PRAXIS
Jugendsynode im Ländervergleich
Themen für die Jugendsynode aus den Antwortdokumenten der Bischofskonferenzen, der Vorsynode und des Instrumentum Laboris
Papst Franziskus macht ernst mit seinem Programm einer synodalen Kirche. Er befragte für die kommende Jugendsynode nicht nur die Bischofskonferenzen um ihre Beobachtungen zur Lebens- und Glaubenswelt junger Menschen, sondern band die Zielgruppe mittels einer weltweiten Online-Umfrage und drei internationalen in Rom veranstalteten Treffen selbst mit ein. Welche großen Linien lassen sich von den Antworten der Bischofskonferenzen aus Deutschland, Österreich und Frankreich über die Vorsynode der Jugendlichen hin zum Instrumentum Laboris ziehen und wo zeigen sich Gemeinsamkeiten und wo Differenzen? Paul Metzlaff
SYNODE: DER GEMEINSAME WEG ALS ERGEBNIS
Der gemeinsame Weg von Papst und Bischöfen mit jungen Menschen hin zur XV. Weltbischofssynode 2018 begann am 13. Januar 2017 mit der Bekanntgabe der Thematik „Die Jugend, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“, der Veröffentlichung eines Briefes des Papstes direkt an die Jugend der Welt und eines Vorbereitungsdokumentes. In ihm wird zudem angekündigt, dass junge Menschen direkt um ihre Meinung gebeten werden sollen: „Indem wir auf ihre Erwartungen hören, können wir die Welt von morgen erkennen, die auf uns zukommt, und die Wege entdecken, welche die Kirche zu beschreiten berufen ist“ (Vorbereitungsdokument, Einleitung).
Dieses frühe große Versprechen der Beteiligung und der Synodalität wurde mehrmals eingelöst. Dies geschah zuerst durch die Einladung zur Teilnahme an einem Online-Fragebogen, ein Verfahren, das erstmals bei einer Weltbischofssynode zur Anwendung kam. Er richtete sich an alle 16- bis 29-Jährigen unabhängig von der Konfessions- oder Religionszugehörigkeit. Diese Offenheit sollte sich dann auch in der Einladung junger Menschen zur Vorsynode in Rom 2018 zeigen, an der neben den 300 Delegierten aus aller Welt ungefähr 15.000 junge Menschen über die Social Media teilnahmen. Sie veröffentlichten ein Dokument der Vorsynode, das sie am 24. März Papst Franziskus überreichten.
Der komplette Prozess des gegenseitigen Hinhörens muss bereits als ein Ergebnis der Jugendsynode gewertet werden und die Vorsynode betont deutlich: „Es wäre ein Fehlschlag, wenn diesem Dialog nicht die Möglichkeit gegeben würde, fortgesetzt zu werden und zu gedeihen“ (Vorsynode, Nr.15).
Referent im Referat Glaubensbildung der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge (afj) der Deutschen Bischofskonferenz, zuständig für die Internationalen Weltjugendtage, die XV. Weltbischofssynode und die Jugendpastoral neuer geistlicher Gemeinschaften; Promovend an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar in Religionsphilosophie.
EINE ECHTE KIRCHE
Das Dokument der Vorsynode zeigt die große Heterogenität der Lebenswelten junger Menschen weltweit auf (vgl. Vorsynode, Nr. 1–5). Umso bemerkenswerter ist der Umstand, dass sich alle jungen Menschen über Kontinente hinweg nach einer „authentischen Kirche“ sehnen (vgl. Vorsynode, Nr. 11). Diese Forderung eröffnet nicht nur die Anliegen junger Menschen an die Kirche, was ihre Wichtigkeit als Interpretationsstruktur unterstreicht, sondern findet sich in sämtlichen Subdokumenten der 26 Sprach- und Social Media-Gruppen wieder.
Auch die Bischofskonferenzen erwähnen Authentizität als geforderten „Zielwert“ einer Modernisierung der Kirche (vgl. ÖBK, Nr. 5) sowie die Sehnsucht junger Menschen nach „authentischen Zeugen“ und nach „authentischer Begleitung“ (DBK, Nr. 5, 13). So wird dann auch folgerichtig dem „Wunsch nach einer ‚authentischen Kirche‘“ ein eigenes Unterkapitel im Instrumentum Laboris gewidmet. Junge Menschen verstehen unter Authentizität sowohl eine negative Abgrenzung gegenüber Missständen in der Kirche, wie dem sexuellen Missbrauch und dem von Macht und Geld, als auch eine positive Hinwendung der Verantwortungsträger zu Transparenz, Offenheit, Ehrlichkeit, Willkommenskultur, Kommunikation, Freude und einer Gemeinschaft im Austausch (vgl. Vorsynode, Nr. 11).
Eine echte und damit ausstrahlende Kirche wird also immer wieder neu nach der Übereinstimmung von verkündeter und gelebter Botschaft Jesu Christi suchen und sich dahingehend korrigieren müssen.
