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- 282 Seiten
- German
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Ăber dieses Buch
"Dass er mit diesem Telefonanruf sein eigenes Todesurteil ausgesprochen hatte, konnte Norbert Görtler ⊠nicht ahnen. Auch in seinen unheilvollsten AlbtrĂ€umen hĂ€tte er zwar vieles fĂŒr möglich gehalten, das nicht. Nur noch ein einziger Mensch wĂŒrde je mit ihm ⊠kurz vor der Berufung zum Weihbischof in seiner Heimatdiözese, ein Wort wechseln: sein Mörder."Sein zweiter Fall fĂŒhrt Kommissar Kellert in die Welt des Klerus, speziell in das Friedensberger Priesterseminar, dessen Regens ermordet wurde. Sollte der Mörder einer der Seminaristen oder gar ein Mitbruder des Regens gewesen sein? Ein heikler Fall fĂŒr den Kommissar, bei dem er sich erst in die eigene Welt der Geistlichkeit einfinden muss.
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Information
1
Kriminalhauptkommissar Bernd Kellert glaubte sich verhört zu haben. Er fragte nach: âWas? Wohin soll ich?â âStimmt schon, Chefâ, gab die Kommissariats-SekretĂ€rin Lena Winter-Drexler zurĂŒck, âSie haben schon richtig verstanden: in das Priesterseminar, Von-Balthasar-StraĂe 4. Da gab es einen Mord!â Kellert, achtundvierzig Jahre alt, immer noch sportlich, schlank, etwas ĂŒber einsachtzig groĂ, wusste, dass die SekretĂ€rin keine Witze machte. DafĂŒr war sie schon viel zu lange im Betrieb tĂ€tig; dafĂŒr kannten sie sich nach fast fĂŒnfzehnjĂ€hriger Zusammenarbeit zu gut. Trotzdem blickte er sie nun unglĂ€ubig an: âDas kann doch nicht sein! Ein Mord im Priesterseminar!â âIst aber so, Chef! Los ⊠und nehmen Sie Thiele mit!â
Kellerts VerblĂŒffung dauerte nur kurz. Mit raschen Schritten eilte er in das DoppelbĂŒro, das er sich seit drei Jahren mit seinem Assistenten, Kriminalhauptmann Dominik Thiele, teilte. âAuf, Dominik, Einsatz!â, rief er dem an seinem Schreibtisch sitzenden Kollegen zu, der mit konzentrierter Miene auf den Computerbildschirm vor sich starrte, ohne selbst etwas zu tippen.
Kellert griff sich seine Jacke vom Garderobenhaken neben der TĂŒr, machte kehrt und lief auch schon in Richtung Dienstparkplatz. Thiele â etwas gröĂer als sein Chef und siebzehn Jahre jĂŒnger, auch er sportlich und durchtrainiert, auch er mit Kurzhaarfrisur, seit drei Monaten aber zudem mit einem stets akkurat getrimmten Dreitagebart â folgte ihm, hatte ihn bald eingeholt.
Viele Worte brauchte es zwischen den beiden nicht. Sie waren inzwischen ein perfekt eingespieltes Team. Sie hatten gelernt, dienstlich zu harmonieren, ohne privat viel miteinander zu unternehmen. Die Abstimmung passte. âWohin?â, fragte Thiele kurz, als er sich die SchlĂŒssel fĂŒr den neuen Dienst-BMW vom SchlĂŒsselbord nahm. âVon-Balthasar-StraĂeâ, gab Kellert zurĂŒck. Thiele schaute kurz auf, seine Augen blickten ins Leere, dann zuckte er kaum merklich mit den Schultern: âKenne ich nicht! Wo ist das denn?â âKennst du dochâ, behauptete Kellert. âDie enge Gasse hinterm Dom, mit Kopfsteinpflaster. Da, wo es rĂŒbergeht zur Uni.â
Immer noch unsicher blickend setzte sich Thiele ans Steuer und startete den Wagen. Ăberlaute Radiomusik brandete auf. Mit energischem Knopfdruck sorgte Kellert fĂŒr jene Stille, die er fĂŒr einen Montagmorgen um kurz nach halb neun fĂŒr angemessen hielt. âUnd was sollen wir da?â, fragte Thiele nach, wĂ€hrend der Wagen fast lautlos auf den doppelspurigen Humboldt-Ring einbog.
