werden. Gut gemeinte, aber sinnlose Therapieverlängerungen aufzugeben, ist per se nichts Böses. Es gibt Grenzfälle, in denen am Ende des Tuns und Machens anzukommen damit einhergeht, dass auch die Moral an ihr Ende kommt. Wo Tun und Machen versagen, beginnt der Bereich dessen, wofür der Mensch nichts kann.
AUFHÖREN, UM ABZUDANKEN
An die Grenzen des Tuns und Machens gerät man unweigerlich im Blick auf ein Leben, dessen Grundbestimmung Endlichkeit und Befristung sind. Niemandem ist es zu verdenken, wenn alles darangesetzt wird, das Ende eines solchen Lebens hinauszuzögern und eine Fristverlängerung des Daseins zu erreichen. Aber soll aus vielen Lebensfäden irgendwann einmal etwas Gutes und Ganzes werden, dann wird anstatt des unentwegten Fädenspinnens irgendwann einmal ein Schnitt fällig werden, um ein gewebtes Tuch in Händen zu halten (vgl. Jes 38,12).
Wem es vergönnt ist, ein endliches Leben zu einem solchen Ende zu bringen, muss den Tod nicht fürchten, sondern kann ihm sogar etwas Gutes abgewinnen (vgl. Lederhilger). Aus dem Leben zu scheiden, wenn man „alt und lebenssatt“ (Gen 25,8) geworden ist, kann dann auch mit der Geste des Abdankens geschehen. Der Abschied gilt einem Leben, das sich bereits einem Anfang verdankt, für den der Mensch nichts kann. Die Hoffnung richtet sich auf ein Ende, auf das etwas folgt, für das der Mensch erneut nichts kann.
LITERATUR
Ackermann, Ulrike/Schmidt, Hans Jörg (Hg.), Genuss – Askese – Moral. Über die Paternalisierung des guten Lebens, Frankfurt 2016. Detering, Hermann, Die Lust der Welt und die Kunst der Entsagung, Gütersloh 2013.
Höhn, Hans-Joachim, Das Leben in Form bringen. Konturen einer neuen Tugendethik, Freiburg 2014.
Höhn, Hans-Joachim, Viel Spaß! Über Zeiten und Menschen, die etwas zu lachen haben wollen, in: Wenzel, Knut (Hg.), Lebens-Lüste. Von der Ambivalenz der menschlichen Lebensenergie, Ostfildern 2010, 22-31.
Kläden, Tobias/Schüßler, Michael (Hg.), Zu schnell für Gott? Theologische Konsequenzen zu Beschleunigung und Resonan...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Inhalt
  3. Thema
  4. Projekt
  5. Interview
  6. Praxis
  7. Forum
  8. Nachlese
  9. Impressum
  10. Popkulturbeutel