Lebendige Seelsorge 1/2019
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Lebendige Seelsorge 1/2019

Laudato si'

  1. 84 Seiten
  2. German
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Lebendige Seelsorge 1/2019

Laudato si'

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

"Schlafwandeln in die Katastrophe" - so eine Formulierung des aktuellenWeltrisikoberichts. Trotz extremer Wetterereignisse, die mit dem menschengemachtenKlimawandel zusammenhängen, sei international der Stellenwertdes Klimaschutzes gesunken. Ganz anders die Bemühungen von PapstFranziskus: Vor wenigen Jahren noch war nicht auszudenken, dass die Kirchein Sachen "Umwelt" ein international beachteter Player sein würde. PapstFranziskus hat es mit seiner Enzyklika Laudato si' geschafft. Sie hat nicht nurdie Weltklimakonferenz in Paris positiv beeinflusst, sie ist mittlerweile auchauf Weltebene im Gespräch. Sie hat den Regisseur Wim Wenders zu seinemFilm "Franziskus. Ein Mann seines Wortes" inspiriert, sie hat viele kirchlicheEinrichtungen und Institutionen - wie etwa die Katholische Akademie inMünchen - zum nachhaltigen Wirtschaften ermutigt.All diese Spuren können Sie in diesem Heft entdecken: Ottmar Edenhofer, stellvertretender Direktor sowie Chefökonom am Potsdam-Institut fürKlimafolgenforschung und Träger des letztjährigen Guardini-Preises, erzähltvon seinem ganz persönlichen Austausch mit Papst Franziskus, Markus Vogt, Johannes Wallacher und Michelle Becka verdeutlichen das Inspirationspotentialdes päpstlichen Textes für den theologisch-wissenschaftlichen Diskurs undMartin Maier profiliert die jesuitischen Wurzeln des Textes.In diesem Konzert darf eine kräftige Gegenstimme nicht fehlen: derKulturwissenschaftler Norbert Bolz erhebt sie mit seiner These, Laudato si'lese sich wie die Theologie der Grünen. Die Öko-Religion sei zum neuenGlauben für die gebildete Mittelklasse geworden. Allerdings spricht Laudatosi' trotz der dramatischen Wahrnehmung der Gefahren nicht aus derHaltung des Alarmismus, sondern aus einer Haltung der Freude undDankbarkeit für die Gaben der Schöpfung. Ganz im Sinn des Sonnengesangsdes hl. Franziskus, den Volker Leppin höchst aktuell auslegt.Mein Dank gilt Annette Schavan für ihre langjährige Gestaltung der Glosse, diesie mit Freude und großem Engagement und gewinnbringend für unsereZeitschrift gestaltet hat. Mit diesem Heft beginnt ein neues Format: Re: Lecture.Dabei soll ein Buch vorgestellt werden, das es verdient, ganz neu gelesen zuwerden. Den Anfang macht die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff.Ich wünsche Ihnen eine reiche Entdeckungsreise mit diesem Heft.

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Information

Verlag
Echter
Jahr
2019
ISBN
9783429064211
PRAXIS
Das Ignatianische in der Enzyklika Laudato si‘
Mit der Wahl des Jesuiten Jorge Mario Bergoglio zu Papst Franziskus im März 2013 hat die ignatianische Spiritualität neue Aufmerksamkeit gefunden. Dabei ist vorneweg zu sagen, dass es sich bei dieser auf den Gründer des Jesuitenordens, den heiligen Ignatius von Loyola zurückgehenden Spiritualität um eine von vielen geistlichen Traditionen des Christentums handelt. Wäre ein Benediktiner zum Papst gewählt worden, würde hier wahrscheinlich ein Benediktiner über benediktinische Spiritualität schreiben. Deshalb soll nicht der Anspruch vertreten werden, dass am ignatianischen „Wesen“ Kirche und Welt genesen müssen. Doch es soll auch nicht ausgeschlossen werden, dass die ignatianische Spiritualität wichtige Hilfen geben kann, um die Sendung der Kirche in der Welt von heute besser wahrzunehmen und in die Wirklichkeit umzusetzen. Martin Maier SJ
Papst Franziskus lebt und handelt aus der ignatianischen Spiritualität, die in den geistlichen Übungen, den Exerzitien verwurzelt ist. In deren Zentrum steht die Unterscheidung der Geister. Dabei wird vorausgesetzt, dass Gott mit dem Menschen kommuniziert, mit ihm in einer Beziehung steht, ihm seinen Willen zeigt. Deshalb lautet eine Kurzformel ignatianischer Spiritualität: den Willen Gottes suchen und finden. Im Prozess der Exerzitien zeigt sich der Wille Gottes in den inneren Regungen und Bewegungen, den mociones, die sich positiv und negativ äußern können. Doch es ist nicht einfach so, dass sich Gott nur in den positiven Regungen zeigt, etwa dem Trost. Deshalb entwickelt Ignatius sehr differenzierte Regeln zur Unterscheidung der Geister, die ein Kernstück der Exerzitien sind.
