Eine Zukunft für meine Kinder
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Eine Zukunft für meine Kinder

Eine mutige Frau und ihr Kampf gegen Aids

  1. 216 Seiten
  2. German
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Eine Zukunft für meine Kinder

Eine mutige Frau und ihr Kampf gegen Aids

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Über dieses Buch

Das ist die Geschichte von Pacem Kawonga, einer mutigen Frau aus Malawi, und ihrem Kampf gegen Aids. Wohlbehütet aufgewachsen, ändert sich ihr Leben radikal, als sich ihre Eltern mit dem HI-Virus infizieren und sterben und Pacem einen Mann heiratet, der sie betrügt und misshandelt. Als sie bei sich und ihrer jüngsten Tochter Anzeichen der tödlichen Krankheit erkennt, bietet sie ihrem Schicksal die Stirn und nimmt den Kampf um ihre eigene und die Zukunft ihrer Kinder auf.Sie wendet sich an ein AIDS-Therapiezentrum der Gemeinschaft Sant' Egidio, die mit ihrem "DREAM"-Projekt AIDS-Kranke in Afrika unterstützt und behandelt. Dank der dortigen Behandlung kann sie heute mit ihren beiden Kindern ein unbeschwertes Leben führen und anderen Frauen helfen."Ich bin gefallen und wieder aufgestanden. Ich habe die Welt bereist und sie mit neuen Augen gesehen. Ohne die Gemeinschaft wäre das alles nicht geschehen … Doch wenn die Hoffnung neu geboren wird, wird auch das Leben neu geboren. Dann geschieht Auferstehung. Das habe ich selbst gesehen."

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Information

Verlag
Echter
Jahr
2015
ISBN
9783429062354

DIE MACHT DER WORTE

Das erste Mal, dass ich in der Öffentlichkeit sprach – bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir nicht träumen lassen, dass ich so etwas jemals tun würde –, war im März 2007 anlässlich des zehnten panafrikanischen Lehrgangs von DREAM. Ich sollte während der Eröffnungsfeier von meinen Erfahrungen als Patientin und Aktivistin berichten. Ich war aufgeregt, und das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich versuchte mich auf das zu konzentrieren, was ich sagen wollte, doch ich musste dauernd an all die wichtigen Personen denken, die mir zuhören würden : die Gesundheitsministerin Marjorie Ngaunje, der Erzbischof von Blantyre Monsignore Ziyaye, der Leiter des Ressorts für HIV und Ernährung, der Vorsitzende des Bezirks Blantyre, der Rektor des College of Medicine … und dann die »normalen« Teilnehmer, die aus Malawi, Kenia, Nigeria, Tansania, Lesotho, der Republik Guinea und aus Mosambik gekommen waren, um den Lehrgang zu besuchen.
Trotz meiner Nervosität war ich im Grunde glücklich, denn ich wusste, dass ich vor einem wohlwollenden Publikum sprechen würde : Personen, die sich mit dem Thema auskannten und von denen einige meine Freundinnen geworden waren.
Hier ist der Wortlaut meiner Rede :
»Es ist für mich eine überaus große Ehre, bei der Eröffnungszeremonie des Kurses des Dream-Zentrums sprechen zu dürfen. Als Aidskranke möchte ich meinen Beitrag dazu leisten, dass andere Menschen mir zuhören und aus meiner Erfahrung lernen können.
2005 begann ich mich sehr schlecht zu fühlen, und ich beschloss, einen HIV-Test machen zu lassen. Das Ergebnis war positiv. Das war ein furchtbarer Schock für mich. Von diesem Augenblick an wurde mein Leben nutzlos und sinnlos. Meine Verwandten, Freunde und Nachbarn verstanden meine Situation nicht und konnten mir weder Ratschläge noch Worte der Ermutigung oder der Hoffnung anbieten.
Für mich brach eine Welt zusammen, und auch meine Ehe litt darunter.
