Kirche der Armen?
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Kirche der Armen?

Impulse und Fragen zum Nachdenken. Ein Handbuch.

  1. 479 Seiten
  2. German
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Kirche der Armen?

Impulse und Fragen zum Nachdenken. Ein Handbuch.

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Über dieses Buch

Wie kann die Kirche in Europa zu einer Kirche der Armen werden? Und soll sie das überhaupt?Dieser Wunsch von Papst Franziskus wird im Kontext von neuer Armut und Migration auch für Europa brisant. Caritas-ExpertInnen, TheologInnen, Personen aus der Praxis und VertreterInnen unterschiedlicher Konfessionen und Religionen reflektieren aus bibel- und praktisch-theologischer, sozialwissenschaftlicher und sozialethischer Perspektive Konzepte wie Armut, Gerechtigkeit, Caritas und Diakonie. Mit prägnanten Begriffserklärungen, Interviews, Außenperspektiven aus Wirtschaft und Kunst, Einblick in Praxiserfahrungen regt das Handbuch zum Nachdenken und Weiterfragen an: Was kann "Armut" als kirchlicher Auftrag heute bedeuten?

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Information

Verlag
Echter
Jahr
2020
ISBN
9783429063429
1. Begriffsklärungen
Armut
1. Elisabeth Jünemann
Der sozialethische Blick auf die Armut zeigt ein differenziertes Bild: Der Blick auf die Ressourcen sieht den finanziellen Mangel. Arm ist, wer zu wenig Geld hat, seine Bedürfnisse in einem gesellschaftlich als notwendig anerkannten Maße zu befriedigen. Der Blick auf die Lebenslagen sieht die Chancen der Lebensführung, die nicht allein von den verfügbaren finanziellen Ressourcen abhängig ist. Allerdings ist es schwierig, Verwirklichungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume jenseits der finanziellen Ressourcen methodisch angemessen zu bewerten.
Schon deshalb kommt dem Ressourcenansatz weltweit größere Bedeutung zu: Absolut arm ist, wer weniger als 1,90 $ am Tag zur Verfügung hat. Diesen zurzeit noch ca. 700 Millionen Menschen fehlt das finanzielle Minimum zum Überleben. Neben der Unterschreitung des Existenzminimums ist die Unterschreitung des normalen Lebensstandards relevant. Als „arm“ gilt der, dessen Einkommen weniger als 50% des Durchschnittseinkommens beträgt. Arme gibt es dann auch in Wohlstandsgesellschaften.
2. Regina Polak
Die Armut gehört mit dem Gehorsam und der Keuschheit zu den drei „evangelischen Räten“. Sie ist eine Empfehlung Jesu, wie man ihm nachfolgen und „vollkommen“ sein kann (Mt 19,21). Dieser Rat idealisiert keinesfalls Mangel, Not und Elend, sondern empfiehlt Besitzlosigkeit und fordert dazu auf, das eigene Leben den Armen zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist dieser Rat auch nur für jene verpflichtend, die sich freiwillig für ein in besonderer Weise Gott geweihtes Leben entscheiden, z.B. Ordensmitglieder. Alle anderen Christ*innen können, müssen aber nicht so radikal leben.
Ein Leben in Armut zu führen bedeutet, einen einfachen, bescheidenen Lebensstil zu pflegen. So werden Menschen nicht von irdischen Wirklichkeiten abhängig, z.B. von Sicherheit, Besitz, Wohlstand und Macht. Freiheit und Unabhängigkeit werden dadurch geschützt. Armut kann aber auch mit Verletzbarkeit und Zerbrechlichkeit, Bedürftigkeit und Ohnmacht konfrontieren, kann daher auch Angst auslösen. Anders als ein reicher ist sich ein armer Mensch daher eher bewusst, dass er, sie andere Menschen und Gott braucht.
