Auferstehung Jesu Christi als messianische Zeugung
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Auferstehung Jesu Christi als messianische Zeugung

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Auferstehung Jesu Christi als messianische Zeugung

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"Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt." Das Heute des Psalmverses 2, 7 hat der Apostel Paulus nicht auf die ewige Zeugung des Sohnes aus dem Vater vor aller Zeit, auch nicht auf die Zeugung des messianischen Kindes in der Zeit, sondern auf die Auferstehung Jesu Christi bezogen (vgl. Apg 13, 32 f.).Im Lichte der Auferstehung Jesu deutet Kurt Anglet die "Offenbarung Jesu Christi" (Offb 1, 1), dessen messianische Herrschaft in der Zeit der Vollendung. Dabei geht er auf ihren Widerpart ein, wie ihn der Philosoph Walter in seinem Fragment "Kapitalismus als Religion" als "Kult ohne Dogma" beschrieb - auf den Kultus des Todes, dessen Protagonist Nietzsches Übermensch verkörpert. Seine Vollendung hat er jedoch in der Philosophie Heideggers erfahren, so in der "Eschatologie des Seyns" im vierten Band der "Schwarzen Hefte (1942-1948)", deren antichristlichen Grundzug Anglet abschließend darlegt.

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Information

Verlag
Echter
Jahr
2015
ISBN
9783429062408

Die dreifache Zeugung des Logos und Messias und der Kultus des Todes

»Mein Sohn bist du, heute habe Ich dich gezeugt« (Ps 2,7) – das Heute der Zeugung des Gesalbten ist seit Augustinus im Hinblick auf Christus als »immer«, als eine fortdauernde Gegenwart verstanden worden. Das Heute besitzt jedoch einen Zeitkern, ganz im Sinne der Weihnachtsbotschaft des Engels: »Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr« (Lk 2,11). Im Lichte seiner Geburt in der Zeit haben wir in früheren Abhandlungen die Zeugung Jesu aus Gottes Heiligem Geist gedeutet, wie schon Papst Leo der Große († 461) in der Geburt Jesu unsere Zeugung als neue Menschen erblickt hat, also den Ursprung unserer Wiedergeburt: »Wenn auch jeder einzelne der Berufenen seinen eigenen Platz in der Heilsordnung hat und alle Kinder der Kirche durch ihre Stelle im Ablauf der Zeiten unterschieden sind, so ist doch die Gesamtheit der Gläubigen, die aus der Taufe hervorgegangen ist, so wie sie mit Christus im Leiden gekreuzigt, in der Auferstehung erweckt und in der Himmelfahrt zur Rechten des Vaters erhöht wurde, auch zusammen mit Christus in dieser Geburt gezeugt worden« (Sermo de natale Domini 1,1: CSEL 138, 126). Doch nicht allein im Hinblick auf die leibliche Geburt Jesu Christi ist im Neuen Testament von Zeugung die Rede; im Hebräerbrief heißt es unter Verweis auf Ps 2,7 sowie Ps 110,4 zu seiner Inthronisation als Hoherpriester, der von Gott berufen werde und sich nicht selbst diese Würde verleihe: »So hat auch Christus sich nicht selbst die Würde eines Hohenpriesters verliehen, sondern Der, der zu ihm gesprochen hat: Mein Sohn bist du, / heute habe Ich dich gezeugt, wie Er auch an anderer Stelle sagt: Du bist Priester auf ewig / nach der Ordnung Melchisedeks« (Hebr 5,5 f.). Schon in der Einleitung zum Hebräerbrief wird Ps 2,7 mit Blick auf die Hoheit des Sohnes über die Engel ausgelegt, wobei sich diese Prädikation nach Hebr 8,1–6 auf seine himmlische Erhöhung als Hoherpriester als Mittler eines neuen Bundes bezieht: »Denn zu welchem Engel hat Er jemals gesagt: Mein Sohn bist du, / heute habe Ich dich gezeugt, und weiter: Ich will für ihn Vater sein, / und er wird für mich Sohn sein [2 Sam 7,14]?« (Hebr 1,5).