Ich glaubte, ich sei am Ende, und führte ein elendes Leben. Aus dieser Erfahrung habe ich Folgendes gelernt :
mit HIV zu leben kann eine echte Qual sein, wenn man keine Freunde hat ;
mit HIV zu leben ist auch für die Menschen, die dir nahestehen, eine Last, vor allem dann, wenn sie sich nicht um dich kümmern und dich nicht unterstützen ;
wenn du Aids hast und trotzdem weiterleben willst, dann brauchst du jemanden, der dir in den schlimmsten Zeiten nahe ist und dir hilft, alles medizinisch Notwendige zu tun.
Doch Gott war nicht fern. Obwohl ich nutzlos war, obwohl ich von meinen Verwandten und Freunden diskriminiert und stigmatisiert wurde und deshalb jegliche Lebenshoffnung verloren hatte, habe ich neue Hoffnung geschöpft und jemanden gefunden, auf den ich mich stützen konnte, einen aufrichtigen und treuen Freund, der mich dorthin gebracht hat, wo ich heute bin : das Programm Dream.
Ich habe das Programm Dream der Gemeinschaft Sant’Egidio im Krankenhaus von Mtenga Wa Ntengha kennengelernt. Ich habe das Dream-Zentrum aufgesucht, um Informationen zu bekommen, doch bevor ich mit irgendeiner medizinischen Therapie begonnen habe, habe ich mich einer Therapie der »Menschlichkeit« unterzogen ! Das war der erste Schritt, die Voraussetzung dafür, neue Hoffnung zu schöpfen. Kurz danach habe ich mit einer antiretroviralen Behandlung begonnen.
Man riet mir zu einer positiven Lebenseinstellung und dazu, die Vorgaben des Zentrums gewissenhaft zu befolgen. Für mich war das wie eine Injektion der Liebe und Hoffnung : die Tür zu einem neuen Leben.
Das Programm Dream hat mich nicht nur als Patientin angenommen, sondern mir darüber hinaus die Chance geboten, als Aktivistin zu arbeiten und zahlreiche Lehrgänge zu besuchen, um die nötigen Qualifikationen für meine Arbeit zu erwerben.
Im Rahmen des Programms Dream stellt der Aktivist die Verbindung zwischen Ärzten und Patienten her.
An jedem beliebigen Arbeitstag ist der Aktivist die erste Person, die den Patienten im Zentrum begrüßt. Außerdem hält der Aktivist Treffen ab, die der gesundheitlichen Aufklärung dienen, und veranstaltet Sensibilisierungskampagnen in den entlegeneren Gegenden, wo die Menschen noch nicht wissen, dass man auch mit Aids weiterleben kann.
Das Programm Dream hat mir seine Freundschaft und sein Vertrauen geschenkt und ist dadurch für mich so etwas wie eine Mutter geworden : eine Familie. Es hat mir die Chance gegeben, mich nicht nur selbst behandeln zu lassen, sondern viele andere Kranke in meinem Land zu behandeln. Deshalb habe ich beschlossen, mich für diese große Unternehmung einzusetzen. Ich will versuchen, so vielen Menschen wie möglich – vor allem Waisenkindern und solchen, die unter gesundheitlich heiklen Bedingungen leben – zu helfen, weil sie alle verfügbare Hilfe brauchen.
Zu diesem Zweck will ich allen sagen, dass ein wenig Aufmerksamkeit, Freundschaft, Vertrauen und Liebe, wie das Programm Dream sie bietet, genügen, um weiterzuleben, auch wenn man Aids hat. Ich glaube nicht, dass ich nur dank der antiretroviralen Medikamente, sondern auch dank der Liebe, die ich empfangen habe, und dank des Vertrauens noch am Leben bin, das man mir geschenkt hat, als ich begonnen habe, für die Gemeinschaft Sant’Egidio zu arbeiten.
Ich danke allen, die die Gemeinschaft unterstützen. Unterstützt uns weiter, damit noch viele HIV-Positive gerettet werden können !«
Je länger ich sprach, desto klarer und entschlossener kamen mir die Worte über die Lippen und desto konzentrierter war ich bei der Sache. Als ich meine Rede beendet hatte, applaudierten alle herzlich, und mehr als einer kam nach vorne, um mich zu umarmen und mir die Hand zu schütteln. Es war eine Erleichterung. Eine Genugtuung. Eine große Freude.
Mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt und bin selbstbewusster geworden. Den anderen Aktivistinnen ging es genauso. Wir schämen uns nicht mehr für unsere Geschichte, und wir haben keine Angst mehr, zu sagen, dass wir krank sind, im Gegenteil : Wir stehen dazu und erzählen es, wann immer sich die Gelegenheit bietet. Wir sind uns unserer Rolle und unserer Funktion bewusst. Unser Zeugnis kann viele Leben retten und Hoffnung wecken. Wir sprechen mit lauter Stimme, um zu verhindern, dass Menschen an den Rand gedrängt werden ; wir sprechen mit lauter Stimme, um Leben zu retten, die noch im Werden sind, die Tag für Tag in den Körpern kranker Frauen Gestalt annehmen. Wir sprechen mit lauter Stimme, um unser Land zu verändern. Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, wir sprechen vor Autoritäten nicht anders als auf den Märkten und in den Dörfern. Unsere Botschaft richtet sich an alle.
Am ersten Dezember ist Welt-Aids-Tag. Die Organisationen veranstalten eine Feier, an der die höchsten Beamten des Staates einschließlich des Präsidenten teilnehmen, und 2009 luden sie auch eine Dream-Delegation ein, der ich angehörte. Auf einem kleinen Tisch legten wir Informationsmaterial, einige Bücher über gesundheitliche und hygienische Aufklärung und ein Lebensmittelpaket aus. Als die Konferenz begann, bauten wir den Stand wieder ab und wollten zum Parkplatz zurückgehen. Unsere Arbeit war beendet. Das dachten wir zumindest. Während wir die Bücher in den Lieferwagen luden, erhielt der Verantwortliche einen Anruf. Es war Mary Shawa, die Generalsekretärin des Ministeriums für Ernährung, und sie sprach in erregtem Ton : »Wo seid ihr denn ? Ich kann euch nicht finden !« Sie hatte erfahren, dass eine Aktivistin unter uns war, und wollte, dass sie sprach, dass sie ihre Geschichte erzählte.
Ich erschrak. Ich hatte keinen Vortrag vorbereitet, trug meine Alltagskleidung, und vor allem sollte ich mich an ein hochgestelltes, gebildetes und anspruchsvolles Publikum wenden. Die anderen Male hatte ich Zeit genug gehabt, mir die Worte vorher zurechtzulegen, mich mit meinen Freundinnen auszutauschen und die beste Form zu suchen. Ich war so gewissenhaft, dass ich mir meine Rede immer wieder vorsprach, bis ich sie praktisch auswendig kannte.
Die anderen beruhigten mich und sagten mir, ich solle mir keine Sorgen machen : »Du musst doch nur das erzählen, was du den Kranken in den Dörfern oder im Zentrum erzählst, du musst einfach nur du selber sein.« Sie rieten mir, während der Rede nicht ins Publikum zu sehen, sondern einen entfernten Punkt zu fixieren und nicht in Panik zu geraten. Sie zogen mir eine Chitenge über meine Kleider und machten mir aus einem Stück Stoff eine Kopfbedeckung, wie man sie hierzulande trägt. Ich zupfte sie so zurecht, dass man das Dream-Logo gut erkennen konnte.
Der Chairman rief mich aufs Podium und stellte mich als Teilnehmerin am Therapieprogramm Dream des Zentrums von Mtenga Wa Ntengha vor.
Wie schon bei den vorherigen Malen war ich zunächst angespannt und leicht eingeschüchtert. Doch mit der Zeit kehrten mein Selbstvertrauen und meine Überzeugung zurück. Im Grunde stimmte es ja : Ich musste einfach nur von mir selber erzählen, von meinem Leben, davon, wie ich die Krankheit entdeckt hatte, wie ich die Gemeinschaft kennengelernt hatte, und von meinem Engagement als Aktivistin. Am Ende meines Vortrags erhielt ich Applaus, und viele der Zuhörer standen von ihren Plätzen auf und kamen zu mir, um sich bei mir zu bedanken.