Die Kunst der Unterscheidung der Geister besteht darin, diese unterschiedlichen Kräfte wahrzunehmen und auf ihren Ursprung und ihr Ziel hin zu untersuchen. In den insgesamt 24 Regeln zur Unterscheidung der Geister gibt Ignatius sehr differenzierte Anhaltspunkte, aus den unterschiedlichen inneren Stimmungen die richtigen Schlussfolgerungen abzuleiten. Wichtig sind im Prozess der Exerzitien neben intensiven Gebetszeiten auch die regelmäßigen Gespräche mit einem erfahrenen Begleiter. Man sollte sich also nicht allein auf den Weg der Exerzitien begeben.
In dieser Tradition steht Papst Franziskus. Er verdeutlichte dies in seiner Ansprache an die Jesuiten der italienischen Zeitschrift La Civiltà Cattolica am 14. Juni 2013: „Ein Schatz der Jesuiten ist die geistliche Unterscheidung, die danach strebt, die Gegenwart des Geistes Gottes in der menschlichen und kulturellen Wirklichkeit zu erkennen, den bereits gepflanzten Samen seiner Gegenwart in den Ereignissen, in den Sensibilitäten, in den Wünschen, in den tiefen Spannungen der Herzen und der sozialen, kulturellen und geistlichen Umfelder.“
Martin Maier SJ
geb. 1960 in Messkirch; 1979 Eintritt in den Jesuitenorden; Studien der Philosophie, Theologie und Musik in München, Paris und San Salvador; Promotion über die lateinamerikanische Theologie der Befreiung; von 1998 bis 2009 Chefredakteur der Stimmen der Zeit; seit 2014 Beauftragter des Jesuitenordens für europäische Angelegenheiten in Brüssel.
Franziskus erweitert hier das Feld der geistlichen Unterscheidung. Gottes Geist und sein Wirken berühren nicht nur die geistliche Innerlichkeit, sondern auch die soziale und kulturelle Wirklichkeit. Gott möchte den Menschen nicht nur persönlich berühren, sondern auch die soziale und geschichtliche Wirklichkeit verändern, gerechter, menschlicher und damit auch göttlicher machen. In diesem Sinn ist eine Kurzformel der Sendung der Jesuiten zu verstehen: „Weltdienst als Heilsdienst“. In diesen Horizont schreibt sich auch die Enzyklika Laudato si‘ ein.
DAS IGNATIANISCHE IN LAUDATO SI‘
Ignatianische Spiritualität möchte Zeichen und Spuren Gottes in der Wirklichkeit wahrnehmen. Deshalb ist ihr Ausgangspunkt ein ehrlicher und unbefangener Blick auf die Wirklichkeit. Franziskus setzt dementsprechend mit einem Blick auf die Situation unseres „gemeinsamen Hauses“ unter der Überschrift „Was unserem Haus widerfährt“ an. Hier lassen sich Bezüge zur globalen Weltsicht der „Betrachtung von der Menschwerdung“ in den Exerzitien herstellen. Laudato si‘ versteht die Menschheitsgeschichte nicht als eine Tragödie, sondern als ein Drama. Hier gibt es Ähnlichkeiten mit der „Besinnung über die zwei Banner“, wo Ignatius ein dramatisches Welt- und Menschenbild entwirft. Laudato si‘ atmet den Geist der ignatianischen Schöpfungsmystik, die Ignatius vor allem am Ende der Exerzitien entfaltet. Schließlich verschränkt die Enzyklika Gottvertrauen und menschliche Anstrengung zur Heilung des Planeten und zur Rettung der Welt ignatianisch ineinander.
