Geschichte aus der Stadt
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Geschichte aus der Stadt

Überlieferung und Aneignungsformen der deutschen Chronik Jakob Twingers von Königshofen

  1. 307 Seiten
  2. German
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Geschichte aus der Stadt

Überlieferung und Aneignungsformen der deutschen Chronik Jakob Twingers von Königshofen

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Über dieses Buch

Die um 1400 entstandene deutschsprachige Chronik Jakob Twingers von Königshofen wurde bis in die Neuzeit hinein in über 125 Handschriften abgeschrieben. Ein Großteil der bekannten Textzeugen enthält dabei nicht bloße Abschriften, sondern Exzerpte, fortgesetzte Bearbeitungen und häufig weitere Texte. In der vorliegenden Studie werden die unterschiedlichen Aneignungsformen der Chronik in historischen, politischen bzw. sozialen Zusammenhängen, also handschriftenextern, aber auch im kodikologischen Kontext, also handschriftenintern, analysiert. Nicht ein abstraktes, statisches Werk, sondern die Rezeption von Geschichte aus der Stadt wird in den einzelnen Codices untersucht. Hierfür werden Ansätze aus den Forschungen zu städtischer Geschichtsschreibung, den Cultural Memory Studies, der New Philology und den Material Culture Studies herangezogen. Die Interessen der Rezipient*innen (1. Prozesse der Aneignung), die Überlieferung der Chronik im Zusammenhang mit anderen Texten (2. Prozesse der Kombination) sowie die Funktionsangebote und Funktionen der Chronik aus dem potentiellen bzw. tatsächlichen Gebrauch heraus (3. Prozesse der (Re-)Funktionalisierung) werden dabei anhand ausgewählter Codices bzw. Überlieferungsgruppen herausgearbeitet

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783110636659
Auflage
1
Thema
History