Die Zeitungen und die Fernsehsender im ganzen Land berichteten über das Treffen von Kasungu. Es war die Nachricht des Tages. Einige Mitschüler, von denen ich seit Ewigkeiten nichts mehr gehört hatte, riefen mich an, um mich zu beglückwünschen und meine Rede zu kommentieren. In meinem Viertel verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer, und es wurde alles Mögliche geredet. Manche waren erstaunt darüber, dass ich vor so vielen Menschen über meine Probleme gesprochen oder dass ich Worte der Hoffnung gebraucht hatte, statt zu weinen und zu klagen ; andere machten sich lustig über mich ; und wieder andere taten sogar besorgt : »Hast du keine Angst vor den Konsequenzen ?«, fragten sie mich. »Hast du keine Angst, diskriminiert zu werden ?« Wieder andere beschränkten sich darauf, meinen Tonfall oder meine Kleidung zu kommentieren. Einige aber – und sie beeindruckten mich am meisten – sagten nur ein einziges Wort : Danke. Von diesem Tag an bin ich immer wieder zu Radio- und Fernsehsendungen eingeladen worden und habe mit vielen Journalisten gesprochen. Trotz aller Nervosität bin ich davon überzeugt, dass es sehr wichtig und in gewisser Weise Teil der Therapie ist, über Aids zu sprechen. Es hilft dem Kranken, sich von der Last der Gegenwart zu befreien und sich eine Zukunft vorzustellen – und es hilft dem Land, das angesichts eines so großen Übels nicht untätig bleiben kann.
Der G8-Gipfel 2009 in Rom war eine einzigartige Gelegenheit, mit den Großen der Welt zu sprechen und darauf hinzuweisen, dass es im Grunde bei allen Debatten und Investitionen um das ganz reale Leben ganz realer Menschen geht. Am Rande der Hauptveranstaltungen, bei denen Dream die Resultate seiner Arbeit in Afrika vorstellte, fand am Sitz der Gemeinschaft Sant’Egidio ein Treffen mit einigen First Ladies statt : Sarah Brown aus England, Margarita Zavala de Calderón aus Mexiko und Margarida Barroso aus der Europäischen Union. Als Erstes zeigten wir einen Dokumentarfilm über Malawi, den eine italienische Regisseurin gedreht hatte. Danach sprachen wir außerhalb des offiziellen Kontexts und des Protokolls über die Lebensbedingungen der afrikanischen Frauen und die Anstrengungen, die sie Tag für Tag auf sich nehmen müssen. Die Ehefrauen der »Großen dieser Erde« waren sehr aufmerksam und voller Anteilnahme, und ihre Hilfsbereitschaft bestärkte mich nur noch mehr in meiner Überzeugung, dass die Zukunft und die Rettung ganzer Völker von den Frauen abhängt. Leider gibt es jedoch in Afrika Traditionen, die beinahe so alt sind wie das Land selbst und die die Frauen kleinhalten und in eine untergeordnete Stellung drängen. Wenn wir die Dinge verändern wollen, dann müssen wir den Frauen helfen, das Wort zu ergreifen und für sich selbst zu sprechen. Wir müssen ihnen die Möglichkeit dazu geben. Die afrikanischen Frauen müssen aus ihrer untergeordneten Stellung heraustreten, die sie zu Dienerinnen ihrer Männer macht und ihr Leben auf den häuslichen Bereich beschränkt. Sie müssen aktiv werden und ihre Probleme, die Probleme ihrer Kinder und die Probleme all derer ansprechen, die sich nicht selber äußern können.
Sarah Brown, die Frau des englischen Premierministers, war von unseren Worten sehr beeindruckt. Einige Zeit später schrieb sie über unsere Begegnung ; sie schilderte das Engagement und die Liebe, mit der wir das Unsrige taten, und rief die reicheren Länder dazu auf, das Ihre zu tun. Als Anschauungsmaterial wählte sie ein Foto von mir.
