Weischedels Minimaltheologie im Spiegel der Sprachkunst
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Weischedels Minimaltheologie im Spiegel der Sprachkunst

Bausteine zu einer zeitgemäßen Gotteslehre

  1. 194 Seiten
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Weischedels Minimaltheologie im Spiegel der Sprachkunst

Bausteine zu einer zeitgemäßen Gotteslehre

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Über dieses Buch

Bausteine zu einer zeitgemäßen Gotteslehre - diese legt Dieter Radaj vor, ausgehend von der streng rationalen philosophischen Theologie Wilhelm Weischedels. Dieser "Minimaltheologie" wird die Lebensphilosophie dreier bekannter Sprachkunstwerke gegenübergestellt. Der Willensentscheid, die Lebenswirklichkeit ganzheitlich zu erfassen, führt zur christlichen Offenbarungstheologie, die sich als verträglich mit den neueren Erkenntnissen der Natur- und Geisteswissenschaften erweist. Die Frage nach der Verantwortlichkeit des Menschen auf dieser Erde im Verhältnis zum ewigen Gottesreich wird aus Sicht der christlichen, islamischen und jüdischen Theologie erörtert.

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Information

Verlag
Echter
Jahr
2016
ISBN
9783429063030
IV. Bausteine zu einer zeitgemäßen christlichen Theologie
Die Frage nach Gott wird nunmehr unter Einbeziehung der christlichen Offenbarungstheologie behandelt. Ausgehend vom Willensentscheid, die Lebenswirklichkeit ganzheitlich zu erfassen, wird nach der Gewissheit des Wissens, nach der Richtigkeit des Handelns und nach dem Inhalt christlichen Glaubens gefragt. Der Konflikt zwischen Glaube und Wissen entzündet sich heute an der Weltsicht des Evolutionismus. Dessen faktische Basis, die Evolution von Natur und Kultur, wird dargestellt, ebenso die Evolution der christlichen Religion. Das Verhältnis von Theologie und Wissenschaft wird zunächst in allgemeiner Form bestimmt, um anschließend die Elemente einer wissenschaftsverträglichen Theologie vorzustellen. Die Frage nach der Verantwortlichkeit des Menschen auf dieser Erde im Verhältnis zum ewigen Gottesreich wird aus Sicht der christlichen, islamischen und jüdischen Theologie erörtert. Abschließend wird auf alte und neue apokalyptische Visionen eingegangen.
1. Willensentscheid zu ganzheitlicher Erfassung der Lebenswirklichkeit
Die äußere Lebenswelt tritt dem Menschen mit einer unermesslichen Fülle von sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen entgegen, die in ständigem Entstehen und Vergehen begriffen sind. Die innere Seelen- und Geisteswelt des Menschen andererseits strebt nach ganzheitlichem Erfassen der äußeren Welt, nach dem Beständigen in der Flucht der Erscheinungen. Es stehen sich gegenüber: Realwelt und Idealwelt, Welt der Phänomene und Welt der Ideen, Welt des Werdens und Welt des Seins.
Den gegensätzlich erscheinenden Welten gemeinsam ist der Trend zur Höherentwicklung, das Streben vom Niederen zum Höheren, vom Elementaren zum Komplexen. Die höchste reale und ideale Wirklichkeit wird in Gott gesehen.
Mit der Frage nach der Wirklichkeit ist die Frage nach dem Sinn des Lebens verbunden. Hier ist der Trend umgekehrt. Der höhere Sinn bestimmt den niederen Sinn.
Eine zeitgemäße lebensbejahende christliche Theologie ergibt sich nicht aus abstrakten philosophischen Überlegungen oder konkreten naturwissenschaftlichen Untersuchungen und auch nicht aus mystischer Versenkung, sondern auf Basis eines Willensentscheids zu ganzheitlicher Erfassung der Lebenswirklichkeit.
Weischedels Grundentschluss zum Philosophieren, aufgefasst als radikales Fragen, begrenzt die Lebenswirklichkeit auf den durch philosophisches Fragen rational ergründbaren Teil. Das Ergebnis ist die philosophische Theologie des Vonwoher der Fraglichkeit von Sein und Sinn. Diese wird als Ruf in die Freiheit und Verantwortlichkeit des Menschen verstanden. Als angemessene Haltung dazu werden Offenheit im Gespräch und Loslassen aller Gewissheit genannt. Die in dieser Handlungsempfehlung sich ausdrückende Demut ist bereits ein sich bescheidender Willensentscheid.