1Einleitung

1.1Du findest die ding clarlich im bůch

Du findest die ding clarlich im bůch das vff vnser frawen hauß zů Straßburg ligt zetútsch/man hat es auch in dem latyn. Dise ding solten ir euwere kind leeren/das sie wißtent wie die stat Straßburg gebuwen wer.1
Bei diesem Buch, das die Geschichte der Stadt Straßburg erzählt und nicht nur als Nachschlagewerk von den Zeitgenossen genutzt werden kann, sondern auch als Lehrwerk für deren Kinder dienen soll, handelt es sich um die deutschsprachige Chronik des Straßburger Klerikers Jakob Twinger von Königshofen.2 Abgefasst am Ende des 14. Jahrhunderts diente seine Welt-, Bistums- und Stadtchronik den spätmittelalterlichen Zeitgenossen als Quelle für das Wissen um die eigene Vergangenheit. Sie stellt den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung dar. Dabei geht es weniger um eine Betrachtung der Chronik als Teil der Erinnerungskultur Straßburgs, sondern vielmehr darum, die Aneignung und Nutzung des konkreten Texts und den Umgang mit diesem innerhalb und außerhalb der Stadt und des städtischen Raums zu untersuchen.
Der oben zitierte Hinweis auf das bůch und die Aufforderung, die dort enthaltenen ding zu lehren, entstammt einem Druck der Predigten Johannes Geilers von Kaysersberg, der von 1478 bis zu seinem Tod im Jahr 1510 in Straßburg wirkte.3 Die Predigtsammlung ›Evangelia mit vszlegung‹ erschien 1515 posthum, herausgegeben von dem Franziskaner Johannes Pauli.4 Der auch Jahrzehnte nach der Entstehung der Chronik Twingers auf diese verweisende Absatz und die große Anzahl der Überlieferungsträger führten in der Forschung dazu, das Werk als »das literarische Zentralmonument des historischen Selbstverständnisses« der Stadt Straßburg und seiner Bewohner*innen zu bewerten.5 Liest man die eingangs zitierte Stelle allerdings weiter, verändert sich der Eindruck eines allen zugänglichen, von allen genutzten Buchs:6
Es ligt da vnd weiß niemans nüt darumb/[...]
Es darff wol einer sprechen/waz gat es mich an/ich nem ein gůten hauptkannen7 darfür/hettent die alten vns nit vor geschriben/so hettent wir nüt.8
Während der Prediger Geiler (oder sein Herausgeber Pauli) noch um das Buch und dessen Aufbewahrungsort, das Straßburger Frauenhaus, wusste, scheint dies für viele seiner Zeitgenossen nicht mehr gegolten zu haben; anstatt sich über ihre Vergangenheit zu informieren und die chronistische Arbeit der alten zu würdigen, gehen sie, so wird es hier angeprangert, lieber ins Wirtshaus. Nun stehen dieser Klage Geilers die heute knapp 130 bekannten Handschriften, die die Chronik Jakob Twingers überliefern, gegenüber – aber beim Blick in den einzelnen Codex stellt sich oftmals die Frage, inwiefern die häufig nur in Teilen oder Auszügen abgeschriebene und zuweilen stark bearbeitete oder fortgeführte Straßburger Welt- und Stadtchronik noch als solche erkannt, verstanden und genutzt wurde.
Um die Prozesse der Aneignung, Kombination und (Re-)Funktionalisierung der Chronik Jakob Twingers von Königshofen wird es in der vorliegenden Arbeit gehen, wobei der jeweilige Kontext, in dem der Chroniktext abgeschrieben, rezipiert und fortoder umgeschrieben wurde, neue Aufschlüsse über Formen und Funktionsangebote spätmittelalterlicher städtischer Geschichtsschreibung liefern soll. Auch die Betrachtung der Mitüberlieferung, des kodikologischen Kontexts, soll miteinbezogen werden.9 Der Umgang verschiedener Gruppen bzw. Personen mit historiographischen Texten und somit ihrem Wissen über ihre Vergangenheit soll untersucht werden. Dadurch soll nicht nur die Produktion historischen Wissens, sondern auch dessen Aktualisierung und Rezeption gerade im städtischen Kontext beleuchtet werden. In diesem wandelten sich Angebot und Nachfrage historiographischer Texte ständig, und doch wurden hier in der Forschung Konstanten bezüglich deren Funktionen postuliert.
Dabei stützt sich die vorliegende Arbeit auf Ansätze und Erkenntnisse aus unterschiedlichen Forschungsfeldern. Mit dem Gegenstand selbst, der Chronik Jakob Twingers, werden aktuelle Diskussionen aus dem Bereich der städtischen Geschichtsschreibung berührt. Die Frage nach Formen der Aneignung der Vergangenheit über den Inhalt der Chronik greift Impulse aus den Cultural Memory Studies auf. Editionsphilologische ebenso wie literaturtheoretische Fragen werden bei der Rede über die Chronik und über die Begriffe von Autor und Werk, von Fassung und Text erörtert. Die Überlegungen zu dem konkreten Text in einer Handschrift schließlich führen, den Material Culture Studies verpflichtet, zu Überlegungen über dessen codexinternen wie -externen Kontext und zur Berücksichtigung der materiellen Dimension der Textzeugen, um das Werk Twingers und dessen Überlieferung in der Stadt und aus dieser hinaus aus anderen Perspektiven zu betrachten.
. . .
