Nachhaltig wirtschaften - gerecht teilen
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Nachhaltig wirtschaften - gerecht teilen

  1. 112 Seiten
  2. German
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Nachhaltig wirtschaften - gerecht teilen

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

"Diese Wirtschaft tötet" - mit seiner provokanten Feststellung bringt es Papst Franziskus auf den Punkt. Da mittlerweile alle Bereiche unseres Lebens ökonomischen Interessen unterliegen, ist es angebracht, sich mit diesem System kritisch auseinanderzusetzen.Stefan Federbusch tut dies aus franziskanischer Perspektive. Er zeigt auf, dass die kapitalistischen Leitmotive in krassem Widerspruch zur biblischen Botschaft stehen. Und er zeigt, dass und wie ein an dieser Botschaft orientierter Bewussteinswandel Grundlagen dafür schafft, um zu einer postkapitalistischen solidarischen Wirtschaft zu gelangen.Die dazu benannten Bausteine, wie z.B. ethische Geldanlagen, ein ökologisches Steuersystem, das Teilen von Ressourcen, sind erste Schritte im Sinne eines Experimentierens und Ausprobierens. Erste Schritte, um aus einem System des Todes auszusteigen und ein alternatives System des Lebens zu gestalten.

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Information

Verlag
Echter
Jahr
2015
ISBN
9783429062088

1. Ein gutes Leben

Aufgabe der Wirtschaft

Jeder Mensch sehnt sich nach einem „guten Leben“, das seine persönlichen Bedürfnisse befriedigt. Dazu zählen nach Abraham Maslow (1908–1970) physiologische Bedürfnisse wie Nahrung und Kleidung, das Bedürfnis nach Sicherheit in Form von Wohnung und Arbeitsplatz, soziale Bedürfnisse mit den Beziehungsfeldern Freundeskreis, Partnerschaft und Familie, das Wertschätzungsbedürfnis mit den Aspekten Anerkennung, Status, Prestige, Macht sowie das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, zu dem Individualität, Selbstentfaltung, Freiheit und spirituelles Leben gehören. Aufgabe der Wirtschaft ist es, die materielle Grundlage des menschlichen Lebens zu sichern, so dass auch andere Bedürfnisse wie das nach Selbstverwirklichung gelebt werden können. Aufgabe der Menschen ist es, das Wirtschaftssystem so zu gestalten, dass es ihren Bedürfnissen entspricht. Derzeit ist es eher umgekehrt, dass das Wirtschaftssystem die Menschen und ihre Lebensweisen bestimmt.

Leben auf Kosten anderer

Unsere Wirtschaftsform ist eingebunden in das kapitalistische System. Kennzeichen dieses Systems ist, dass die Beteiligten in höchst unterschiedlicher Weise Zugang zu den Produktions- und Finanzmitteln haben. Das kapitalistische System ist geprägt vom „immer mehr“, vom „immer größer“, „immer höher“, „immer weiter“. Es ist Ausdruck des menschlichen Strebens nach Besitz und Reichtum und des damit vermeintlich verbundenen Lebensgenusses. Die kapitalistischen „Verheißungen“ haben sich in die Herzen und Köpfe von Milliarden von Menschen eingeprägt. Die eingeschliffenen Gefühls-, Denk- und Handlungsgewohnheiten verstellen den kritischen Blick auf das derzeitige wirtschaftliche System mit seinen negativen Folgen. Bestimmte Gesetzmäßigkeiten werden quasi als „Naturgesetz“ hingenommen und nicht mehr hinterfragt. Dazu zählt die Tatsache, dass unser Lebensstandard das Ergebnis zerstörerischer Ausbeutung natürlicher und menschlicher Ressourcen ist. Unser Wohlstand basiert in Teilen auf eigener Tüchtigkeit, im Wesentlichen aber auf der Ausbeutung von Lebensgrundlagen und Mitmenschen. Die negativen Folgewirkungen sind hinreichend bekannt, reichen aber nicht aus, um auf vernunftlogischer Ebene zu grundlegenden Veränderungen zu führen.