BETRACHTUNG DER WELT
Laudato si‘ nimmt im ersten Kapitel eine globale Perspektive ein und möchte sehen, „was unserem Haus widerfährt“. Eine solche globale Sicht auf die Welt findet sich in einer für das 16. Jahrhundert erstaunlichen Weise in den Exerzitien in der „Betrachtung von der Menschwerdung“ (Ex 101-109). In lebendiger Vielfalt beschreibt Ignatius die Welt: „Sehen die Personen, die einen und die andern; und zwar zuerst auf der Oberfläche der Erde, in so großer Verschiedenheit sowohl der Kleidung wie des Verhaltens, die einen weiß und die andern schwarz, die einen im Frieden und die andern im Krieg, die einen weinend und die andern lachend, die einen gesund und die andern krank, die einen bei der Geburt und die andern beim Sterben usw.“ (Ex 106).
Ohne diesem Text Zwang anzutun, kann man in seinem weiteren Aufbau den auf die katholische Arbeiterjugend zurückgehenden und für die Methode von Laudato si‘ grundlegenden Dreischritt Sehen – Urteilen – Handeln herauslesen. Die göttlichen Personen sehen in einem ersten Schritt die katastrophale Situation von Welt und Menschheit: „[…] wie sie die ganze Erdoberfläche und das ganze Erdenrund überschauen und alle Völker sehen in so großer Blindheit, und wie sie sterben und zur Hölle hinabsteigen“ (Ex 106). Sie urteilen (nicht im Sinn von verurteilen!) im zweiten Schritt, dass hier etwas geschehen muss. Und sie beschließen im dritten Schritt etwas zu tun, nämlich die Erlösung der Menschen durch die Menschwerdung des Sohnes.
Im spanischen Urtext heißt diese Stelle knapp und kraftvoll: „Hagamos redención“ – wörtlich: „Machen wir Erlösung“. Die göttlichen Personen werden von Mitleid angerührt bei all dem Leiden und Unglück, das sie sehen. Und sie sind sich völlig einig: So können wir das nicht weiterlaufen lassen. Wir müssen etwas tun. Sie beschließen die Menschwerdung der zweiten Person, „um das Menschengeschlecht zu retten“. Diesem Beschluss folgt unmittelbar die Sendung des Engels Gabriel zu unserer Herrin: Die Menschwerdung nimmt ihren Anfang im ganz Kleinen, Geringen, Armen, in der Kammer in Nazaret. Damit ist die Grundbewegung der Inkarnation vorgezeichnet: von oben nach unten, vom göttlichen Reichtum in die menschliche Armut, von der Allmacht in die Machtlosigkeit.
Laudato si‘ richtet ganz ähnlich den Blick auf die „Erdenbewohner von außen“ (LS 55) und möchte „aufrichtig die Realität betrachten“ (LS 61). Unter ökologischer Rücksicht kann das Verhalten der Menschheit nur als selbstmörderisch bezeichnet werden. Die vom Menschen verursachte gefährliche Klimaerwärmung und die rücksichtslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen setzen die Zukunft des Planeten aufs Spiel. Doch Katastrophe und Untergang sind nicht unausweichlich. Es gibt die Möglichkeit des Umsteuerns, der „Erlösung“, und zwar sowohl im Großen als auch im Kleinen.
EIN DRAMATISCHES WELT- UND GESCHICHTSVERSTÄNDNIS
Ignatius von Loyola vertritt ein dramatisches Welt- und Geschichtsverständnis. Eine Schlüsselstelle dafür in den Exerzitien ist die „Besinnung über zwei Banner“, die etwas martialisch anmutet. Ignatius stellt hier zwei völlig kontrastierende Lebensentwürfe einander entgegen: „Ein großes Feldlager über jener ganzen Gegend von Jerusalem, worin der höchste Befehlshaber der Guten Christus unser Herr ist, und ein anderes Feldlager in der Gegend von Babylon, worin der Anführer der Feinde Luzifer ist“ (Ex 138).