DIE ROLLE DER FRAU
Während die Französische Bischofskonferenz erwähnt, dass junge Menschen kritisch über „la place des femmes“ (FBK, Nr. 5) in der Kirche diskutieren und die ÖBK noch einen Schritt weiter geht und die Forderung der Weihe der Frau aufgenommen hat (vgl. ÖBK, Nr. 5), benennt die DBK die Wichtigkeit der Rolle der Frau für junge Menschen in keinem Wort. Damit wurde einer der wichtigsten Punkte der späteren Vorsynode nicht mit aufgenommen. Dort fordern junge Menschen an vier Stellen ein Neudenken der Rolle der Frau in Kirche und Gesellschaft. Einmal verweisen sie auf die großartigen Beispiele von „Frauen in Ordensgemeinschaften“ und in Führungsrollen (vgl. Vorsynode, Nr. 5), sodann auf die Notwendigkeit der Kirche, ihre Position über die Rolle der Frau eindeutiger vorzubringen (vgl. Vorsynode, Nr. 7) sowie darauf, dass es für junge Frauen eine große Herausforderung darstellt, wenn sie „ihre Berufung und ihren Platz in der Kirche suchen“ – sie erwähnen dabei auch das Vorbild Mariens (vgl. Vorsynode, Nr. 9) – und schlussendlich wünschen sie sich Frauen in Leitungspositionen, wo sie ihre „intellektuellen und beruflichen Fähigkeiten“ zur Verfügung stellen können (vgl. Vorsynode, Nr. 12). Ihre Forderungen werden im Instrumentum Laboris breit rezipiert (vgl. Nr. 48, 70, 128, 158).
Die manchmal ins Gespräch gebrachte Forderung der „Weihe der Frau“ findet sich, international betrachtet, lediglich in der deutschen Social Media Sprachgruppe und bei der ÖBK (vgl. Synthesis, Nr. 11; ÖBK, Nr. 5). Sie ist aber weder im Dokument der Vorsynode, noch in den Antwortdokumenten aus Frankreich oder Deutschland, sowie in keinem Dokument einer der anderen 25 Sprachgruppen erwähnt, wobei eine französische sogar explizit in Bezug auf die Rolle der Frau hervorhebt: „Ce n’est pas l’ordination des femmes qui est demandé“ (Synthese). Folgerichtig findet sie sich auch nicht im Instrumentum Laboris.
EINE KIRCHE, DIE HINAUSGEHT
Junge Menschen wünschen sich eine Kirche, die ihnen an Orten begegnet, denen sie selbst Bedeutung beimessen, so z. B. digitale Räume, Bars, Cafés, Kinos oder auch eine Geflüchteten-Unterkunft. Junge Menschen möchten an solchen Orten Gemeinschaft erleben, lebensverändernde (Glaubens-)Erfahrungen machen, ihre Kreativität einsetzen können und auch benachteiligte junge Menschen unterstützen. Die Kirche zieht die Aufmerksamkeit junger Menschen auf sich, wenn sie in Jesus Christus verwurzelt ist und ihn verkündet (vgl. Vorsynode, Nr. 11).
Die DBK sieht das geforderte Hinausgehen bereits in den jugendpastoralen Feldern der Freiwilligendienste, der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, der Kirchlichen Bewegungen und der schulbezogenen Jugendpastoral verwirklicht, gesteht aber ehrlich ein, „dass das Hinausgehen an Orte, an denen junge (nicht christliche) Menschen leben, in unserem Land noch zu wenig geschieht und dass der von Papst Franziskus geforderte missionarische Aufbruch nur wenig Umsetzung erfährt“ (vgl. DBK, Nr. 7). Ein ähnliches Resümee ziehen auch die Bischofskonferenzen in Österreich (vgl. ÖBK, Nr. 7) und Frankreich (vgl. FBK, Nr. 7).
Die jungen Menschen selbst bestätigen die Beschreibungen der drei Bischofskonferenzen und betonen eindringlich: „Die Kirche sollte kreative neue Wege finden, Menschen dort zu begegnen, wo sie sich wohl fühlen und sich spontan treffen“ (Vorsynode, Nr. 13). Die Frage einer missionarischen hinausgehenden Kirche ist im Rahmen der Vorbereitungen der Jugendsynode also drängend geworden, was sich daran zeigt, dass der Titel des dritten Teils des Vorbereitungsdokumentes „Pastorale Tätigkeit“ nun im Instrumentum Laboris mit „Wegen der pastoralen und missionarischen Veränderung“ überschrieben und die Wortfelder „Mission“ und „Evangelisierung“ nun 39 Mal statt zuvor sieben Mal zu verzeichnen sind. Dies scheint nicht nur der Länge des Textes, sondern einer klaren Akzentuierung geschuldet.