Gleichwohl greift eine Interpretation der Zeugung Christi, die sich auf die Geburt Jesu oder auf seine Inthronisation als Hoherpriester beschränkt, zu kurz. Wie es nach einer Predigt zum Advent von Petrus von Blois († um 1204), Priester und Archidiakon von London, ein dreifaches Kommen des Messias gibt: »ein erstes im Fleisch, ein zweites in der Seele, ein drittes zum Gericht« (vgl. Sermo in adventu Domini 3: PL 207, 569) – so gibt es auch eine dreifache Zeugung Christi: eine vor aller Zeit aus Gott dem Vater, eine in der Fülle der Zeit durch den Heiligen Geist vor seiner Geburt aus der Jungfrau Maria, die durch seine Einsetzung als Hoherpriester besiegelt wird, und eine durch seine Auferweckung von den Toten, die seine messianische Herrschaft in der Zeit der Vollendung bzw. in der Vollendung der Zeit begründet. Von ihr spricht der Apostel Paulus, der während seiner ersten Missionsreise in der Synagoge von Antiochia an die dort versammelten Juden und Gottesfürchtigen folgende Worte richtet: »So verkünden wir euch das Evangelium: Gott hat die Verheißung, die an die Väter ergangen ist, an uns, ihren Kindern, erfüllt, indem Er Jesus auferweckt hat, wie es schon im zweiten Psalm heißt: Mein Sohn bist du, heute habe Ich dich gezeugt« (Apg 13,32 f.).
Die Bestimmung der Auferstehung Jesu Christi als Zeugung besagt nicht weniger, als dass von ihr an seine messianische Herrschaft über die Todesmächte dieses Äons ihren Lauf nimmt. Es handelt sich dabei nicht etwa bloß um eine persönliche Interpretation des Apostels Paulus als vielmehr um – das Evangelium. Und zwar um die frohe Botschaft, dass Christus fortan als Herr über die Geschichte waltet, mag sie noch so blutig verlaufen, ja, wie er in seiner letzten öffentlichen Rede mit Blick auf seinen Tod befindet: »Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden« (Joh 12,31). So erscheint mit seiner Auferstehung die Geschichte im Lichte der »Offenbarung Jesu Christi« (vgl. Offb 1,1), wie der Anfang der sog. Johannesoffenbarung lautet. Diese Sichtweise der Geschichte nach Christus ist für das Neue Testament sowie für die Kirche in den ersten Jahrhunderten bestimmend gewesen: Ihr Blick richtet sich auf den kommenden Christus.
Dass das Christentum jene Blickrichtung im Laufe der Zeit mehr und mehr einbüßte, dürfte eine, wenn nicht die Ursache für seinen Niedergang in der westlichen Welt darstellen. Zusehends hat man die Geschichte nicht so sehr als den Schauplatz des Kommens Christi im Zeichen der Offenbarung seiner messianischen Herrschaft gesehen denn als einen Freiraum profaner Mächte, bis diese im Zuge der neuzeitlichen Säkularisierung jegliche theologische Deutung außen vor ließen. Dabei kam ihnen entgegen, dass sich – von prophetischen Ausnahmen wie der heiligen Hildegard von Bingen im Mittelalter oder dem seligen Kardinal Newman im neunzehnten Jahrhundert einmal abgesehen – Theologie und kirchliches Leben gewissermaßen in den Binnenraum der Kirche und in die Innerlichkeit der Gläubigen zurückzogen. Für die frühen Christen hingegen ist die Geschichte Ort messianischer bzw. eschatologischer Öffentlichkeit – für das Zeugnis Jesu: »Das Zeugnis Jesu ist der Geist prophetischer Rede« (Offb 19,10b).