âDa gibtâs natĂŒrlich ein Tötungsdelikt. âMordâ sagt man auch dazu. Schon mal gehört?â, gab Kellert mĂŒrrisch zurĂŒck. âMord im Priesterseminar!â Kurz ging ein kleiner Ruck durch den Wagen, als Thiele den FuĂ vom Gaspedal nahm und seinen Chef ĂŒberrascht und fragend anblickte. âMehr weiĂ ich auch nichtâ, beantwortete der den fragenden Blick seines Mitarbeiters. âWir werden schon sehen, was da los ist.â
Die Kollegen von der Streifenpolizei waren offensichtlich schon einige Zeit vor Ort. Die Zufahrt zum Priesterseminar von der buckligen und engen Von-Balthasar-StraĂe aus war bereits mit weiĂ-roten AbsperrbĂ€ndern versehen. Ein Dienstfahrzeug blockierte mit eingeschaltetem Blaulicht die Einfahrt. Die ganze Szenerie wurde in das bestĂ€ndige Wechselspiel des auf- und abblitzenden Lichtrhythmus hineingenommen und wirkte dadurch fast irreal.
âWenigstens kein Sirenen-Signalâ, dachte Kellert, der den Aufwand fĂŒr ĂŒbertrieben hielt. Zwei Streifenbeamte kontrollierten den Zugang. Thiele parkte den BMW auf einem fĂŒr Behinderte reservierten Parkplatz rechts vor dem Tor der Einfahrt, der einzigen freien Parkmöglichkeit, die er auf die Schnelle erkennen konnte. Kellert zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts.
Einer der Streifenpolizisten kam auf sie zu, grĂŒĂte und fĂŒhrte sie durch das hohe Tor in den erstaunlich groĂen Vierungshof, der ringsum von dreistöckigen GebĂ€uden umgeben war. Einige sahen mehrere Jahrhunderte alt aus, andere mochten um die Wende zum 20. Jahrhundert errichtet worden sein. Obwohl der Hof gerĂ€umig war, wirkte das gesamte Szenario doch eher dĂŒster. Der in die Mitte in ein kleines Rundbeet gepflanzte, vielleicht fĂŒnfzehn Meter hohe Kastanienbaum verfĂ€rbte sich bereits, hatte schon einen Teil seines gelblich braunen Blattwerks abgeworfen.
Sie wurden in eines der GebĂ€ude gefĂŒhrt, das aus der letzten Bauetappe stammen musste. âEnde des 19. Jahrhunderts, tippe ichâ, dachte Kellert. Hohe, saalartige RĂ€ume, Schmuckstuck an den weiĂgetĂŒnchten, aber eher grau wirkenden Decken, schmale, tief ausgeschnittene und hoch aufragende doppelverglaste Fenster. Innen alles weiĂ gestrichen, funktional eingerichtet, unpersönlich. âEin bisschen wie ein Krankenhausâ, ging es Kellert durch den Kopf, dann korrigierte er sich aber: âOder doch eher wie ein Internat. Also: wie ich mir frĂŒher ein Internat vorgestellt habe.â
Nachdem sie mehrere hohe, hallende GĂ€nge durchschritten hatten, kamen sie an eine TĂŒr, wo sie ein anderer Beamter schon erwartete. Links neben der TĂŒr war ein silbrig glĂ€nzendes Metallschild angebracht, auf dem groĂ das Wort âRegensâ zu lesen war, darunter viel kleiner âDr. Norbert Görtler. GesprĂ€chstermine jederzeit, aber bitte nur nach Absprache.â
âRegensâ? Kellert runzelte die Stirn. âWas heiĂt denn das nun wieder genau? Bezeichnungen haben die in der Kirche, da kennt sich doch kein Mensch aus!â Dass das Dienstzimmer jedoch zu einem Mann in leitender Stellung gehören musste, war auf den ersten Blick zu erkennen. Viel Zeit zum Nachdenken blieb Kellert aber nicht. âBeckersâ, stellte sich der hier postierte Streifenbeamte kurz vor. Er ersparte sich aber weitere Worte und wies die Kriminalbeamten in den dahinterliegenden Raum. âWir haben nichts verĂ€ndertâ, gab er ihnen noch mit.