Armut meint also auch eine Tugend, eine Lebenseinstellung, die um die Angewiesenheit auf Gott weiß. Deshalb – so das biblische Zeugnis – sind die Armen Gott in besonderer Weise nahe. Auch Jesus von Nazareth preist die Armen als glücklich, denn „ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3).
3. Rainald Tippow
Armut ist eine Situation, die durch einen Mangel an gesellschaftlicher Teilhabe sowie von sozialer Ausgrenzung gekennzeichnet ist. Zugleich sind die Möglichkeiten, dieser Situation aus eigener Kraft zu entkommen, nur eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. Neben den bekannten Ausprägungen materieller Natur gibt es sie auch in ideeller Form, z.B. infolge von Einsamkeit oder dem Tod naher Bezugspersonen.
Da insbesondere in reichen Ländern arme Menschen Reichtum und Wohlstand nicht selten als Ergebnis von Leistung sehen, wird materielle Armut als beschämend und stigmatisierend empfunden, etwa als Folge von Faulheit oder Schwäche. Die EU definiert Armut als „erhebliche materielle Deprivation“ und erfasst sie statistisch. Demnach spricht man von Armut, wenn das Haushaltseinkommen unter 50% des Einkommensmedians des jeweiligen Landes liegt. Was als Armut „gilt“, steht somit in Relation zur materiellen Lage des konkreten Lebensumfelds und stellt sich global daher anders dar als in Europa. Sie ist „immer auch ein gesellschaftlich definierter Status“. Je nachdem, ob sie sich an wissenschaftlichen Konzepten, der öffentlichen Wahrnehmung oder am subjektiven Notgefühl der Betroffenen orientiert, wird Armut verschieden definiert.
Barmherzigkeit
1. Regina Polak
Barmherzigkeit beschreibt eine Form der Liebe: jenes Mitgefühl, das einen Menschen erfasst, wenn er Menschen begegnet, die – z.B. an Armut – leiden. Das hebräische, griechische und lateinische Wort dafür verweisen jeweils auf seine seelisch-leibliche Dimension: „rachamim“ (Erbarmen) bedeutet Mutterschoss, Gebärmutter; eusplanchnizomai (sich erbarmen) heißt „die Eingeweide ziehen sich zusammen“ und misericordia beschreibt das mitfühlende Herz.
Barmherzigkeit kann und muss als in diesem Sinn spirituelle Erfahrung geübt werden. Laut biblischem Zeugnis ist die Barmherzigkeit untrennbar mit der Gerechtigkeit verbunden. Sie ist nicht deren Gegenteil, sondern ihre innere Kraft. Sie ist der „Raum“, in dem Gerechtigkeit erst möglich und menschlich wird. Freilich sind nur in Gott beide einig und eins. Menschen müssen um deren Verbindung in der Praxis immer wieder ringen.
In der christlichen Tradition helfen dabei die sieben leiblichen und die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit: Hungernde speisen, Dürstenden zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde aufnehmen, Kranke und Gefangene besuchen, Tote bestatten; Unwissende lehren, Zweifelnden recht raten, Sünder zurechtweisen, Betrübte trösten, Lästige geduldig ertragen, Beleidigern verzeihen und für die Lebenden und Toten beten.
Die Barmherzigkeit hat auch eine politische Dimension: Sie beschreibt die Freiheit des Einzelnen, angesichts von Unrecht einem Menschen Gutes widerfahren zu lassen. Deshalb kann die Notwendigkeit, barmherzig zu handeln, auch auf mangelnde Gerechtigkeit verweisen. Jeder Akt der Barmherzigkeit stellt daher die Frage, wie gerecht ein System ist.
2. Johann Pock
Barmherzigkeit ist biblisch eine Eigenschaft Gottes (Ex 34,6) und Teil seiner Gerechtigkeit. Die biblischen Worte meinen vor allem den konkreten Erweis des Erbarmens.
