Zeitenfülle
eBook - ePub

Zeitenfülle

Annäherungen an das paradoxe Verhältnis von Vergänglichkeit und Vollendung

  1. 318 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Zeitenfülle

Annäherungen an das paradoxe Verhältnis von Vergänglichkeit und Vollendung

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Nicht nur in den Geisteswissenschaften, der Kunst und Kultur des 20. Jahrhunderts ist die Komplexität und Vieldimensionalität der Zeit zu einem wichtigen Thema geworden. Dabei zeigt sich, dass die Frage nach der Zeit nicht restlos zu beantworten ist. Zeit ist wesentlich Geheimnis.Die Untersuchung wendet sich verschiedenen philosophischen und theologischen Konzeptionen des 20. Jahrhunderts zu (u.a. Heidegger, Ricoeur, Rahner, Balthasar, Pannenberg), deren Ansätze die Vielschichtigkeit der zeitlichen Schöpfung ernstnehmen und die deshalb für eine komplexe Sichtweise auf das Phänomen Zeit plädieren. Interpretationsschlüssel dabei ist der Begriff der Perichorese (= gegenseitigen Durchdringung), der die unterschiedene Einheit von Chronos, Kairos und Pleroma aufdeckt und sie von der zeitlichen Existenz Jesu Christi her auf die Gegenwart des dreifaltigen Gottes transparent macht.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Zeitenfülle von Christian Bock im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Theologie & Religion & Religionsphilosophie. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Verlag
Echter
Jahr
2017
ISBN
9783429063306
DRITTER TEIL
Theologische Durchführung: Gegenwart aus der göttlichen Perspektive der Sempernitas
»… in das hinein geschieht auch ihr Vergehen nach der Schuldigkeit; …«1
Ausgehend von der philosophischen Frage nach der Zeit kann die Existenz des Menschen in seinem Bezug zu sich selbst, zur Welt, zum Anderen und zu Gott aus einer temporalen Dynamik erschlossen werden, die angesichts der Faktizität des Todes allein dann zu einer Sinn und Fülle vermittelnden Vergegenwärtigung des pleromatischen Zeitganzen menschlichen Daseins wird, wenn der Mensch seine auf das vorübergehende Nunc beschränkte Perspektive der Gegenwart nicht aus dem Chronos der Zeit, sondern aus deren kairologischer Struktur ableitet. Gegenüber dem einseitig quantifizierten Zeitverständnis des positivistisch-mechanistischen Weltbildes der Neuzeit und dem daraus resultierenden chronozentrierten Zeitumgang zeigt sich in den vorgestellten philosophischen Zeitkonzepten die Tendenz, den Kairos phänomenologisch zurückzugewinnen. Der einseitigen Dominanz des Chronos wird damit jene Dimension der Zeit entgegengestellt, die diese unverfügbar konstituiert und ihr darin einzigartig-konkrete Gestalt verleiht. Mit der kairologischen Charakterisierung der existentiellen Zeitlichkeit des Menschen rückt zugleich deren pleromatische Dimension in den Fragehorizont, die als das bleibend Unerreichbare der Zeit ausgewiesen werden kann. Die kairologische Unverfügbarkeit und die pleromatische Entzogenheit verweisen dabei auf das Geheimnis der Zeit, das auch durch den Chronos in all seinen rational unerfassbaren Paradoxien zum Ausdruck kommt. Als ursprünglicher Zeit-Raum dieses Geheimnisses erweist sich das Urphänomen der Gegenwart, in welcher Chronos, Kairos und Pleroma perichoretisch miteinander verbunden, aufeinander verwiesen und sich gegenseitig konstituierend sind. Während die philosophische Suche nach der eigentlichen Zeit auf deren Ursprung abzielt und dabei jeweils, wie zu sehen war, auf ein unableitbares Absolutum stößt, richtet sich die theologische Perspektive umgekehrt auf die Frage nach der Vollendung