Zweifel am Wachstumsparadigma

Wie das Ende des real-existierenden Sozialismus gezeigt hat, kann jedes System nur dann auf Dauer bestehen, wenn es von der Mehrheit der Bevölkerung getragen wird. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung kann nur dann Bestand haben, wenn sich die Menschen in ihr wohlfühlen, sich einbringen und sie gestalten. Bisher hat es der Sozialstaat Deutschland verstanden, das Bewusstsein zu verbreiten, in einigermaßen gerechten Verhältnissen zu leben, wenngleich zwei Drittel der Deutschen die derzeitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als ungerecht empfinden. Noch ist die soziale Exklusion in Deutschland ein vergleichsweise marginales Phänomen. In der Bundesrepublik hat die Wohlstandsvermehrung der letzten Jahrzehnte dazu beigetragen, dass der Kapitalismus (in Form der Sozialen Marktwirtschaft) als alternativlos wahrgenommen wird. Dass das kapitalistische System auf Dauer die eigenen Lebensgrundlagen zerstört, wird dabei bewusst oder unbewusst ausgeblendet.
Die bisherige Gleichung Wachstum = Wohlstand = Zufriedenheit geht jedoch nicht mehr auf. Das „Immermehr-Habenwollen“ und die Fixierung auf Wachstum werden kritisch in Frage gestellt. Unzufriedenheit macht sich breit, denn der Preis für den derzeitigen Wohlstand ist hoch. Die Symptome der Selbstschädigung sind zahlreich: Ängste, Depressionen, Burn-out, vielfältige Formen von psychischen Erkrankungen und sozialen Probleme haben zugenommen. Für viele haben sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren eher verschlechtert (prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Minijobs, Leiharbeit), die Arbeitszeit hat sich nicht reduziert. Es fehlt an einer gerechten Verteilung von Arbeit und Einkommen. Sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig machen auf Dauer krank. Aus der Glücksforschung ist bekannt, dass ab einer bestimmten Stufe der Befriedigung der Bedürfnisse ein weiteres Anhäufen von Geld nicht zur Steigerung des Glücks beiträgt. Vielmehr sind es gelingende Beziehungen, sowohl im persönlichen wie im sozialen und ökologischen Bereich. Der Better-Life-Index der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) belegt: Beziehungen (Familie, Freundschaft), Bildung und Gesundheit stehen ganz oben.
Nicht zuletzt bedingt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 ist ein gewisses Umdenken zu spüren. Laut einer Umfrage im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung von 2012 wünschen sich acht von zehn Bundesbürgern „eine neue Wirtschaftsordnung“. Zwei Drittel der Befragten glauben nicht, dass der Kapitalismus für einen „sozialen Ausgleich in der Gesellschaft“, den „Schutz der Umwelt“ oder einen „sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen“ sorge. Ebenso viele bezweifeln, dass Wirtschaftswachstum die eigene Lebensqualität erhöhe.

Menschenbild und Wirtschaftssystem

Die Frage nach dem Wirtschaftssystem beinhaltet die Sichtweise auf den Menschen. Handelt es sich um ein egoistisches Wesen, das von sich aus nur auf Eigennutz aus ist, oder handelt es sich um ein gemeinschaftliches Wesen, das solidarisch handelt? Das christliche Menschenbild zeichnet ein realistisches Bild vom Menschen. Er ist weder per se gut noch per se schlecht. Er hat sowohl egoistische wie solidarische Seiten. Neuere Forschungen bestätigen immer wieder, dass wir Menschen auf Beziehung angelegte Wesen sind. Weitaus mehr als Egoismus bestimmt Kooperation, verbunden mit gegenseitiger Wertschätzung, unser Wohlergehen. Solidarische Wirtschaftsmodelle bauen auf dieser Erkenntnis auf.
Das kapitalistische Wirtschaftssystem fördert dagegen durch seinen Konkurrenzkampf rücksichtslose Verhaltensweisen und ausbeuterische Muster. Es belohnt zwar einerseits Kreativität und Innovation durch Erfolg am Markt, beispielsweise durch neue Produkte, andererseits produziert es völlig unsoziale Verhaltensweisen, wie Arbeitsplatzabbau, um Kurssteigerungen herbeizuführen. Im Blick sind nicht die Arbeitenden im eigenen Betrieb, sondern die Spekulanten der Finanzmärkte. Vorrang hat das Kapital, nicht der Mensch. Im globalen Wettbewerb zählen möglichst hohe Renditen und Gewinne, nicht aber der Schutz der Umwelt. Das kapitalistische Wirtschaftssystem birgt in sich Mechanismen, die einem ökologisch und sozial ausgerichteten Wirtschaftsleben widersprechen. Es fördert in weiten Teilen Strukturen, denen es an Gerechtigkeit im Sinne von Nachhaltigkeit fehlt. Es fördert menschliche Haltungen, die einem solidarischen Handeln zum Wohle aller entgegenstehen.

Balance von Freiheit und Gleichheit

Die kapitalistische Wirtschaftsordnung führt mit ihrer Überbetonung der Freiheit zu egoistischen Verhaltensweisen, die sowohl die soziale Gerechtigkeit als auch das ökologische Gleichgewicht gefährden. Das Gegenmodell, der real-existierende Sozialismus, schlug fehl, da er die persönliche Freiheit zugunsten einer verordneten Gleichheit komplett eliminierte. Es geht also darum, aus beiden Fehlerquellen zu lernen und eine Wirtschaftsordnung aufzubauen, in der individuelle Freiheit mit sozialer Gerechtigkeit und nachhaltiger Wirtschaft in einer guten Balance steht. Inwieweit eine solche lenkende Impulse des Staates braucht, ist auszutarieren. Die soziale Marktwirtschaft weist entsprechende Elemente auf, beruht aber letztlich auf der kapitalistischen Wirtschaftsweise, d. h. einem auf stetiges Wachstum ausgerichteten Modell, das global gesehen weder sozial gerecht noch ökologisch akzeptabel ist.