Für Papst Franziskus ist Barmherzigkeit „der letzte und endgültige Akt, mit dem Gott uns entgegentritt“. Sie „öffnet das Herz für die Hoffnung, dass wir, trotz unserer Begrenztheit aufgrund unserer Schuld, für immer geliebt sind.“ (Misericordia Vultus 2) Barmherzigkeit steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Solidarität und Versöhnung – im Blick auf die Nächsten um uns, vornehmlich im Blick auf die Armen. Das lateinische miseri-cor-dia bedeutet: Sein Herz bei den Armen haben. Damit ist eine Optionalität des Handelns mitgegeben.
Barmherzigkeit wird so zu einem „prophetischen Einspruch“, indem sie die Kirche auf ihre primäre Sendung zu den anderen hin verpflichtet (vgl. Evangelii Gaudium 15).
Barmherzigkeit hat individuelle und institutionelle Aspekte: Indem man persönlich die Werke der Barmherzigkeit tut (die nach Mt 25 Reich-Gottes-Kriterien sind), kann ein jeder/eine jede ZeugIn für das Handeln Gottes im Leben werden. Zugleich gibt es die Kirche nur aufgrund der versöhnenden Barmherzigkeit Gottes. Indem die Kirche sakramental das Wirken Gottes präsent hält, ist barmherziges Handeln für ihre Sendung konstitutiv – und zwar in allen ihren Grunddiensten.
Barmherzigkeit hatte immer wieder den (negativen) Anstrich von Paternalismus (einem Helfen, das andere klein hält). Befreit von solchen Vorurteilen zeigt Barmherzigkeit das Göttlichste an Gott und gleichzeitig das Menschlichste am Menschen – und auch umgekehrt: das Menschlichste an Gott und das Göttlichste am Menschen.
3. George Augustin
Die Botschaft der Barmherzigkeit steht im Zentrum der biblischen Offenbarung und sie bildet die Mitte der christlichen Berufung: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lk 6,36). Diese Botschaft ist nicht nur zentral für die Heilige Schrift, sondern Barmherzigkeit ist ein Begriff, der universal über die Grenzen der Nationen, Kulturen und Religionen hinweg verstanden wird. Barmherzigkeit ist eine Sprache des Herzens und als solche ist sie universal kommunikabel.
Um die tiefere Bedeutung der Barmherzigkeit für unser Leben und Tun zu erfassen, müssen wir verschiedene Dimensionen der Barmherzigkeit unterscheiden: 1. die Barmherzigkeit Gottes als Ausdruck seiner wohlwollenden Liebe; 2. die uns geschenkte Barmherzigkeit durch die Teilhabe an der Barmherzigkeit Gottes und ihre verwandelnde Kraft in unserem Leben; 3. die Barmherzigkeit als Ausdruck der gelebten Nächstenliebe in unseren Handlungen, besonders das Erweisen von Barmherzigkeit gegenüber den Armen und Notleidenden. Die Praxis der Barmherzigkeit kann unsere Welt gerechter und schöner machen. Für das Leben und Zusammenleben der Menschen in unserer Zeit ist die Praxis der Barmherzigkeit unverzichtbar. Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass wir die Schönheit der Barmherzigkeit Gottes erkennen und seine Tiefe in unserem Leben erfahren, damit wir in allen Lebensbereichen Barmherzigkeit leben können.
In der christlichen Tradition unterscheiden wir zwischen leiblichen und geistlichen Werken der Barmherzigkeit, wobei die jeweils 7 Werke gleich wichtig sind.
Die Barmherzigkeit ist jedoch keine ‚Zauberformel‘ für alles und jedes. Wenn Barmherzigkeit nicht eine rein menschliche Vorstellung von humanitären Werken sein soll, ist es wichtig, sich der tieferen erlösenden, heilenden und motivierenden Kraft der göttlichen Barmherzigkeit bewusst zu werden.
Befreiung
1. Elisabeth Jünemann
Die christlich-sozialethische „Option für die Armen“ verbindet sich spätestens seit der Theologie der Befreiung mit dem Auftrag zu deren „Befreiung“ – im doppelten Sinn: Befreiung des Menschen von Hunger, von Existenzangst, von Ohnmacht, von Ausgrenzung; vor allem aber Befreiung von deren Ursachen.