Den die ganze Lebenswirklichkeit umfassenden Willensentscheid hat Albert Schweitzer mit dem Grundsatz »Ehrfurcht vor dem Leben« nicht nur ausgedrückt, sondern auch vorgelebt. Es ist dies eine Lebensbejahung, die das Leidvolle im Lebensvollzug nicht ausblendet. Sie ist zu unterscheiden von der heutigen säkularen Lebensbejahung und ebenso vom rücksichtslosen Lebensdrang des Teufelsbündlers Faust. Schweitzer sieht die Welt voll des Leids und im geistigen Niedergang begriffen. Durch das dem (ethischen) Skeptizismus und Relativismus entgegengerichtete Denken und Handeln will er lebendige Wahrheit entstehen lassen.
Die »Ehrfurcht vor dem Leben« umfasst einerseits den pflegerischen Umgang des Menschen mit der von Gott geschaffenen Natur und andererseits den achtsamen Umgang der Menschen miteinander im Lebensvollzug. Unverträglich mit dieser Haltung ist der in rücksichtsloser Ausbeutung der Natur sich ausdrückende Herrschaftsanspruch des modernen Menschen ebenso wie die über die Massenmedien betriebene Selbstentfremdung und Entmündigung des Menschen.
Willensentscheide setzen eine entsprechende Willensfreiheit des Menschen voraus. Diese ist nach christlicher Überzeugung dem Menschen gegeben. So verkündet der Apostel Paulus: »Zur Freiheit [vom jüdischen Gesetz] hat uns Christus befreit« (Gal 5,1) oder »Alles ist erlaubt, aber nicht alles nützt. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf« (1 Kor 10,23). Die Erlösungstat Jesu Christi unterbricht die kausale Gebundenheit des Menschen an die Erbsünde. Sie vermittelt Freiheit vor den natürlichen und weltlichen Mächten. Der Mensch kann das Angebot annehmen oder zurückweisen. Er bleibt auch darin frei.
In der Philosophie der Neuzeit hat Immanuel Kant die moralische Freiheit im Handeln gegenüber der gesetzlich-kausalen Gebundenheit des »empirischen Charakters« des Menschen hervorgehoben. In der Zeit nach Kant musste die ausschließlich gesetzlich-kausale Gebundenheit der Vorgänge selbst in der Physik aufgegeben werden. In der atomaren ebenso wie in der kosmischen Welt ist auch der Indeterminismus anzutreffen. Und im weiten Bereich dazwischen haben die Naturgesetze vielfach die Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen erhalten. Es besteht daher kein Anlass, die Willensfreiheit des Menschen aus naturwissenschaftlicher Sicht, etwa aus Sicht der Hirnforschung, infrage zu stellen.
Wir kehren zurück zum Willensentscheid, die Lebenswirklichkeit des Menschen ganzheitlich in einem philosophischtheologischen Entwurf zu erfassen. Der ganzheitliche Ansatz umfasst die drei Vermögen des Menschen, das Wissen, das
Handeln und den Glauben. Immanuel Kant hat in einem Brief gegen Ende seines Lebens ausgedrückt, dass drei Fragen sein philosophisches Werk bestimmt haben: Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich zunächst an diesen drei Fragen.
2. Was können wir wissen?
Die Frage »Was können wir wissen?« betrifft das menschliche Erkenntnisvermögen. Wie gewinnen wir Wissen und welche Gewissheit kommt ihm zu?
Wissen ist nach Kant ein subjektiv und objektiv zureichendes Fürwahrhalten (K. d. r. V., B 850). Es wird aus Erkenntnis gewonnen. Kant unterscheidet die Wahrnehmung der Sinnesreize, die Begriffsbildung im Verstand und die Einordnung gemäß der Vernunft. Diese drei Erkenntnisweisen müssen zusammenwirken: »Alle unsere Erkenntnis hebt von den Sinnen an, geht von da zum Verstande und endet bei der Vernunft, über welche nichts Höheres in uns angetroffen wird, den Stoff der Anschauung zu bearbeiten und unter die höchste Einheit des Denkens zu bringen«. Die von Sinneserfahrung absehende dialektische Methode der Begriffsklärung erzeugt nach Kant keine neue Erkenntnis (»Dialektik des Scheins«). Das Wissen ist vom Meinen zu unterscheiden, dem »sowohl subjektiv als objektiv unzureichenden Fürwahrhalten«.
Der Aufklärer Kant betont also das Denken, ohne das Einfühlen zur Seite zu stellen. Dem hat schon lange vor Kant Blaise Pascal (1623–1662) in Reaktion auf den Rationalismus von Descartes widersprochen. Die Vernunft als »Logik des Verstandes« bedarf der Ergänzung durch die »Logik des Herzens«: »Wir erkennen die Wahrheit nicht nur mit der Vernunft (fr. raison), sondern auch mit dem Herzen (fr. cœur)«. Schon Augustinus (354–430) hatte die Erkenntnis mit dem Herzen hervorgehoben: »Wir erkennen so viel, wie wir lieben«.