Wenn aber, wie in einer historistischen Bibelauslegung, die Geschichte zum Ort des Gewesenen wird, dann entzieht sich mit dem pneumatischen Fundament jenes Zeugnisses zugleich die Einsicht in die prophetische Dimension der Offenbarung, letzthin in das Kommen Christi, von dem jener Geist Zeugnis gibt – und nicht irgendein Johannes oder x-beliebiger anonymer Verfasser; zumal für die neutestamentlichen Schriften gilt, dass ihre Verfasser Zeugen sind, wie am Schluss des Johannesevangeliums der Evangelist betont: »Dieser Jünger ist es, der all das bezeugt und der es aufgeschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist« (Joh 21,24). Darunter ist keine historische Dokumentation zu verstehen, vielmehr gilt, was der Apostel Petrus anlässlich der Wahl des Matthias zum Apostel konstatiert: »Einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein« (vgl. Apg 1,22). Weniger ausschlaggebend erscheint, wie Petrus zuvor ausführt, dass er von Anbeginn, von der Taufe Jesu im Jordan an zu seinen Weggenossen gehörte; dazu zählten schließlich auch Judas sowie die zahlreichen Jünger, die Jesus nach seiner eucharistischen Brotrede den Rücken kehrten (vgl. Joh 6,60–71). Zumindest besitzt Gewicht, ein Augenzeuge seiner Verklärung gewesen zu sein: »Denn wir sind nicht irgendwelchen Mythen gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe. Er hat von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit empfangen; denn er hörte die Stimme der erhabenen Herrlichkeit, die zu ihm sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem Ich Gefallen gefunden habe. Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren« (2 Petr 1,17 f.). Doch dabei lässt es Petrus nicht bewenden, um die eigene apostolische Autorität zu untermauern. Es handelte sich um eine reine Selbstbezeugung, fände über die eigene Augenzeugenschaft hinaus das Gesehene nicht seine Bestätigung durch »das Wort der Propheten«, in deren Licht die apostolische Überlieferung für den fernen Adressaten wie auch das prophetische Wort für den Apostel selbst an Evidenz gewinnt: »Dadurch ist das Wort der Propheten für uns noch sicherer geworden, und ihr tut gut daran, es zu beachten; denn es ist ein Licht, das an einem finstern Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen. Bedenkt dabei vor allem dies: Keine Weissagung der Schrift darf eigenmächtig ausgelegt werden; denn niemals wurde eine Weissagung ausgesprochen, weil ein Mensch es wollte, sondern vom Heiligen Geist getrieben haben Menschen im Auftrag Gottes geredet« (2 Petr 1,19–21). Obwohl wir noch einmal auf diese Passage in der Auseinandersetzung mit Bultmanns Kerygma-Begriff (in Kap. X bzw. XI) zurückkommen, sei sie bereits hier angeführt, insofern sie verdeutlicht, dass sich ein genuines apostolisches Schriftverständnis aufgrund seiner pneumatischen bzw. prophetischen Begründung essentiell von der Selbstlegitimation eines Sektierers bzw. eines falschen Propheten unterscheidet, der sich auf sein Erlebnis oder seine Privatoffenbarung beruft. M. a. W.: Petrus, Johannes und Jakobus könnten hundertmal auf dem Berg der Verklärung gewesen sein – wäre Christus nicht auferstanden und wäre seine Auferstehung nicht durch das Wort der Propheten bezeugt, so wäre es nicht glaubhafter als irgendein beliebiger Augenzeugenbericht. Denn seine theologische Evidenz schöpft das apostolische Wort nicht daraus, wie es gewesen ist, sondern aus dem Kommenden. »Und der Engel sagte zu mir: Diese Worte sind zuverlässig und wahr. Gott, der Herr über den Geist der Propheten, hat seinen Engel gesandt, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss« (Offb 22,6). Darin allein liegt der Maßstab der Offenbarung Jesu Christi – nicht, was wir damit verbinden oder herauslesen und dabei überlesen bzw. übersehen. Ihr Ursprung ist »Gott, der Herr über den Geist der Propheten«, nicht der Geist irgendeines Interpreten, mag er sich noch so inspiriert fühlen, um sich mit dem »Geist der Propheten« zu verwechseln.