Kriterium Nachhaltigkeit

Ein alternatives Wirtschaftsmodell muss das zentrale Kriterium der Nachhaltigkeit erfüllen. Der Begriff wurde 1987 in der sogenannten Brundtland-Kommission definiert: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Nachhaltigkeit setzt sich im heutigen Verständnis aus den drei Faktoren Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit zusammen. Die drei Faktoren stehen in einem Wechselspiel und sind in ein tragfähiges Gleichgewicht zu bringen. Die Frage der Nachhaltigkeit ist eine Frage der intra- und der intergenerationalen Gerechtigkeit: Wie können sowohl die Bedürfnisse der derzeit lebenden Menschen als auch der nachfolgenden Generationen gesichert werden? Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit: Wie kann eine Wirtschaft gestaltet sein, in der die Schere zwischen Arm und Reich nicht immer weiter auseinanderklafft? Es ist eine Frage der ökologischen Gerechtigkeit: Wie kann die Balance zwischen der Bedürfnisbefriedigung einer immer größeren Weltbevölkerung und dem Schutz der Schöpfung gelingen?
Daraus ergibt sich die Frage nach einem alternativen Wirtschaftssystem. Welches Wirtschaftssystem ist am besten in der Lage, einen Lebens- und Wirtschaftsstil zu gewährleisten, der gleichermaßen ökologische Zukunftsfähigkeit wie globale soziale Gerechtigkeit ermöglicht? Die einen werden sagen, wir behalten unser altes System bei, weil sie es für das beste halten und von ihm profitieren, die anderen, wir brauchen eine Reform innerhalb des Systems, die dritten, wir brauchen ein völlig neues System.
Bisher zeichnet sich kein umfassendes Wirtschaftssystem ab, das alle Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt und an die Stelle des kapitalistischen Systems treten kann. Es entwickeln sich unterschiedliche Ansätze, die in die Richtung eines solidarischen Wirtschaftssystems gehen und in diesem Buch zumindest ansatzweise vorgestellt werden.

Auftrag der Kirchen und Orden

Der Auftrag der Kirchen und Ordensgemeinschaften liegt darin, das bestehende Wirtschaftssystem im Sinne einer prophetischen Kritik in Frage zu stellen, nach Alternativen zu suchen und diese ad experimentum vorzuleben. Ordensleben ist vom Ansatz her ein alternatives und in gewissem Sinn auch subversives Leben. Es stellt mit seinen Werten und Lebensformen die kapitalistische Wirtschaftsweise grundsätzlich in Frage. Durch ihren Freiraum können Ordenschristen prophetisch wirken und Veränderungsprozesse anmahnen. So weit die Theorie. Die Praxis sieht oft anders aus. Die Kirchen wie auch die Ordensgemeinschaften sind in das kapitalistische System und sein Geldwesen verstrickt. Zu einem nicht unwesentlichen Teil leben sie von Kapitaleinkünften, die im Widerspruch zu ihren eigenen sozial-ethischen Grundsätzen stehen. Die Frage des Geldes und des Kapitals als Schlüsselproblem der Wirtschaftsethik ist für die Kirche und ihren theologischen Diskurs von großer Bedeutung. Alle Bemühungen um Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung berühren die Notwendigkeit einer grundlegenden nationalen wie internationalen Geldordnung. Im Vaterunser beten alle Christen regelmäßig „… und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern“. Die Frage ist, ob wir als Profiteure des Systems diese Bitte lediglich spiritualisieren oder ob wir dazu auch im materiellen Sinn wirklich bereit sind. Im Sinne des Dreischritts „Sehen – Urteilen – Handeln“ geht es um eine klare Analyse und Beurteilung der Situation, aber entscheidender noch um die Befähigung zur Umkehr, die Schritte hin zu Veränderungsprozessen in Richtung einer solidarischen Ökonomie ermöglicht. „Wenn das Einschwenken auf einen sozialökologischen, demokratischen Postwachstumspfad gelingen soll, dann darf das ‚gute‘, ökologische und solidarische Leben nicht als Privatangelegenheit begriffen werden, sondern als gesellschaftspolitische Aufgabe und politischer Prozess“ (Sabine Leidig). Für diese gesellschaftspolitische Aufgabe und diesen politischen Prozess stellen die folgenden Überlegungen franziskanische Bausteine bereit.