Liebe und Erkenntnis hat in neuerer Zeit Max Scheler (1874–1928) über das Seiende ontologisch verbunden: Wissen ist Teilhaben eines Seienden am Sosein eines anderen. Dies bedarf der Hingabe des Erkennenden. Scheler unterscheidet soziologisch plausibel drei Arten des Wissens: Das Bildungswissen dient der Entfaltung der Person, das Erlösungswissen zielt auf den göttlichen Urgrund der Welt, das Herrschafts- oder Leistungswissen ermöglicht die Umbildung der Welt zu menschlichen Zielen und Zwecken (Die Wissensformen und die Gesellschaft, 1926). Ohne Schelers Spezifizierung der drei Wissensarten im Einzelnen weiterzuverfolgen, wird nachfolgend eine eigene Interpretation des Verfassers vorgelegt.
Unter Bildungswissen kann das die Persönlichkeit formende Allgemeinwissen der Natur- und Geisteswissenschaften unter Einschluss der künstlerischen Bereiche verstanden werden. Dessen Durchdringung befähigt zu selbständigen Urteilen. Die Methoden des Verstehens und Auslegens (Hermeneutik) sind wichtiger als vermeintliche Gewissheit der Aussagen. Mit den Wissenskomponenten kann spielerisch und schöpferisch umgegangen werden.
Das Erlösungswissen zielt auf die letzten Gründe des Seins, auf Wesen und Sinn der menschlichen Existenz, auf religiöse Wahrheit und Werteerkenntnis. Dieses Wissen übersteigt den Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren, es ist der Metaphysik und Theologie zuzuordnen. Die Gewissheit der religiösen Aussagen ist von großer Bedeutung, deshalb die zentrale Stellung der Frage nach der Wahrheit. Die Zeugnisse von Offenbarung sollten jedenfalls in Einklang gebracht werden mit dem nach der Vernunft objektiv Einsehbaren und dem in mystischer Versenkung subjektiv Erfahrbaren. Dennoch muss es wohl bei dem Wort des Apostels Paulus bleiben: »Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleich wie ich erkannt bin« (1 Kor 13,12).
Das Herrschafts- oder Leistungswissen der Neuzeit ist naturwissenschaftlich-technisch bestimmt, ergänzt durch ökonomische Komponenten. Die Gewissheit dieses Wissens erweist sich nicht an Wahrheitskriterien, sondern einzig und allein am technischen und wirtschaftlichen Erfolg. Naturgesetze müssen nicht wahr sein, aber sie müssen zuverlässige Prognosen und Anwendungen erlauben. Nicht Wahrheitssuche ist die Triebkraft der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung, sondern der Wille zur Natur- und Menschenbeherrschung.
Das Wissen wurde einleitend als ein subjektiv und objektiv zureichendes Fürwahrhalten bestimmt, während das Meinen weder subjektiv noch objektiv ausreichend bewahrheitet werden kann. Mit dieser Unterscheidung von Wissen und Meinen sind mögliche Einwände nicht ausgeräumt. Nach Auffassung Platons vermitteln allein die geistig geschauten Ideen sicheres Wissen (gr. episteme), während die sinnlichen Wahrnehmungen nur unsicheres Meinen (gr. doxa) begründen. Später verneint Hume die Wirklichkeit der Ideen und billigt den allein aus Sinneswahrnehmungen abgeleiteten empirischen Erkenntnissen nur noch Glauben (engl. belief) zu. Kant hat dem überzeugend widersprochen: Die Sinne liefern den Inhalt der a priori bestehenden Anschauungsformen. Aber auch Kant bestreitet, dass es ein Wissen von transzendenten, außer- oder übernatürlichen Dingen gibt: »Ich musste das Wissen [über transzendente Dinge] aufheben, um zum Glauben [an Ideen und Werte] Platz zu bekommen« (K. d. r. V.). Gott wird von Kant auf ein Postulat der praktischen Vernunft, also der Moral, reduziert.
Die Gewissheit von Wissen wird auch durch die Unschärfe und Vieldeutigkeit der Worte eingeschränkt, die in den natürlichen Sprachen verwendet werden. Das Wort verbindet Bewusstsein und gemeinten Gegenstand. Durch das Wort wird der Gegenstand geistig verfügbar und Teil von Erkenntnis. Aber die Wortbedeutung ist abhängig vom jeweiligen Lebenszusammenhang und, besonders bei abstrakten Begriffen, vom geistigen Umfeld. Dies gilt auch für göttliche Eingebungen oder Offenbarungen, soweit sie in Worte gefasst sind.