Ganz in diesem Sinne wendet sich der Apostel Paulus in seinem Briefeingang an die Römer: »Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, auserwählt, das Evangelium Gottes zu verkündigen, das Er im Voraus durch seine Propheten [!] verheißen hat in den heiligen Schriften: das Evangelium von Seinem Sohn, der dem Fleisch nach geboren ist als der Nachkomme Davids, der dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als der Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten, das Evangelium von Jesus Christus, unserem Herrn« (Röm 1,1–4). Das ist das Evangelium von Jesus, dem Christus, dem Gesalbten, dessen messianische bzw. eschatologische Herrschaft ihren Anfang in seiner Auferstehung nimmt. Vorher hat Jesus zwar »mit Vollmacht« geredet, wie der Evangelist Matthäus die Wirkung der Bergpredigt beschreibt: »Als Jesus diese Rede beendet hatte, war die Menge sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte wie einer, der 〈göttliche〉 Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten« (Mt 7,28 f.). Deutlicher noch als das deutsche Wort »Vollmacht«, die ihrem Inhaber ja auch entzogen werden kann, weist das griechische exousía [wörtlich: aus dem Wesen] auf ihren göttlichen Ursprung: Insofern Christus wesensgleich mit dem Vater ist, ist sein Wort kein Menschenwort, ja, es geht nicht einmal – wie das prophetische Wort – von Gott aus, sondern es ist gleich ihm selbst das Wort, der Logos Gottes. Daher seine messianische Bekundung: »Ich preise Dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil Du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es Dir gefallen. Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will« (Mt 11,25–27; par Lk 10,21 f.). Von daher versteht es sich auch, weshalb er sich weigert, den Hohenpriestern und Schriftgelehrten auf ihre Frage eine Antwort zu geben, mit welcher Vollmacht er das Volk lehrte und das Evangelium verkündete (vgl. Mt 21,23–27; par Mk 11,27–33, Lk 20,1–8). Die Antwort erteilt er dem Hohenpriester Kajaphas bei seinem Verhör vor dem Hohen Rat. »Jesus aber schwieg. Darauf sagte der Hohepriester zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, sag uns: Bist du der Messias, der Sohn Gottes? Jesus antwortete: Du hast es gesagt. Doch ich erkläre euch: Von jetzt an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen« (Mt 26,63 f.; par Mk 14,62).
Markiert auch seine Erhöhung am Kreuz gewissermaßen das Bindeglied zwischen seinem ersten und seinem zweiten Kommen Christi, wie wir früher ausführten [vgl. Vom Kommen des Reiches Gottes; Auferstehung und Vollendung], so bedeutet gleichwohl seine Auferstehung seine Zeugung zum Leben »in alle Ewigkeit« (vgl. Offb 1,18), den Anfang seiner universalen messianischen Herrschaft. Seit der Auferstehung von den Toten ist er »dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt als der Sohn Gottes in Macht«, als der Herrscher des neuen Äons. Nicht eine neue Ära führt Christus herauf, wie man oft lesen kann, gar eine Ära des Friedens. Sondern einen neuen Äon, in dem sich die Zeit vollendet; in dem die messianische Zeit der Erfüllung (vgl. Gal 4,4) in die eschatologische Zeit der Vollendung übergeht.
Dem wird keine historische Auffassung von Auferstehung und Vollendung gerecht, ja, vermag ihr nicht gerecht zu werden, weil das Werk der Erlösung und der Vollendung eine Prärogative des Messias darstellt, wie es das gesamte Neue Testament bezeugt. Doch bis in die jüngste Zeit wird von einer historistisch ausgerichteten christlichen Bibelinterpretation – und nicht allein von ihr – beharrlich ignoriert, was der jüdisch-säkulare Philosoph Walter Benjamin zu Beginn seines Theologisch-politischen Fragments auf den Punkt gebracht hat: »Erst der Messias selbst vollendet alles historische Geschehen, und zwar in dem Sinne, daß er dessen Beziehung auf das Messianische selbst erst erlöst, vollendet, schafft. Darum kann nichts Historisches von sich aus auf Messianisches beziehen wollen. Darum ist das Reich Gottes nicht das Telos der historischen Dynamis; es kann nicht zum Ziel gesetzt werden. Historisch gesehen ist es nicht Ziel, sondern Ende. Darum kann die Ordnung des Profanen nicht am Gedanken des Gottesreiches aufgebaut werden, darum hat die Theokratie keinen politischen, sondern allein einen religiösen Sinn. Die politische Bedeutung der Theokratie mit aller Intensität geleugnet zu haben ist das größte Verdienst von Blochs ›Geist der Utopie‹« (GS II.1, 203). Andernfalls verwechselte man das Christentum mit dem Islam oder dem Judentum, insoweit darin Volk und Religion eine Einheit bilden.