der Zeit aus, sofern Gottes Allgegenwart als Ursprung und Vollendung der Zeit zugleich vorausgesetzt wird. Die philosophischen Konzeptionen geraten jeweils da an eine Grenze, wo sie die Dynamik der Zeit nicht mehr aus der Wirklichkeit selbst heraus ableiten können, sondern eine Bewegung, Vermittlung oder gar Gewähr voraussetzen müssen, die auch aus dem Phänomen Zeit selbst nicht mehr erschließbar ist. Auch wenn das endliche Letzte der Zeit bei Heidegger, das zufällige Kommen in die Zeit bei Rombach, die unabgeschlossene Vermittlung in der Zeit bei Ricœur und die gewährte Rekreation durch die Zeit bei Cacciari ausdrücklich nicht als philosophisch verschleierte Gottesbeweise verstanden werden wollen2, zeigt sich in allen Konzeptionen, dass sich aus der phänomenologischen Beobachtung der zeitlichen Wirklichkeit Kategorien erschließen lassen, die durch eine theologisch ausgerichtete und biblisch inspirierte Perspektive auf die Wirklichkeit immer schon vorausgesetzt werden. Die philosophische Einsicht, dass jegliche temporale Dynamik wesentlich Beziehungsgeschehen des Menschen in seiner jeweiligen Gegenwart zu sich selbst, zum anderen, zur Welt und schließlich auch zu Gott ist, wird theologisch durch den Glauben unterfasst, dass umgekehrt auch Gott in einem vielfältig-komplexen Beziehungsgeschehen zu sich selbst, zu seiner Schöpfung und zu seinen Geschöpfen steht. In der folgenden theologischen Durchführung des perichoretischen Zeitverständnisses sollen deshalb die bereits in der phänomenologischen Hinführung vorgestellten Autoren Karl Rahner, Karl Barth, Hans Urs von Balthasar, Wolfhart Pannenberg und Jürgen Moltmann auf ihr Zeitverständnis in Bezug auf das darin sichtbar werdende Verhältnis von göttlicher Ewigkeit und geschöpflicher Zeit befragt werden. Es wird dabei deutlich werden, dass alle fünf Autoren einen eigenen Akzent zu jenem Beziehungsgeschehen beitragen, das Grund, Gewähr und Vollendung der lebendigen Geschichte von Schöpfer und Schöpfung, Gott und Mensch ist. Diese hat ihren einzigartigen Ausdruck in der Inkarnation des Menschgewordenen Gottes gefunden, dessen »Intemporalisation«3 die der menschlichen Gegenwartserfahrung immanente Ursprungsperspektive des Nunc zur transzendenten Vollendungsperspektive der Sempernitas weitet. In diesem Zusammenhang wird sich zeigen, dass der philosophisch zugunsten des Kairos zurückgestellte Chronos erst unter dieser theologischen Hinsicht seine gleichberechtigte Relevanz innerhalb des perichoretischen Zeitgefüges zurückgewinnt. Darüber hinaus haben philosophische und theologische Perspektive einander dahingehend zu ergänzen, dass das Urphänomen Gegenwart weder in einen philosophischen Nihilismus hinab- noch in einen theologischen Triumphalismus hinaufgerissen wird. Vielmehr kann durch die doppelte Perspektive in allen Gegenwartsgestalten jene Spur erkannt werden, die ins transzendente Offene der Gegenwart führt, in der alle temporalen Kategorien aufgehoben, gehoben und bewahrt sind.
I. Vorbemerkung: Die prekäre Bestimmung des Verhältnisses von Zeit und Ewigkeit