âIst die KTU schon informiert?â, fragte Kellert im VorĂŒbergehen. âSelbstverstĂ€ndlich! Die wollen in etwaâ â Beckers blickte auf seine Armbanduhr â âzehn Minuten hier sein. Sie haben also noch ein bisschen Zeit, um sich in Ruhe umzuschauen.â Kellert hielt noch einmal inne und wies mit der rechten Hand in den vor ihnen liegenden Raum. âĂh, schon identifiziert?â, fragte er.
âJa, sicherâ, gab Beckers zurĂŒck, der das wohl fĂŒr selbstverstĂ€ndlich hielt. âDas ist der Chef hier, der Regens, dem das Zimmer gehört, also dieser ⊠Moment ⊠Görtler.â âSagt wer?â, mischte sich Thiele ein. âNa dieser Arenhövel, der ist hier â wie nennt der sich noch mal? â Subregens, glaube ich, also wohl der Stellvertreter. Der hat ihn doch auch gefunden und die Polizei angerufen. Der ist völlig durch den Wind. Kriegt kaum einen Ton raus. Wartet drĂŒben in einem anderen Raum. Kollegin Unterhöfer ist bei ihm. Wollen Sie ihn sprechen?â âNee, danke, jetzt nichtâ, gab Kellert zurĂŒck. âSpĂ€ter bestimmt!â
2
Kellert und Thiele hatten sich PlastikĂŒberzieher ĂŒber die Schuhe gezogen und die Gummihandschuhe ĂŒber die HĂ€nde gestreift, die ihnen der Streifenbeamte Beckers eilfertig entgegengehalten hatte. Vorsichtig betraten sie das groĂe Dienstzimmer des Regens. âKaltâ, dachte Thiele als Erstes. âStrengâ, ĂŒberlegte Kellert. Das Grundprinzip des Raums erschloss sich auf den ersten Blick. Hier herrschte Ordnung, kalkuliert, diszipliniert und stĂ€ndig ĂŒberprĂŒft. Mobiliar, BĂŒcher, Ausstattung â all das erweckte den Anschein von FunktionalitĂ€t und EffektivitĂ€t. Allein das Aquarium ĂŒberraschte. Keinerlei Pflanzen. Kaum Hinweise auf persönliche GegenstĂ€nde des Benutzers dieses Raums.
All diese EindrĂŒcke schossen den beiden Kriminalbeamten in kurzen Augenblicken durch den Kopf. Ihre Aufmerksamkeit wurde sofort darauf gestoĂen, was diese Ordnung durchbrach. Brutal durchbrach, radikal. Zwischen Schreibtisch und Sitzgruppe mochten vier, fĂŒnf Meter liegen. Genau hier befand sich die leicht gekrĂŒmmt daliegende mĂ€nnliche Leiche. Das Gesicht vornĂŒber in Richtung Schreibtisch, die Beine zur Seite verdreht, sah der Mann in schwarzem Anzug und mit weiĂglĂ€nzendem Kollar auf den ersten Blick immer noch aus, als wĂ€re er unglĂŒcklich gefallen, könnte sich aber jeden Moment wieder erheben.