Die auf Sprachkritik sich beschränkende, überwiegend englische »analytische Philosophie« stellt den logischen Gehalt natürlicher Sprachen in Frage oder erklärt ihn für tautologisch. Bekannt sind die diesbezüglichen Aussagen von Ludwig Wittgenstein (1889–1951):13 »Alles was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles was sich aussprechen lässt, lässt sich klar aussprechen.« (Tract 4.116), »Die Gesamtheit der wahren Sätze ist die gesamte Naturwissenschaft (oder die Gesamtheit der Naturwissenschaften).« (Tract 4.11), »Die Philosophie ist keine der Naturwissenschaften.« (Tract 4.111), »Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische.« (Tract 6.522) und »Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.« (Tract 7). Aber Wittgenstein gibt schließlich auch diese radikale Sprachkritik auf und wendet sich der Vieldeutigkeit der Worte in der Alltagssprache zu. Die Bedeutung der Worte hängt vom Lebenszusammenhang ab, in dem sie verwendet werden (unterschiedliche »Sprachspiele«).14 Philosophie ist dann auf Linguistik reduziert.
Auf das naturwissenschaftliche Wissen, soweit es in der symbolischen Sprache der Mathematik ausgedrückt wird, treffen die Unzulänglichkeiten der natürlichen Sprachen nicht zu, wie Wittgenstein zutreffend hervorgehoben hat. Dies führte zusammen mit der zentralen Bedeutung von Beobachtung und Experiment zu dem überragenden Erklärungs- und Anwendungserfolg der Naturwissenschaften und begründete das unzulässig verallgemeinerte mechanistische Weltbild. Die moderne Physik gibt sich bescheidener. Sie erhebt nicht den Anspruch, über hochauflösende Instrumente, mathematische Modelle und vergleichende Experimente die gesamte Wirklichkeit erfasst zu haben. Selbst in ihrem ureigensten Zuständigkeitsbereich werden nur solche Ereignisse zuverlässig erfasst, die sich wiederholen oder die reproduziert werden können. Wahrscheinlichkeitsaussagen sind die Regel. Es besteht daher kein Anlass, das naturwissenschaftliche Weltbild als allgemeingültig anzusehen.
Das Wissen kann nicht vom Handeln (siehe Kap. IV.3) gänzlich getrennt werden. Der Mensch gewinnt empirisches Wissen durch Handeln immer dann, wenn er auf die Umwelt aktiv reagiert, besonders aber beim neugierigen Erforschen derselben. Zum Wissenserwerb durchgeführte Experimente sind Handlungen. Das über Handlungen gewonnene Wissen ist daher nicht ethisch neutral. Die neuzeitliche Naturwissenschaft ist nur teilweise der Wahrheitssuche zuzuordnen. Von Anfang an spielte auch das Machtstreben eine wesentliche Rolle, das sich in den Anwendungsaspekten kundtut: Ausbeutung der Natur, Herrschaft über Menschen, Steuerung der Befruchtung und kriegerisches Töten.
Das Wissen kann auch vom Glauben (siehe Kap. IV. 4) nicht gänzlich getrennt werden. Selbst naturwissenschaftliches Wissen setzt Vertrauen in die Paradigmen und Methoden voraus, nach denen das Wissen gewonnen wird.15 Der Inhalt des Glaubens kann sich nur in bestimmten Bereichen als zutreffend erweisen. So glaubte Albert Einstein, dass alle physikalischen Vorgänge determiniert sind (»Gott würfelt nicht«), was in der Quantenmechanik nicht zutrifft. So glauben Naturwissenschaftler an die Widerspruchsfreiheit der Mathematik, aber Kurt Gödel hat nachgewiesen, dass die Mathematik kein vollständiges und widerspruchsfreies axiomatisches System bereitstellen kann. Dennoch wären ganze Wissensgebiete unentwickelt geblieben, hätte es nicht den Glauben an die jeweiligen Paradigmen gegeben. Diese werden ja auch nicht widerlegt, sondern nur in ihrem Gültigkeitsbereich eingeschränkt.
3. Was sollen wir tun?
Die Frage »Was sollen wir tun?« zielt darauf, das menschliche Wollen und Handeln einer Ordnungsstruktur zu unterwerfen. Wie soll das eigene Leben geführt werden? Wie soll sich der Einzelne zu seinem Mitmenschen und zur Gemeinschaft verhalten? Wie soll er mit der Natur und der Technik umgehen? Philosophisch betrachtet gehört die Beantwortung der gestellten Fragen in das Gebiet der Ethik bzw. Moral.
Mit Ethik hat sich in der antiken Philosophie erstmals Sokrates (469–399 v. Chr.) befasst. Er bestimmt das sittlich Gute als di...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. I. Aufstieg und Verfall der philosophischen Theologie
  7. II. Weischedels Grundlegung einer zeitgemäßen philosophischen Theologie
  8. III. Existentielle Einbindung der philosophischen Theologie
  9. IV. Bausteine zu einer zeitgemäßen christlichen Theologie
  10. Literaturverzeichnis
  11. Personenregister
  12. Sachregister