So bleibt auch jegliche historistische Schriftauslegung, mag sie sich noch so fortschrittlich gerieren, ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts, das nicht über die epochale Größe des Vergangenen hinausfindet, ob man ihr nun melancholisch nachtrauert oder sie aber in der eigenen Geschichte realisiert sieht, von deren Höhe man auf die christliche Überlieferung als einem Aspekt unserer Bildung herabblickt. Keiner hat besser seine historistisch gesonnenen Zeitgenossen durchschaut als Friedrich Nietzsche, der sie in dem Abschnitt »Vom Lande der Bildung« im Zarathustra folgendermaßen charakterisiert: »Wahrlich, ihr könnt keine bessere Maske tragen, ihr Gegenwärtigen, als euer eignes Gesicht ist! Wer könnte euch – erkennen« (KGW VI.1,149). Denn das Inkognito, das zumal hinter etlichen neutestamentlichen Schriften stecken soll, deren apostolische Urheberschaft man in Frage stellt, ist in Wahrheit das theologische Inkognito ihrer zeitgenössischen Interpreten, mögen diese auch in der Fachwelt einen großen Namen haben. Gleichwohl hat Nietzsche – selbst alles andere als ein Theologe, doch mit klarem Blick für geschichtliche Zusammenhänge – ihr Inkognito wie ihre Methodik aufgedeckt, wenn er anschließend vermerkt: »Vollgeschrieben mit den Zeichen der Vergangenheit, und auch diese Zeichen überpinselt mit neuen Zeichen: also habt ihr euch gut versteckt vor allen Zeichendeutern!« Hinter ihrer historischen Semiotik lauert nichts weiter als das jeweilige zeitgeschichtliche ideologische Kolorit, von der wilhelminischen Ära bis hin zur Postmoderne, mit dem das prophetische Element der Überlieferung »überpinselt« wird. Dabei ist in der Offenbarung Schwarz auf Weiß im Anschluss an das oben zitierte Wort zu lesen: »Siehe, ich komme bald. Selig, wer an den prophetischen Worten dieses Buches festhält« (Offb 22,7).
Ob sich nun diese Ankündigung nach Offb 1,4.8 auf das Kommen Gottes oder – wohl wahrscheinlicher – auf das Kommen Christi (vgl. Offb 1,7) bezieht, sei dahingestellt. Nicht aber die Aktualität seines Kommens: das Heute, das von der Auferstehung Christi seinen Ausgang nimmt, ja, vor dem viele Reiche und Ideologien, die ihre Zeit zu beherrschen schienen, ihre Aktualität einbüßten, längst Geschichte im pejorativen Sinn des Wortes, zur bloßen Vergangenheit geworden sind. Anders der Leser »dieses Buches«: Er wird nicht seliggepriesen, weil er es liest; das kann schließlich so gut wie jeder. Vielmehr weil er »an den prophetischen Worten dieses Buches festhält«: Sie, diese seine prophetischen Worte, bezeugen seine Aktualität bis auf den heutigen Tag. Nicht zuletzt unser Zeitalter bestätigt mehr denn je, was Psalm 2 (1–3) vorab feststellt: »Warum toben die Völker, / Warum machen die Nationen vergebliche Pläne? / Die Könige der Erde stehen auf, / die Großen haben sich verbündet / gegen den Herrn und seinen Gesalbten. / ›Lasst uns ihre Fesseln zerreißen / und von uns werfen ihre Stricke!‹«
Die Erhebung »gegen den Herrn und seinen Gesalbten« geht einher mit der Entfesselung der Macht, mit dem Kultus der historischen Größe; offenbar in den beiden Weltkriegen, die zunächst zur Vernichtung der alten Ordnung führten, um gezielt antichristlichen Ideologien Raum zu schaffen, die eine unsägliche Zahl von Menschenleben forderten. Doch menschliche Schuld und ökonomische Verschuldung sind, worauf das eingangs zitierte Fragment Walter Benjamins Kapitalismus als Religion verweist, nicht voneinander zu trennen. Nicht nur wäre es etwa zu der verheerenden Inflation der zwanziger Jahre ohne den Vertrag von Versailles gekommen, der den Geist der Rache statt der Völkerversöhnung atmete. Denn dass es sich bei dem Prozess der Verschuldung nicht allein um menschliche Fehlkalkulationen handelt, als vielmehr durch ihn die Substanz unserer Zivilisation betroffen ist, hat Wilhelm Röpke, einer der Protagonisten der sozialen Marktwirtschaft, bereits mitten im Zweiten Weltkrieg in seinem Buch Die Gesellschaftskrisis der Gegenwart (Erstauflage 1942) ausgesprochen, in dessen Einleitung (S. 9) er vermerkt: »Früher oder später mußte aber jeder von dem Gefühl ergriffen werden, auf schwankendem Grunde zu stehen, und damit für die Frage reif zu werden, die die von der Erschütterung unserer Zivilisation innerlich oder äußerlich Betroffenen schon seit langem Tag und Nacht beschäftigte: Welcher unheimliche Krankheitsprozeß hat unsere Welt ergriffen, und was ist eigentlich in jenen Ländern vor sich gegangen, die ihm bereits zum Opfer gefallen sind?« Eine Antwort auf diese Frage geben nicht die ökonomischen Verwerfungen der Zwischenkriegszeit, die Röpke bestens bekannt waren; auch ist sie nicht damit abgetan, dass man auf das sog. Wirtschaftswunder im westlichen Nachkriegsdeutschland verweist. Röpke selbst gibt einen Hinweis, wenn er eine Seite später konstatiert: »Wir erleben die Verzweiflung dessen, der sich verirrt fühlt, und wichtiger fast noch als das Brot wird uns das Bedürfnis nach Orientierung
Die Desorientierung des modernen Menschen erweist sich bei näherer Betrachtung als alles andere als ein individuelles Phänomen, den Einzelmenschen in einer zusehends undurchschaubareren und komplexen Welt betreffend, obwohl sie den Einzelnen, ja sein Intimleben betreffen; nicht umsonst gehört nach Benjamin die Freud’sche Theorie »auch zur Priesterherrschaft von diesem Kult« universaler Verschuldung. Nicht nur hat die Entfesselung des Sexus seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, als Akt der Selbstbefreiung von den Banden von Ehe und Familie propagiert, maßgeblich zu deren Erosion in der westlichen Gesellschaft und damit zur vielbeschworenen demographischen Katastrophe geführt. Weit weniger in den Blick gerät die Vereinzelung des Menschen, nach Hildegard von Bingen ein Symptom der Endzeit, wenngleich sich ihre Auswirkungen nicht erst in unserer Zeit, sondern bereits im neunzehnten Jahrhundert abzeichnen: »Was man doch allein ist!« – schließt ein ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Die dreifache Zeugung des Logos und Messias und der Kultus des Todes
  7. I. Messianische Zeugung in der Zeit
  8. II. Das Gebet der Urgemeinde um Parrhesia und das Kreuz Christi
  9. III. Die Auferstehung des Menschen Jesus Christus als messianische Zeugung
  10. IV. Auferstehung als Akt messianischer Inthronisation
  11. V. Messianische Herrschaft und Gottes Wirken in der Geschichte
  12. VI. Christi Tod als Ende des Todesäons – seine Auferstehung als Anfang des ewigen Lebens: Heute
  13. VII. Der Einbruch der Ewigkeit in die Zeit – nicht jenseits des Zeitgeschehens
  14. VIII. Die eschatologische Zeit – die Vollendung der messianischen Zeit
  15. IX. Die Offenbarung des Zeugnisses Jesu durch den Heiligen Geist
  16. X. Die Deutung des Kommenden im Licht der Schrift: die messianische Vollendung der Zeit und die eschatologische Zeit der Vollendung – die Zeit messianischer Aktualität
  17. XI. Die Unumkehrbarkeit des Zeitgeschehens in der apokalyptischen Zeit
  18. XII. Zeugnis als Martyrion und Martyria
  19. Literaturverzeichnis