Der zweite Blick lieĂ keinen Zweifel zu: Dieser Mann war tot. Auf dem Hinterkopf zeigte sich eine klaffende, blutverkrustete Wunde. Um Kopf und Oberkörper des Leichnams hatte sich eine groĂe Blutlache gebildet, die teils in den Teppich, teils in das schon etwas abgenutzte Parkett eingezogen war.
Vorsichtig bewegten sich die beiden Kriminalbeamten durch den Raum. Ihrem routinierten Blick entging fast nichts. âAlles perfekt aufgerĂ€umt, kein MĂŒll, kein querliegender Gegenstand, nichtsâ, notierte sich Kellert in sein inneres Wahrnehmungsprotokoll. âKeine auf den ersten Blick erkennbare Spur von einem Besucher in diesem Raum.â âTatwerkzeug?â, raunte er zu Thiele hinĂŒber, aber der zuckte nur, die Augenbrauen hochziehend, mit den Schultern.
Auch nach lĂ€ngerem Suchen fand sich nichts, was als Tatwerkzeug hĂ€tte in Frage kommen können. Blutspuren zeigten sich nur rund um das Opfer. Weder in Richtung TĂŒr noch Fensterwand lieĂen sich weitere Ungewöhnlichkeiten feststellen. Dass sĂ€mtliche Fenster geschlossen waren, dass die TĂŒr nicht beschĂ€digt war, hatten sie ganz zu Anfang sichergestellt. Der TĂ€ter â âoder die TĂ€terin!â, ermahnte sich Kellert, vorschnelle FehlschlĂŒsse zu vermeiden â war offensichtlich ganz normal durch die ZimmertĂŒr hinein- und ebenso auch wieder hinausgelangt.
Plötzlich blieb Kellert ruckartig stehen, schnupperte. Thiele blickte ihn entgeistert an. âWas hat er denn nun schon wieder?â, dachte er. Gleichzeitig kannte er seinen Chef inzwischen gut genug, um zu ahnen, dass ihm etwas aufgefallen war.
âRiechst du nichts?â, fragte der Kriminalhauptkommissar seinen Mitarbeiter. Der versuchte nun seinerseits, irgendeine Witterung aufzunehmen, blieb dabei aber erfolglos. âNichts AuĂergewöhnliches!â, gab er zurĂŒck. âDa hĂ€ngt doch eine kleine Spur von Wachs und Rauch in der Luftâ, meinte Kellert und wies auf mehrere Punkte im Raum. âUnd schau: Da sind mehrere groĂe Kerzen. Die werden wohl noch vor Kurzem gebrannt haben. Wer hat die ausgemacht? Das möchte ich gern wissen!â
Thiele zuckte mit den Schultern. Er konnte beim besten Willen nichts riechen. Aber wenn sein Chef Recht hĂ€tte â âund das hat er ja fast immer!â, gestand er sich ein â, dann war das schon eine berechtigte Frage. Aber wem könnte man sie stellen?
âSo, wir ĂŒbernehmen!â Mit besitzergreifendem Getöse betraten drei ganz in weiĂe SchutzanzĂŒge gekleidete Kollegen der kriminaltechnischen Untersuchungsabteilung den Raum und unterbrachen unsanft sĂ€mtliche GedankengĂ€nge der dort agierenden Polizisten. âDarf ich bitten, Bernd?!â Der Leiter des Teams, Thomas Kleinheister, komplimentierte die Kriminalbeamten fast schon gewaltsam aus dem Raum hinaus.
Ein solches Vorgehen waren diese aber genauso gewohnt wie Kleinheisters Marotte, Dominik Thiele gar nicht eigens zu beachten, geschweige denn zu erwĂ€hnen, sondern als eine Art Anhang von Bernd Kellert zu betrachten. Das ging Thiele oft so, verschaffte ihm aber Freiheiten, die er immer wieder nutzte. Anfangs hatte er sich ĂŒber diese vermeintliche GeringschĂ€tzung geĂ€rgert, inzwischen erkannte er die Chancen des Agierens im Windschatten seines Chefs.