Ziel dieser Besinnung ist die „Erkenntnis des wahren Lebens“, also dessen, was dem Leben Sinn und Erfüllung gibt. Die Strategie des Teufels besteht darin, unzählige Dämonen auszusenden, die „Netze und Ketten“ auswerfen, um Menschen zu fangen: „Und zwar sollen sie zuerst durch die Begierde nach Reichtum in Versuchung führen, so wie er es bei den meisten zu tun pflegt, damit sie je leichter zu eitler Ehre der Welt und danach zu einem ausgewachsenen Hochmut gelangen“ (Ex 142). Über die Stufen von Reichtum, Ehre und Hochmut verführt der Teufel zu allen anderen Lastern. Mit anderen Worten: es geht um Korruption, Karrierismus und Konkurrenz. Dem stellt Ignatius das Feldlager Christi entgegen, der seine Apostel und Jünger in die Welt sendet, um die gute Nachricht vom Reich Gottes zu verbreiten. Dialektisch stellt Ignatius hier den Werten des Teufels die Werte des Evangeliums entgegen: „Armut gegen Reichtum; Schmähung und Verachtung gegen die weltliche Ehre; Demut gegen Hochmut“ (Ex 146). Diese drei Stufen sollen zu allen anderen Tugenden hinführen. Eine Gefahr bei diesem Szenario besteht darin, in ein manichäisches Menschen- und Weltbild zu fallen: hier die Guten, dort die Bösen; hier die Anständigen, dort die Korrupten; hier die Ausbeuter, dort die Unterdrückten. Doch die beiden „Feldlager“ gehen durch jeden einzelnen Menschen hindurch. Wir sind zum Guten, aber auch zum abgrundtief Bösen fähig.
Bei aller Dramatik ist auch die Hoffnung auf Auswege aus der selbstzerstörerischen Dynamik gegenwärtig.
Papst Franziskus spricht in Laudato si‘ wiederholt vom „Drama der Geschichte“. Dieses Drama lässt sich mit den zwei Feldlagern in Verbindung bringen. Da steht auf der einen Seite die rücksichtslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, die Abholzung der Regenwälder und die Wegwerfkultur. Die treibenden Kräfte sind dabei ein egoistisches Streben einiger weniger nach Reichtum und nach Macht. Nationale Interessen werden über das globale Gemeinwohl gestellt. Kurzfristigen Gewinnen wird die langfristige Erhaltung der Umwelt geopfert. Dazu kommt das Krebsgeschwür der Korruption. Umweltschädliche Abfälle werden in ärmere Länder abgeschoben, und dies wird mitunter zynisch auch noch damit gerechtfertigt, dass dort die Lebenserwartung geringer sei und damit weniger Schaden angerichtet würde.
Auf der anderen Seite steht das Konzept einer integralen Ökologie, die den Menschen ins Zentrum stellt und auf Nachhaltigkeit und Genügsamkeit aufbaut. Hier wird die Natur als Gottes Schöpfung verstanden, die den Menschen geschenkt und anvertraut ist. In diesem Konzept haben Wirtschaft und Finanzen eine dienende Funktion. Allen Menschen sollen menschenwürdige Lebensbedingungen gesichert werden. Hier wird auch den Dingen Aufmerksamkeit geschenkt, die man nicht mit Geld kaufen kann.
Auch hier gilt: Die Widersprüche gehen durch uns selber hindurch. Wir sind Nutznießer dieses Systems, partizipieren an ihm und perpetuieren es. Doch es steht in unserer Macht und Möglichkeit, das System zu verändern, den verletzten Planeten zu heilen. So ist bei aller Dramatik in Laudato si‘ auch die Hoffnung gegenwärtig, dass es Auswege aus der selbstzerstörerischen Dynamik gibt, dass eine neue Weltzivilisation geteilter Genügsamkeit möglich ist. So heißt es in Anspielung auf Noah: „Ein guter Mensch ist genug, um die Hoffnung nicht untergehen zu lassen“ (LS 71).
