Was tun gegen den Tinnitus?
Erfolgreiche Tinnitus-Therapie bezieht den ganzen Menschen ein: Körper, Psyche und Seele. Neben schulmedizinischen Maßnahmen stehen zahlreiche wirksame ganzheitliche Behandlungsoptionen zur Verfügung.
Therapie bei akutem Tinnitus
Die Behandlung von Ohrgeräuschen ist nach wie vor schwierig und mit vielen ungelösten Fragen behaftet. Einerseits möchte man einem Patienten Behandlungsangebote machen, andererseits sind die Wirksamkeit und der Erfolg vieler Maßnahmen oft nicht sicher einzuschätzen. Gar nichts zu tun, steht nicht zur Diskussion, wenn beunruhigende Ohrgeräusche Leidensdruck erzeugen. Es muss aber auch daran gedacht werden, dass verordnete Therapien mehr schaden als nutzen. Als akuter Tinnitus gelten Ohrgeräusche, die weniger als drei Monate vorliegen. Die gute Nachricht ist, dass die Ohrgeräusche häufig nach einiger Zeit spontan verschwinden. In anderen Fällen gelingt es, den Tinnitus durch rasche Behandlung mit Medikamenten zu bessern oder zum Verschwinden zu bringen.
Akuter objektiver Tinnitus
Wenn Ohrgeräusche vom Betroffenen und von Außenstehenden wahrgenommen werden und weniger als drei Monate anhalten, spricht man vom akuten objektiven Tinnitus. Derartige Ohrgeräusche kommen sehr selten vor. Sie haben meist organische Ursachen: Tumoren, Gefäßanomalien mit pulssynchronem Rauschen, Muskelverspannungen im Gaumen oder Störungen der Ohrtrompete. In der Regel verschwindet der Tinnitus, wenn die Grunderkrankung behandelt wird.
INFO
PULSIERENDES RAUSCHEN
Manchmal lässt sich bei akutem (im Herzrhythmus) pulsierendem Rauschen trotz aufwendiger Diagnostik keine organische Ursache finden. Als Hauptauslöser gelten Stress und psychische Krisenzustände – dennoch können auch Gefäßerkrankungen (Bluthochdruck, Halsschlagaderverengung u. a.) oder eine Anämie Ohrgeräusche verursachen.
Akuter subjektiver Tinnitus
Wenn Ohrgeräusche nur vom Betroffenen wahrgenommen werden und weniger als drei Monate anhalten, spricht man vom akuten subjektiven Tinnitus. Fast jeder zweite Deutsche hat akuten Tinnitus (Sekunden bis Stunden anhaltend) schon einmal erlebt. Die Ohrgeräusche entstehen im Mittelohr, in der Hörschnecke und/oder in der zentralen Hörbahn.
Ist eine Mittelohrschwerhörigkeit nachweisbar, kann bei etwa zwei Dritteln der Betroffenen ein tieftöniger Tinnitus vorhanden sein. Am häufigsten steckt eine Mittelohrentzündung, gelegentlich auch eine Otosklerose dahinter. Nach Behandlung und Abheilung der Mittelohrerkrankung verschwindet der Tinnitus. Nach einer Otosklerose-Operation bessern sich die Ohrgeräusche, können aber manchmal weiter bestehen oder sogar stärker werden.
Tritt eine plötzliche einseitige Innenohrschwerhörigkeit auf – mit oder ohne Tinnitus – spricht man vom »Hörsturz« – Ursache unbekannt! Dennoch wird vermutet, dass eine Durchblutungsstörung des Innenohrs vorliegt. Da das Innenohr durch Endarterien ohne Querverbindungen (Kollateralen) mit Blut versorgt wird, vermutet man, dass Störungen der Durchblutung Probleme verursachen. In den meisten Fällen wird bei akutem Tinnitus/Hörsturz eine Infusionstherapie durchgeführt, um die Fließeigenschaften des Blutes bzw. die Durchblutung zu verbessern.
INFO
URSACHEN DES AKUTEN TINNITUS
33 Prozent: Ursache unbekannt (idiopathisch)
33 Prozent: Hörsturz, Otosklerose, Lärmtrauma, Morbus Menière u. a.
In den meisten Fällen ist zusätzlich akute oder chronische Schwerhörigkeit vorhanden!