Kriminalhauptkommissar Kellert seinerseits kannte seinen Freund Kleinheister nun schon seit fast fĂŒnfundzwanzig Jahren und wusste, wie man seine bĂ€rbeiĂig-selbstbewusste Art zu nehmen hatte. Vor allem aber wusste er, dass dieser seine Arbeit Ă€uĂerst penibel und zuverlĂ€ssig zu erledigen pflegte. Deshalb folgten Kellert und Thiele der sanften Gewalt und verlieĂen das zum Tatort gewordene Dienstzimmer des Regens. âUnbedingt die Fingerspuren checken!â, gab Kellert dem Chef der KTU noch mit auf den Weg, einen Ratschlag, den dieser nur mit wortlosem KopfschĂŒtteln und Verziehen des Mundes kommentierte. Als ob er das je vergessen hĂ€tte!
âUnd jetzt?â, fragte Thiele, als sie sich der Ăberzieher entledigt hatten. âIch werde mir jetzt erst mal grĂŒndlich die HĂ€nde waschen gehen, und dann sprechen wir mal mit diesem ⊠Àh ⊠Subregens. Der hat uns sicher einiges zu erzĂ€hlen. Das hierâ â Kellert wies mit dem Daumen der linken Hand ĂŒber seine rechte Schulter zurĂŒck â âwird schwierig. Ich glaube nicht, dass Kleinheister und Co. uns dieses Mal wirklich weiterhelfen. Sagt mir mein GefĂŒhl.â Und das, so wusste Dominik Thiele nach dreijĂ€hriger Zusammenarbeit inzwischen, trog den Hauptkommissar der Mordkommission Friedensberg fast nie.
3
âNun kommen Sie! Bitte reiĂen Sie sich zusammen. Sie können und mĂŒssen uns wirklich helfen!â Bernd Kellert blickte auf den Mann hinab, der wie ein HĂ€ufchen Elend auf einem Holzstuhl saĂ. Zusammen mit Dominik Thiele befanden sie sich in einer Art Besprechungszimmer, drei Flure vom gleichfalls ebenerdigen Dienstzimmer des Regens entfernt. Sparsam ausgestattet â ein Tisch, vier StĂŒhle, zwei Seitenregale, darauf eine Bibel und ein Dutzend bunt eingebundener schmaler GedichtbĂ€nde, alle von dem gleichen Autor, Andreas Knapp â war dies abgesehen von einem schlichten Holzkruzifixus ein kleiner, völlig schmuckloser Raum.
Maximilian Arenhövel, der Subregens des Priesterseminars, hatte auf ihr Eintreten zunĂ€chst fast gar nicht reagiert, sie kurz begrĂŒĂt, ansonsten aber wortlos und glasig vor sich hingeschaut, in sich gekehrt, niedergedrĂŒckt. Er mochte Mitte, vielleicht Ende dreiĂig sein. Sein etwas schwammiger, zur Dickleibigkeit neigender Körper schien ihm eher eine Last zu sein. Die unordentlichen, halblangen, zum Teil lockigen braunen Haare klebten an den schweiĂnassen SchlĂ€fen. Auch er trug einen schwarzen, wenn auch an den Seiten leicht kneifenden Anzug und einen steifen Kollar. âOffenbar eine Art Uniform hierâ, dachte Thiele.
Nach zwei, drei höflichen Versuchen, Arenhövel zu befragen, war Kellert der Geduldsfaden gerissen und er hatte eine etwas schĂ€rfere Tonart eingeschlagen. Und erstaunlich: Der Angesprochene zuckte zusammen, straffte sich und blickte sein GegenĂŒber erstmals an. Diese Form der Ansprache konnte offensichtlich seine Apathie durchstoĂen. âGott sei Dankâ, fuhr es Kellert durch den Kopf. Thiele beobachtete den Vorgang mit Interesse. âDas hĂ€tte ich mich nicht getrautâ, dachte er bei sich, âwieder was gelernt!â
âEntschuldigen Sie, Sie haben ja völlig Recht!â, stammelte Arenhövel mit einer hohen, eher jungenhaften Stimme. âAber ich bin völlig durcheinander. Der Regens â tot! Das kann doch einfach nicht wahr sein! Wer macht denn so was! Wie soll ich das den Seminaristen beibringen? Und wie dem Bischof? Und ich kann mir schon vorstellen, wie sich die Presse auf den Fall stĂŒrzen wird. Die suchen doch nur danach, uns wieder was ans Zeug zu flicken.â Er blickte völlig verzweifelt und sichtlich ĂŒberfordert auf Kellert, als erhoffte er sich von diesem wirklich Antworten auf seine Fragen und Hinweise auf Auswege aus der Situation. Thiele hatte auch er bislang völlig ignoriert.
âBitte, Herr Arenhövel. Wir brauchen dringend einige AuskĂŒnfte von Ihnen!â, versuchte Kellert sein GegenĂŒber zur Konzentration zu mahnen. Er nahm einen der beiden ĂŒbrigen freien StĂŒhle, drehte ihn, setzte sich falsch herum darauf, legte die Arme ĂŒber die nach vorn weisende Lehne und fuhr mit fester Stimme fort: âWie war das also: Sie haben die Leiche, also den Regens, doch entdeckt, oder? Wann war das genau?â
Der Subregens schĂŒttelte sich einmal, zweimal, dann aber hatte er sich gefasst. âDas war soâ, begann er. âMontagmorgens treffen wir uns immer zur Wochenvorbesprechung, immer um halb acht, immer beim Regens.â âWir?â, unterbrach Kellert. âWer?â âNa, die Hausleitungâ, entgegnete Arenhövel, als sei das völlig selbstverstĂ€ndlich, âalso Regens Görtler, Spiritual Dietz und ich.â
âEntschuldigen Sie, dieser Dietzâ â unterbrach Kellert den nun sprudelnden Redefluss erneut, spĂŒrte aber gleichzeitig, dass er jetzt nicht auch noch nachfragen sollte, was das denn nun wieder sei, ein âSpiritualâ â âwar der auch dabei? Ist der jetzt auch im Haus?â âEben nichtâ, entgegnete Arenhövel sofort. âDas war ja das Seltsame! Ich muss das wohl erklĂ€ren. Wissen Sie: Eigentlich beginnen wir als Hausgemeinschaft die Woche immer mit der Laudes âŠâ
Als er sah, dass ihn Kellert fragend anblickte, fĂŒgte er hinzu: â⊠also einem gemeinsamen Morgengebet in der Kapelle. Nur hatten wir freies Wochenende. Also: Bevor a...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titelblatt
- Urheberrecht
- Folgende Personen treten auf
- Vorspiel â Endspiel
- Kapitel 1
- Kapitel 2
- Kapitel 3
- Kapitel 4
- Kapitel 5
- Kapitel 6
- Kapitel 7
- Kapitel 8
- Kapitel 9
- Kapitel 10
- Kapitel 11
- Kapitel 12
- Kapitel 13
- Kapitel 14
- Kapitel 15
- Kapitel 16
- Kapitel 17
- Kapitel 18
- Kapitel 19
- Kapitel 20
- Kapitel 21
- Kapitel 22
- Kapitel 23
- Kapitel 24
- Kapitel 25
- Kapitel 26
- Kapitel 27
- Kapitel 28
- Kapitel 29
- Kapitel 30
- Kapitel 31
- Kapitel 32
- Kapitel 33
- Kapitel 34
- Kapitel 35
- Kapitel 36
- Kapitel 37
- Kapitel 38
- Kapitel 39
- Kapitel 40
- Kapitel 41
- Kapitel 42
- Kapitel 43
- Kapitel 44
- Nachspiel