Das ist die Rede, die ich auf dem Treffen in Rom gehalten habe :
»Ich heiße Pacem Kawonga, werde im September 31 Jahre alt, habe zwei Kinder und lebe mit einigen Verwandten zusammen, die völlig von mir abhängig sind. 2005 habe ich erfahren, dass ich HIV-positiv bin, und nachdem ich meinen Mann über meinen Zustand informiert hatte, habe ich mich von ihm getrennt. Einige Monate später, zu einem Zeitpunkt, als ich dachte, es gebe keine Hoffnung mehr für mich, habe ich in der Gemeinschaft Sant’Egidio einen echten und liebevollen Freund gefunden. Damals eröffnete das Programm Dream gerade seine erste Klinik in Malawi. Man hat mich dort so herzlich empfangen, als wäre ich ein Familienmitglied ; ich wurde in das Programm aufgenommen und habe mich auf Anraten von Dream einer antiretroviralen Therapie unterzogen. Ich habe keinen Moment gezögert, denn normalerweise werden die Aidskranken stigmatisiert und diskriminiert. Ich habe mich mit Frauen angefreundet, die sich, nachdem sie erfahren hatten, dass sie HIV-positiv sind, von ihren Männern getrennt und geglaubt haben, ihr Leben sei zu Ende. Ihnen sage ich, dass wir Frauen uns ein Herz fassen und uns in der Gesellschaft Gehör verschaffen müssen, denn Aids zu haben heißt nicht, dass das Leben zu Ende ist. Wir müssen unseren Mut zusammennehmen, denn wir haben so viel Würde wie jeder andere auch. Und je mutiger wir werden, desto deutlicher wird uns bewusst, wie wichtig die afrikanischen Frauen in der Arbeitswelt, in der Familie und in der Gesellschaft sind. Viele sind wie ich selbst im Stich gelassen worden, nachdem ihre Männer sie angesteckt hatten. Das geschieht ständig. Und eine alleinstehende Frau ist noch weniger wert, weil alle sie verachten und meiden. Dank des Programms Dream konnte ich mich einer antiretroviralen Therapie unterziehen, die mir ein universales Recht zurückgegeben hat : das Recht auf Gesundheit. Dadurch habe ich gelernt, dass auch ich etwas wert bin und dass das Leben, vor allem das schwache und leiderfüllte Leben, immer geschützt und geachtet werden muss. Mit der Therapie und mit psychologischer Unterstützung können die Frauen ihr Leben ändern und für den Unterhalt ihrer eigenen Familie und den der anderen aufkommen. Sie können zu einer wichtigen Ressource im Kampf gegen die Armut und für die Rechte der Kinder werden. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, all diese schönen und wichtigen Erklärungen in die Tat umzusetzen, die zum Beispiel während der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking im Hinblick auf die unterdrückten Frauen abgegeben worden sind und wonach die Rechte der Frauen Menschenrechte sind und daher das Wohlergehen der Frauen das Wohlergehen aller ist. Heute bin ich nicht mehr allein, wir sind inzwischen viele. Wir sind starke Frauen. Unsere Körper haben sich verändert, man hat uns beschimpft, doch wir sind wieder aufgestanden, mutiger, selbstbewusst und mit einer Kraft, die wir zum Zeitpunkt unserer Erkrankung nicht hatten. Ich habe nicht nur meine Erfahrung mit den anderen Frauen geteilt, sondern mich als Aktivistin engagiert, als ich sah, dass das, was ich für unmöglich gehalten hatte, tatsächlich möglich war. Das Programm Dream ist die Mutter Afrikas. Auf den panafrikanischen Fortbildungskursen, die das Programm veranstaltet, habe ich unzählige Dinge über HIV und über Ernährung gelernt. Und jetzt weiß ich genug, um anderen helfen zu können. In Malawi hat das Programm Dream ganz entscheidend dazu beigetragen, der Unterernährung vorzubeugen. Die Zahl der HIV-positiven Kinder wuchs zusehends, weil einige Frauen sich aus Angst, im Falle eines positiven Ergebnisses diskriminiert und stigmatisiert zu werden, während der Schwangerschaft nicht testen ließen. Andere erhielten lediglich eine Dosis Nevirapin, ohne dass ihr Zustand, wie es nötig gewesen wäre, weiterhin überwacht wurde. Die Unterernährung gilt als ausschlaggebender