LEISE ERDBEBEN: (GEISTLICHE) BEGLEITUNG UND DIE PERSON JESU CHRISTI
Ausgehend von den Antworten junger Menschen lassen sich die genannten Themen von den zwei kommenden als „laute Forderungen“ von „leisen Erdbeben“ unterscheiden. Aus der Betrachtung der Social Media-Ergebnisse ergibt sich, dass die Fragen nach Entscheidung und Begleitung (Nr. 8-10: 196 Kommentare) sowie nach Jesus Christus und persönlichem Glauben (Nr. 6-7: 149 Kommentare) jeweils weniger Antworten erhielten, als die eine Frage nach der Kirche (Nr. 11: 204 Kommentare). Noch deutlicher wird diese Kluft, wenn die Fragen nach „Glaube und Berufung“ (Nr. 6-10: 345 Kommentare) mit denen nach der „Tätigkeit der Kirche“ (Nr. 11-15: 526 Kommentare) verglichen werden. Junge Menschen im deutschsprachigen Raum finden also Forderungen an die Kirche relevanter als ihren persönlichen Glauben, die Person Jesus Christus oder erfahrene (geistliche) Begleitung – die Themen der Synode(!).
Dieses quantitative Bild wird durch ein qualitatives bestätigt, das sich durch geringes Wissen der kirchlichen Position und wenig persönlicher Erfahrung mit (geistlicher) Begleitung oder der Person Jesu Christi kennzeichnet. Für einen sehr großen Teil junger Menschen ist Jesus eine Märchenfigur, eine längst tote historische Person ohne Bedeutung für das eigene Leben oder ein Menschenrechtler, der eine Motivation für das eigene soziale Handeln ist. Nur wenige bezeichnen ihn als ihren Erlöser und Freund, mit dem sie in einer persönlichen Beziehung stehen und dem sie nachfolgen (vgl. dazu auch die Ausführungen in Vorsynode, Nr. 6).
Die Frage nach authentischer Christusbegegnung neu ins Gespräch zu bringen, scheint ein entscheidender Impuls der Synode zu sein.
Junge Menschen erbitten sich, so gleichlautend die drei Bischofskonferenzen, „nachhaltige und dauerhafte Gesprächspartner, die ihre Realität ernst nehmen, ihnen Gestaltungsräume eröffnen und sie auf ihrem Lebensweg begleiten“ (DBK, Nr. 5; vgl. ÖBK, Nr. 5 und FBK, Nr. 5). Damit treffen sie die Wünsche junger Menschen auf der Vorsynode (vgl. Vorsynode, Nr. 10) und es ist festzustellen, dass Jugendliche wenig eigene Erfahrung in (geistlicher) Begleitung und Berufungsunterscheidung aufweisen. „Dabei sind die in Stille verbrachte Zeit, Selbstreflexion und Gebet sowie Lesen der Heiligen Schrift und Vertiefung der Selbsterkenntnis Möglichkeiten, die nur sehr wenige junge Menschen nutzen“ (Vorsynode, Nr. 9). Die große Kritik an zu wenig und manchmal nicht gut ausgebildetem Personal wird auch von den Bischofskonferenzen deutlich gesehen (vgl. ÖBK, Nr. 8; Genn).
Beide Themen sind „leise Erdbeben“, da sie als Untergrundschwingungen die lauten Forderungen tragen. Zeigt sich z. B. bei der Frage nach der Rolle der Frau eine Kluft zwischen Kirche und jungen Menschen, dann weisen die Nicht-Relevanz von Jesus Christus und geistlicher Begleitung auf einen tieferliegenden Spalt in der Gottesfrage hin. Wenn Kirche junge Menschen aber nicht mehr relevant und authentisch in der Nachfolge Jesu Christi begleitet, verfehlt sie ihren Auftrag. Die Frage nach authentischer Christusbegegnung neu ins Gespräch zu bringen, scheint von daher schon jetzt ein entscheidender Impuls der Synode zu sein.
Christusbeziehung und Begleitung bündelt dann auch das Apostolische Schreiben Gaudete et exultate im Begriff der „Heiligkeit“ und hebt sie in den Fokus der Synode. Die Verwurzelung in Jesus Christus und die eigene Berufung in Kirche und Welt zu leben, lassen sich für Papst Franziskus nicht trennen. Er appelliert geradezu an die jungen Menschen: „Für einen Christen ist es unmöglich, an seine eigene Sendung auf Erden zu denken, ohne sie als einen Weg der Heiligkeit zu begreifen“ (GE, Nr. 19). Dieses große Synodeninterpretament aufgreifend, schließt denn auch das Instrumentum Laboris mit Bemerkungen über die Heiligkeit, „dass die Synode in ihr ‚das schönste Gesicht der Kirche‘ (GE 9) erkennen und sie allen Jugendlichen heute ans Herz legen möge“ (Baldisseri).
BEST PRACTICE: ORIENTIERUNGSJAHR BZW. JÜNGERSCHAFTSSCHULE
Die Bischofskonferenzen wurden am Ende des Fragebogens gebeten, drei Beispiele gelingender Jugend- und Berufungspastoral anzuführen. Dabei erwähnen alle drei Initiativen für Neuevangelisierung u...