IGNATIANISCHE SCHÖPFUNGSMYSTIK
Ignatius war ein Mystiker, der Gott in den kleinsten Geschöpfen entdecken konnte. Dazu versucht er in einer Betrachtung am Ende der Exerzitien anzuleiten, die er „Betrachtung zur Erlangung der Liebe“ nennt. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die „empfangenen Wohltaten der Schöpfung“ und lädt dazu ein, zu „betrachten, wie Gott in den Geschöpfen wohnt, in den Elementen, indem er ihnen Dasein gibt, in den Pflanzen, indem er ihnen das Leben schenkt, in den Tieren, indem er ihnen sinnenhafte Wahrnehmung gibt, in den Menschen, indem er ihnen geistige Einsicht verleiht“ (Ex 235). Zur Methode der Exerzitien gehört es, sich selber ins Spiel zu bringen, sich persönlich betreffen zu lassen: „[…] wie Er mir Dasein gibt, mich belebt, mir Sinne erweckt und geistige Einsicht verleiht, wie Er gleichfalls einen Tempel aus mir macht, da ich zum Gleichnis und Bild Seiner Göttlichen Majestät geschaffen bin“ (Ex 235).
Diese Schöpfungsmystik wird so vertieft: „Erwägen, wie Gott um meinetwillen in allen geschaffenen Dingen auf dem Angesicht der Erde arbeitet und sich müht, das heißt, Er verhält sich wie einer, der mühsame Arbeit verrichtet. So zum Beispiel an den Himmelskörpern, Elementen, Pflanzen, Früchten. Tieren usw., indem Er Dasein gibt und erhält, Wachstum und Sinnesleben usw.“ (Ex 236). An Simone Weils Gedanken über Schwerkraft und Gnade erinnert die Anleitung zu „schauen, wie alles Gute und alle Gabe von oben herabsteigt […] gleichwie von der Sonne absteigen die Strahlen, von der Quelle die Wasser usw.“ (Ex 237).
Diese Sicht ist in Laudato si‘ durchgängig: In allem, was existiert, zeigt sich der Widerschein Gottes, die gesamte Natur ist Ort seiner Gegenwart (LS 85, 87, 88). Gott ist im Innersten aller Dinge gegenwärtig, ohne die legitime Autonomie der irdischen Wirklichkeiten zu beeinträchtigen (LS 80). Mit Pierre Teilhard de Chardin teilt Franziskus das gläubige Vertrauen, dass diese Welt auf das Ziel der transzendenten Fülle zugeht (LS 85). Er ermutigt zu einem „kontemplativen Lebensstil“ in der Betrachtung des Schöpfers, dessen Gegenwart „nicht hergestellt, sondern entdeckt, enthüllt werden muss“ (LS 225). Gott ist im Kleinsten und im Größten gegenwärtig. Wenn Gott in allem gegenwärtig ist, dann ist alles untereinander verbunden.
ENGAGIERTE GELASSENHEIT
Ignatianische Spiritualiät möchte dazu helfen, Gott in allen Dingen zu finden und das alltägliche Leben am Geist des Evangeliums auszurichten. Ein wichtiges Thema ist dabei das Verhältnis von Gottvertrauen und dem Einsatz der eigenen Fähigkeiten. Dieses Verhältnis hat Ignatius folgendermaßen beschrieben: „Vertraue so auf Gott, als ob der Erfolg deiner Arbeit ganz von dir und nicht von Gott abhinge: wende aber darauf allen Fleiß an, als ob du nichts und Gott allein alles vollenden werde.“ Dieser Satz ist kompliziert und auf den ersten Blick sogar widersprüchlich: Wie soll ich so auf Gott vertrauen, als ob der Erfolg meiner Arbeit nicht von ihm abhinge? Und wie soll ich so meine eigenen Fähigkeiten einbringen, als ob Gott alles vollenden würde?
Es kommt auf mich an, aber es hängt nicht von mir ab.
So existiert auch eine vereinfachte Fassung dieses Satzes: „Vertraue so auf Gott, als ob der Erfolg deiner Arbeit einzig von Gott abhinge und nicht von dir. Wende aber allen Fleiß s...

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