Faktor für die hohe Kindersterblichkeit in Malawi, wo etwa ein Viertel der Kinder vor Erreichen des fünften Lebensjahrs stirbt. Ihre Kost enthält nicht genügend Nährstoffe, sondern besteht überwiegend aus Maisbrei, weil es in den ländlichen Gebieten die meiste Zeit des Jahres nichts anderes gibt. Die zweite mögliche Ursache für die verbreitete Unterernährung in Malawi ist die Armut : Schätzungen zufolge leben etwa 60 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle. Das Programm Dream stellte eine Möglichkeit dar, viele Kinder in meinem Land zu behandeln. Deshalb habe ich beschlossen, mich in diesem Bereich zu engagieren und möglichst vielen Kindern – vor allem Waisenkindern und solchen, die in einer gesundheitlich schwierigen Situation leben – zu helfen. Ich habe an die Erfahrungen gedacht, die ich selbst gemacht habe, und habe mir gesagt : »Für einen Erwachsenen ist es einfacher, er muss nur morgens und abends eine Tablette nehmen, aber wie sollen sich Kinder einer so schwierigen Therapie unterziehen ? Wie sollen ihre Familien dafür sorgen, dass sie die Medikamente regelmäßig nehmen ?« Also haben wir auf der Grundlage dieser Überlegungen mit der Bewegung I Dream ein Netzwerk aus Personen, Kinderpflegern und Ärzten geschaffen, um einer möglichst großen Zahl von Kindern zu helfen. Wir achten insbesondere darauf, dass die Medikamente richtig dosiert und dargereicht werden. Auf diese Weise sind wir Aktivistinnen für die Kinder nach und nach zu Ersatzmüttern geworden ! Jede Aktivistin ist für eine kleine Gruppe von Kindern in der Nachbarschaft verantwortlich. Morgens macht die Aktivistin einen Hausbesuch bei den Kindern und kontrolliert, ob sie ihre Medikamente in der richtigen Dosierung bekommen haben. Viele sind Waisen und leben bei ihren Großeltern, die häufig Analphabeten sind. Wir nehmen uns viel Zeit, um die Verabreichung der Medikamente zu kontrollieren, weil wir das Leben der unschuldigen Kinder retten wollen, die nicht einmal wissen, wie sie sich mit dem Virus angesteckt haben und warum sie Tag und Nacht Medikamente nehmen müssen. Wir haben viele Kinder im Programm, und die meisten von ihnen waren stark unterernährt, als sie zu uns kamen. Inzwischen sind wir Expertinnen, wir geben hygienische Hinweise und Ernährungstipps und bringen den Menschen, die die Kinder großziehen, etwas über Lebensmittel bei. Wir zeigen ihnen, wie sie die Speisen – zum Beispiel Bohnen oder Fisch – zubereiten sollen, damit sie einem einjährigen Kind gut bekommen. Wir kontrollieren, ob die Kinder regelmäßig essen und ob sie mit anderen spielen, weil sich daran ihr allgemeines Verhalten bewerten lässt. Wir haben viele Kinder behördlich registrieren lassen und viele an der Schule angemeldet. Doch das alles ist immer noch nicht genug, weil es nicht einfach darum geht, Lebensmittel und Medikamente zu verteilen. Das belegt die Geschichte von Brilliant. Brilliant ist ein Junge von 14 Jahren, der aussieht wie acht. Er war sehr krank und Patient des Drea...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. INHALT
  5. Eine dünne rote Linie
  6. Der Tanz der Ngoni
  7. Jenseits der Mauer
  8. Was habe ich dir getan ?
  9. Ein anderes Lilongwe
  10. Der Vater meiner Kinder
  11. Hunger
  12. HIV
  13. Melinda
  14. Das Ergebnis
  15. Wieder im VCT
  16. Sechs
  17. Der erste Termin
  18. Warum (Dr. Jere)
  19. Allein in der Nacht
  20. Auf der Straße
  21. Eheberater
  22. Befürchtungen und Bestätigungen
  23. 6. Januar 2006 : noch eine Veränderung
  24. Das Antenatal Care von Mponela
  25. James
  26. Der erste Lohn
  27. Die Ausbildung
  28. Ich bin nicht allein
  29. Lehrer
  30. Kinder
  31. Jugendliche
  32. Kleine Hoffnungen
  33. I Dream
  34. Mosambik
  35. Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
  36. Koordinator
  37. Die Macht der Worte
  38. Heute
  39. Manifest der Bewegung I Dream
  40. Dream in Zahlen
  41. Anmerkungen