Freiheit wird im Sinne der Katholischen Soziallehre verstanden als „soziale Freiheit“. Das Recht des Menschen auf Freiheit ist kein bloßes Abwehrrecht, sondern immer auch ein Recht auf Gestaltungsmöglichkeit. Armut verhindert soziale Freiheit: Sie behindert direkt die Verwirklichung von Lebenschancen. Und sie verweigert Strukturen, die es ermöglichen, sich frei ins gesellschaftliche Ganze zu integrieren.
Papst Franziskus erinnert in der Tradition der Soziallehre und mit der Befreiungstheologie daran, „Werkzeug Gottes für die Befreiung und die Förderung der Armen zu sein, sodass sie sich vollkommen in die Gesellschaft einfügen können.“ (EG 187)
2. Franz Helm
Befreiung ist ein Prozess, der nie aufhört und der jeden Menschen betrifft. Auf persönlicher Ebene geht es um die Überwindung von Entfremdung, Abhängigkeiten, Schuld und Unterdrückung.
Untrennbar damit verbunden ist die Herausforderung der Befreiung im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereich. Denn die persönliche Situation ist wesentlich mitbestimmt von gesellschaftlichen Verhältnissen. Insbesondere trifft das auf Menschen zu, die in Armut und Elend leben müssen. Ihre Situation hat fast immer strukturelle Ursachen. Daher sprechen Befreiungstheologie und katholische Soziallehre von „Strukturen der Sünde“, die bekämpft und überwunden werden müssen. Die Befreiung der Armen aus Elend und Unterdrückung setzt notwendigerweise den Einsatz für die Veränderung ungerechter Strukturen voraus.
Der in der Bibel geoffenbarte Gott ist ein befreiender Gott, der Lebensraum für seine Kinder schafft und erhält. Diesen Lebensraum als „MitarbeiterInnen Gottes“ zu schaffen und zu sichern, ist bleibende Aufgabe einer „Kirche für und mit den Armen“, ja aller ChristInnen.
3. Regina Polak
Die Heilige Schrift ist ein Zeugnis der Befreiungsgeschichte der Menschheit durch Gott. So erzählt der Exodus von der Befreiung der Israeliten und „eines großen Haufens anderer Leute“ (Ex 12,38) aus Ägypten – einer religiös-politischen Ordnung, die von der Unterdrückung der Armen lebte.
Mit der Auferstehung des Jesus von Nazareth wiederum wird die Menschheit von der Angst vor dem Tod befreit, die der Sünde Kraft verleiht. – Befreiung beschreibt eine zentrale Dimension der Erlösung und des Heiles, die Gott den Menschen zusagt. Befreit werden soll der Mensch von allen Mächten, die seine äußere und innere Freiheit bedrohen: von den äußeren Zwängen sozialer, politischer und ökonomischer Unterdrückung; aber auch von inneren Abhängigkeiten und Besessenheiten, von Angst, Schuld und Sünde, vom Aberglauben an vergöttlichte irdische Wirklichkeiten, denen sich Menschen allzu bereitwillig unterwerfen, wie z.B. Sicherheit, Macht, Erfolg, Konsum.
Erst die Befreiung von diesen Übeln ermöglicht wahrhaftige Liebe zu Gott und den Menschen und den Einsatz für eine gerechte Welt. Gottes Befreiungsgeschichte richtet sich zuerst an die Armen. Aber auch die Reichen müssen befreit werden. Nur so kann gemeinsam eine neue, andere und gerechte Gesellschaft aufgebaut werden, in der es keine Armen geben sollte (Dtn 15,4).
Caritas
1. Johann Pock
Mit „caritas“ wird das neutesta...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort der HerausgeberInnen
  6. Kirche der Armen? Eine Einleitung
  7. 1. Begriffsklärungen
  8. 2. Kontexte
  9. 3. Geschichte
  10. 4. Theologische Grundlagen
  11. 5. Perspektiven: Konfessionen und Religionen
  12. 6. Landschaften des Diakonischen
  13. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren