Kleine Fuge in g-Moll
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Kleine Fuge in g-Moll

Ein Kirchenkrimi aus dem Vatikan

  1. 154 Seiten
  2. German
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Kleine Fuge in g-Moll

Ein Kirchenkrimi aus dem Vatikan

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Sechs unbekleidete Leichen mit zu formlosem Brei zertrümmerten Köpfen, ermordet durch eine Giftspritze - eine rätselhafte Abfolge der Tathergänge, und alle Spuren führen in den Vatikan. Vordergründig scheint es dabei um Kindesmissbrauch zu gehen. Doch dann eröffnen sich weitere Abgründe der menschlichen Seele. Und die Reaktion der kirchlichen Hierarchie: vertuschen und verheimlichen um des "Ansehens" der Kirche willen.Ein spannender Kirchenkrimi, zugleich ein Plädoyer für eine neue Form von Kirche jenseits von "ein Haus voll Glorie" weit über den Niederungen der Welt.

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Information

Verlag
Echter
Jahr
2019
ISBN
9783429064358
Drittes Kapitel
„Da waren’s jetzt schon sechs!“
Freitagnachmittag, 22. Oktober bis Montag, 25. Oktober
Der Questore mochte Professor Pacelli, er fand ihn trotz seines ausgefallenen Aussehens und seines manchmal etwas verrückten Redens außerordentlich sympathisch und verehrte vor allem seine Originalität und Fachkompetenz. Umgekehrt galt das Gleiche: Pacelli mochte und schätzte Bustamante über alle Maßen. Kein Wunder also, dass der Gerichtsmediziner für ihn und Marco sofort Zeit hatte.
„Professore, ich habe zwei Fragen zu den beiden Leichen, die man da im Tiber fand: Erstens, wurden die Köpfe vor ihrer Verunstaltung vom Körper abgetrennt? Und zweitens, damit zusammenhängend, wäre es denkbar, dass die abgetrennten Köpfe durch einen Fleischwolf gedreht und deren blutigen Reste erst danach wieder in einem Plastikbeutel an den Rumpf befestigt wurden?“
„Onorevole Questore, schon vor dieser Ihrer werten Nachfrage habe ich dazu genauere Versuche angestellt. Ich muss Ihnen zuvor allerdings etwas gestehen. Bei uns im Rione (Stadtteil) wurde vor einem Jahr ein neues Erdkabel gelegt. Und als man dafür einen Graben auswarf, erwies sich, dass dieser über einen ehemaligen Friedhof führte und unzählige, längst vermoderte Skelette freilegte. Es war Ende November. Und da haben spielende Kinder abends im Schutz der Dunkelheit ganz viele der Totenköpfe eingesammelt und den Anwohnern, um sie zu erschrecken, vor die Haustür gelegt. So kam auch ich an vier gut erhaltene Totenköpfe, die meine Frau dann gereinigt und mit brauner Schuhcreme blank gerieben und schmuck wiederhergestellt hat. Sie hat sie dann gewissermaßen als Vergänglichkeitssymbol und ständiges ‚Memento mori‘ auf unseren obersten Treppenabsatz in das Blumenfenster gesetzt, sie dort also sozusagen integriert. Mit einem dieser Köpfe habe ich mir nun erlaubt zu experimentieren und bin zu folgendem Ergebnis gekommen: Die Prozedur des Mörders war denkbar einfach; die Köpfe wurden nicht abgetrennt und auch nicht vertikal von oben eingeschlagen, sondern horizontal von beiden Seiten eingedrückt.“
Ihm stelle sich der Vorgang folgendermaßen dar: Man stülpte den unbekleideten Leichen einen Plastikbeutel über den Kopf und verschloss diesen ganz fest am Hals. Daraufhin habe man den Kopf etwa in der Höhe der Backenknochen in irgendeinen größeren Schraubstock gespannt und diesen dann solange gedreht, bis Backenknochen, Gehirnschale und -decke völlig zerbrachen. Auf dieses Procedere, also auf eine horizontale Zerstörung des Kopfes von den Seiten her, weise die Art der Bruchstellen der Knochen eindeutig hin. Erst zum Schluss habe es dann vermutlich noch einen vertikalen Schlag von oben auf die bereits ziemlich deformierten Reste gegeben. So sei der nunmehr völlig formlose Kopf, der nur noch eine blutige Masse bildete, an der Wirbelsäule verblieben, zwar gelockert, aber immerhin. Nein, abgetrennt worden sei der Kopf wohl nicht.
Wieder eine reale Möglichkeit weniger, den Täter zu finden!, dachte Bustamante im Hinblick auf Metzgermeister Carlo Baiocchi, den Bruder der Signora Cherubini, obwohl – warum sollte der keinen Schraubstock haben. Und mit Fleisch und Knochen umgehen: das konnte der ja wohl.
Marco Ronconi meldete sich: „Aber Professore, auch wenn die Deformierung der Köpfe ‚denkbar einfach‘ war, wie Sie sagen, wieso macht ein Mörder so etwas mit seinen Leichen? Was ist Ihre Meinung, oder was sagt Ihnen Ihr Gefühl, was dahinter stecken könnte?“
Pacelli zuckte mit den Achseln und schlackerte, wie immer unkoordiniert, mit seinen zu langen Armen herum. Dann fügte er als überzeugter Humanist nach kurzer Pause an: „‚Vieles Gewaltige lebt, aber nichts ist gewaltiger als der Mensch!‘, sagt schon Sophokles. Wer übersieht, durchschaut und ergründet schon die schrecklichen Möglichkeiten und Abgründe des menschlichen Herzens?“
Bustamante wechselte das Thema: „In den letzten Jahren gab es in Amerika eine heftige Diskussion über die Art und Weise der Hinrichtungen. Es gab Mediziner, die behaupteten, die Giftspritze mit Kaliumchlorid, die ja auch in unseren Fällen angewandt wurde, löse eine Art entsetzlicher Verbrennungsoder auch Ätzungsschmerzen aus. Was meinen Sie dazu?“
„Das dürfte wohl so sein. Aber vergessen Sie nicht, dass die Leichen vorher eine Fülle von Barbiturat-Injektionen erhalten haben. Die dürften den Schmerz wohl sehr abmildern.“
„Aber wer macht sich denn solche Mühe, auf eine so umständliche Weise jemanden umzubringen? Erst Barbiturate, dann die Todesspritze, dann die völlig überflüssige Deformierung des Kopfes. Ein heftiger Schlag auf den Schädel hätte es doch auch getan!“, warf Marco geradezu verzweifelt dazwischen.
„Ja, sehen Sie: Deshalb beneide ich Sie auch nicht um den Job, den Sie tun müssen. Aber entschuldigen Sie mich bitte jetzt. Meine Studenten warten schon!“
Der Hinweis auf Pünktlichkeit schlug bei Bu-Bu immer ein. Mit vielen Dankesworten verabschiedete man sich sehr herzlich. Im Treppenhaus musste Bu-Bu sich plötzlich auf die Lippen beißen, um nicht lauthals loszulachen. Er dachte nämlich an die „ausgeflippte“ Frau von Professor Pacelli mit ihren vier und jetzt noch drei „schmucken“ Totenköpfen als Accessoir eines Blumenfensters! Das sah ihr wirklich ähnlich; das passte zu ihr!
***
Eigentlich stand nach der Siesta nichts Dringendes mehr auf dem Programm. Deshalb rief Bustamante Monsignore Morreni an, ob es ihm gelegen käme, doch noch heute am Spätnachmittag den gewünschten Besuch beim Kardinalstaatssekretär zu machen. Der Prälat stimmte zu, und so traf man sich gegen 17 Uhr am Portone di bronzo und ließ sich beim Staatssekretariat anmelden. Der Kardinal hatte auch unverzüglich Zeit für sie. Der Empfang war förmlich und distanziert, aber nicht unfreundlich.
„Onorevole Signor Questore, mir wurde gesagt, Sie könnten oder wollten im angeblichen Missbrauchsfall der beiden Prälaten keine Diskretion walten lassen oder sagen wir besser: nicht unter allen Umständen Diskretion üben. Ich möchte Sie dennoch dringendst um eine solche bitten. Sehen Sie: Der Heilige Stuhl hat mit äußerstem Einsatz aller Kräfte und mit mancherlei rigiden Mitteln (von denen viele in der Öffentlichkeit nicht einmal bekannt geworden sind) auf die damaligen schrecklichen Ereignisse in Amerika und Irland, dann in Deutschland, Argentinien und anderen Ländern reagiert. Sie wissen: Ich meine die schier nicht abreißende Serie von Kindesmissbrauch durch Priester. Wir haben hier von Rom aus gewaltigen Einfluss auf die amerikanische und irische Kirche genommen und dem Missbrauch damit, hoffentlich für immer, ein Ende bereitet. Wie stehen wir nun da, wenn ruchbar wird, dass Gleiches auch bei uns hier passiert ist? Auch der Heilige Vater bittet Sie ganz persönlich um äußerste Diskretion. Schließlich sind die beiden betroffenen Priester ja tot, und sie mögen ruhen in Frieden! Ihren möglichen Untaten muss also nicht mehr nachgegangen werden. Sie stehen jetzt vor einem höheren Gericht. Um aber die Morde aufzuklären, ist es nicht notwendig, den möglichen Zusammenhang zwischen Mord und angeblichem Vergehen der Prälaten an die Öffentlichkeit zu bringen, ein Zusammenhang, der ja auch dem Vernehmen nach noch keineswegs erwiesen ist. Übrigens: Wenn es später einmal zu strafrechtlichen Maßnahmen im Fall der Morde kommt, werden wir wegen der unbedingt erforderlichen Diskretion auch mit Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern Kontakt aufnehmen. Schließlich ist für das Funktionieren des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens, mindestens bei uns hier in Italien, eine gesunde und starke Kirche, die nicht immer in den Schlagzeilen steht und von jedem x-Beliebigen angepöbelt wird, von nicht geringer Bedeutung!“
„Eminenza, ich kann Ihnen da nicht folgen. Natürlich werde ich und werden wir alle nicht etwa aus Sensationslust oder, um der Kirche eins auszuwischen, den möglichen Zusammenhang zwischen beiden Verbrechen zur Sprache bringen, sondern nur, insoweit es dem Verstehen der Logik der Vergehen und der Transparenz des Verfahrens dient. Im übrigen verstehe ich Ihre Befürchtungen nicht. Es ist doch bekannt und unbestritten, dass die allermeisten Fälle von Kindesmissbrauch im Familienkreis, also durch Eltern, andere nahe Verwandte, Familienfreunde und dergleichen geschehen und dass nur in einem sehr geringen Bruchteil der Fälle pädophile Priester die Täter sind. Warum ist es dann solch eine Schande, wenn von diesem erst geringen Prozentsatz ebenso der Vatikan nun auch selbst betroffen ist, zumal bei allem nicht zu leugnenden Gewicht die Vergehen der beiden Priester doch nicht an der obersten Skala der Schwere dieser Verbrechen stehen. Da gibt es ganz andere Untaten im Bereich des Kindesmissbrauchs!“
Der Kardinal rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her; sein Gesicht verfinsterte sich. Aber der Questore fuhr fort:
„Eminenza, lassen Sie mich ganz offen reden. Ich habe den Eindruck: Sie, ich meine nicht unbedingt Sie persönlich, sondern die kirchenleitende Autorität insgesamt, Sie wollen immerfort ein Spiel spielen, das Spiel von einer – per saldo ‚unterm Strich‘ gesehen – lauteren, herrlichen, heiligen und dazu noch unfehlbaren Kirche, die bereits ein glorreicher Vorschein der triumphierenden Kirche des Himmels ist. Man muss ja nur auf den Papst blicken – dabei ist der gegenwärtige Gott sei Dank eine Ausnahme, vielleicht ja auch der Anfang einer ganz neuen Entwicklung. Aber früher?! Allein schon in seinem makellosweißen Gewand und dem byzantinischen Hofzeremoniell, das ihn umgibt, und den theatralischen Auftritten, in denen er sich der Öffentlichkeit präsentiert, bringt er dieses Kirchenbild unübersehbar zum Ausdruck. Und mit den subalternen kirchlichen Amtsträgern ist es in gebührender Abstufung ja auch nicht anders. Man spielt ein weltabgehobenes heiliges Spiel, das allenfalls die ranghöchsten Eingeweihten verstehen, aber der wirklichen Welt den Zugang zum Evangelium erschwert, wenn nicht verunmöglicht. Eine Kirche, die eine abgehobene Sonderwelt spielt – wie geht das zusammen mit dem Wort ihres Stifters, wonach seine Jünger zwar nicht von der Welt, aber mitten in der Welt sein sollen? Wo merkt man das eigentlich – dieses In-der-Welt-Sein der Kirche? Sie machen sich doch in allem eine eigene, in sich geschlossene heilige Kirchenwelt zurecht und geraten dann in Panik, wenn in dieser ihrer selbstfabrizierten Welt das Unheilige auftaucht, wie jetzt am Beispiel der beiden Prälaten. Schon der große Teilhard de Chardin hat an seinen Freund Henri de Lubac geschrieben: ‚Um Rom herum ist nicht der eiserne Vorhang, sondern ein Vorhang von Watte, der jedes Geräusch von Diskussionen und menschlichen Sehnsüchten abdämpft: Die Welt bleibt stehen vor den Toren des Vatikans.‘ Warum, Eminenz, verhalten Sie sich so und nicht wie normale Menschen?“
Bu-Bu befürchtete, der Kardinal werde ihn gleich achtkantig hinauswerfen oder selbst den Raum verlassen. Aber jetzt war er mal in Fahrt und fuhr fort:
„Schwester Madeleine, die Gründerin der zweifellos auch Ihnen bekannten ‚Kleinen Schwestern Jesu‘ hat in ihrem Testament folgende Sätze geschrieben, die ich mir gut gemerkt habe; sie richtet sich an ihre Schwestern mit den Worten: ‚Wie Jesus es in seinem irdischen Leben hielt, so werde auch du allen alles: Den Arabern werde Araberin, den Nomaden Nomadin, den Arbeitern Arbeiterin. Vor allem aber werde menschlich unter den Menschen.“
Bustamanate wiederholte: „ ‚Vor allem werde menschlich unter den Menschen!‘, schreibt die Schwester und fährt dann fort: ‚Führe nicht dein Leben am Rande der Massen. Wie Jesus, mach dich zu einem Bestandteil der Masse der Menschen. … Gehe so in ihr Leben ein, dass du eins bist mit allen.‘ Sehen Sie, Eminenza, das ist alles wirklich sehr gut gesagt.“
Der Kardinal machte den Versuch einer abwinkenden Handbewegung, ging aber dann sofort wieder in Ruhestellung zurück.
„Eminenz, zu diesem Einssein mit der Masse der Menschen, von dem da Schwester Madeleine spricht, gehört für mich ganz wesentlich, dass die Kirche wie alle andern Menschen und menschliche Institutionen auch zu ihren Sünden und Verfehlungen, Irrtümern und Fehlentscheidungen, Grenzen und Abgründen steht und sie nicht verdrängt, versteckt, entschuldigend weginterpretiert, wie Sie das gerade wieder vorhaben. Die gleiche Schwester Madeleine fährt dann übrigens fort: ‚Man wird dir vielleicht wie Christus vorwerfen, dass du mit Zöllnern und Sündern isst, unter die Menge gehst, die öffentlichen Sünderinnen zu nahe an dich heranlässt. … Man wird dir vorwerfen, dass du es an geistlicher Würde fehlen lässt. Aber was liegt daran!‘ Ja, was liegt daran, Eminenz? Ich bin überzeugt: Erst dann werden Glaubwürdigkeit und Ausstrahlung der Kirche wieder zunehmen, wenn sie endlich ihr elitäres Abgehobensein von der Mehrheit der Menschen, ihre von aller Wirklichkeit desinfizierte Sprache, ihre weltfremden moralischen Forderungen, kurz: ihre künstliche Existenz im Niemandsland aufgibt und wahrhaft in die Welt der Menschen eingeht, so wie das ja auch ihr Stifter getan hat. Und nochmals: Zu diesem Menschwerden gehören ganz wesentlich Wahrhaftigkeit und Demut, dass man das, was in der Kirche kraftlos, gebrochen und krank, vielleicht sogar todkrank ist, auch eingesteht.“
Trotz seiner engagierten Äußerungen merkte Bustamante sehr wohl, dass sich schon seit einiger Zeit Monsignore Morreni immer wieder räusperte. War das ein Zeichen von beginnender Erkältung, oder wollte er ihm ein diskretes Zeichen geben, jetzt sei es aber wirklich genug?
Bustamante hielt auch tatsächlich ein: „Verzeihen Sie, Eminenza, wenn ich in voller Offenheit gesprochen habe. Offenheit – das heißt ja im Neuen Testament ‚parrhesía‘ und wird dort als eine wesentliche Tugend des Christen vorgestellt und gepriesen. Und dabei bin ich nicht einmal ein Christ, jedenfalls kein praktizierender.“
Es trat ein Augenblick der Stille ein. Dann sagte der Kardinal nicht ohne jedes Zeichen von Betroffenheit: „Mein lieber Bustamante, all das ist ein weites Feld! Onorevole Questore, ein weites Feld! Und ich glaube, es ist hier nicht Zeit und Ort, darüber ein endloses Palaver zu halten. Ich danke Ihnen jedenfalls für Ihre Offenheit, muss Ihnen aber in gleicher Offenheit im Hinblick auf das ‚bonum Ecclesiae‘, auf das Wohl und die Interessen der Kirche, sagen, dass ich Ihnen hiermit in aller Form die Erlaubnis entziehen muss, in Sachen Kindesmissbrauch im Vatikan zu recherchieren. Sie können natürlich jederzeit Gespräche mit den Bewohnern des Vatikanstaates führen, aber kein formelles Verhör abhalten und keine Wohnungen durchsuchen. Wie gesagt, das bezieht sich einzig und allein auf den Bereich Kindesmissbrauch. Der Entzug der Erlaubnis gilt dagegen nicht, wo und wenn es um die Aufklärung der beiden Morde geht.“
Der Kardinal erhob sich, blickte Bustamante fast mitleidig an und nickte ihm ernst, aber nicht unfreundlich zu: „Gott...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Vorspiel
  6. Erstes Kapitel: Im Vatikan brennt’s
  7. Zweites Kapitel: Nichts passt hier zusammen
  8. Drittes Kapitel: – „Da waren’s jetzt schon sechs!“
  9. Viertes Kapitel: Musik wird jählings abgebrochen
  10. Fünftes Kapitel: Eine kleine Fuge kommt groß heraus
  11. Hinweise