Die Frage nach den Funktionen spätmittelalterlicher städtischer Geschichtsschreibung wird in der Forschung immer wieder gestellt und neu zu beantworten versucht.10 So formulierte Peter Johanek für den Bereich der städtischen Geschichtsschreibung jüngst, dass in der Stadt des Spätmittelalters »das Buch, die Chronik, zum zentralen Überlieferungsträger des Gedächtnisses der Stadt, der Erinnerung an ihre Geschichte« avancierte.11 Aber obwohl hier der Bezug auf ein Buch, eine konkrete Handschrift als Träger eines Texts und als Träger des Gedächtnisses hergestellt wird, bezieht sich die Suche nach spezifischen Funktionen städtischer Geschichtsschreibung in der Forschung häufig auf ein abstraktes Werk bzw. auf einen Text, den es als solchen oftmals nicht gegeben hat: auf die in der Edition abgedruckte Fassung.12 In den wenigsten Fällen aber liegt eine Chronik in unikaler Überlieferung vor, und das Gros der kritischen Editionen mittelalterlicher Werke entstand im 19. Jahrhundert unter Anwendung damaliger editorischer Maßstäbe. Das schmälert das Verdienst der Editoren keinesfalls; ihr Vorgehen bei der Herausgabe von Texten führt aber immer wieder dazu, dass man einer so fixierten Fassung Werkcharakter zuspricht, obgleich ihr in der Gesamtheit der Überlieferung möglicherweise gar keine hervorgehobene Stellung zukommt.13 Auch in Arbeiten zur Twinger-Chronik stand meist das über die Edition fassbare Produkt im Vordergrund bzw. bildete den Bezugspunkt, um Aussagen über die Eigenschaften und Inhalte, über Funktion und Gestalt des Werks zu machen. Dabei hat städtische Historiographie mit ihrer vergleichsweise kurzen Tradition im Gegensatz zu Fürsten- oder Bistumsgeschichtsschreibung – erste Texte entstehen in Norditalien mit dem Erstarken der Städte ab dem 13. Jahrhundert – ganz unterschiedliche und auch wechselnde Rezipient*innen, an deren Bedürfnisse ein Text in der einzelnen Handschrift durchaus angepasst wurde. Unterschiedliche Adressat*innen bzw. Rezipient*innen lassen sich hierbei nicht nur beim Vergleich verschiedener Städte miteinander ausmachen: Sowohl aus synchroner Perspektive hinsichtlich einzelner Gruppierungen als auch in diachroner Betrachtung bezüglich der sich verändernden gesellschaftlichen Strukturen innerhalb einer Stadt zeigen sich beim Blick in die Codices ganz unterschiedliche und sich wandelnde Formen des Umgangs mit Werken städtischer Geschichtsschreibung.14 Auch wurden historiographische Texte nicht nur am Ort ihrer Entstehung abgeschrieben, gelesen und benutzt, sondern legten mitunter weite Strecken zurück, sodass mit der Veränderung des geographischen Raums auch eine veränderte Rezeption zu erwarten ist. So ist nicht nur das Produkt städtischer Geschichtsschreibung und der Umgang mit diesen Texten ein lohnenswerter Untersuchungsgegenstand. Auch die Betrachtung der konkreten Produktion und Rezeption städtischer historiographischer Texte, sowohl an deren Entstehungsort als auch über die Stadtgrenzen hinaus, birgt Erkenntnispotential bezüglich der Nutzung und Umnutzung historiographischer Texte. In der hier vorgelegten Untersuchung soll dabei weniger eine klassische Darstellung der Überlieferungsgeschichte eines Werks im Vordergrund stehen, sondern eine kulturwissenschaftliche Perspektive auf Text und Kontext der Chronik Jakob Twingers eingenommen werden.
Die Edition der Twinger-Chronik wurde 1870/71 von Carl Hegel herausgegeben, der zugleich der erste Herausgeber der Editionsreihe ›Die Chroniken der deutschen Städte‹ war.15 Hegel hatte in der Stadtbibliothek Straßburg Zugang zu einem Autograph Twingers, einer Handschrift, die der Kleriker bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1420 fortgesetzt hatte.16 Dieser Text, den Hegel als Klasse C bezeichnete und der in besagtem Autograph unikal überliefert ist, diente als Leithandschrift für die Edition.17 Die Chronik, bestehend aus fünf Kapiteln und einem sich anschließenden Register, behandelt in den ersten drei Kapiteln Universalgeschichte: von der Schöpfung bis zum Ende des Römischen Reichs, eine Kaiser- und Königsgeschichte und eine Geschichte der Päpste bis zur Zeit der Niederschrift. In den beiden folgenden geht es um Straßburgs Vergangenheit, wobei zuerst die Geschichte des Straßburger Bistums, dann die Stadtgeschichte selbst folgt. Die einzelnen Einträge des Registers schließlich, des sechsten Kapitels, haben nicht nur eine Verweisfunktion, um das einzelne Stichwort auf der entsprechenden Seite in der Handschrift zu finden, sondern geben auch eine knappe Zusammenfassung zum jeweiligen Inhalt.18
Nur kurz nach Fertigstellung der Druckfassung durch Hegel wurde die Originalhandschrift Twingers, ebenso wie zahlreiche andere Codices, beim Brand der Stadtbibliothek infolge des Beschusses Straßburgs durch preußische Truppen während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 zerstört.19 Somit stellte Hegels Edition zweifellos eine »rettende That« dar,20 trug jedoch mit dazu bei, dass den zahlreichen Überlieferungsträgern des Werks nur wenig Beachtung geschenkt wurde.21 Hegel kannte 51 Handschriften, die die Chronik ganz oder in Teilen beinhalteten.22 Seit seiner Edition hat sich die Zahl der bekannten Überlieferungsträger mehr als verdoppelt, und im Verlauf der Untersuchungen für diese Arbeit konnten weitere einundzwanzig Handschriftenzeugen identifiziert werden.23 An den nunmehr 128 bekannten Codices lässt sich der Umgang mit dem Text differenzierter und auf breiterer Basis aufzeigen, als dies in früheren Untersuchungen geschehen ist, gerade auch unter Berücksichtigung der Textanteile in den einzelnen Codices.24 Denn während vollständige Abschriften für editorische Zwecke sicher am bedeutsamsten sind, machen diese nur ein knappes Drittel der Überlieferung aus – für einen Großteil der Abschriften wurde der Text modifiziert, gekürzt, angepasst.25
Die zahlreichen Handschriften sind dabei nicht nur in Straßburg und am Oberrhein entstanden, sondern auch an weiter entfernten Orten wie Köln, Augsburg oder Salzburg.
Dass die Chronik in Stra...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1 Einleitung
  6. 2 Prozesse der Aneignung
  7. 3 Prozesse der Kombination
  8. 4 Prozesse der (Re-)Funktionalisierung
  9. 5 Geschichte(n) aus der Stadt – Ergebnisse
  10. Literatur
  11. Handschriftenverzeichnis
  12. Abbildungsverzeichnis
  13. Register der Namen, Personen, Werke und Orte
  14. Anhang