Infusion von Plasmaersatzmitteln
Zwei verschiedene Mittel stehen zur Auswahl: Dextrane und Hydroxyethylstärke. Dextrane wirken blutverdünnend und erhöhen das Flüssigkeitsvolumen in den Blutgefäßen. Dadurch soll die Durchblutung der Hörschnecke verbessert werden. Aufgrund der Gefahr eines lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schocks muss ein weiteres Mittel gespritzt werden, was das Nebenwirkungsrisiko weiter erhöht.
Hydroxyethylstärke (HES) gilt demgegenüber als vergleichbar wirksam, wird aber in der Regel vom Patienten besser vertragen. Nebenwirkungen und Kontraindikationen betreffen vor allem das Herz-Kreislauf-System (Bluthochdruck, Herzinsuffizienz). Ein weiterer Nachteil ist zudem, dass HES vorübergehend, während und nach der Anwendung lang anhaltenden und hartnäckigen Juckreiz verursachen kann (bis zu 24 Monate!).
Infusion zur Verbesserung der Durchblutung
Medikamente, die die Gefäße erweitern und dadurch den Blutfluss verbessern sollen, sind Pentoxifyllin und Naftidrofuryl. Nur Pentoxifyllin wird als Infusion eingesetzt, Naftidrofuryl nicht mehr. Es hat entzündungshemmende sowie durchblutungsfördernde Eigenschaften durch Gefäßerweiterung und die Verbesserung der Verformbarkeit roter Blutzellen. Nebenwirkungen sind unter anderem Schwindel, Zittern, Unruhe, Schlaf- und Herzrhythmusstörungen sowie Juckreiz.
Weitere Medikamente zur Infusion
Kalziumantagonisten: Diese Arzneistoffe werden üblicherweise zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt. Der Nutzen bei akutem Tinnitus ist bislang nicht belegt.
Lokalanästhetika: Procain wirkt örtlich betäubend, entzündungshemmend, gefäßerweiternd und stabilisierend auf Nervenzellmembranen. Wegen des Risikopotenzials (Nebenwirkungen) wird Procain heute zurückhaltend verwendet.
Antiarrhythmika: Lidocain ist ein Mittel gegen Herzrhythmusstörungen und zur örtlichen Betäubung (Lokalanästhetikum) geeignet. Lidocain kann zur Tinnitus-Therapie nur intravenös injiziert werden. Zur Dauertherapie ist es nicht geeignet.
Kortisone: Die sogenannten Glukokortikoide sind Steroidhormone (z. B. Cortisol, Corticosteron), wirken entzündungshemmend und immundämpfend, beeinflussen den Stoffwechsel, den Wasserhaushalt und das Herz-Kreislauf-System. Man weiß zwar bis heute noch nicht genau, warum, aber Kortisone können offensichtlich Störungen des Innenohrs günstig beeinflussen.
Antioxidantien: Oxidativer Stress, das heißt freie Sauerstoffradikale im Übermaß, die bei Stoffwechselprozessen anfallen, kann auf Dauer Zellschäden verursachen. Für die Behandlung des Hörsturzes wird derzeit Vitamin E bevorzugt. Hoch dosiertes Vitamin C könnte man gleichfalls problemlos einsetzen.
Magnesium: Magnesium ist ein essenzieller Mineralstoff, der im Dünndarm aus der Nahrung aufgenommen wird. In der Tinnitus-Behandlung hat man gute Erfahrungen damit gemacht.
Hyperbare Sauerstofftherapie
Akzeptiert man die Vorstellung, dass die Haarzellen der Hörschnecke bei relativem Sauerstoffmangel geschädigt werden, dann sollte Sauerstoffzufuhr unter Überdruckbedingungen eine Verbesserung der Sauerstoffversorgung (die durch Diffusion erfolgt) bringen. Vor einigen Jahrzehnten wurde die hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) noch optimistischer eingeschätzt – vor allem bei Hörsturz mit oder ohne Tinnitus. Für die aktuellen Anforderungen an den Wirksamkeitsnachweis einer Therapie sind wissenschaftlich fundierte Belege für die HBO nicht ausreichend vorhanden. Deshalb – und aus Kostengründen – wird die HBO nicht von den Krankenkassen bezahlt. Im Einzelfall kann die HBO bei Tinnitus aber durchaus erfolgreich sein.
INFO
NOTFALL TINNITUS?
Muss der Patient mit akutem Tinnitus zur Behandlung unbedingt in eine Klinik oder kann das Problem auch beim niedergelassenen Arzt behandelt werden? Hier gibt es keine allgemeingültige Antwort.
Gegen die stationäre Therapie spricht das Ris...