2. Geld regiert die Welt

Geld und seine Wirkung

Jeder hat es. Jeder nutzt es. Eines der alltäglichsten Dinge, mit denen jeder Mensch zu tun hat, ist das Geld. Sei es in Form von Münzen oder Scheinen, sei es in Form eines Plastikkärtchens für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Kaum etwas löst in uns Menschen so widersprüchliche Gefühle aus wie das Geld. Als alltägliches Zahlungsmittel wird es zunächst neutral bewertet. Als Mittel des Wohlstandes und des Konsumierens wird es wohlwollend wahrgenommen. Als Symbol für die Schwäche des Menschen und für unser kapitalistisches Wirtschaftssystem kann es jedoch auch kritisch betrachtet werden. Denn „Geld regiert die Welt“ ist eine Binsenweisheit: Wer über Geld verfügt, verfügt zugleich über Macht und Einfluss. Wer genug verdient, kann sich etwas leisten und ist unabhängiger und selbstbestimmter als jemand, der sich ständig um seinen Lebensunterhalt sorgen muss.

Funktionen des Geldes

Die Verwendungsarten des Geldes sind das Schenken, das Leihen (mit oder ohne Zins) und das Kaufen. Geld ist zum einen Tauschmittel und Wertmesser, zum anderen „Schatzmittel“. Darin liegt die Problematik, dass Geld diese unterschiedlichen Aufgaben hat, die nicht gleichzeitig zu erfüllen sind. Die Funktion als rotierendes Tauschmittel kann Geld nur erfüllen, wenn es fließt, die Funktion als Wertaufbewahrungsmittel nur, wenn es ruht. Dient Geld als Schatzmittel, wird es gehortet. Um einen Anreiz zu bieten, es wieder in Umlauf zu bringen und damit den anderen originären Funktionen zuzuführen, bedarf es der Inflation – das Geld verliert an Wert – und des Zinses – das geliehene Geld vermehrt sich durch einen festgelegten Zinssatz. Inflation untergräbt jedoch die Wertmesserfunktion und Zins führt zu einer Umverteilung von Arm zu Reich.

Geld als Beziehungsgestalter

In traditionellen Gesellschaften war der Tausch in feste Rituale eingebunden. Er hatte eine soziale Funktion. Gabe und entsprechende Gegengabe verhinderten – idealtypisch dargestellt – aus sich heraus jede Akkumulation (Anhäufung). Geld als versachlichendes Ding und vertagende Zwischeninstanz beim Tausch zerstört dieses Gleichgewicht einer symmetrischen Beziehung. Beim Kauf interessiert in der Regel das persönliche Schicksal von Käufer und Verkäufer wenig bis gar nicht. Bei diesem anonymen Austauschmechanismus entstehen keine personalen Verpflichtungen. Zwar kommunizieren beide Partner über das Geld miteinander, doch führt die Ent-Personalisierung dieses Vorgangs auch zu einer Ent-Moralisierung und somit Entkoppelung von Ökonomie und Moral. Durch die Auflösung personaler Abhängigkeit bedeutet dies einerseits einen individuellen Freiheitsgewinn mit der Vermehrung von Teilhabechancen, Wahlmöglichkeiten und persönlicher Autonomie, andererseits eine neue, eher abstrakte Abhängigkeit des Einzelnen vom Funktionieren gesellschaftlicher Zusammenhänge. Der Geldgebrauch führt zu „berechnendem“ Verhalten, um eigene Interessen möglichst vorteilhaft durchzusetzen. Geldbesitz führt somit zu einer asymmetrischen Beziehung.

Jokervorteil Geld

Da Geld als Zahlungsmittel allgemein anerkannt ist, hat der Geldbesitzer einen „Jokervorteil“ (Dieter Suhr). Er kann es zurückhalten und in diesem Sinne Zeit zu Geld machen, indem er anderen seine Konditionen vorschreibt, beispielsweise es gegen Zinsen in den Markt einzubringen. Geld verweist über die realen Güter und über sich hinaus. Geld verleiht „Vermögen“: Geld verschafft über äußere Güter Prestige („Geldadel“) und Geld hat die Macht auszuschließen. Geldlosigkeit erzeugt dagegen Angst und Unsicherheit. „Geldgier“ ist somit nicht nur ein subjektives, moralisch fragwürdiges Phänomen einzelner Individuen, sondern im Marktgeschehen selbst begründet. Geld anzuhäufen verringert die Gefahr, vom Markt ausgeschlossen zu werden. Anders als in einer gemeinschaftlichen (Selbst-...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1. Ein gutes Leben
  7. 2. Geld regiert die Welt
  8. 3. Franziskanische Kapitalismuskritik
  9. 4. Solidarische Ökonomie
  10. Anmerkungen
  11. Zum Weiterlesen
  12. Abkürzungsverzeichnis