Vor der Erschließung des perichoretischen Zeitverständnisses unter theologischer Perspektive, das angesichts der bereits dargelegten Folgen eines metaphysischen Zeit-Ewigkeitsdualismus und des daraus resultierenden Missverhältnisses von Chronos und Pleroma bewusst nicht in das traditionelle Schema Zeit–Ewigkeit eingespannt, sondern in kritischer Distanz zu diesem unter Berücksichtigung des spezifisch biblisch-theologischen Schemas von Altem und Neuen Äon interpretiert wird, gilt es aufzuzeigen, wie die einzelnen Autoren selbst unter der nicht immer widerspruchsfrei bleibenden Beibehaltung der klassischen Begrifflichkeiten eine kritische und theologisch verantwortete Sichtweise auf das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit entwickeln. Hier bereits zeigt sich das allen Konzeptionen gemeinsame Ziel, eine nicht dualistische Vermittlung beider Dimensionen sicherzustellen. Erst nach diesem vorbereitenden und den jeweiligen Denkhorizont ausmessenden Schritt können die einzelnen Verhältnisbestimmungen neu aufgegliedert und auf die Perspektive der allumfassenden Gegenwart ausgerichtet werden, welche geschöpflich zur Erfahrung der zwischen Altem und Neuen Äon oszillierenden Wirklichkeit wird.
1. K. Rahner: Ewigkeit als Frucht der Zeit
Ein Vorzug der von Rahner konsequent eingenommenen anthropologischen Perspektive ist es, die thanatologische Grenze aller Existenz in ihrer radikalen Abgründigkeit uneingeschränkt ernst zu nehmen. Hinsichtlich der Verhältnisbestimmung von Zeit und Ewigkeit räumt Rahner deshalb dem Faktum des Todes eine zentrale Stellung ein. Im kritischen Anschluss an Heidegger macht auch Rahner zunächst die Unvereinbarkeit von Lebenszeit und Tod geltend. Der Tod beendet die menschliche Existenz, für die es dann kein Nachher im zeitlichen Sinne mehr geben kann. Auch wenn es keine Brücke von der Zeit in den Tod gibt, so kann Rahner gerade am Phänomen des Todes selbst das entdecken, was Heidegger in die ausgezeichneten Kairoi menschlichen Existenzvollzuges einspannen musste: die Vollendung der ganzen Existenz. Rahner betont deshalb, dass erst mit dem Tod die zeitliche Ganzheit eines menschlichen Lebens überhaupt einzutreten vermag, weil
»[…] durch den Tod – nicht nach ihm – […] die getane Endgültigkeit des frei gezeigten Daseins des Menschen [ist]. Es ist, was geworden ist, befreite Gültigkeit des einmal Zeitlichen, das in Geist und Freiheit wurde und darum Zeit bildete, um zu sein, nicht eigentlich, um weiterzudauern in Zeit. Denn sonst würde es ja gerade in einer Weise existieren, die gar nicht Endgültigkeit wäre, sondern eine offene Zukunft zeitlicher Art vor sich hätte, in der alles noch einmal uferlos anders werden könnte.«4
Der streng chronologisch verstandenen Lebenszeit stellt Rahner deshalb die Ewigkeit als die Kategorie der Vollendung aller Zeiten gegenüber. Dies versteht er jedoch nicht so, dass sich der Hiatus eines unüberwindbaren Dualismus auftäte, sondern in der beidseitigen Vermittlung von Zeit und Ewigkeit durch den Tod selbst. Das in der Zeit Gewordene gelangt allein durch die thanatologische Grenze zur Vollendung als Ewigkeit:
»Was vergeht, ist das Werden, nicht das Gewordene. Was untergeht, ist nicht der geheime Extrakt des Lebens, sondern der Vorgang seiner Zubereitung. Ist dieser Vorgang, den wir unser Leben zu nennen pflegen, zu Ende, so ist das Vollendete da, und das sind wir, so wie wir in Freiheit geworden sind.«5
Ewigkeit scheint damit gerade nicht als quantitative Summierung allen zeitlichen Lebens vorstellbar, sondern als das endgültige Offenbarwerden jener Gestalt, die der Einzelne im Laufe seines Lebens gemäß seiner Freiheit geworden ist. Ewigkeit ist für Rahner deshalb »vollendete Zeit«6, die als verborgener Kern in der chronologischen Zeit gegenwärtig ist und die an deren Ende aus dieser entbunden wird7. Metaphorisch fasst Rahner dies in das Verhältnis von Frucht und Reifung. In der Z...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Vorwort
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Erster Teil
  6. Zweiter Teil
  7. Dritter Teil
  8. Vierter Teil